Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 13. Juli 2015 - 2 Sa 439/15
Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.12.2014 – AZ.:14 Ca 2982/14 – im Zinsausspruch abgeändert und wie folgt zur Klarstellung neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 698,46 € brutto (Vergütungsnachzahlung für die Monate August 2013 bis einschließlich Juni 2014) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 401,80 € ab 01.01.2014
aus 31,11 € ab 01.02.2014
aus 31,11 € ab 01.03.2014
aus 31,11 € ab 01.04.2014
aus 31,11 € ab 01.05.2014
aus 84,11 € ab 01.06.2014
aus 84,11 € ab 01.07.2014
zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten darüber, ob in ihrem Arbeitsverhältnis die Vergütungstarifverträge für den Einzelhandel NRW dynamisch anzuwenden sind, sowie um hieraus resultierende Vergütungsansprüche, die die Beklagte nicht erfüllt hat.
3Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelskaufhaus. Sie war zu keinem Zeitpunkt Mitglied des Arbeitgeberverbandes. Die Vergütungstarifverträge im Einzelhandel NRW (Gehaltstarifvertrag, Lohntarifvertrag) waren bis zum 31.03.2000 allgemeinverbindlich. Der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel NRW war bis zum 25.07.2003 allgemein verbindlich. Der Manteltarifvertrag sah eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Eingruppierung vor. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet. Die Beklagte hat in allen der zweiten Kammer des LAG Köln vorliegenden Parallelverfahren den gleichen Formulararbeitsvertrag angewandt, unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch die Vergütungstarifverträge und der Manteltarifvertrag, nur der Manteltarifvertrag oder keiner der Tarifverträge mehr allgemein verbindlich waren.
4Die Beklagte hat auch nach Außerkrafttreten der Allgemeinverbindlichkeit die Vergütungserhöhungen aus den Vergütungstarifverträgen des Einzelhandels NRW vollständig an die Arbeitnehmer weitergegeben. Sie hat dies erst bei der Tariferhöhung (3%), die für den Monat August 2013 rückwirkend im Dezember 2013 in Kraft getreten war, unterlassen. Zum1. Januar 2014 erhöhte die Beklagte die Vergütung ihrer Arbeitnehmer um 2 %. Die weitere tarifvertragliche Vergütungserhöhung zum 01.05.2014 um weitere 2,1 % gab die Beklagte ebenfalls nicht weiter.
5Die klagende Partei trat zum 22.03.2004 in das Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Sie übte zuletzt eine Teilzeitbeschäftigung mit 30/37,5 Wochenstunden aus und ist auf Grund Vergleich vom 23.04.2013 (ArbG Köln AZ 20 Ca 61/13) in Vergütungsgruppe G III b 6. Tätigkeitsjahr eingruppiert. Der Vergleichstext lautet insoweit:
6„Die Klägerin wird ab dem 01.05.2013 entsprechend Vergütungsgruppe G II b 6. Tätigkeitsjahr vergütet.“
7Die klagende Partei stützt ihre Forderung auf den Vergleich und den Arbeitsvertrag. Dort finden sich auf der ersten Seite folgende Erklärungen:
8Tarifliche Einstufung: G 2, 4. Bj.
9Vergütung: Tarifentgelt 1.559,91 EUR
10Gesamtentgelt 1.559,91 EUR
11In den hieran angefügten Allgemeinen Vertragsbedingen ist weiterhin folgendes vereinbart:
12„2. Vergütung
13Die arbeitsvertraglich vorgesehene Eingruppierung des Mitarbeiters erfolgt vorbehaltlich einer späteren Überprüfung. Sollte sich hierbei eine fehlerhafte Eingruppierung herausstellen, erklärt sich der Mitarbeiter damit einverstanden, dass mit Wirkung ab dem auf die Feststellung folgenden Monats eine Neugruppierung herbeigeführt wird. Über-/Unterzahlungen werden mit der nächsten Vergütungsabrechnung verrechnet, wobei auf die sozialen Belange des Mitarbeiters Rücksicht zu nehmen ist und ggf. Überzahlungen auf mehrere Monate zu verteilen sind.
14….
15Freiwillige übertarifliche Zulagen sonstiger Art können bei Änderung der Tarifbezüge, gleich aus welchem Anlass auf die tariflichen Erhöhungen angerechnet werden.
16…..
1713. Schlussbestimmung: Ergänzend gelten die gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen, ebenso wie die im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen.“
18Die klagende Partei stützt sich für ihre Rechtsansicht der dynamischen Tarifgeltung auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.02.2013, 5 AZR 2/12. Danach darf ein durchschnittlicher Arbeitnehmer eine Vergütungsangabe im Arbeitsvertrag i. V. m. der Erklärung “Tarifentgelt“ als Vereinbarung einer dynamischen Tarifgeltung auffassen. Jedenfalls sei eine solche Auslegung nicht fernliegend und der Vertrag damit über § 305 c BGB, der seinem Sinngehalt nach bereits vor der Schuldrechtsreform Anwendung fand, zu Gunsten des Arbeitnehmers auszulegen.
19Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass der Arbeitsvertrag eindeutig als statische Verweisung auf den bei Arbeitsvertragsschluss anwendbaren Vergütungstarifvertrag auszulegen sei. Sie stützt sich hierfür auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.05.2012, 4 AZR 224/10. Danach wolle ein Arbeitgeber nie dynamisch an Tarifverträge gebunden sein, wenn er selber nicht Mitglied im Arbeitgeberverband sei. Dies sei so offensichtlich, dass auch Arbeitnehmer dies erkennen müssten und § 305 c BGB nicht zur Anwendung gelangen könne, da es an einem zweifelhaften Auslegungsergebnis fehle.
20Bei den Arbeitsverträgen, die während der Allgemeinverbindlichkeit der Vergütungstarifverträge geschlossen worden seien, habe die Beklagte nur deklaratorisch auf ihre ohnehin bestehende Verpflichtung zur Zahlung von Tarifvergütung hinweisen wollen. Die Weiterverwendung der Formulare resultiere aus der ursprünglich durch Allgemeinverbindlichkeit gegebenen Tarifbindung. Deshalb habe die Klausel auch für später eingetretene Arbeitnehmer keine andere Bedeutung. Insbesondere dürfe auch die Weiterverwendung des Formulars nach Ende der Allgemeinverbindlichkeit nicht zur Auslegung der zuvor geschlossenen Arbeitsverträge herangezogen werden. Ebenso wenig dürfe die über fast 13 Jahre praktizierte Weitergabe der Tarifergebnisse berücksichtigt werden. Jedenfalls sei durch den Vergleich eine etwaige dynamische Vergütungsabrede statisch gestellt worden.
21Die Beklagte zahlte an die klagende Partei für die Monate August bis Dezember 2013 jeweils 2.412,44 EUR brutto Grundvergütung. Bei dynamischer Tarifgeltung wären 2.492,80 EUR brutto geschuldet gewesen.
22Ab Januar 2014 zahlte die Beklagte an die klagende Partei einen Betrag von 2.460,69 EUR Grundvergütung. Ab Mai 2014 hätte der Tariflohn 2.544,80 EUR betragen.
23Die klagende Partei macht mit der Zahlungsklage die Vergütungsdifferenzen der Monatsvergütung von August 2013 bis Juni 2014 geltend.
24Hinsichtlich der Zinsanträge hat die klagende Partei die Verzinsung der rückständigen Vergütung jeweils am Ersten des Folgemonats beantragt. Dies entspricht der Fälligkeit der Vergütungszahlung nach dem Manteltarifvertrag. Insoweit hat die Beklagte eingewandt, dass sie aufgrund der rückwirkenden Tariflohnerhöhung mit den Vergütungsbestandteilen für die Monate August bis Dezember 2013 frühestens am 01.01.2014 in Verzug geraten sein kann.
25Das Arbeitsgericht hat der klagenden Partei folgende Ansprüche zugesprochen:
261. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 466,02 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 80,36 € seit dem 01.09.2013, aus 80,36 € seit dem 01.10.2013, aus 80,36 € seit dem 01.11.2013, aus 80,36 € seit dem 01.12.2013, aus 80,36 € seit dem 01.01.2014, aus 32,11 € seit dem 01.02.2014 sowie aus 32,11 € seit dem 01.03.2014 zu zahlen.
272. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 232,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 32,11 € seit dem 01.04.2014, aus 32,11 € seit dem 01.05.2014, aus 84,11 € seit dem 01.06.2014 sowie aus 84,11 € seit dem 01.07.2014 zu zahlen.
28Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung und beantragt,
29das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.12.2014 Az. 14 Ca 2982/14 abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen.
30Die klagende Partei beantragt,
31die Berufung zurückzuweisen.
32Beide Parteien vertiefen in der Berufung ihre Ansichten zur Auslegung des Formulararbeitsvertrages und des Vergleichs.
33E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
34Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Vielmehr ist der Zahlungsanspruch mit Ausnahme eines geringen Teils des ausgeurteilten Zinsanspruchs sowohl aus dem Arbeitsvertrag und insbesondere aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich begründet.
35Auf das Arbeitsverhältnis sind die Vergütungstarifverträge des Einzelhandels Nordrhein-Westfalen dynamisch anwendbar. Dies ergibt sich durch Auslegung des Arbeitsvertrages nach §§ 133, 157 BGB i. V. m. § 305 c BGB, da es sich bei dem Formularvertrag um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die vom Arbeitgeber gestellt wurde, handelt.
36Das Gericht folgt dabei der Auslegung des 5. Senats vom 13.02.2013, Az. 5 AZR 2/12.
37Die Anwendung anderer Tarifverträge als derjenigen für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen ist bereits deshalb fern liegend, weil die Beklagte bei der Festlegung der Vergütungsgruppe und der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages gegebenen Vergütungshöhe den Gehaltstarifvertrag für Arbeitnehmer im Einzelhandel NRW anwendete. Eine Unklarheit über die zu Grunde liegende Branche oder den räumlichen Anwendungsbereich eines Tarifvertrages besteht damit nicht.
38Nach Ansicht der erkennenden Kammer enthält die Bezeichnung des Zahlbetrages als „Tarifentgelt“ einen hinreichenden Hinweis darauf, dass nicht nur zufällig der gewählte Betrag mit dem bei Vertragsabschluss gerade gültigen Tarifvertrag übereinstimmt, sondern dass die Bezeichnung „Tarifentgelt“ gewählt wurde, um zum Ausdruck zu bringen, dass „nach Tarif“ gezahlt wird, und dies auch in Zukunft (Wortlautauslegung).
39Auch die Regelung in Nummer 2 des Arbeitsvertrages bringt zum Ausdruck, dass im Arbeitsverhältnis auf jeden Fall die richtige Eingruppierung gelten soll. Eine solche ausdrückliche Regelung spielt dann keine Rolle, wenn ein individuell statisch ausgehandeltes Entgelt geschuldet ist. Die besondere Betonung der Bedeutung der richtigen Eingruppierung, insbesondere der Hinweis darauf, dass auch eine Korrektur der Vergütung zulasten des Arbeitnehmers möglich ist, lässt einen Arbeitnehmer erwarten, dass dann auch entsprechend der gefundenen Eingruppierung jeweils die „richtige“ Vergütung gezahlt wird. Die Fixierung auf eine zu Beginn des Arbeitsverhältnisses gegebene Tarifhöhe würde dazu im Widerspruch stehen. Auch soweit die Arbeitgeberin nach dem noch allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag zur Eingruppierung verpflichtet war und wegen des Vorhandensein eines Betriebsrats auch bei späteren Einstellungen die Einordnung in ein im Betrieb angewendetes Vergütungssystem erforderlich war, bedingte dies nach Ende der Allgemeinverbindlichkeit der Vergütungstarifverträge keinen Gleichlauf der individuellen Vergütungshöhe mit der Vergütungshöhe aus den Tarifverträgen. Es hätte nahegelegen hierzu im Arbeitsvertrag klarzustellen, dass aus der Eingruppierung kein Anspruch auf eine konkrete Vergütungshöhe folgt. Der Wortlaut legt aber das Gegenteil nahe.
40Auch der ausdrückliche Hinweis unter Nummer 2 des Arbeitsvertragsformulars, wonach übertarifliche Zulagen möglich sind, diese bei Änderung der Tarifbezüge aber angerechnet werden können, setzt nach dem Empfängerhorizont voraus, dass Änderungen der Tarifbezüge im Arbeitsverhältnis vorkommen können. Bei einer bloß individuell und statisch vereinbarten Vergütung ist eine solche Regelung überflüssig, da der Arbeitgeber in diesem Falle stets frei ist, die Gesamtvergütungshöhe festzusetzen. Die von der Arbeitgeberin angeführte Variante, dass bei einem Eintritt in den Arbeitgeberverband und beiderseitiger Tarifbindung oder bei einer erneuten Allgemeinverbindlichkeit der Vergütungstarifverträge ein Anwendungsbereich für die Klausel eröffnet sei, ist nicht überzeugend. Denn in diesem Fall handelt es sich nicht um eine Änderung der Tarifbezüge sondern eine erstmalige Geltung der Tarifbezüge. Dem Wortlaut nach erfasst die Klausel aber gerade die erstmalige Tarifanwendbarkeit nicht sondern setzt die Änderung in Folge einer vereinbarten Tarifdynamik voraus.
41Schon die Differenzierung zwischen Tarifentgelt und Zulagen lässt erwarten, dass die verschiedenen Entgeltbestandteile auch verschiedene Entwicklungen nehmen können. Selbst während der Allgemeinverbindlichkeit der Vergütungstarifverträge hätte die Arbeitgeberin den im Arbeitsvertrag genannten Zahlungsbetrag nicht als Tarifentgelt bezeichnen müssen. Ausreichend wäre die Bekanntgabe einer Summe gewesen, deren Höhe nicht unter der Höhe der auf Grund Allgemeinverbindlichkeit geschuldeten Vergütung lag. Tarif ist demgegenüber etwas, das seine Höhe aus der Einbindung in ein System zusammenhängender Leistungsbestimmungen herleitet und speziell im Arbeitsrecht Tarifverträge meint.
42Auch der Hinweis unter Nummer 13 des Vertrages, dass ergänzend die tarifvertraglichen Regelungen gelten, kann vom Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Arbeitnehmers dahin verstanden werden, dass bei Änderung der Vergütungstarifverträge die bisherigen Abreden durch die neuen Tarifverträge zu ergänzen sind. Auch dies spricht für die Auslegungsmöglichkeit einer dynamischen Tarifgeltung.
43Als weiteres Auslegungskriterium kann zudem die sog. „Selbstinterpretation“ des Vertrags herangezogen werden. Das nachvertragliche Verhalten der Parteien ist Indiz dafür, wie die Parteien den Vertrag bei Abschluss verstanden haben (vergl. BGH 06.11.2003, III ZR 376/02; Busemann: Arbeitsvertrag, Vertragspraxis und Konkretisierung, NZA 2015,S. 705). Die Beklagte hat weder nach Ende der Allgemeinverbindlichkeit der Vergütungstarifverträge, noch nach Ende der Allgemeinverbindlichkeit des Manteltarifvertrags noch bei späteren Vertragsänderungen den Wortlaut des Arbeitsvertrages klargestellt oder geändert, sondern die Formulare lange Zeit weiter verwandt. Sie hat ohne Vorbehalt die jeweiligen Tariferhöhungen bis zum Jahr 2013 vollständig weiter gegeben. Auch dies kann als Hinweis gewertet werden, dass sie den Vertrag zunächst selbst als dynamisch verstanden hat.
44Bei der Auslegung ist auch zu berücksichtigen, dass Arbeitsverträge als Dauerschuldverhältnis regelmäßig von beiden Parteien auf eine lange Dauer angelegt werden. Für langfristige Vertragsbindungen ist aber Flexibilität in den Vertragsbedingungen besonders bedeutsam und z.B. im Fall des § 106 GewO ausdrücklich kodifiziert. Eine dynamische Geltung von Vertragsregeln, die sich automatisch anpassen, ist deshalb auch im Hinblick auf die Vergütung nicht fernliegend. Eine nicht in die Zukunft schauende, den Anpassungsbedarf nicht antizipierende Regelung einer statisch fixen Vergütung wird den Bedürfnissen eines Dauerschuldverhältnisses aus Sicht beider Vertragsparteien eher weniger gerecht.
45In Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des 4. Senats des BAG ist nach Ansicht der Kammer noch weiteres bei der Auslegung zu berücksichtigen: Der Anwendungsbereich des § 305 c BGB ist dann eröffnet, wenn eine Formulierung unklar ist und mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen. Dies ist nach Ansicht der Kammer dann der Fall, wenn ein Arbeitgeber die von ihm gewollte Rechtsfolge mit wenigen klaren Worten eindeutig hätte formulieren können, dies aber nicht geschehen ist. So hätte sich im vorliegenden Fall angeboten, unter die Vergütungsregelung den Satz anzufügen: „Eine Tarifdynamik ist nicht vereinbart.“ Alternativ hätte die Arbeitgeberin folgenden Satz verwenden können: „Vergütungserhöhungen liegen in unserem Ermessen“ oder: „Es gelten nur die am Tag des Arbeitsvertragsschlusses anwendbaren Tarifverträge“. Mit diesen kurzen eindeutigen Sätzen hätte die Arbeitgeberin den Inhalt des Arbeitsvertrages von vorneherein klarstellen können. Dies gilt auch hinsichtlich der Arbeitnehmer, die zur Zeit der Allgemeinverbindlicherklärung der Vergütungstarifverträge eingestellt wurden. Bei diesen hätte die Arbeitgeberin wie folgt formulieren können: „Die Vergütung entspricht solange den Vergütungstarifverträgen für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen, solange diese allgemeinverbindlich sind. Danach erfolgt keine Weitergabe von Tariferhöhungen“.
46Da die Arbeitgeberin nicht tarifgebunden war, ist zudem die Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede nicht anwendbar. Es war ohne weiteres möglich, die Arbeitnehmer klar über die Frage, ob eine Tarifdynamik gewollt ist, in Kenntnis zu setzen. Denn dies liegt beim nicht tarifgebunden Arbeitgeber allein in dessen Entscheidung und setzt keine „verbotene“ Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit voraus.
47Die erkennende Kammer meint auch, dass ein Arbeitgeber auf die Vergütungsvereinbarung in gleicher Weise Sorgfalt verwenden muss, wie auf Freiwilligkeits- oder Wiederrufklauseln in Arbeitsverträgen. Die gewählte Formulierung hält die Arbeitnehmer bewusst im Unklaren über die im Vertrag geltenden Regelungen.
48Die erkennende Kammer stimmt mit dem 4. Senat des BAG aber insbesondere in der Frage, welche Vorstellungen sich Arbeitnehmer in einer Bewerbungssituation bei Abschluss des Arbeitsvertrages über die Motive ihres zukünftigen Arbeitgebers zur Verwendung von statischen oder dynamischen Vertragsklauseln machen, nicht überein. Es ist schon zweifelhaft ob Arbeitnehmer regelmäßig darüber Kenntnis haben, ob Tarifverträge allgemeinverbindlich sind oder nicht, wenn sie selber nicht Gewerkschaftsmitglied sind. Erst recht erscheint es fernliegend, dass ein Arbeitnehmer erraten kann, ob der ihm gegenüber sitzende Arbeitgeber zur Zeit in einem Arbeitgeberverband organisiert ist oder nicht. Nach Ansicht der Kammer trifft aber insbesondere die Annahme nicht zu, ein Arbeitnehmer gehe davon aus oder müsse davon ausgehen, ein Arbeitgeber wolle immer eine statische Vergütungsvereinbarung abschließen, insbesondere der nicht im Arbeitgeberverband organisierte Arbeitgeber wolle sich einer Tarifdynamik nicht unterwerfen.
49Auch aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers ergeben sich durchaus Gesichtspunkte, die die Vereinbarung einer Tarifdynamik durch nicht im Arbeitgeberverband organisierte Arbeitgeber sinnvoll erscheinen lassen. Auch ein nicht im Arbeitgeberverband organisierter Arbeitgeber kann ein Interesse daran haben, den gewerkschaftlichen Organisationsgrad seiner Arbeitnehmer gering zu halten, um insgesamt die Gewerkschaft aus dem Betrieb zu halten und auch den Streik um einen Haustarifvertrag zu vermeiden. Die Vereinbarung einer dynamischen Weitergabe des Ergebnisses von Tarifverhandlungen ist deshalb für einen nicht im Arbeitgeberverband organisierten Arbeitgeber die günstigste Möglichkeit, den Organisationsgrad und das gewerkschaftliche Engagement seiner Arbeitnehmer gering zu halten. Da zudem die abgeschlossenen Tarifverträge in der Regel die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Konkurrenz widerspiegeln, ist die Vereinbarung einer Tarifdynamik die einfachste Möglichkeit, innerbetriebliche Diskussionen über die richtige Vergütungshöhe und die richtigen Vergütungsabstände zwischen Arbeitnehmergruppen im Keim zu ersticken, solange der Arbeitgeber gleich leistungsstark ist, wie seine Konkurrenz. Auch verhindert die Zahlung von Tariflohn die Abwanderung gerade der leistungsstärkeren Arbeitnehmer zur Konkurrenz. Arbeitnehmer, die sich innerhalb einer Vergütungsstruktur richtig eingeordnet sehen und gerecht bezahlt fühlen, sind zudem mit ihrem Arbeitsplatz zufriedener, erbringen bessere Leistungen und fühlen sich dem Betrieb besser verbunden und verpflichtet. Tarifvertraglich ausgehandelte Vergütungsordnungen vermitteln dieses Gefühl einer gerechten Bezahlung und beugen der inneren Kündigung vor. Eine statische Vergütungsvereinbarung hat weiter den Nachteil, dass einzelne Arbeitnehmer oder auch Arbeitnehmergruppen einzelner Abteilungen nicht gehindert sind, zu jedem beliebigen Zeitpunkt Vergütungserhöhungen zu verlangen und Gehaltsgespräche zu führen. Es ergeben sich damit auch aus Sicht eines nicht im Arbeitgeberverband gebundenen Arbeitgebers Gesichtspunkte, die die Vereinbarung einer dynamischen Tarifgeltung vorteilhaft erscheinen lassen. Erst recht können dann Arbeitnehmer annehmen, dass diese Vorteile ihren Arbeitgeber dazu bewogen haben mögen, im Arbeitsvertrag die gezahlte Vergütung als „Tarifentgelt“ zu bezeichnen und eine dynamische Vergütung zu vereinbaren.
50Nach alledem ist nach Ansicht der erkennenden Kammer der Anwendungsbereich des § 305 c BGB eröffnet. Er führt im vorliegenden Fall dazu, dass der Arbeitsvertrag so auszulegen ist, dass eine dynamische Anwendung der Vergütungstarifverträge für den Einzelhandel in NRW vereinbart ist.
51Die Zahlungsforderung ist auch auf Grund der Auslegung des gerichtlichen Vergleichs vom 23.04.2013 begründet. Der Vergleichstext lautet nicht dahin, dass eine „richtige“ Vergütungsgruppe festgestellt wird, sondern, dass der Klägerin die Zahlungen „entsprechend“ einer als richtig festgestellten Vergütungsgruppe zustehen. Dies kann nur dahin verstanden werden, dass der jeweilige Vergütungsbetrag, der sich für die gefundene Vergütungsgruppe ergibt, an die Klägerin gezahlt wird. Eine statische Geltung der am 23.05.2013 gegebenen tariflichen Vergütungshöhe lässt sich dem Vergleich auch nicht ansatzweise entnehmen. Der Vergleich unterscheidet damit einen vollstreckungsfähigen Nachzahlungsbetrag und eine fortlaufend für die Zukunft geltende abstrakte Vergütungsregelung, die der jeweiligen Vergütung der Tarifgruppe G III b, 6. Tätigkeitsjahr entspricht, sich also auch in der Zukunft bei Änderungen aus der abstrakt genannten Vergütungsgruppe ableitet.
52Die Zahlungshöhe ergibt sich aus der Differenz zwischen der Tarifvergütung der Tarifgruppe G III b 6. Tätigkeitsjahr bei einer arbeitsvertraglichen Teilzeit von 30/37,5 Wochenstunden und der bereits gezahlten Bruttovergütung. Da sich aus dem Arbeitsvertrag keine Teilzeitquotelung nach Monatsstunden wie bei einigen anderen Mitarbeitern ergibt, ist die Klageforderung unter Anwendung von Dreisatz/Prozentrechnung richtig gequotelt worden (80% eines Vollzeitvertrages).
53Aufgrund des Abschlusses des Tarifvertrages am 10.12.2013 und der rückwirkenden Tarifgeltung ist der Zinsanspruch für die Vergütungsnachzahlung für die Monate August bis Dezember 2013 frühestens ab 01.01.2014 schlüssig. Zuvor bestand kein Annahmeverzug. Im Übrigen folgt der Zinsanspruch aus§§ 286, 288 Abs.1 BGB.
54Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die relativ geringfügige Zuvielforderung rechtfertigt keine Kostenteilung § 92 Abs.2 ZPO.
55Die Revision wurde zugelassen, da angesichts der Auslegungsdifferenzen zwischen dem 4. und 5. Senat eine Klärung von allgemeiner Bedeutung erscheint.
56Rechtsmittelbelehrung
57Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
58R E V I S I O N
59eingelegt werden.
60Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
61Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
62Bundesarbeitsgericht
63Hugo-Preuß-Platz 1
6499084 Erfurt
65Fax: 0361-2636 2000
66eingelegt werden.
67Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
68Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
69- 70
1. Rechtsanwälte,
- 71
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 72
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
74Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
75Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
76* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Annotations
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.