Gericht

Tenor

I. Die Zustimmung der Beklagten zur Eingruppierung von Frau A. in die Entgeltgruppe 1, Stufe 2, ABD, Teil A 3., Anlage 4 wird ersetzt.

II. Die Zustimmung der Beklagten zur Eingruppierung von Frau B. in die Entgeltgruppe 1, Stufe 2, ABD, Teil A 3., Anlage 4 wird ersetzt.

III. Die Zustimmung der Beklagten zur Eingruppierung von Frau C. in die Entgeltgruppe 1, Stufe 2, ABD, Teil A 3., Anlage 4 wird ersetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die gerichtliche Ersetzung der von der beklagten Mitarbeitervertretung (MAV) verweigerten Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterinnen A., B. und C.

Die Klägerin betreibt zum einen das Tagungs- und Bildungshaus D. und weiter das Jugendgästehaus E. In der erstgenannten Einrichtung sollten zum 05.09.2016 Frau A. und Frau C. als Haushaltshilfen eingestellt und in die Entgeltgruppe (EG) 1, Stufe 2, ABD, Teil A 3., Anlage 4 eingruppiert werden. In gleicher Weise sollte Frau B. im Jugendhaus Jugendgästehaus E. zum 16.08. 2016 eingestellt und eingruppiert werden.

Mit Schreiben vom 25.07. bzw. 01.08.2016 beantragte die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zu diesen Personalmaßnahmen. Im Folgenden stimmte die Beklagte den beantragten Einstellungen zu, verweigerte hingegen die Zustimmung zu den beabsichtigten Eingruppierungen mit der Begründung, es werde damit gegen das Arbeitsvertragsrecht der bay. (Erz-) Diözesen (im Folgenden: ABD) verstoßen. Die betroffenen Mitarbeiterinnen würden keinesfalls nur einfachste Tätigkeiten verrichten und müssten deshalb anstelle EG 1 in die EG 2 eingruppiert werden (vgl. Anlage K4). Auch eine danach stattgefundene Einigungsverhandlung blieb erfolglos. Die Beklagte hielt an ihrer Zustimmungsverweigerung fest (vgl. Schreiben v. 13.09.2016, Anlage K6).

Im Folgenden hat die Klägerin das Verfahren vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht mit dem Ziel der gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung der Beklagten zu den Eingruppierungen anhängig gemacht und hier ausgeführt, die Mitarbeiterinnen A., B. und C. würden als Haushaltshilfen in den Einrichtungen Tagungs- und Bildungshaus D. und Jugendgästehaus E. nur einfachste Tätigkeiten erledigen. Dazu habe in den Jahren 2013/2014 eine Organisationsuntersuchung durch ein Fachinstitut stattgefunden, in der die Einordnung der Aufgaben der Haushaltshilfen als „einfachste Tätigkeiten" ausdrücklich bestätigt worden seien. Deren Gesamttätigkeit in beiden Einrichtungen würde sich ungefähr zu je einem Drittel auf Reinigungsarbeiten (Zimmer/ Tagungsräume), Service/Speisesaal und Mithilfe in der Küche aufgliedern lassen. Bei den Reinigungsarbeiten genüge eine angemessen kurze Einweisung, keinesfalls sei eine einwöchige Schulung erforderlich. Es würden keine eigenen Entscheidungen oder aufwändigere Qualitätsstandards abverlangt. Es sei richtig, dass in den Einrichtungen verschiedene Bodenbeläge existierten.

Aber die dafür erforderlichen Reinigungsmittel seien eindeutig gekennzeichnet (beschriftet). Zwar gebe es im Tagungs- und Bildungshaus D. kunsthistorisch besondere Räume mit einem vereinzelt höheren Reinigungsaufwand. Dafür seien aber in dieser Einrichtung 13 Reinigungskräfte schwerpunktmäßig tätig. Die hier streitigen Mitarbeiterinnen würden deshalb nur für die Bodenreinigung eingesetzt.

Bei der Tätigkeit im Service ginge es im Wesentlichen um das Bereitstellen und Auftragen der Speisen sowie das Abräumen des gebrauchten Geschirrs. Diese Tätigkeit der Serviererin entspräche dem tariflichen Richtbeispiel. Das Kassieren von Getränken falle im Jugendgästehaus E. nicht an, weil dort fast nur Jugendgruppen untergebracht seien, bei denen die Getränke über die Pauschale abgegolten seien. Im Tagungs- und Bildungshaus D. kann es zu Einzelbestellungen von Getränken seitens der Gäste kommen. Dann sei nicht auszuschließen, dass die Haushaltshilfen in wenigen Fällen Getränke kassierten.

In der Küche würden einfache Hilfsarbeiten bei der Speisenbereitung erledigt, wie Gemüse- und Salatputzen oder ähnliches. Dabei würden auch einfache Küchengeräte bedient. Auch bei den Spülu. Küchenreinigungsaufgaben finde ein einfacher Maschineneinsatz statt. Die verwendete Profispülmaschine müsse nur nach simplen Regeln befüllt und dann die Einschalttaste bedient werden. Insgesamt würden die einfachsten Funktionen das Tätigkeitsbild der Haushaltshilfen eindeutig dominieren.

Soweit sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erstmals darauf berufen habe, dass die Eingruppierung der Mitarbeiterinnen nach ABD, Teil A 2.3, S (Wirtschaftspersonal in Anstalten u. Heimen) zu erfolgen habe, sei dies schon deshalb unbehelflich, weil von der Beklagten nicht mit der Zustimmungsverweigerung vorgetragen. Im Übrigen gehe die EG 1, Teil A. 3., Anlage 4 den Regelungen über das Wirtschaftspersonal in Anstalten u. Heimen als Spezialregelung vor.

Die Klägerin hat deshalb beantragt,

I. Die Zustimmung der Beklagten zur Eingruppierung von Frau A. in die Entgeltgruppe 1, Stufe 2, ABD, Teil A 3., Anlage 4 wird durch die Entscheidung des Gerichts ersetzt.

II. Die Zustimmung der Beklagten zur Eingruppierung von Frau B. in die Entgeltgruppe 1, Stufe 2, ABD, Teil A 3., Anlage 4 wird durch die Entscheidung des Gerichts ersetzt.

III. Die Zustimmung der Beklagten zur Eingruppierung von Frau C. in die Entgeltgruppe 1, Stufe 2, ABD, Teil A 3., Anlage 4 wird durch die Entscheidung des Gerichts ersetzt.

Die Beklagte hat hingegen beantragt,

die Klage insgesamt abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klage sei unbegründet, weil sie zu Recht bei der von der Klägerin begehrten Eingruppierung der Mitarbeiterinnen A., B. und C. einen Rechtsverstoß nach der kirchlichen Ordnung (ABD) reklamiert habe.

Die Vorgenannten leisteten als Haushaltshilfen in den Einrichtungen Tagungs- und Bildungshaus D. und Jugendgästehaus E. keinesfalls nur einfachste Tätigkeiten im Sinne der EG 1. Ihre Tätigkeit müsste tariflich als einheitlicher Arbeitsvorgang gewertet werden und könne wegen der erforderlichen Einarbeitung, der Maschinenbedienung und den Sorgfaltsvorgaben nicht der von der Klägerin herangezogenen EG 1 zugeordnet werden. Dies gelte auch, wenn der von der Klägerin behaupteten Gliederung in die Einheiten Zimmerservice/Reinigung, Service/Speisesaal und Küche gefolgt würde. Allerdings sei in diesem Zusammenhang zu bestreiten, dass diese Einheiten jeweils einen Zeitanteil von ca. einem Drittel ausmachen würden. Genauere Angaben könne aber auch die Beklagte nicht machen.

Die Tätigkeiten im Service/Speisesaal seien schon deshalb nicht einfach, weil jedenfalls im Ta-gungs- und Bildungshaus D. von einem Teil der Gäste auch individuell bestellte Getränke abzukassieren seien. In der Küche gehe es nicht nur um die Mitarbeit bei der Speisenzubereitung, sondern es müssten dort unterschiedliche Maschinen, z.B. eine gewerbliche Spülmaschine, eine Waschmaschine und Haushaltsschneidemaschine bedient werden. Auch der Bereich „Reinigung/Zimmerservice“ sei anspruchsvoller als eine einfachste Tätigkeit. So müssten für unterschiedliche Böden in den Einrichtungen unterschiedliche Reinigungsmittel mit einer Einteilung von speziellen Reinigungslappen (nach einem Farbsystem) genutzt werden. Daraus ergäben sich besondere Qualitätsanforderungen, die von den Haushaltshilfen zu bewältigen seien. Deshalb sei davon auszugehen, dass es für jeden der drei Bereiche einer Einarbeitungszeit von je einer Woche bedürfe. Insgesamt sei die tarifliche Bewertung nach EG 1 unrichtig. Die Haushaltshilfen seien nach EG 2 einzugruppieren.

Schließlich könne sich die Beklagte - wie geschehen - auch noch in der mündlichen Verhandlung auf die eigentlich richtige Eingruppierung der streitigen Mitarbeiterinnen in die Vergütungsordnung ABD, Teil A.2.3, S (Wirtschaftspersonal in Anstalten u. Heimen) berufen. Sie habe nämlich mit der Zustimmungsverweigerung vom 05.08.2016 generell den Verstoß gegen das ABD gerügt. Deshalb sei die nachträgliche Einwendung bezüglich der Vergütungsordnung ABD, Teil A 2.3. S nicht verspätet.

Zum weiteren Vorbringen der beteiligten Parteien wird auf die Niederschrift aus der mündlichen Verhandlung sowie auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich deren Anlagen verwiesen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig.

Der Rechtsweg und die sachliche Zuständigkeit des Kirchlichen Arbeitsgerichts sind gegeben, da eine Streitigkeit aus dem Mitarbeitervertretungsrecht vorliegt (§ 2 Abs. 2 KAGO in Verbindung mit § 33 Abs. 4 MAVO).

Das Kirchliche Arbeitsgericht für die Bayerischen (Erz-) Diözesen ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KAGO auch örtlich zuständig, weil die beklagte MAV ihren Sitz in dessen Gerichtsbezirk hat.

Auch im Übrigen begegnen der Zulässigkeit der Klage keine Bedenken. Die Klägerin hat das vorgeschaltete Einigungsverfahren (§ 33 Abs. 3, S.1 MAVO) unstreitig durchgeführt.

II.

Die Klage ist auch sachlich begründet.

Die von der Klägerin begehrte Eingruppierung der Mitarbeiterinnen A., B. und C. in die EG 1, Stufe 2, ABD, Teil A. 3., Anlage 4 widerspricht nicht der kircheneigenen Ordnung in Gestalt des ABD. Das Kirchliche Arbeitsgericht hatte deshalb die fehlende Zustimmung der Beklagten zur vorgenannten Eingruppierung zu ersetzen (§§ 33 Abs. 4, 35 Abs. 2 Nr.1 MAVO, ABD Teil A.3.).

1. Bei der Eingruppierung handelt es sich um eine personelle Einzelmaßnahme des Dienstgebers, bei der das Mitbestimmungsrecht der MAV nach § 35 Abs. 1 MAVO eröffnet ist. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 25.07./ 01.08.2016 entsprechende Zustimmungsanträge unter Mitteilung der vorgesehenen Eingruppierung an die Beklagte gerichtet (§ 33 Abs. 2, S.1 MAVO). Die Beklagte hat mit Schreiben vom 05.08. 2016 die Zustimmung zur Eingruppierung verweigert und sich dabei auf Verstöße gegen das ABD (kircheneigene Ordnung) berufen und dies weiter begründet. Auch nach der Einigungsverhandlung hat die Beklagte -fristgerecht - an der Zustimmungsverweigerung festgehalten. Es liegt als eine formell ordnungsgemäße Zustimmungsverweigerung der Beklagten vor (§§ 33 Abs. 2 u.3, 35 Abs. 2 Nr.1 MAVO). All dies ist zwischen den Parteien nicht streitig.

2. Die Eingruppierung des/der Mitarbeiters/in in das Regelwerk einer für das Dienst-/ Arbeitsverhältnis normativ oder individualrechtlich geltenden Vergütungsordnung ist keine rechtsgestaltend in das Ermessen des Dienstgebers gestellte Entscheidung. Es gilt vielmehr die sog. Tarifautomatik, d.h. der Mitarbeiter ist in der Vergütungs- oder Entgeltgruppe eingruppiert, die der ihm übertragenen und von ihm ausgeübten Tätigkeit entspricht (vgl. ABD, Teil A, 2.13 Lohngruppenverzeichnis § 2 in Verbindung mit A. 3., Abschnitt IV § 17). Danach nimmt also der Dienstgeber bei der Eingruppierung eine Zuordnung zu einer Vergütungsgruppe vor, die nach seiner Bewertung des Sachverhalts und der rechtlichen Einordnung der Tätigkeit des Mitarbeiters entspricht. Eingruppierung ist Rechtsanwendung, nicht Rechtsgestaltung. Entsprechend kommt der zu beteiligenden MAV „nur“ ein Mitbeurteilungsrecht zu, sie kann hingegen den Inhalt des Arbeitsvertrages nicht mitgestalten (st. Rspr. vgl. BAG v. 27.10.2010, 7 ABR 96/09; Thiel/Fuhrmann/ Jüngst [T/F/J], MAVO, 7. Auflage, § 35 Rdnr. 6; Freiburger Kommentar [FK]Sroka, § 35 MAVO Rdnr.9/10).

3. Für die Eingruppierung der Mitarbeiterinnen A., B. und C. sind folgende Vorschriften des ABD maßgeblich:

A, 3., Anlage 4: EG 1 Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten, zum Beispiel Essensu. Getränkeausgeber/innen Garderobenpersonal Spülen u. Gemüseputzen u. sonstige Tätigkeiten im Hausu. Küchenbereich Reiniger/innen im Außenbereich wie Höfe, Wege, Grünanlagen, Parks Wärter/innen von Bedürfnisanstalten Servierer/innen Hausarbeiter/innen Hausgehilfe/innen Bote/Botin (ohne Aufsichtsfunktion)

Hinweis: Diese Zuordnung gilt unabhängig von bisherigen Zuordnungen zu Vergütungs/Lohngruppen

EG 2 Verweis/Überleitung auf (frühere) Vergütungsgruppe IX b, X bzw. (frühere) Lohngruppe 1

4. a) Die Eingruppierung des Mitarbeiters einschließlich seiner Zuordnung zu einer Entgeltoder Vergütungsordnung hat grundsätzlich tätigkeitsbezogen zu geschehen. Die Entgeltoder Vergütungsgruppen werden regelmäßig durch Tätigkeitsmerkmale beschrieben. Die gesamte Tätigkeit des einzugruppierenden Mitarbeiters kann sich auch in abgrenzbare und selbständig zu bewertende Teiltätigkeiten untergliedern. Der aus dem Angestelltenbereich (früherer BAT) geläufige Begriff des „Arbeitsvorgangs“ ist für den hier maßgeblichen gewerblichen Bereich (Lohngruppenverzeichnis) nicht anwendbar. Es gelten nämlich für die Lohngruppen die bisherigen Regeln fort (ABD, A.3, Abschnitt IV, § 17 Abs. 1). Die allgemeinen Bewertungsregelungen sind jedoch auch hier nach dem Rechtsgedanken nutzbar zu machen (vgl. BAG v. 28.01. 2009, 4 ABR 92/07, NZA 2009, 1042). Für die Eingruppierung ist es deshalb letztlich von zentraler Bedeutung, dass für zumindest die Hälfte der Aufgaben Tätigkeiten festgestellt werden, die die Tarifmerkmale der begehrten/geforderten Entgeltgruppe (früher: Lohngruppe) erfüllen (ABD, Teil A, 2.13, § 2 Abs. 1). Benennt die Entgeltgruppe sog. Richtbeispiele, haben die Tarifparteien damit in typisierender Weise eindeutig festgelegt, dass der tarifliche Oberbegriff (hier: einfachste Tätigkeit) bei der als Beispiel bezeichneten Tätigkeit erfüllt ist (BAG v. 20.06.2012, 4 AZR 438/10, NZA-RR 2013, 200). Andererseits bedeutet eine beispielhafte Aufzählung keine abschließende Definition der jeweiligen Tätigkeiten. Vielmehr ist für nicht als Richtbeispiel genannte Tätigkeiten auf den Oberbegriff zurückzugreifen (BAG v. 28.01.2009, a.a.O.).

b) Nach dem gesamten Vorbringen der Parteien geht das Kirchliche Arbeitsgericht bei der hier zu bewertenden Tätigkeit „Haushaltshilfe“ davon aus, dass sich hier nach den tatsächlichen Inhalten und der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise eine Gliederung in die abgrenzbaren Teiltätigkeiten „Küche“, „Service/Speisesaal“ und „Reinigung/Putzen“ ergibt. Eine solche Struktur lässt sich insbesondere ungekünstelt aus der von der Beklagten vorgelegten Stellen-/Aufgabenbeschreibung „Haushaltshilfe“ (vgl. Anlage B1) entnehmen. Weiter hat die Beklagte selbst in der Klageerwiderung vom 10.11. 2016 auf die Dreiteilung der strittigen Aufgaben rekurriert. Eine pauschalisierende Gesamttätigkeit kann die Kammer hingegen nicht erkennen. Sie würde die unterscheidbaren Arbeitsinhalte und Arbeitsergebnisse vernachlässigen.

Aufgrund der intensiven Erörterung mit den Parteivertretern in der mündlichen Verhandlung legt die Kammer für die weitere Bewertung auch zugrunde, dass die drei genannten Teileinheiten jeweils einen Zeitanteil von ca. einem Drittel ausmachen. Die Klägerin hat sich dazu auf die Erkenntnisse und Feststellungen von Frau F. bezogen. Diese ist - wie von der Klägerin richtig gestellt - die Hauswirtschafterin und stellvertretende Hauswirtschaftsleiterin der Einrichtung Tagungs- und Bildungshaus D., also eine unmittelbar sachkundige Person. Die Beklagte hat diese zeitliche Aufteilung zwar (formal) bestritten, konnte aber ein konkretes anderes Zeitmaß auch nicht vortragen. Warum der Beklagten als Organ der Mitarbeitervertretung dazu eine geeignete Darlegung nicht möglich sein soll, ist nicht erkennbar geworden ist. Insbesondere hat die Beklagte aber auch nicht behauptet, eine der Teiltätigkeiten würde die Hälfte oder mehr der Gesamttätigkeit ausmachen; nur solches hätte eine Entscheidungsrelanz entfalten können. Die Kammer sah deshalb keine Möglichkeit, dem Einwand der Beklagten weiter nachzugehen, sondern macht sich - dem Rechtsgedanken nach - die Wertungen aus § 138 Abs. 4 ZPO zu Eigen. Weiter sind für die Kammer keine Erkenntnisse hervorgetreten, dass die Klägerin (als Körperschaft des öffentlichen Rechts) mit ihrem Vorbringen gegen die prozessuale Wahrheitspflicht verstoßen will (§ 138 Abs. 1 ZPO).

c) Für die konkrete Zuordnung der Entgeltgruppe ist zunächst festzuhalten, dass sich die von der Klägerin benannte Funktion „Haushaltshilfe“ nicht unmittelbar unter der Reihung der Richtbeispiele für die EG 1 befindet. Wie oben bereits ausgeführt, hindert dies jedoch nicht, die strittigen Aufgaben unter den Oberbegriff der Entgeltgruppe zu subsumieren. Allerdings ist hier bereits festzuhalten, dass „Haushaltshilfe“ den in der Norm aufgeführten Richtbeispielen „Hausgehilfin“ und „Hausarbeiterin“ jedenfalls vom allgemeinen Sprachgebrauch her schon sehr nahe kommt.

Für den Oberbegriff der Norm (einfachste Tätigkeit) als unbestimmter Rechtsbegriff sind folgende Kriterien - von denen auch die Kammer ausgeht - herausgearbeitet worden. Es muss sich um eine Anlerntätigkeit handeln, für die nur eine kurze Einweisung oder Anlernphase (höchstens zwei Arbeitstage) erforderlich ist; weiter müssen im Wesentlichen gleichförmige Arbeiten ohne eigenen Entscheidungs- oder Verantwortungsbereich zu erledigen sein (BAG v. 28.01. 2009, a.a.O.; BAG v. 20.05.2009, 4 AZR 315/08; BAG v. 01.07.2009, 4 ABR 16/08). Zu beachten ist allerdings, dass allein das Tätigwerden in mehreren unterschiedlichen Teilaufgaben die Tätigkeit insgesamt nicht schon deshalb über das Niveau der einfachsten Tätigkeiten hinaushebt; dies gilt jedenfalls dann, wenn die Teilaufgaben für sich als „einfachst“ zu qualifizieren sind (BAG v. 20.05. 2009, 4 ABR 99/08, NZA-RR 2009, 672).

d) In der weiteren Subsumtion des hiesigen Sachverhalts ist die Kammer zu folgender Bewertung der gegenständlichen Teilaufgaben gelangt:

Im Küchenbereich erschöpft sich die Tätigkeit der Haushaltshilfen in der Mithilfe bei der Speisenvoru. zubereitung, teilweise unter Verwendung einfacher Küchengeräte oder Maschinen. Hinzukommt die Spültätigkeit, ebenfalls unter Einsatz einer Spülmaschine für den gewerblichen Gebrauch. Diese Aufgaben entsprechen fast wortgenau dem normativen Richtbeispiel „Spülen u. Gemüseputzen u. sonstige Tätigkeiten im Hausu. Küchenbereich“. Wegen der den tariflichen Normgebern zukommenden typisierenden und generalisierenden Bewertungskompetenz bei der Festlegung von Richtbeispielen muss es dabei verbleiben. Unabhängig davon sind aber auch keine Erkenntnisse dahingehend hervorgetreten, dass die hier zu bewertende Küchentätigkeit anspruchsvollerer Natur wäre. Dies gilt gerade auch für die Arbeit mit der Spülmaschine, bei der das grob vorgereinigte Geschirr nur eingeschichtet werden muss und dann der Startknopf zu bedienen ist. Der Spülvorgang selbst läuft automatisch ab. Deshalb gelangt diese Funktion über eine gleichförmige Tätigkeit ohne besondere (eigene) Verantwortung nicht hinaus.

In der Teilaufgabe „Service/Speisesaal“ sind im Wesentlichen die Speisen bereitzustellen, sie aufzutragen, das benutzte Geschirr abzutragen, Getränke bereitzustellen oder aufzutragen oder auch Speisen für Büfetts anzurichten und/oder auszuteilen. Auch hier ist zwanglos auf die normierten Richtbeispiele „Serviererin“ und „Essens-u. Getränkeausgeberin“ zu verweisen. Mit diesen Richtbeispielen sind die Aufgaben der Haushaltshilfen im Bereich „Service/Speisesaal“ hinreichend erfasst. Sie übersteigen die einfachsten Tätigkeiten also nicht. Allerdings hat die Beklagte hier geltend gemacht, dass im Service der Einrichtung Tagungs- und Bildungshaus D. (nicht hingegen Jugendgästehaus E.: also nicht für Frau B.) auch - jedenfalls teilweise - ausgegebene Getränke zu kassieren seien. Dies hat die Klägerin für Einzelbestellungen bei alkoholischen Getränken konzediert, aber geltend gemacht, dies komme nur im geringeren Umfang vor. Das Abkassieren unterschiedlicher Getränkepreise und das Herausgeben von Wechselgeld würde auch nach Einschätzung der Kammer des Kirchlichen Arbeitsgerichts die „einfachste Tätigkeit“ übersteigen. Jedoch können solche Einzelaufgaben die Bewertung der Teil- oder Gesamttätigkeit nur beeinflussen, wenn sie in einem rechtserheblichen Ausmaß in der Aufgabe anfallen, also ohne diese höhere Qualifikation die Arbeitsaufgabe insgesamt nicht bewältigt werden kann (BAG v. 21.03.2012, 4 AZR 266/10 m. w. N.). Von diesen Kriterien geht die Kammer für das Getränkeinkasso weder nach dem zeitlichen Umfang noch nach der inhaltlichen Ausrichtung aus.

Die Teiltätigkeit „Reinigung/Putzen“ ist hier unstreitig ausschließlich im Innenbereich zu erledigen. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Reinigung der Küche, der Gästezimmer, Vortrags-, Veranstaltungsu. Aufenthaltsräume sowie auf die Bodenreinigung. Richtig ist, dass dabei bis zu 4 unterschiedliche Bodenarten gereinigt werden müssen. Weiter ist richtig, dass die Innenreinigung keinem tariflichen Richtbeispiel zugeordnet werden kann. Dies schließt jedoch die Zuordnung zur EG 1 nicht aus. Vielmehr ist zu prüfen, ob die konkrete Reinigungsaufgabe unter den Oberbegriff „einfachste Tätigkeit“ eingeordnet werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um sehr alltägliche Putzu. Reinigungsaufgaben handelt, die keine besonderen Sorgfaltsanforderungen beinhalten und die nur einer kurzen Einweisungs- und Anlernphase bedürfen. Auch darf es nicht zur Anwendung von spezialisierten Reinigungsmitteln oder -geräten kommen. Solche spezialisierten Reinigungsaufgaben sind bei besonderen Hygieneanforderungen, wie in Kliniken oder stationären Pflegeeinrichtungen, anzunehmen. Die (bloße) Beachtung eines Reinigungsplans oder die vorgegebene Anwendung unterschiedlicher Reinigungsmittel genügt den höheren Anforderungen hingegen nicht (BAG v. 20.05.2009, 4 AZR 315/08; KAG Stuttgart-Rottenburg v. 18.12.2015, AS 08/15). Dies bedeutet für die hier zu bewertenden Reinigungsu. Putzarbeiten, dass sie nach gründlicher Abwägung der Kammer über einfachste Tätigkeiten nicht hinausragen. Dies gilt von vorneherein für die Reinigung der Gästezimmer, Aufenthaltsu. Vortragsräume. Für die Pflege der unstreitig unterschiedlichen Bodenflächen gilt nichts anderes. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, dass für die verschiedenen Bodenbeläge genau vorgegebene und entsprechend gekennzeichnete Reinigungsmittel zu verwenden seien. Auch wenn für die unterschiedlichen Böden jeweils eigene Reinigungslappen zu verwenden sind, bleibt es bei einem durchaus überschaubaren Arbeitsablauf, der nach kurzer Einweisung ohne besondere (fachliche) Anforderungen zu bewältigen ist. Dafür eine einwöchige Einarbeitungszeit anzusetzen, erscheint der Kammer unrealistisch.

Soweit die Beklagte für die Einrichtung Tagungs- und Bildungshaus D. auf dort vorhandene, kunsthistorisch bedeutsame Säle verwiesen hat, vermag dies den Arbeitsinhalt der „Haushaltshilfen“ nicht über das Niveau der einfachsten Tätigkeiten hinausheben. Es kann dahinstehen, ob die Wandverkleidungen und/oder Gemälde einen erkennbar qualifizierteren Reinigungsaufwand erfordern. Die Klägerin hat nämlich dazu - von der Beklagten unbestritten - geltend gemacht, dass sie im Tagungs- und Bildungshaus D. 13 ausschließliche Reinigungskräfte beschäftige, die für die Reinigungsaufgaben in kunsthistorischen Räumen vorrangig herangezogen werden und deshalb die streitigen Haushaltshilfen dort praktisch nicht eingesetzt werden. Dass solche anspruchsvolleren Reinigungsarbeiten im Jugendgästehaus E. im nennenswerten Umfang anfallen, ist nicht vorgetragen worden. Danach überschreitet auch im Bereich „Reinigung/Putzen“ die Arbeitsaufgabe der „Haushaltshilfen“ nicht die einfachsten Tätigkeiten.

5. Ergänzend will die Kammer des Kirchlichen Arbeitsgerichts anfügen, dass die klägerseits beabsichtigte Eingruppierung in EG 1 auch dann nicht unrichtig ist, wenn im Gegensatz zur hiesigen Auffassung von einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit der Haushaltshilfen auszugehen wäre. Wie oben ausführlich dargestellt, übersteigt die einfachsten Tätigkeiten nur das Getränkeinkasso, das wiederum nur im Tagungs- und Bildungshaus D. - im eingeschränkten Umfang - zu leisten ist. Aber auch für die so verbleibenden Mitarbeiterinnen A. und C. ergibt sich dann keine höhere Einordnung. Denn ausgehend von der dann herzuziehenden Gesamttätigkeit erlangt die Inkassoaufgabe einen noch geringeren zeitlichen und inhaltlichen Stellenwert als bei Bewertung nach getrennten Teiltätigkeiten. Es wird also dann das erforderliche rechtserhebliche Ausmaß [vgl. oben II. 4 d) ] erst recht nicht erreicht.

6. Mit der in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgebrachten Zustimmungsverweigerung, die klägerseitige Eingruppierung verstoße gegen ABD, Teil A, 2.3, S (Wirtschaftspersonal in Anstalten u. Heimen) kann die Beklagte nicht durchdringen. Zum einen ist sie aus Rechtsgründen gehalten, die Gründe für die Zustimmungsverweigerung im betrieblichen Mitbestimmungsverfahren, also spätestens in der Einigungsverhandlung vorzutragen. Ein Nachschieben (weiterer Verweigerungsgründe) während des Verfahrens vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht ist ihr hingegen verwehrt (FK/Sroka § 33 MAVO Rdnr.48; EK/Schmitz, § 33 MAVO Rdnr.37). Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es auch nicht nur um eine Verdeutlichung der bisherigen Zustimmungsverweigerung, sondern sachlich und rechtlich um einen neuen/anderen Verweigerungsgrund.

Darüber hinaus geht für ab 01.10.2005 neu eingestellte Beschäftigte die Anlage 4 (hier: EG 1) als speziellere Regelung den allgemeinen Eingruppierungsvorschriften für das Wirtschaftspersonal in Heimen u. Anstalten vor (ABD Teil A, 3. Abschnitt IV, § 17 Abs. 2).

Nach alledem steht der von der Klägerin beabsichtigten Eingruppierung der Mitarbeiterinnen A., B. und C. in die EG 1 die kircheneigene Ordnung in Gestalt des ABD nicht entgegen. Deshalb war die von der Beklagten verweigerte Zustimmung durch die Kammer des Kirchlichen Arbeitsgerichts zu ersetzen (§§ 33, 35 MAVO). Der Klage war stattzugeben.

III.

Über die Erstattungspflicht für die außergerichtlichen Kosten der Beklagten in diesem Verfahrens ist bereits mit Beschluss vom 25.10.2016 entschieden worden (§ 12 Abs. 2 KAGO).

Gerichtgebühren werden vor den kirchlichen Arbeitsgerichten nicht erhoben (§ 12 Abs. 1, S.1 KAGO).

IV.

Die Zulassung der Revision kam nicht in Frage, da die (kirchen-)gesetzlichen Voraussetzungen nach § 47 Abs. 2 KAGO nicht vorlagen. Es war der vorgefundene Einzelfall zu entscheiden. Eine Divergenz ist nicht zu erkennen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Gemeinschaftliches Kirchliches Arbeitsgericht erster Instanz in Bayern Urteil, 25. Jan. 2017 - 1 MV 15/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Gemeinschaftliches Kirchliches Arbeitsgericht erster Instanz in Bayern Urteil, 25. Jan. 2017 - 1 MV 15/16

Referenzen - Gesetze

Gemeinschaftliches Kirchliches Arbeitsgericht erster Instanz in Bayern Urteil, 25. Jan. 2017 - 1 MV 15/16 zitiert 1 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Gemeinschaftliches Kirchliches Arbeitsgericht erster Instanz in Bayern Urteil, 25. Jan. 2017 - 1 MV 15/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Gemeinschaftliches Kirchliches Arbeitsgericht erster Instanz in Bayern Urteil, 25. Jan. 2017 - 1 MV 15/16 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Juni 2012 - 4 AZR 438/10

bei uns veröffentlicht am 20.06.2012

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 21. April 2010 - 3 Sa 203/09 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. März 2012 - 4 AZR 266/10

bei uns veröffentlicht am 21.03.2012

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 20. Januar 2010 - 3 Sa 61/09 - insoweit aufgehoben, als es unter Zurückweisung der Beru

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 27. Okt. 2010 - 7 ABR 96/09

bei uns veröffentlicht am 27.10.2010

Tenor Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 7. April 2009 - 11 TaBV 91/08 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 7. April 2009 - 11 TaBV 91/08 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Betriebsrat bei der Zuordnung zum Normalvertrag Bühne (NV Bühne) ein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn die Arbeitgeberin mit einem Arbeitnehmer der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen vereinbart, dass er überwiegend künstlerisch tätig ist.

2

Die Arbeitgeberin betreibt in Hannover das Niedersächsische Staatstheater. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer. Für den Betrieb ist der zu 2. beteiligte Betriebsrat errichtet.

3

Die Arbeitgeberin wendet auf Arbeitsverhältnisse in nicht künstlerischen, vor allem technischen Berufen den TVöD an. Mit Solomitgliedern, überwiegend künstlerisch tätigen Bühnentechnikern, Opernchor- und Tanzgruppenmitgliedern wird die Geltung des NV Bühne vereinbart. In § 1 Abs. 1 und 3 NV Bühne vom 15. Oktober 2002 ist geregelt:

        

„(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Solomitglieder und Bühnentechniker sowie Opernchor- und Tanzgruppenmitglieder (im folgenden insgesamt als Mitglieder bezeichnet) an Bühnen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, die von einem Lande oder von einer Gemeinde oder von mehreren Gemeinden oder von einem Gemeindeverband oder mehreren Gemeindeverbänden ganz oder überwiegend rechtlich oder wirtschaftlich getragen werden.

        

…       

        

(3) Bühnentechniker sind Technische Direktoren und technische Leiter, Vorstände der Malsäle, Leiter des Beleuchtungswesens, Leiter der Bühnenplastikerwerkstätten, Leiter des Kostümwesens, Leiter der Ausstattungswerkstätten, Chefmaskenbildner, Referenten und Assistenten der Technischen Direktoren und technischen Leiter, Tonmeister.

        

Oberinspektoren und Inspektoren, Theater- und Kostümmaler, Beleuchtungsmeister und Beleuchter, Bühnenplastiker (Kascheure), Maskenbildner, Requisitenmeister und Requisiteure, Gewandmeister, Bühnenmeister, Veranstaltungstechniker, Tontechniker und Personen in ähnlicher Stellung sind Bühnentechniker im Sinne dieses Tarifvertrags, wenn mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbart wird, dass sie überwiegend künstlerisch tätig sind.“

4

Für Bühnentechniker bestimmt § 67 Abs. 1 Unterabs. 1 NV Bühne, dass im Arbeitsvertrag eine Gage zu vereinbaren ist, die seit 1. Januar 2009 mindestens 1.600,00 Euro monatlich beträgt. Gestufte Vergütungsordnungen sieht der NV Bühne nur für die Bereiche Chor und Tanz vor.

5

Die Arbeitgeberin beschäftigt etwa zehn Beleuchtungsmeister, für die der TVöD gilt. Sie informierte den Betriebsrat mit Schreiben vom 10. Dezember 2007 darüber, dass sie beabsichtige, Herrn H als Beleuchtungsmeister befristet für die Zeit vom 1. April 2008 bis 31. Juli 2010 einzustellen. Ferner war das Feld „Normalvertrag (NV) Bühne“ mit dem handschriftlichen Zusatz „BT“ angekreuzt. Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom 14. Dezember 2007 mit, er stimme der Einstellung nicht zu. Beleuchtungsmeister fielen, weil sie nicht überwiegend künstlerisch tätig seien, unter den Geltungsbereich des TVöD. Die Arbeitgeberin schloss dennoch am 16. Januar 2008 einen Arbeitsvertrag für Bühnentechniker mit Herrn H. § 1 des Arbeitsvertrags beschreibt die Tätigkeit mit „Beleuchtungsmeister Oper mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit“. Die weiteren Arbeitsbedingungen nehmen auf den NV Bühne Bezug. § 4 des Arbeitsvertrags sieht ein festes monatliches Gehalt von 3.200,00 Euro vor. Die Arbeitgeberin stellte Herrn H zum 1. April 2008 vorläufig ein.

6

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, ihre Entscheidung, mit einem sog. nachgeordneten Bühnentechniker die Ausübung überwiegend künstlerischer Tätigkeiten zu vereinbaren, sei nicht mitbestimmungspflichtig. Daraus ergebe sich zwingend die Zuordnung zum NV Bühne. Es handle sich um reinen Normenvollzug und nicht um eine Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

7

Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich ihrer Entscheidung, den NV Bühne als Grundlage des Arbeitsvertrags gelten zu lassen, nicht besteht;

        

hilfsweise

        

festzustellen, dass für ihre Vereinbarung mit einem Arbeitnehmer durch Vereinbarung einer überwiegenden künstlerischen Tätigkeit einzelvertraglich der NV Bühne als Grundlage des Vertrags gelten soll, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht besteht (§ 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne).

8

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat gemeint, bei der Beurteilung, anstelle des TVöD sei der NV Bühne anzuwenden, handle es sich um eine mitbestimmungspflichtige Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

9

Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben. Es hat den Antrag ausgelegt und festgestellt, dass für die Vereinbarung der Arbeitgeberin mit dem Arbeitnehmer H, den NV Bühne als Grundlage des Vertrags gelten zu lassen, kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Betriebsrats den Hauptantrag und den in der Beschwerdeinstanz gestellten Hilfsantrag abgewiesen. Die Arbeitgeberin hat ihre vom Bundesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde auf den Hilfsantrag beschränkt. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

10

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Hilfsantrag der Arbeitgeberin zu Recht abgewiesen.

11

I. Der Antrag ist zulässig, wenn auch auslegungsbedürftig.

12

1. Der Antrag muss ausgelegt werden. Obwohl der Antragswortlaut dies nahelegt, ist der Antrag nicht auf das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit gerichtet. Der Betriebsrat berühmt sich keines Mitbestimmungsrechts bei der einzelvertraglichen Vereinbarung, wie sein Verfahrensbevollmächtigter in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich erklärt hat. Die Arbeitgeberin will mit dem Antrag vielmehr festgestellt wissen, dass dem Betriebsrat bei der Zuordnung zum NV Bühne kein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn mit einem Arbeitnehmer der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen im Arbeitsvertrag vereinbart wurde, dass er überwiegend künstlerisch tätig ist. Mit dem Antrag soll geklärt werden, ob noch Raum für eine Mitbestimmung des Betriebsrats bei der tariflichen Zuordnung des Arbeitnehmers ist, obwohl eine überwiegend künstlerische Tätigkeit vereinbart wurde.

13

2. Mit diesem Verständnis ist der Antrag zulässig.

14

a) Er ist insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zweifel am Umfang der objektiven Rechtskraft einer dem Antrag stattgebenden oder ihn abweisenden Sachentscheidung sind nicht zu besorgen.

15

b) Der Antrag wird den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO gerecht. Für die erstrebte Feststellung des Nichtbestehens eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats aus § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG besteht das notwendige gegenwärtige Feststellungsinteresse.

16

aa) Das Bestehen, der Inhalt oder der Umfang eines Mitbestimmungsrechts können im Beschlussverfahren gelöst von einem konkreten Ausgangsfall geklärt werden, wenn die Maßnahme, für die ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen wird, im Betrieb häufiger auftritt und sich auch künftig jederzeit wiederholen kann (vgl. BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 35/01 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 101, 232).

17

bb) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Entscheidung, einem Angehörigen der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen eine überwiegend künstlerische Tätigkeit zu übertragen, ist bei der Arbeitgeberin ein Vorgang, der auch künftig regelmäßig wieder auftreten kann. Hiervon gehen ersichtlich auch die Beteiligten aus. Die Zuordnung des Arbeitnehmers H zum NV Bühne belegt den Konflikt beispielhaft. Der negative Feststellungsantrag der Arbeitgeberin führt den zugrunde liegenden Streit der Beteiligten über das Bestehen des Mitbestimmungsrechts einer umfassenden Klärung zu.

18

II. Der negative Feststellungsantrag der Arbeitgeberin ist unbegründet. Der Betriebsrat ist bei der Zuordnung zum NV Bühne nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auch dann zu beteiligen, wenn mit einem Angehörigen der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen im Arbeitsvertrag vereinbart wird, dass er überwiegend künstlerisch tätig ist. Die Vereinbarung der überwiegend künstlerischen Tätigkeit ist mitbestimmungsfrei. Der Betriebsrat hat jedoch mitzubeurteilen, ob der betreffende Arbeitnehmer einer der Berufsgruppen des § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne angehört und damit die Vergütungsordnung des NV Bühne anzuwenden ist.

19

1. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat ua. vor jeder Eingruppierung zu unterrichten und seine Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Das „Mitbestimmungsrecht“ besteht in den Fällen der Ein- und Umgruppierung nicht in einem Mitgestaltungs-, sondern in einem Mitbeurteilungsrecht. Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen setzt voraus, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vornehmen will(vgl. BAG 12. Dezember 2006 - 1 ABR 13/06 - Rn. 13, BAGE 120, 303). Eine Eingruppierung in diesem Sinn besteht in der rechtlichen Beurteilung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit einer bestimmten Vergütungsgruppe oder jedenfalls einer von mehreren Vergütungsordnungen zuzuordnen ist. Diese Beurteilung hat der Arbeitgeber bei jeder Einstellung und Versetzung vorzunehmen. Das folgt bereits aus § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, der für diese Fälle die Unterrichtung des Betriebsrats über die vorgesehene Eingruppierung ausdrücklich vorschreibt(vgl. für die st. Rspr. BAG 12. Dezember 2006 - 1 ABR 13/06 - Rn. 14, aaO).

20

2. Nach diesen Grundsätzen handelt es sich nicht um eine Eingruppierung, wenn die Arbeitgeberin mit einem Arbeitnehmer vereinbart, dass er überwiegend künstlerisch iSv. § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne tätig wird.

21

a) Der Geltungsbereich des NV Bühne wird im Hinblick auf dieses Tatbestandsmerkmal nach § 1 Abs. 1, Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne konstitutiv durch die vertragliche Übereinkunft eröffnet. Das Kriterium für den maßgebenden Vertragsinhalt ist die vom Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit, die durch die individualvertragliche Vereinbarung definiert wird. Diese Vereinbarung bestimmt den Inhalt der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit (vgl. BAG 25. Februar 2009 - 7 AZR 942/07 - Rn. 23; 28. Januar 2009 - 4 AZR 987/07 - Rn. 26, BAGE 129, 225). Machen die Arbeitsvertragsparteien von dieser Möglichkeit einer vertraglichen Eingrenzung Gebrauch, ist der maßgebende Tätigkeitsbereich schon aufgrund der Willensübereinkunft als überwiegend künstlerisch anzusehen. Die vereinbarte Tätigkeit ist sachlich geeignet, den besonderen Regelungen des speziell für den künstlerischen Bereich geschaffenen Tarifvertrags NV Bühne zu unterfallen (vgl. BAG 28. Januar 2009 - 4 AZR 987/07 - Rn. 27, aaO). Der Inhalt eines solchen Arbeitsverhältnisses ist durch die Vereinbarung festgelegt, ohne dass dem Betriebsrat dabei ein Mitbeurteilungsrecht zukommt. § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne will damit auch auf die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Rücksicht nehmen(vgl. noch zu § 3 NV Solo BVerwG 22. April 1998 - 6 P 4.97 - zu II 3 b der Gründe, NZA-RR 1999, 274).

22

b) Ein möglicher Widerspruch zwischen dem, was ein Angehöriger der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen tatsächlich an Arbeitsleistung erbringt, und der Charakterisierung dieser Tätigkeit als überwiegend künstlerisch ist keine Frage des personellen Anwendungsbereichs des NV Bühne, sondern ein Problem der vertragsgemäßen Beschäftigung (vgl. BAG 28. Januar 2009 - 4 AZR 987/07 - Rn. 28, BAGE 129, 225).

23

3. Die Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit ist jedoch nicht das einzige Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne. Obwohl die Vereinbarung der überwiegend künstlerischen Tätigkeit mitbestimmungsfrei ist, hat der Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitzubeurteilen, ob der betreffende Arbeitnehmer einer der Berufsgruppen der sog. nachgeordneten Bühnentechniker des § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne angehört und deshalb die Vergütungsordnung des NV Bühne anzuwenden ist.

24

a) Gibt es im Betrieb mehrere in Betracht kommende Vergütungsordnungen, hat der Betriebsrat nicht nur ein Mitbeurteilungsrecht bei der Einordnung eines Arbeitnehmers innerhalb einer der Vergütungsordnungen, sondern auch bei der Frage, ob der Arbeitnehmer in die zutreffende Vergütungsordnung eingruppiert wird. Er kann die Zustimmung zu einer beabsichtigten Eingruppierung mit der Begründung verweigern, die Vergütungsordnung, in die der Arbeitgeber den Arbeitnehmer eingruppieren wolle, sei nicht die richtige. Daher hat der Betriebsrat beispielsweise mitzubeurteilen, ob ein Arbeitnehmer aufgrund einer Vertragsänderung nicht mehr der bisherigen Vergütungsordnung unterfällt, sondern einem außertariflichen - nicht weiter gestuften - Bereich zuzuordnen ist. Diese Beurteilung ist nicht identisch mit dem nicht mitbestimmten Abschluss des Änderungsvertrags. Sie ist erst dessen Folge. Sie der Mitbeurteilung des Betriebsrats zu unterziehen, entspricht Sinn und Zweck der Mitwirkung nach § 99 BetrVG bei einer Umgruppierung. Das Mitbeurteilungsrecht dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung(en) in gleichen oder vergleichbaren Fällen. Es soll innerbetriebliche Lohngerechtigkeit und Transparenz der im Betrieb vorgenommenen Eingruppierungen gewährleisten (vgl. BAG 17. Juni 2008 - 1 ABR 37/07 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 126 = EzA BetrVG 2001 § 99 Umgruppierung Nr. 4; 26. Oktober 2004 - 1 ABR 37/03 - zu B II 2 a aa und bb der Gründe, BAGE 112, 238).

25

b) Diese Grundsätze sind auch auf den Streitfall anwendbar. Im Betrieb der Arbeitgeberin werden nebeneinander mehrere Vergütungsordnungen - zumindest der TVöD und der NV Bühne - angewandt. Die Arbeitgeberin hat zu beurteilen, ob ein Arbeitnehmer dem Vergütungsregime des TVöD oder dem des NV Bühne unterfällt. Bei dieser Beurteilung ist der Betriebsrat zu beteiligen. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitgeberin mit einem Angehörigen der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen im Arbeitsvertrag eine überwiegend künstlerische Tätigkeit vereinbart hat. Eine solche arbeitsvertragliche Vereinbarung ist eine Vorgabe bei der Beurteilung der Zuordnung zum NV Bühne, die für die Betriebsparteien hinsichtlich des Merkmals „überwiegend künstlerische Tätigkeit“ verbindlich ist. Durch sie wird der Inhalt des Arbeitsverhältnisses auch in tarifrechtlich zulässiger Weise festgelegt (vgl. BAG 25. Februar 2009 - 7 AZR 942/07 - Rn. 25; 28. Januar 2009 - 4 AZR 987/07 - Rn. 29 f., BAGE 129, 225). Dadurch bleiben dem Betriebsrat für eine mögliche Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 BetrVG zwar nur wenige in Betracht kommende Gründe. Sein Mitbeurteilungsrecht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wird aber nicht als solches ausgeschlossen. Er kann bei der von der Arbeitgeberin beabsichtigten Zuordnung zum NV Bühne insbesondere noch selbständig und unabhängig von der arbeitsvertraglichen Vereinbarung der überwiegend künstlerischen Tätigkeit prüfen, ob der Arbeitnehmer zu den in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen der sog. nachgeordneten Bühnentechniker gehört. Der Umstand, dass sich die Zuordnung zum NV Bühne als Normenvollzug darstellt, führt entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht dazu, dass es sich um keine Eingruppierung handelte. Bei tariflichen Vergütungsordnungen ist Eingruppierung vielmehr regelmäßig vom Betriebsrat mitzubeurteilender Normenvollzug des Arbeitgebers.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Gallner    

        

        

        

    Vorbau    

        

    Willms    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 21. April 2010 - 3 Sa 203/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 18. März 2009 - 11 Ca 1415/08 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils zur Klarstellung wie folgt neu formuliert wird:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 1. Januar 2008 nach der Entgeltgruppe 8 der Anlage 1 zu den Arbeitsvertragsrichtlinien der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburg-Vorpommern zu vergüten.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

2

Der Kläger ist staatlich anerkannter Krankenpfleger. Er ist seit 2001 als Pflegefachkraft in einem psychiatrischen Pflegeheim der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft vertraglicher Vereinbarung die von der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs e. V. mit Wirkung zum 1. Januar 2008 neu gefassten Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs e. V. (AVR DWM) Anwendung. Die Beklagte hat den Kläger ab Januar 2008 der Entgeltgruppe 7 der Anlage 1 zu den AVR DWM zugeordnet.

3

Das psychiatrische Pflegeheim der Beklagten verfügt über 61 Plätze. 48 Plätze stehen für eine offene und 13 Plätze für eine geschlossene Heimunterbringung zur Verfügung. Die Beklagte hat die Konzeption des Pflegeheims in einem „Leitbild für das psychiatrische Pflegeheim“ zusammengefasst und ua. ausgeführt:

        

„...   

        

2.    

Art der Einrichtung und Zielgruppe

        

...     

        
        

Sowohl die Leistungen der Pflege im Sinne des SGB XI, die eindeutig im Vordergrund stehen, als auch die Leistungen der Eingliederungshilfe werden mit dem Ziel erbracht, eine ganzheitliche individuelle Pflege und Betreuung der Bewohner entsprechend dem personenzentrierten Ansatz zu gewährleisten und einen hohen Grad an Autonomie jedes einzelnen Bewohners zu erreichen.

        

Mit dem Sozialministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern und dem Landkreis L ist abgestimmt, daß sich das Leistungsangebot insbesondere auf die Versorgung der folgenden Personenkreise erstreckt:

        

Personenkreis/Versorgungsbedarf

Einzugsbereich

        

1.    

Chronisch psychisch kranke Erwachsene mit einer Pflegestufe, die in anderen psychiatrischen Einrichtungen aufgrund ihres Pflegebedarfs nicht (mehr) angemessen versorgt werden können

vorrangig Landkreis L

        

2.    

Pflegebedürftige Menschen mit einer Pflegestufe nach SGB XI, die aufgrund ihrer psychischen Beeinträchtigung in (Alten-)Pflegeheimen nicht (mehr) angemessen versorgt werden können

vorrangig Landkreis L

        

3.    

Erwachsene mit einem erhöhten Pflege- und Betreuungsbedarf infolge einer Chorea-Erkrankung

landesweites Spezialangebot

        

4.    

Nach § 1906 BGB geschlossen unterzubringende pflegebedürftige Erwachsene

vorrangig Landkreis L

                                   
        

Personenkreis 1 (Chronisch psychisch kranke Menschen mit einem erhöhten Pflegebedarf)

        

Im Landkreis L besteht bislang keine speziell auf chronisch psychisch kranke Menschen ausgerichtete Pflegeeinrichtung, die einen Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen hat. Insofern ist das Psychiatrische Pflegeheim N ein Element der gemeindepsychiatrischen Versorgung, das Menschen des Kreises offensteht, die aufgrund ihres Pflegebedarfs in den anderen psychiatrischen Einrichtungen der Region nicht (mehr) angemessen betreut werden können.

        

Personenkreis 2 (Pflegebedürftige Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung)

        

Pflegebedürftige Menschen mit einer Pflegestufe nach SGB XI, die gleichzeitig eine schwerwiegende psychische Beeinträchtigung haben, können häufig in (Alten-)Pflegeheimen nicht (mehr) angemessen betreut werden. Die psychiatrische Erkrankung macht eine intensive Pflege und Betreuung erforderlich, die nur durch ein zusätzlich im psychiatrischen Bereich ausgebildetes Fachpersonal gewährleistet werden kann.

        

Personenkreis 3 (Menschen mit Chorea-Huntington)

        

Chorea Huntington (Veitstanz) zählt mit einer Prävalenz von fast 10:100000 zu den häufigsten neurologischen Erbkrankheiten. Die Krankheit tritt meist zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auf. Im Krankheitsverlauf kommt es nicht nur zu neurologischen Veränderungen, sondern auch zu schweren psychischen Symptomen wie Unruhe, Ängste, Schlafstörungen, Depressionen, Suizidalität, Affektlabilität, Aggressivität und zu schizophrenieähnlichen Wahnvorstellungen. Da die Versorgung von Chorea-Patienten besonders hohe Anforderungen an die Pflege stellt und zugleich Kompetenz im Umgang mit psychiatrischen Erkrankungen erfordert, sind (Alten-)Pflegeheime in der Regel mit dieser Aufgabe überfordert. In unserer Einrichtung können 3 Bewohner mit Chorea Huntington gepflegt und betreut werden.

        

...     

        
        

8.    

Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsbereich § 39 BSHG) in Ergänzung der Leistungen nach SGB XI

        

Neben den in aller Regel deutlich überwiegenden pflegerischen Hilfen benötigen die Bewohner des Psychiatrischen Pflegeheims auch Hilfen zur Erhaltung und Weiterentwicklung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die geeignet sind, dem Menschen mit Behinderung die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Obwohl Leistungen der Pflege bei diesem Personenkreis im Vordergrund stehen, sind zusätzlich zum Bedarf an den genannten Pflegeleistungen die im Folgenden näher beschriebenen Hilfen erforderlich. Ein Teil dieser Hilfen ist der aktivierenden Pflege nach SGB XI zuzuordnen, jedoch läßt er sich nicht ganz von den Leistungen der Eingliederungshilfe trennen.

        

Psychiatrische Hilfen

        

Um die Beeinträchtigung des Einzelnen durch die psychische Behinderung zu bewältigen bzw. zu vermindern, sind individuelle Hilfen in unterschiedlicher Intensität erforderlich:

                 

-       

Beobachtung, Information und Beratung bezüglich der Erkrankung, des Krankheitsverlaufes sowie über Kompensationsmöglichkeiten

                 

-       

Unterstützung bei der Erarbeitung von Krankheitseinsicht

                 

-       

Unterstützung bei der Bewältigung der Krankheitsfolgen, zur Erarbeitung und Einübung von alternativen bzw. krankheitsangepassten Verhaltensweisen

                 

-       

Unterstützung und Motivation zur Erschließung von Hilfsmöglichkeiten bzw. zur Inanspruchnahme von Therapiemöglichkeiten

                 

-       

entlastende und/oder konfrontierende Gespräche

                 

-       

Hilfestellung bei der Sinnorientierung und bei der Entwicklung von Lebensperspektiven, wenn die Sinngebung des eigenen Lebens nicht zur Bewältigung der Schwierigkeiten ausreicht

                 

-       

Rückfallprophylaxe: Erkennen von Signalen und Situationen, die zu einer erneuten Dekompensation führen können, Schulung der Wahrnehmung von Frühwarnsymptomen, Kompetenzerweiterung zur Verhinderung eines Rückfalles

                 

-       

Krisenintervention: akute Soforthilfen zur Überwindung von Krisen, zur Wiedererlangung des psychischen und sozialen Gleichgewichtes und zur Verhinderung einer ungünstigen Weiterentwicklung bzw. Verfestigung des Problems (z. B. plötzliche Angst- und Erregungszustände), Erarbeiten von Krisenbewältigungsstrategien

        

Hilfen zur Förderung und Gestaltung sozialer Beziehungen

        

Um die Aufnahme und Gestaltung persönlicher Beziehungen zu unterstützen, wird ein sozialer Raum bereitgestellt, in dem sich der Bewohner selbständig orientieren und erproben kann. Konflikte in der Gruppe werden zum Gegenstand bewusster Auseinandersetzung und Inhalt therapeutischer Arbeit gemacht. Um die Kompetenzen zum Leben in der sozialen Gemeinschaft innerhalb der Wohngruppe sowie in Bezug auf Freundschaften und Partnerschaften zu fördern, werden folgende Hilfen geleistet:

                 

...     

        

Hilfen und Anleitung im täglichen Leben

        

Aus eigenen Erfahrungen in der täglichen Arbeit ist zu beobachten, dass es seelisch kranken Menschen häufig schwer fällt, die sie betreffenden Angelegenheiten zu überschauen. Deshalb unterstützen wir unsere Bewohner bei der Bewältigung und Gestaltung des Alltags mit dem Ziel, ihre Selbständigkeit und Selbstbestimmung zu fördern. Im Einzelnen gehören hierzu die folgenden Angebote:

                 

...     

        

Soziale Betreuung/Hilfen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben

        

Aufgrund der psychischen Erkrankung bereitet es vielen Bewohnern Schwierigkeiten, sich sinnvoll die Zeit einzuteilen und eigene Ziele zu entwickeln und zu verfolgen. Um dem Bewohner eine befriedigende Freizeitgestaltung sowie die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, werden folgende Hilfen geleistet:

                 

...     

        

Ergo- und Bewegungstherapie

        

Die Hilfen zur Eingliederung, die durch die multiprofessionellen Teams auf den Wohngruppen geleistet werden, werden ergänzt durch therapeutische Maßnahmen im Rahmen der Ergo- und Bewegungstherapie.

        

...     

        

9. Therapeutische Leistungen (Leistungsbereich SGB V)

        

Die ärztliche Versorgung ist durch die niedergelassene Ärzteschaft und durch ergänzende Vereinbarungen mit dem sozialpsychiatrischen Dienst des Landkreises L sichergestellt. Die Einrichtung sorgt dafür, dass Bewohner Leistungen von niedergelassenen Ärzten sowie therapeutische Leistungen, die ärztlich verordnet wurden, in Anspruch nehmen. Dazu zählen unter anderem:

        

-       

Diagnostik und medizinische Versorgung bei kurrenten und chronischen Erkrankungen

        

-       

Psychosoziale Beratung

        

-       

Psychotherapie

        

-       

Logopädie

        

-       

Musiktherapie

        

-       

Physiotherapie“

4

Der Kläger ist ausschließlich im Bereich der offenen Heimunterbringung in den Wohngruppen A und B tätig, in denen 13 Bewohner mit der Pflegestufe 1, fünf Bewohner mit der Pflegestufe 2 sowie ein Bewohner mit der Pflegestufe 3 betreut werden. Die Heimbewohner haben Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis (9 Bewohner) und hirnorganischen Störungen (primär Korsakow-Syndrom; 10 Bewohner).

5

Der Kläger hat nach vergeblicher außergerichtlicher Geltendmachung vom 7. Mai 2008 mit seiner Klage die Auffassung vertreten, er erfülle mit seiner Tätigkeit die Anforderungen des Richtbeispiels der Entgeltgruppe 8 AVR DWM „Gesundheitspfleger in der Psychiatrie“. Das psychatrische Pflegeheim der Beklagten sei eine Einrichtung der „Psychatrie“ iSd. AVR DWM. Sowohl die Aufnahme in den Psychiatrieplan des Landes Mecklenburg-Vorpommern als auch dessen Konzeption sprächen für eine Einrichtung der Psychiatrie. Der Einsatz in dieser Einrichtung stelle an die Pflegefachkräfte neben der pflegerischen Tätigkeit weitere, darüberhinausgehende Anforderungen. Es seien vor allem pflegerische Leistungen (Grund- und Behandlungspflege) gegenüber verwirrten, desorientierten und psychisch kranken Menschen zu erbringen. Neben der pflegerischen Kompetenz würde ein besonderes Verständnis von und im Umgang mit psychischen Erkrankungen verlangt. Es würden vertiefte und erweiterte Kenntnisse über psychiatrische Krankheiten sowie über deren angemessenen Umgang und ihre therapeutischen Möglichkeiten für die Tätigkeit benötigt. Die Hauptlast der psychiatrischen Pflege liege bei den Pflegefachkräften. Zu ihren Aufgaben gehöre die Umsetzung der Pflegeplanung. Den therapeutischen Kräften sei es nur zu einem geringen Anteil des Tages möglich, sich um die Patienten therapeutisch zu kümmern. Die Rund-um-die-Uhr-Versorgung und Betreuung erfolge durch die Pflegefachkräfte.

6

Der Kläger hat sinngemäß beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn ab dem 1. Januar 2008 nach der Entgeltgruppe 8 der Anlage 1 zu den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs e. V. zu vergüten.

7

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei in der Entgeltgruppe 7 AVR DWM zutreffend eingruppiert. Er erfülle das Richtbeispiel der Entgeltgruppe 8 AVR DWM „Gesundheitspfleger in der Psychiatrie“ nicht. Der Begriff der „Psychiatrie“ betreffe nur das medizinische Fachgebiet in einem psychiatrischen Krankenhaus. In den Wohngruppen A und B des Pflegeheims seien heterogene Betreuungsteams im Einsatz, die psychologischen bzw. psychiatrischen Aufgaben würden von geschultem Fachpersonal wahrgenommen. Der Kläger erbringe ausschließlich pflegerische Tätigkeiten. Dies entspreche sowohl seiner Tätigkeits- als auch der konkreten Arbeitsplatzbeschreibung. Seine Beschäftigung sei nicht mit einer klassischen Tätigkeit „in der Psychiatrie“ zu vergleichen.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist begründet. Die nach der Klarstellung des Antrages in der Revisionsverhandlung als allgemeine Eingruppierungsfeststellungsklage zulässige Klage (zu den dabei anzuwendenden Maßstäben nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats vgl. nur BAG 6. Juni 2007 - 4 AZR 505/06 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 308)ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Eingruppierungsregelungen der AVR DWM unzutreffend ausgelegt und angewandt. Der Kläger ist in der Entgeltgruppe 8 AVR DWM eingruppiert. Die Beklagte hat ihm das sich daraus ergebende Entgelt zu zahlen.

10

I. Die Eingruppierung des Klägers richtet sich kraft vertraglicher Vereinbarung der Parteien nach der Anlage 1 zu den AVR DWM.

11

Danach gelten für die Eingruppierung des Klägers folgende Regelungen:

        

㤠12 Eingruppierung

        

(1) Der Mitarbeiter ist nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeiten in die Entgeltgruppen gemäß der Anlage 1 eingruppiert. Die Tätigkeiten müssen ausdrücklich übertragen sein (z. B. im Rahmen von Aufgaben- oder Stellenbeschreibungen). Der Mitarbeiter erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in die er eingruppiert ist. …

        

(2) Die Eingruppierung des Mitarbeiters erfolgt in die Entgeltgruppe, deren Tätigkeitsmerkmale er erfüllt und die der Tätigkeit das Gepräge geben. Gepräge bedeutet, dass die entsprechende Tätigkeit unverzichtbarer Bestandteil des Arbeitsauftrages ist.

        

(3) Für die Eingruppierung ist nicht die berufliche Ausbildung, sondern allein die Tätigkeit des Mitarbeiters maßgebend. Entscheidend ist die für die Ausübung der beschriebenen Tätigkeit in der Regel die erforderliche Qualifikation, nicht die formale Qualifikation des Mitarbeiters.

        

(4) Die Eingruppierung des Mitarbeiters richtet sich nach den Obersätzen der Entgeltgruppe, die für die Tätigkeitsbereiche in den Untersätzen näher beschrieben werden. Den Sätzen sind Richtbeispiele zugeordnet, die häufig anfallende Tätigkeiten in dieser Eingruppierung benennen.“

12

In dem Eingruppierungskatalog der Anlage 1 zu den AVR DWM heißt es ua.:

        

Entgeltgruppe 7 (Anm. 5, 6, 11, 15)

        

A.    

Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzen

                 

Hierzu gehören Mitarbeiter

                 

1.    

mit eigenständiger Wahrnehmung von Aufgaben

                          

(Anm. 6) in den Tätigkeitsbereichen

                          

a. Pflege/Betreuung/Erziehung,

                          

...     

                 

2.    

...     

                          

Richtbeispiele:

                          

Alten-, Gesundheits- und Krankenpfleger,

                          

...     

        

Entgeltgruppe 8 (Anm. 6, 7, 10, 11, 14)

        

A.    

Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die vertieftes oder erweitertes Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzen

                 

Hierzu gehören Mitarbeiter mit

                 

1.    

eigenständiger Wahrnehmung (Anm. 6) von schwierigen (Anm. 14) Aufgaben in den Tätigkeitsbereichen

                          

a. Pflege/Betreuung/Erziehung,

                          

...     

                 

2.    

...     

                          

Richtbeispiele:

                          

Gesundheitspfleger im OP-Dienst, in der Intensivpflege oder Psychiatrie,

                          

Erzieher mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen,

                 

...     

        
        

B.    

Mitarbeiter der Entgeltgruppe 7

                 

1.    

mit eigenständiger Wahrnehmung von Aufgaben (Anm. 6) und Leitungsaufgaben (Anm. 11) in den Tätigkeitsbereichen

                          

a. Pflege/Betreuung/Erziehung,

                          

...     

                 

2.    

...     

                          

Richtbeispiele:

                          

Stationsleiter,

                          

Wohnbereichsleiter,

                          

...“   

13

Die entsprechenden Anmerkungen lauten ua.:

        

„(6) Die eigenständig wahrgenommenen Aufgaben der Entgeltgruppe 7 und 8 setzen Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraus, die i.d.R. durch eine dreijährige Fachschulausbildung, aber auch anderweitig erworben werden können. Eigenständig wahrgenommen bedeutet, dass für die Erledigung der übertragenen Aufgaben Entscheidungen über Mittel und Wege zur Erreichung von Arbeitsergebnissen selbst getroffen werden. Die Aufgaben, die im Klientenbezug weitergehende emotionale und soziale Kompetenz erfordern, beinhalten Tätigkeiten, die in verschiedenen Arbeitssituationen in unterschiedlichem Maße anfallen und wechselnde Anforderungen stellen.

        

(7) Die verantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben der Entgeltgruppe 8 setzen vertieftes oder erweitertes Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraus, die i.d.R. durch eine dreijährige Fachschulausbildung oder eine mindestens zweieinhalbjährige Berufsausbildung mit Weiterqualifikationen aber auch anderweitig erworben werden können. Verantwortlich wahrgenommen bedeutet, dass Ziele und die dazu benötigten Lösungswege selbstständig erarbeitet werden.

        

(11) Leitungsaufgaben werden Mitarbeitern neben ihrer Tätigkeit ausdrücklich übertragen und umfassen nicht alle der in der Anmerkung 10 beschriebenen Aspekte der Leitung.

        

(14) Schwierige Aufgaben weisen fachliche, organisatorische, rechtliche oder technische Besonderheiten auf, die vertiefte Überlegung und besondere Sorgfalt erfordern.“

14

II. Hiernach hat der Kläger einen Entgeltanspruch nach der Entgeltgruppe 8 AVR DWM. Seine Tätigkeit entspricht den Anforderungen des dort aufgeführten Richtbeispiels eines „Gesundheitspflegers in der Psychiatrie“.

15

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zwar nicht um Tarifverträge im Sinne des Tarifvertragsgesetzes, weil sie nicht nach dessen Maßgabe zustande gekommen sind (st. Rspr., BAG 19. Februar 2003 -  4 AZR 11/02  - BAGE 105, 148; 20. März 2002 -  4 AZR 101/01  - BAGE 101, 9 ; 15. November 2001 -  6 AZR 88/01  - EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 48). Gleichwohl erfolgt aber die Auslegung der Arbeitsvertragsrichtlinien nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nach den gleichen Grundsätzen, wie sie für die Tarifauslegung maßgeblich sind (BAG 14. Januar 2004 -  10 AZR 188/03  - mwN, AP AVR Caritasverband Anlage 1 Nr. 3; 18. Mai 2000 - 6 AZR 53/99 - ZTR 2001, 172). Danach ist vom Wortlaut der AVR auszugehen und anhand dessen der Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Richtliniengeber und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen, soweit sie in den Vorschriften der AVR ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist auch auf den systematischen Zusammenhang.

16

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung von Tarifverträgen sind die Erfordernisse eines Tätigkeitsmerkmales einer Entgeltgruppe regelmäßig dann als erfüllt anzusehen sind, wenn der Arbeitnehmer eine dem in der Vergütungsgruppe genannten Regel- oder Richtbeispiel entsprechende Tätigkeit ausübt (BAG 28. Januar 2009 - 4 ABR 92/07 - Rn. 27, BAGE 129, 238; 18. April 2007 - 4 AZR 696/05 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Telekom Nr. 8). Das beruht darauf, dass die Tarifvertragsparteien selbst im Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Aufgaben einer bestimmten Vergütungsgruppe fest zuordnen können. Dies entspricht den bei der Tarifauslegung besonders wichtigen Grundsätzen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, denen Tarifvertragsparteien bei der Abfassung von Tarifnormen im Allgemeinen gerecht werden wollen (BAG 19. August 2004 - 8 AZR 375/03 - EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 7). Auf die allgemeinen Merkmale muss nur dann zurückgegriffen werden, wenn die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit von einem Tätigkeitsbeispiel nicht oder nicht voll erfasst wird ( BAG 25. September 1991 - 4 AZR 87/91  - mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 7 = EzA TVG § 4 Großhandel Nr. 2). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Richtbeispiel in mehreren Vergütungsgruppen genannt ist oder wenn es selbst einen unbestimmten Rechtsbegriff enthält, der nicht aus sich selbst heraus ausgelegt werden kann. Dann sind die Merkmale der allgemeinen Anforderungen heranzuziehen (BAG 23. September 2009 - 4 AZR 333/08 - Rn. 20 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 95). Soweit es nach der Tarifsystematik ausreicht, dass ein Regel- oder Richtbeispiel erfüllt ist, ist ein Rückgriff auf die Obersätze aber nicht nur überflüssig, sondern verbietet sich. Ansonsten würde die von dem Normgeber bewusst vorgenommene pauschalierende Bewertung, die er mit einem Richtbeispiel umgesetzt hat, nicht als solche akzeptiert, sondern in ihrer Plausibilität einer erneuten gerichtlichen Kontrolle unterworfen. Diese für tarifliche Vergütungsordnungen entwickelte Auslegungsregel gilt entsprechend auch für die hier streitigen Tätigkeitsmerkmale der AVR DWM (ebenso die Rechtsprechung des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland - KGH EKD - zB 26. April 2010 - I-0124/R51-09 - Rn. 22, zum - hier streitigen - Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ der Entgeltgruppe 8 AVR Diakonie).

17

3. Das in der Entgeltgruppe 8 AVR DWM aufgeführte Richtbeispiel eines „Gesundheitspflegers in der Psychiatrie“ wird vom Kläger durch seine Tätigkeit im psychiatrischen Pflegeheim der Beklagten erfüllt. Sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Systematik der Regelungen ergibt sich, dass ein Gesundheitspfleger immer dann in der Entgeltgruppe 8 AVR DWM eingruppiert ist, wenn er „in der Psychiatrie“ tätig ist.

18

a) Der Begriff des Gesundheitspflegers und seine Tätigkeit werden von der Entgeltordnung der AVR DWM vorausgesetzt. Der Begriff entspricht der gesetzlichen Definition im Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442). Die Tätigkeit als Alten-, Gesundheits- und Krankenpfleger und -pflegerinnen wird im Grundsatz nach Entgeltgruppe 7 AVR DWM vergütet.

19

b) Soweit ein Gesundheitspfleger „in der Psychiatrie“ beschäftigt ist, erfüllt er das Richtbeispiel der Entgeltgruppe 8 AVR DWM. Die entsprechenden Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 8 AVR DWM gehen sowohl in den abstrakten Obersätzen als auch in den zusätzlichen Merkmalen in den Richtbeispielen von erhöhten Anforderungen aus, die für die jeweiligen Tätigkeiten verlangt werden. Im Vergleich zu den Richtbeispielen eines Alten-, Gesundheits- oder Krankenpflegers der Entgeltgruppe 7 AVR DWM muss nach den Richtbeispielen der Entgeltgruppe 8 AVR DWM ein Gesundheitspfleger „im OP-Dienst, in der Intensivpflege oder Psychiatrie“ tätig sein. Die Anknüpfung an die Einrichtung, in der der Gesundheitspfleger tätig ist, erfolgt aufgrund einer typisierenden Bewertung des Normgebers, wonach Gesundheitspflege in solch speziellen Einrichtungen regelmäßig mit erhöhten Anforderungen verbunden ist. Damit knüpft die Entgeltordnung und das Richtbeispiel zur Entgeltgruppe 8 AVR DWM an ein bestimmtes, institutionelles Merkmal an. Die Einrichtung, in der der Gesundheitspfleger tätig wird, muss „der Psychiatrie“ zuzuordnen sein.

20

c) Diese Auslegung wird durch systematische Überlegungen gestützt. Die Entgeltordnung stellt darauf ab, dass dann, wenn bestimmte Tätigkeiten in bestimmten Einrichtungen oder unter bestimmten Umständen ausgeübt werden, bereits die allgemeinen Anforderungen des jeweiligen Obersatzes einer höheren Entgeltgruppe erfüllt sind. Hinsichtlich der Gesundheitspfleger der Entgeltgruppe 7 AVR DWM ist eine solche pauschalierende Bewertung für diejenigen getroffen worden, die in der Psychiatrie, im OP-Dienst oder in der Intensivpflege tätig sind. Die dabei regelmäßig auftretenden besonderen Belastungen oder Anforderungen sind vom Normgeber der AVR DWM so typisierend bewertet worden, dass sie stets eine Eingruppierung in die höhere Entgeltgruppe 8 rechtfertigen.

21

Die Verknüpfung von bestimmten Tätigkeiten mit dem Ort oder der Art der Einrichtung, in der sie ausgeübt werden, sieht die Entgeltordnung der AVR DWM in einigen Entgeltgruppen vor. So sind in der Entgeltgruppe 2 die Reinigungskräfte „in Wohn-, Betreuungs- und Behandlungsräumen“ als Richtbeispiele genannt. Entgeltgruppe 3 zählt hierzu die „Mitarbeiter im Empfang, in der Registratur und in der Telefonzentrale“. Entgeltgruppe 4 nennt „Mitarbeiter in der Buchhaltung, Patientenverwaltung oder dem Einkauf“. Auch bei höherwertigen Tätigkeiten werden bestimmte Institutionen genannt, etwa bei der Entgeltgruppe 9: „Leiter einer kleineren Schule für Alten-, Kranken- oder Entbindungspflege“.

22

Dieser Anbindung von Tätigkeiten an eine Institution, in der sie ausgeübt werden, steht die daneben in anderen Richtbeispielen der Entgeltordnung der AVR DWM enthaltene Qualifizierung einer höherwertigen Tätigkeit durch inhaltliche, qualitativ zu bewertende Anforderungen gegenüber. So ist zu derselben Entgeltgruppe 8 ua. das Richtbeispiel „Erzieher mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen“ geregelt (ebenso Heilerziehungspfleger; vgl. auch etwa zu Entgeltgruppe 5: einerseits Altenpfleger- und Heilerziehungshelfer mit speziellen Aufgaben, andererseits Unterstützungskraft in Kindertagesstätten). Die Charakterisierung einer Aufgabe als speziell, die unmittelbar im Richtbeispiel genannt ist, bedarf daher immer einer qualitativen, im Regelfall vergleichenden Wertung im Einzelfall der jeweiligen Tätigkeit, bei der auf die Anforderungen der Obersätze zurückgegriffen werden kann und muss. Diese qualitative Bewertung der Richtbeispiele ist bei den an die Tätigkeit in einer bestimmten Institution angebundenen Richtbeispielen durch den Normgeber der AVR DWM bereits abschließend vorgenommen worden. Hieran sind die Gerichte für Arbeitssachen gebunden. Sie dürfen daher bei einer solchen Tätigkeit keine Überprüfung dahingehend vornehmen, ob der bei der pauschalierenden Bewertung des Normgebers generell vermutete Grund für die Höherbewertung im Einzelfall auch nach Maßgabe der Obersätze tatsächlich vorliegt.

23

d) Soweit die Rechtsprechung des KGH EKD hiervon abweicht, folgt ihr der Senat nicht.

24

aa) Der KGH EKD hält das Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ für mehrdeutig und meint, es sei so zu verstehen, dass von ihm nur die Mitarbeiter erfasst würden, die in psychiatrischen Einrichtungen eine die Gesamttätigkeit prägende Pflegetätigkeit ausübten, die auf die besonderen Bedürfnisse der Patienten in der Psychiatrie ausgerichtet seien (KGH EKD 26. April 2010 - I-0124/R60-09 -).

25

bb) Nach Auffassung des erkennenden Senats kann der in § 12 Abs. 2 AVR DWM formulierte Begriff des „Gepräges“ für die Auslegung dieser Tätigkeitsmerkmale und Richtbeispiele nicht herangezogen werden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist das „Gepräge“ erst heranzuziehen, wenn mehrere Tätigkeitsmerkmale erfüllt sind und festzustellen ist, welches der - erfüllten - Tätigkeitsmerkmale bzw. der zugrundeliegenden Teiltätigkeiten der gesamten Tätigkeit (dem „Arbeitsauftrag“, § 12 Abs. 2 Satz 2 AVR DWM) das Gepräge gibt.

26

Zudem trägt eine Anwendung des Geprägebegriffs bereits bei der Auslegung von Richtbeispielen und Tätigkeitsmerkmalen im Allgemeinen dem Charakter von Richtbeispielen nicht hinreichend Rechnung. Bei dieser methodischen Vorgehensweise käme es zu einer qualitativ-wertenden Einbeziehung der in den Obersätzen formulierten Anforderungen bei der Auslegung der Richtbeispiele. Danach wäre das Richtbeispiel eines Gesundheitspflegers in der Psychiatrie wie folgt zu lesen: „Gesundheitspfleger in der Psychiatrie, wenn und soweit pflegerische Tätigkeiten anfallen, die auf die besonderen Bedürfnisse der Patienten in der Psychiatrie ausgerichtet sind“ (vgl. dazu KGH EKD 26. April 2010 - I-0124/R60-09 -). Ein solches Richtbeispiel hat der Normgeber aber nicht formuliert. Auch würde dabei eine qualitative Betrachtung erforderlich werden, die in der nach dem Wortlaut rein örtlichen und einrichtungsbezogenen Bestimmung nicht enthalten ist.

27

e) Die Voraussetzungen des Richtbeispiels der Entgeltgruppe 8 AVR DWM „Gesundheitspfleger in der Psychiatrie“ sind gegeben.

28

aa) Der Kläger ist Gesundheitspfleger iSd. Regelung. Mit der Reform des Krankenpflegerechts durch das Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege vom 16. Juli 2003, in Kraft ab 1. Januar 2004 (aktuelle Fassung vom 1. April 2012) ist die Berufsbezeichnung der bisherigen „Krankenpfleger“ in „Gesundheits- und Krankenpfleger“ geändert worden (§ 23 Abs. 1 iVm. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Krankenpflegegesetz). Der Kläger ist staatlich anerkannter Krankenpfleger und erfüllt daher - auch nach Auffassung der Parteien - unter der Arbeitsvertragsbezeichnung „Pflegefachkraft“ die entsprechende Anforderung des hier fraglichen Tätigkeitsmerkmales.

29

bb) Der Kläger übt seine Gesundheitspflegertätigkeit auch „in der Psychiatrie“ aus. Unter dem vom Normgeber der AVR DWM im Richtbeispiel gewählten Begriff der „Psychiatrie“ fallen nicht nur die psychiatrischen Kliniken im engeren Sinne, sondern auch psychiatrische Einrichtungen anderer Art, in denen die spezifischen Aufgaben einer psychiatrischen Klinik ohne deren strikten institutionellen Rahmen - ganz oder teilweise - erfüllt werden. Dies ist bei dem psychiatrischen Pflegeheim der Beklagten der Fall.

30

(1) Der Begriff „Psychiatrie“ wird im Allgemeinen in zweifacher Hinsicht gebraucht. Er bedeutet zum einen ein „Fachgebiet der Medizin, das sich mit der Erkennung u. Behandlung psych. Krankheiten befasst“ (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. S. 1177; ebenso Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Bd. 7). Zum anderen bezeichnet er umgangssprachlich eine „psychiatr. Klinik“ (Wahrig aaO) bzw. „(Jargon) psychiatrische Abteilung, Klinik“ (Duden aaO). Der im Richtbeispiel gewählte Begriff orientiert sich erkennbar an der zweitgenannten Bedeutung und erfasst daher den Gesundheitspfleger in einer „psychiatrischen Einrichtung“ („Klinik, Abteilung“).

31

(2) „Die Psychiatrie“ im Sinne der Regelung ist danach nicht auf die „klassische“ psychiatrische Klinik begrenzt. Nach Sinn und Zweck der Norm werden auch die Einrichtungen erfasst, die gemeinsam das Netz der psychiatrischen Versorgung des Landes Mecklenburg-Vorpommern bilden.

32

(3) Der Begriff der „Psychiatrie“ ist nicht notwendig identisch mit dem Begriff der „psychiatrischen Klinik“. Eine solche Begrenzung wäre unmittelbar nur aus dem Tatbestandsmerkmal „psychiatrische Klinik“ oder aus einer vergleichbar eindeutigen Bezugnahme, etwa auf entsprechende Begriffe im Krankenversicherungsrecht (zB § 118 SGB V), zu folgern. Der Systematik ist lediglich zu entnehmen, dass mit dem Begriff der „Psychiatrie“ die Institution gekennzeichnet werden soll, in der die Pflegetätigkeit erbracht wird, nicht dagegen die jeweils konkrete Subsumtion einer speziellen, von einem einzelnen Gesundheitspfleger in einer Einrichtung ausgeübten Pflegetätigkeit.

33

(4) Für eine Erstreckung des Begriffs der Psychiatrie auf psychiatrische Pflegeheime, wie das der Beklagten, sprechen weiter die folgenden Gesichtspunkte:

34

Die „Psychiatrie“ ist kein Begriff, der quasi wissenschaftlich definiert ist. Er ist eher der Umgangssprache zuzuordnen (Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 263. Aufl. S. 1721). Wenn die Zugehörigkeit einer Institution zur „Psychiatrie“ als Merkmal genannt wird, besteht sprachlich keine Möglichkeit, diese Zugehörigkeit schon vom Wortlaut her präzise abzugrenzen. Es geht vielmehr um eine allgemeine Zuordnung zu Einrichtungen, in denen psychiatrisch erkrankte Patienten behandelt und ggf. gepflegt werden.

35

Dem entspricht, dass die „psychiatrische Versorgung“ im Allgemeinen und speziell im Land Mecklenburg-Vorpommern nicht auf psychiatrische Kliniken begrenzt ist. Die allgemeine gesundheitspolitisch-administrative Festlegung der Landesregierung in diesem Bereich wird als „Psychiatrieplan“ bezeichnet (vgl. das Geleitwort der Ministerin zum „Plan zur Weiterentwicklung eines integrativen Hilfesystems für psychisch kranke Menschen in Mecklenburg-Vorpommern“ von August 2011). Dazu heißt es in § 6 Abs. 3 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke vom 13. April 2000 (PsychKG M-V):

        

        

„Für den Versorgungsbereich eines psychiatrischen Krankenhauses oder einer psychiatrischen Abteilung eines Allgemeinkrankenhauses werden Beauftragte (Psychiatriekoordinatoren) bestellt, die in Zusammenarbeit mit den in Absatz 2 aufgeführten Stellen (ua. „den psychiatrischen Krankenhäusern und sonstigen psychiatrischen Einrichtungen …“) die Betreuung der psychisch Kranken im Versorgungsbereich des Krankenhauses koordinieren. … Die Versorgungsbereiche werden durch den Sozialminister … im Rahmen eines Psychiatrieplans festgelegt.“

36

Daraus ergibt sich, dass der Begriff der Psychiatrie sowohl nach der Terminologie des (Landes-)Gesetzgebers als auch nach der der Exekutive deutlich weiter reicht als dies eine Wertung als bloßes Synonym für „psychiatrische Klinik“ fassen würde.

37

(5) Das psychiatrische Pflegeheim der Beklagten wird von dem Psychiatrieplan des Landes Mecklenburg-Vorpommern 1994 erfasst. Das ergibt sich sowohl aus dem Psychiatrieplan 1994 selbst, als auch aus der von der Beklagten selbst erstellten Konzeption für das psychiatrische Pflegeheim. Die Konzeption weist neben den offenen Bereichen, in denen der Kläger tätig ist, auch eine geschlossene Abteilung auf. Die Unterbringung, bspw. nach § 1906 BGB oder nach § 9 ff. PsychKG M-V erfolgt in der Regel in psychiatrischen Kliniken, die von dem tariflichen Begriff der „Psychiatrie“ ohne Weiteres erfasst werden. Eine Unterbringung kann aber auch in dem psychiatrischen Pflegeheim der Beklagten (dort: Personenkreis 4) erfolgen. Dem entspricht, dass die Beklagte selbst stets darauf verwiesen hat, der Kläger habe mit dem Bereich der geschlossenen Unterbringung in ihrer Einrichtung nichts zu tun. Wenn die Frage der Zugehörigkeit zu „der Psychiatrie“ aber keine Frage der konkreten Tätigkeit des Klägers ist, sondern einer Eigenschaft der Institution, in der er tätig ist, käme eine Differenzierung nach den konkreten Tätigkeiten nur in Betracht, wenn das psychiatrische Pflegeheim nach dem geschlossenen und dem offenen Teil als zwei getrennte Institutionen zu werten wäre. Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte. Gerade der integrative Charakter der verschiedenen Teile der psychiatrischen Einrichtungen wird häufig als Merkmal einer modernen Versorgung im Bereich „der Psychiatrie“ verstanden.

38

Auch die konkreten Erscheinungsformen psychiatrischer Krankheiten in den verschiedenen Abteilungen im Heim der Beklagten legen eine Gesamtbetrachtung nahe. Nach der Konzeption der Beklagten gibt es zwischen den Diagnosen für den offenen und für den geschlossenen Bereich keine Differenzierungen. Lediglich hinsichtlich der gerichtlich überprüften Notwendigkeit einer Unterbringung ist bei deren Vorliegen die Aufnahme in die geschlossene Abteilung vorgesehen. Das PsychKG M-V sieht dafür in § 11 eine gegenwärtige erhebliche Gefahr einer Selbstschädigung oder für die öffentliche Sicherheit vor, die nicht anders abgewendet werden kann. Diese muss auf der psychischen Erkrankung beruhen. Die Unterbringung ist daher nicht Patienten mit bestimmten, besonders schweren psychischen Erkrankungen vorbehalten, sondern orientiert sich an einer aktuellen Selbst- oder Fremdgefährdung, bei welchem Krankheitsbild auch immer. Dementsprechend finden sich auch in den offenen Wohnbereichen in den Wohngruppen A und B Patienten mit Diagnosen schwerer psychischer Erkrankungen, wie schizophrene und affektive Psychosen und hirnorganischen Psychosyndromen (vgl. Konzeption S. 5). Die Psychose ist, auch wenn sie in unterschiedlichen Verlaufsformen auftritt, eine der schwersten psychischen Erkrankungen. Es handelt sich um eine komplexe psychische Störung mit gestörtem Selbst- und Realitätsbezug, die durch Denk-, Wahrnehmungs- und motorische Störungen, abnorme Erlebnisse und Erfahrungen eines gesteigerten subjektiven Bedeutungsbewusstseins gekennzeichnet ist (Pschyrembel Psychiatrie - Klinische Psychologie - Psychotherapie S. 649). Symptome einer schizophrenen Psychose sind schwere Wahnvorstellungen und Halluzinationen (vgl. dazu detailliert Möller/Laux/Kapfhammer Psychiatrie und Psychotherapie 2. Aufl. S. 1066 ff.). Häufigste Todesursache ist der Suizid. Affektive Psychosen äußern sich zumeist in einem Wechsel zwischen schweren Depressionen mit Antriebsarmut bis zur völligen Lähmung jeder Aktivität und Wahngedanken einerseits sowie manischen Zuständen, in denen sich Hyperaktivität und völlige Überschätzung der eigenen Möglichkeiten sich bis zu wahnhaften Größenvorstellungen steigern (Springer Lexikon Medizin S. 1779 f.). Zu den Hauptsymptomen der hirnorganischen Psychosyndrome zählen die Demenz, das Delirium, die Amnesie und der Aufmerksamkeitsverlust (Springer Lexikon Medizin S. 1776 ff.). Ferner trifft man oft auf Sprachstörungen und Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression, Bewusstseinstrübung, Veränderungen der Psychomotorik und unwillkürliche Bewegungen. Zu den hirnorganischen Psychosyndromen zählt auch Chorea Huntington. Die im Heim der Beklagten aufgenommenen Chorea Huntington-Patienten sind in offenen Wohngruppen untergebracht, in denen auch der Kläger tätig ist. Nach dem Konzeptionspapier der Beklagten (S. 4) kommt es bei diesen Patienten nicht nur zu neurologischen Veränderungen, sondern auch zu schweren psychischen Symptomen wie Unruhe, Ängste, Schlafstörungen, Depressionen, Suizidalität, Affektlabilität, Aggressivität und zu schizophrenieähnlichen Wahnvorstellungen. Hinsichtlich dieser Patientengruppe stellt die Aufnahme in das psychiatrische Pflegeheim der Beklagten ein „landesweites Spezialangebot“ (Konzeption S. 4) dar.

39

Die moderne Psychiatrie ist - wie auch die Konzeption der Beklagten und der Psychiatrieplan des Landes Mecklenburg-Vorpommern - ganzheitlich ausgerichtet und hat einen deutlich integrativen Charakter. Die frühere strenge Abtrennung bei der Behandlung psychisch Kranker in geschlossenen Abteilungen ist - insbesondere in der langfristigen Folge des grundlegenden Berichts zur Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland (sog. Enquéte-Kommission Psychiatrie, BT-Drucks. 7/4200 vom 25. November 1975) - bewusst zugunsten eines flexibleren Systems der psychiatrischen Versorgung aufgegeben worden (Asanger/Wenninger Handwörterbuch Psychologie 1999 S. 574 ff. Stichwort: Psychiatrie; detailliert Schott/Tölle Geschichte der Psychiatrie, passim, insbes. S. 311 ff.). Die Einweisungen und die Anordnung der Unterbringung sind deutlich seltener geworden, weil derartige Erkrankungen differenzierter diagnostiziert und behandelt werden. Dementsprechend ist das Behandlungs- und Pflegeangebot differenzierter geworden.

40

Ist daher der Begriff „der Psychiatrie“ deutlich weiter gefächert als früher und erstreckt er sich insbesondere weit über geschlossene psychiatrische Kliniken oder Abteilungen hinaus, ist davon auszugehen, dass die frühere Unterscheidung aufgehoben worden ist und sich in dem weiten Begriff der „Psychiatrie“ niederschlägt und deshalb durch eine einheitliche Eingruppierung der Pflegekräfte nachvollzogen worden ist.

41

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte als Unterlegene zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

        

    Eylert    

        

    Winter    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Dierßen    

        

    Fritz    

                 

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 20. Januar 2010 - 3 Sa 61/09 - insoweit aufgehoben, als es unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 7. Juli 2009 - 9 Ca 596/08 - auch festgestellt hat, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 3. für die Zeit vom 1. März 2008 bis zum 30. Juni 2008 nach Entgeltgruppe 9 TV-L zu vergüten.

Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 7. Juli 2009 - 9 Ca 596/08 - auf die Berufung der Beklagten abgeändert und hinsichtlich des Klägers zu 3. insgesamt klarstellend wie folgt gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 3. für die Zeit ab 1. Juli 2008 gemäß Entgeltgruppe 9 TV-L zu vergüten.

Im Übrigen wird die Klage des Klägers zu 3. abgewiesen.

Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. a) Von den gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Beklagte 7/10, der Kläger zu 1. 5/20 und der Kläger zu 3. 1/20 zu tragen.

Die gerichtlichen Kosten der Revision haben die Beklagte zu 19/20 und der Kläger zu 3. zu 1/20 zu tragen.

b) Die außergerichtlichen Kosten erster und zweiter Instanz des Klägers zu 2. hat die Beklagte zu tragen.

Die Beklagte hat von den außergerichtlichen Kosten erster und zweiter Instanz des Klägers zu 3. 6/7 und von denen des Klägers zu 1. 7/20 zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten erster und zweiter Instanz haben der Kläger zu 1. 5/20 und der Kläger zu 3. 1/20 zu tragen.

c) Die außergerichtlichen Kosten der Revisionsinstanz der Kläger zu 1. und 2. hat die Beklagte zu tragen, die auch 6/7 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 3. in dieser Instanz zu tragen hat, während der Kläger zu 3. 1/20 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten in der Revisionsinstanz zu tragen hat.

d) Im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Kläger, die als Außendienstmitarbeiter im Bezirklichen Ordnungsdienst (BOD) bei der beklagten Stadt tätig sind.

2

Seit 2003 gab es bei der Beklagten - Behörde für Inneres - einen zentralen Städtischen Ordnungsdienst (im Folgenden: SOD). Seine Aufgaben wurden ab dem 1. März 2006 auf die jeweiligen BOD, die zu diesem Zeitpunkt in den Bezirken der Beklagten gebildet wurden, übertragen. Hierüber unterrichtete der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg deren Bürgerschaft mit der Drucksache 18/2498 (S. 11 f.) unter der Überschrift „Schaffung eines Bezirklichen Ordnungsdienstes (BOD), der umfassend Ordnungswidrigkeiten aller Art im Bezirk ahndet“ auszugsweise wie folgt:

        

„Der BOD wird alle Aufgaben des Städtischen Ordnungsdienst[es] (SOD) wahrnehmen, der zurzeit noch bei der Bfl angebunden ist ... Darüber hinaus werden dem Ordnungsdienst weitere Aufgaben, z. B. der Wegewarte, der Baumkontrolleure und des Ermittlungsdienstes mit dem bisher dafür eingesetzten Personal zugeordnet. Auf diese Weise entsteht auf bezirklicher Ebene ein größeres Potenzial an regelmäßig präsenten Ordnungskräften, die - durch einheitliche Uniform - für jedermann erkennbar und ansprechbar sind. Wenn Bürgerinnen und Bürger sich bei Vorkommnissen oder drohenden Missständen direkt an die Kräfte des Ordnungsdienstes vor Ort wenden, kann nicht nur unmittelbare Abhilfe, z. B. durch Verwarnung von Haltern freilaufender Hunde, geschaffen werden, sondern mittelfristig auch eine präventive Wirkung erzielt und damit zu einem erhöhten Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beigetragen werden.

        

Der BOD wird zusätzlich Aufgaben der Überwachung des ruhenden Verkehrs und der Parkraumüberwachung wahrnehmen, damit diese wichtigen Aufgaben künftig auch stärker außerhalb der innerstädtischen Bereiche durchgeführt werden.

        

Durch eine zentrale Koordinationsstelle bei einem federführenden Bezirksamt wird gewährleistet, dass bei besonderen Problemlagen die Kräfte der Bezirklichen Ordnungsdienste kurzfristig auch bezirksübergreifend zum Einsatz kommen.“

3

Die Beklagte erstellte für den Aufgabenkreis der Kläger mit der Funktionsbezeichnung „Mitarbeiter/in im Außendienst“ eine Stellenbeschreibung, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

        

„Stellenbeschreibung

        

…       

        

Aufgaben/Tätigkeiten

Anteil der Arbeitszeit in v.H.

        

1.    

Feststellung von Ordnungswidrigkeiten sowie Kontrolle des ruhenden Verkehrs im Schichtdienst, auch am Wochenende und Feiertags im Zuständigkeitsbereich des Bezirklichen Ordnungsdienstes, Information von Bürgern, anderen Stellen, Annahme von Anzeigen, Meldungen, Aussprechen von Verwarnung oder Fertigung von Anzeigen bei als störend empfundenen Verhaltensweisen wie

55 %   

        

•       

Verunreinigung öffentlicher Wege und Plätze, z. B. durch unerlaubte Müllablagerung, abgestellte Fahrzeugwracks und Hundekot,

        
        

•       

Nichtbeachtung von Verboten in der Verordnung zum Schutz der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen, z. B. durch frei laufen lassen von Hunden, Lärmerzeugung mit Radios, wildes Zelten,

        
        

•       

Abpflücken von Pflanzen,

        
        

•       

Niederlassen zum Alkoholverzehr unter störenden Begleitumständen wie Pöbeln und Urinieren; aggressives Betteln,

        
        

•       

Störendes Verhalten im Umfeld von größeren Veranstaltungen,

        
        

•       

Besprühen/Bemalen von öffentlichen Gebäuden mit Graffiti, Beschädigung von Bänken und/oder anderen Sachen im öffentlichen oder öffentlich zugänglichen privaten Raum (Vandalismus).

        
        

•       

Halterermittlung, Auflagenüberprüfung und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in Zusammenarbeit mit polizeilichen und bezirklichen Dienststellen nach dem Hundegesetz und anderen gesetzlichen Grundlagen

        
        

2.    

Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und zur Beendigung von Ordnungswidrigkeiten und zur Seuchenprävention im Rahmen des Zuständigkeitsbereiches des Bezirklichen Ordnungsdienstes, hierbei jeweils unter Ausübung eigenen Ermessens mit

25 %   

        

•       

Aussprache von mündlicher Ermahnung

        
        

•       

Erteilung von mündlichen Verwarnungen ohne Verwarnungsgeld

        
        

•       

Aussprache von Unterlassungsverfügungen

        
        

•       

Sicherstellung von Gegenständen

        
        

•       

Aussprache von Platzverweisen

        
        

•       

Durchsetzung von Platzverweisen

        
        

•       

Bergung von Tieren

        
        

•       

Absperren und Sichern von Örtlichkeiten

        
        

3.    

Fertigung von Feststellungsberichten und Berichten zur Weitergabe an andere Dienststellen

10 %   

        

4.    

Durchführung weiterer Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung und Fertigung von Stellungnahmen, insbesondere bei anhängigen Ordnungswidrigkeitenverfahren für den Bußgeldbereich, die Bußgeldstelle der Bfl oder auf Anforderung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichtes aus dem Zuständigkeitsbereich des Bezirklichen Ordnungsdienstes

5 %     

        

5.    

Dienstbereitschaft und Einsatz in Zusammenarbeit mit anderen Behörden (z. B. Wasserschutzpolizei, Revierförstereien, Katastrophenschutz)

5 %     

___________

                          

100 % 

                                   
        

An der Aufgabenerfüllung mitwirkende Organisationseinheiten

        
        

Bezirkliche Dienststellen, Polizei, Stadtreinigung, Fachbehörden, Staatsanwaltschaft, Gerichte

        
        

Informationspflichten gegenüber anderen

        
        

Bezirkliche Dienststellen, Polizei, Stadtreinigung, Fachbehörden, Staatsanwaltschaft, Gerichte

        
        

Informationen von anderen

        
        

Bezirkliche Dienststellen, Polizei, Stadtreinigung, Fachbehörden, Staatsanwaltschaft, Gerichte, Bevölkerung

        
        

Befugnisse

        
        

Vollziehungsbeamter nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz und nach dem SOG, soweit diese nicht auf Polizeivollzugsbeamte beschränkt sind.

        
        

Entscheidung über Ahndung von Ordnungswidrigkeiten durch mündliche Ermahnung, Verwarnung ohne Verwarngeldangebot, Anzeige mit Verwarngeld oder Bußgeld.

        
        

Erforderliche Ausbildung

        
        

Abgeschlossene Berufsausbildung mit mehrjähriger Praxiserfahrung, bei Beamten Laufbahnprüfung für den mittleren allgemeinen Verwaltungsdienst.

        
        

Erforderliche Fachkenntnisse

        
        

Gründliche und vielseitige Fachkenntnisse der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus dem Zuständigkeitsbereich des bezirklichen Ordnungsdienstes, insbesondere des Gefahrenabwehr- und Vollstreckungsrechts.

        
        

Erforderliche Fähigkeiten

        
        

Selbständige und sorgfältige Arbeitsweise auch unter erhöhtem Arbeitsdruck, Einfühlungsvermögen und Geschick im Umgang mit den Bürgern.

        
        

Ziele 

        
        

Verbesserung der Sicherheit und Sauberkeit der Stadt.“

        
4

Rund 80 % der Arbeitszeit der klagenden Parteien entfallen auf von den Parteien als „Streifendienst“ oder „Streifengänge“ bezeichnete Tätigkeiten, die unter den Ziffern 1 und 2 der Stellenbeschreibung aufgeführt sind. In der Zuständigkeitsanordnung vom 15. April 2008 sind für den BOD neunzehn Gesetze und Verordnungen als gesetzliche Grundlagen der Tätigkeit aufgelistet.

5

In den Arbeitsverträgen der Kläger ist Bezug genommen auf den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge.

6

Der Kläger zu 1. war seit dem 1. September 2003 beim SOD tätig und wurde zunächst nach VergGr. VIb der Anlage 1a zum BAT vergütet. Seit dem 1. März 2006 ist er als Außendienstmitarbeiter beim BOD im Bezirksamt H beschäftigt. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2003 machte er gegenüber der Beklagten die Eingruppierung in VergGr. Vc BAT und mit Schreiben vom 28. November 2008 die Eingruppierung in der Entgeltgruppe 9 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ab dem 1. November 2006 geltend.

7

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2004 hatte die Beklagte den ersten Antrag des Klägers zu 1. abgelehnt. In diesem Schreiben heißt es auszugsweise:

        

„…    

        

Das Tätigkeitsmerkmal der gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse wird nach der Stellenbeschreibung vom 23.07.2004 mit 100 % der Tätigkeiten (Nrn. 1 - 4) erfüllt. Für diese Aufgaben sind Fachkenntnisse aus den Bereichen der Gefahrenabwehr sowie des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, (StGB, OwiG, HWG, LärmVO, StVO, Verordnung zum Schutz der Grün- und Erholungsanlagen etc.) erforderlich.

        

…       

        

Selbständige Leistungen werden in 25 % der Tätigkeiten anerkannt (Nr. 2). Die Selbständigkeit liegt dabei in der Ermessensabwägung im Rahmen zu ergreifender Maßnahmen zur Gefahrenabwehr. Einfacher Gesetzesvollzug, wie in den Nr. 1, 3 und 4 der vorliegenden Stellenbeschreibung, erfüllt nicht das Merkmal selbständiger Leistung.

        

Für eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V c Fg. 1 b BAT müsste der Anteil der selbständigen Tätigkeit an den Aufgaben bei mindestens 33 1/3 % Tätigkeiten liegen. Dieses Tätigkeitsmerkmal wird jedoch nach der vorliegenden Stellenbeschreibung nicht erfüllt.“

8

Der Kläger zu 2. war seit dem 23. August 2004 als Angestellter im SOD tätig. Seit dem 1. März 2006 ist er ebenfalls als Außendienstmitarbeiter beim BOD im Bezirksamt H beschäftigt und wurde wie der Kläger zu 1. nach der VergGr. VIb BAT vergütet. Mit Schreiben vom 30. Mai 2008 begehrte er „die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe Vc bzw. Vb BAT, der jetzigen Entgeltgruppe 8 bzw. 9 TV-L“.

9

Der Kläger zu 3. ist seit dem 1. April 2002 als Angestellter bei der Beklagten beschäftigt, zunächst im Polizeidienst und ab dem 1. März 2005 beim SOD. Er ist ebenfalls seit dem 1. März 2006 als Außendienstmitarbeiter beim BOD im Bezirksamt H tätig und wurde nach der VergGr. VIb BAT vergütet. Vom 1. April 2007 bis zum 31. Oktober 2008 übernahm er die Aufgabe der Leitungsassistenz im Management des öffentlichen Raums und erhielt dafür eine Zulage iHd. Differenzbetrages zwischen den Entgeltgruppen 6 und 8 TV-L. Während der Zeit dieser Tätigkeit war er zu 50 % bis 80 % seiner Arbeitszeit als Außendienstmitarbeiter im Streifendienst tätig. Mit Schreiben vom 11. September 2007 beantragte er „die Anhebung der … Stelle als Leitungsassistenz … auf BAT Vb bzw. der Entgeltgruppe 9“ mit dem Zusatz, dass sich seine derzeitige Tätigkeit gegenüber der Tätigkeit im BOD „in Breite und Tiefe extrem“ abgrenze.

10

Im Dezember 2008 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass sie sie im Hinblick auf das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 7. Mai 2008 (- 23 Ca 24/08 -), das rechtskräftig geworden sei, rückwirkend nach der Entgeltgruppe 8 TV-L vergüten werde.

11

Mit ihren am 22. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 9. Januar 2009 der Beklagten zugestellten Feststellungsklagen geht es den Klägern um die Eingruppierung in der Entgeltgruppe 9 TV-L. Sie halten ihre Streifengänge - entsprechend den Tätigkeiten Ziffern 1 und 2 aus den Stellenbeschreibungen - für einen einzigen großen, nicht weiter aufteilbaren Arbeitsvorgang im tariflichen Sinne. Der Streifendienst diene einem einheitlichen Arbeitsergebnis, nämlich der Durchsetzung der ordnungsrechtlichen Normen im Bezirk unter Ahndung von Verstößen gegen die unterschiedlichsten Gebote und Verbote. Dabei sei es im Vorhinein regelmäßig nicht absehbar, welche einzelnen Vorfälle sich auf dem jeweiligen Streifengang ereignen würden. Der Arbeitsvorgang Streifendienst erfordere insgesamt gründliche und vielseitige Fachkenntnisse, wie ua. bereits aus der Stellungnahme der Beklagten vom 27. Oktober 2004 und aus der Zuständigkeitsanordnung vom 15. April 2008 hervorgehe. Selbständige Leistungen im tarifvertraglichen Sinne seien in rechtserheblichem Umfang zu erbringen, insbesondere bei der Ermessensausübung im Rahmen von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr. Sie seien seit Anbeginn der Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter in der VergGr. Vc Fallgr. 1a BAT und nach Ablauf der dreijährigen Bewährungszeit in der VergGr. Vb BAT sowie seit der Überleitung in den TV-L in dessen Entgeltgruppe 9 eingruppiert.

12

Der Kläger zu 1. hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 1. für die Zeit ab 1. Juni 2008 gemäß der Entgeltgruppe 9 des TV-L zu vergüten.

13

Der Kläger zu 2. hat beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 2. für die Zeit ab 1. November 2007 gemäß der Entgeltgruppe 9 des TV-L zu vergüten.

14

Der Kläger zu 3. hat beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 3. für die Zeit ab 1. März 2008 gemäß der Entgeltgruppe 9 des TV-L zu vergüten.

15

Die Beklagte hat ihren klagabweisenden Antrag damit begründet, bei den von den klagenden Parteien zu absolvierenden Streifengängen handele es sich nicht um einen einheitlichen Arbeitsvorgang. Die unter Ziffer 1 und unter Ziffer 2 der Stellenbeschreibung aufgeführten Tätigkeitsbereiche seien je eigene tarifliche Arbeitsvorgänge von unterschiedlicher Wertigkeit. Der erste enthalte lediglich feststellende, letztlich „passive“ Tätigkeiten des Erfassens von zu beanstandenden Handlungsweisen, der zweite das im Sinne einer verwaltungsmäßigen Abwicklung notwendige aktive Ergreifen von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr. Dementsprechend gehe es um unterschiedliche Arbeitsergebnisse: Unter Ziffer 1 handele es sich um den eigentlichen Streifenvorgang mit auch präventivem Charakter, unter Ziffer 2 um den verwaltungs-/ordnungsrechtlichen Abschluss durch Erlass von Ermahnungen, Verfügungen oder ähnlichen Maßnahmen. Für den Tätigkeitsbereich unter Ziffer 1 der Stellenbeschreibung seien keinerlei selbständige Leistungen erforderlich. Die Tätigkeiten seien lediglich ausführender Art und sehr kleinteilig durch gesetzliche und fachliche Vorgaben, insbesondere durch Dienstanweisungen, bestimmt. Es sei dabei weder erforderlich noch vorgesehen, eigene Entscheidungen zu treffen. Nur für den Tätigkeitsbereich unter Ziffer 2 der Stellenbeschreibung, der jedoch nur 25 % der Gesamtarbeitszeit ausmache, seien selbständige Leistungen im Sinne von mehreren Handlungsalternativen und Ermessensentschließungen erforderlich. Aber auch bei Annahme eines einheitlichen Arbeitsvorgangs für die Ziffern 1 und 2 der Stellenbeschreibung wäre das Erfordernis eines rechtserheblichen Umfangs selbständiger Leistungen im tariflichen Sinne nicht erfüllt. Denn der Anteil selbständiger Leistungen liege auch innerhalb des Tätigkeitsbereichs zu Ziffer 2 der Stellenbeschreibung deutlich unter 10 %.

16

Das Arbeitsgericht hat den Klagen, soweit noch streitig, stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Klageabweisung. Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Den Klägern steht das begehrte Entgelt nach der Entgeltgruppe 9 TV-L zu. Zutreffend haben die Vorinstanzen die unter den Ziffern 1 und 2 der Stellenbeschreibung aufgeführten Tätigkeiten zu einem großen Arbeitsvorgang „Streifengang“ zusammengefasst. Sie haben zu Recht angenommen, dass die Tatbestandsmerkmale der VergGr. Vc Fallgr. 1a BAT „gründliche und vielseitige Fachkenntnisse“ sowie „selbständige Leistungen“ in rechtserheblichem Ausmaß von den Klägern erfüllt werden. Zutreffend haben sie schließlich auch die gemäß der VergGr. Vb Fallgr. 1c BAT erforderliche Bewährungszeit mit beanstandungsfrei erbrachter Tätigkeit als erfüllt angesehen. Lediglich im Hinblick auf den Antrag des Klägers zu 3. ist der Revision und der Berufung der Beklagten im Hinblick auf die Einhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist in geringem Umfang stattzugeben und insoweit die Klage abzuweisen.

18

I. Die Feststellungsanträge der klagenden Parteien sind als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklagen zulässig nach § 256 Abs. 1 ZPO(st. Rspr., siehe nur BAG 17. November 2010 - 4 AZR 188/09 - Rn. 15, NZA-RR 2011, 304; 22. April 2009 - 4 AZR 166/08 - Rn. 13 mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 311). Soweit das Landesarbeitsgericht in seinem Tenor zusätzlich die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Differenzvergütung an die Kläger aufgenommen hat, handelt es sich um einen unselbständigen Antragsbestandteil, der - wie die Kläger in der Revisionsverhandlung ausdrücklich erklärt haben - im Eingruppierungsfeststellungsantrag bereits enthalten war.

19

II. Die Revision ist im Wesentlichen unbegründet. Begründet ist sie nur insoweit, als es um den Zeitpunkt geht, ab dem der Kläger zu 3. einen Anspruch auf das geltend gemachte Entgelt hat.

20

1. Im Streitzeitraum gilt für die Arbeitsverhältnisse der Kläger der TV-L.

21

Auf die Arbeitsverhältnisse finden kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme der BAT sowie die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung. Die Beklagte ist Mitglied in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Für den Bereich der TdL ersetzt der TV-L nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts vom 12. Oktober 2006 (TVÜ-Länder) den BAT. Auch die Vorinstanzen und die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass der TV-L den Inhalt der Arbeitsverhältnisse und damit auch die Eingruppierung der Kläger bestimmt. Nach § 4 TVÜ-Länder wird für die Überleitung der Angestellten ihre Vergütungsgruppe (§ 22 BAT) ua. nach der Anlage 2 TVÜ-Länder Teil A den Entgeltgruppen des TV-L zugeordnet. Erst zum 1. Januar 2012 ist die Entgeltordnung zum TV-L (Anlage A zum TV-L) in Kraft getreten.

22

2. Die für die Eingruppierung nach der Anlage 1a zum BAT gemäß § 22 BAT erforderliche Bestimmung von Arbeitsvorgängen durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Maßgebend für die Eingruppierung ist danach der Arbeitsvorgang „Streifengang“, der - mindestens - aus den unter den Ziffern 1 und 2 der Stellenbeschreibung aufgeführten Aufgabenbereichen besteht und als solcher mit einem Zeitanteil von etwa 80 % für die tarifliche Bewertung entscheidend ist.

23

a) Nach § 22 Abs. 2 BAT, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder über den 31. Oktober 2006 hinaus fort gilt bis zum Inkrafttreten einer neuen Entgeltordnung (vgl. § 17 Abs. 7 TVÜ-Länder), ist der Angestellte in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Dies ist dann der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmales dieser Vergütungsgruppe erfüllen. Nach der hierzu vereinbarten Protokollnotiz sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen einschließlich Zusammenhangsarbeiten, die bezogen auf den Aufgabenkreis des Angestellten, zu einem bei natürlicher Betrachtungsweise abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen.

24

Danach ist das Arbeitsergebnis das entscheidende Bestimmungskriterium ( BAG 25. August 2010 - 4 AZR 5/09 - Rn. 22 mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 315; 25. Februar 2009 - 4 AZR 20/08  - Rn. 18 mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 310). Dabei kann auch die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Nur wenn es tatsächlich möglich ist, Tätigkeiten von unterschiedlicher Wertigkeit abzutrennen, werden diese nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst ( BAG 25. August 2010 - 4 AZR 5/09 - aaO; 23. September 2009 - 4 AZR 308/08  - Rn. 20 mwN, AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 40). Zur Tätigkeit rechnen dabei auch die Zusammenhangstätigkeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhanges mit bestimmten, insbesondere höherwertigen Aufgaben eines Angestellten bei der tariflichen Bewertung zur Vermeidung einer tarifwidrigen „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die unter Berücksichtigung der Zusammenhangstätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führende Tätigkeit muss tatsächlich von der übrigen Tätigkeit des Angestellten abgrenzbar und rechtlich selbständig bewertbar sein ( BAG 25. August 2010 - 4 AZR 5/09 - aaO; 21. Februar 1990 - 4 AZR 603/89 - mwN, AP BAT §§ 22, 23 Krankenkassen Nr. 7).

25

b) Zu Recht sind die Vorinstanzen hinsichtlich der Tätigkeiten der Kläger von einem einheitlichen Arbeitsvorgang „Streifengang“ ausgegangen, zu dem jedenfalls die den Ziffern 1 und 2 der Stellenbeschreibung aufgeführten Aufgabenbereiche gehören und der damit jedenfalls 80 % der Arbeitszeit der klagenden Parteien umfasst. Dabei kann es dahinstehen, ob dieser Arbeitszeitanteil durch eine Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten nicht tatsächlich größer als vom Landesarbeitsgericht angenommen ist, da mit 80 % der tariflich geforderte zeitliche Umfang von mindestens der Hälfte der Gesamtarbeitszeit mehr als erreicht ist.

26

aa) Das Landesarbeitsgericht hat die in der Stellenbeschreibung unter den Ziffern 1 und 2 genannten Tätigkeitsbereiche als einen einheitlichen Arbeitsvorgang „Streifengang“ angesehen. Die gesamte Tätigkeit der klagenden Parteien auf ihren Streifengängen diene einem einheitlichen Arbeitsergebnis, nämlich der Durchsetzung ordnungsrechtlicher Normen und damit einhergehend der Ahndung von Verstößen gegen die unterschiedlichsten Gebote und Verbote sowie der Gefahrenabwehr. Gleichzeitig sei beabsichtigt, durch die Streifengänge ein erhöhtes Sicherheitsgefühl bei der Bevölkerung zu erzeugen. Der Streifengang, so wie er in der Stellenbeschreibung bestimmt sei, erlaube keine sinnvolle Aufteilung der einzelnen Maßnahmen nach tariflichen Wertigkeiten. Es sei unmöglich, zu Beginn des Streifengangs die einzelnen Eingriffe nach ihrer tariflichen Wertigkeit unterscheiden zu können. Wenn beispielsweise eine Ordnungswidrigkeit nach Ziffer 1 der Stellenbeschreibung festgestellt werde, dann sei zu überlegen, wie die sich aus Ziffer 2 der Stellenbeschreibung ergebende Aufgabe der Beendigung der Ordnungswidrigkeit erledigt werden müsse. Gleiches gelte, wenn die klagenden Parteien bei der Aufnahme einer Anzeige nach Ziffer 1 der Stellenbeschreibung von einem Gefahrenzustand erführen für die erforderliche Maßnahme der Gefahrenabwehr nach Ziffer 2 der Stellenbeschreibung. Ganz anders könne für Tätigkeiten im Innendienst bereits bei der Zuteilung der Arbeit nach der tariflichen Wertigkeit unterschieden werden. Eine solche Unterscheidung bereits bei der Verteilung der Arbeitsaufgabe an unterschiedliche Beschäftigte, beispielsweise nach „Unregelmäßigkeiten vermelden“ und „Maßnahmen ergreifen“ sei zwar möglich, von der Beklagten jedoch nicht vorgenommen worden.

27

bb) Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die unter den Ziffern 1 und 2 der Stellenbeschreibung aufgeführten Arbeitseinheiten können im Hinblick auf das einheitliche, zweckgerichtete Arbeitsergebnis nicht nach tatsächlichen Gesichtspunkten voneinander abgegrenzt werden.

28

Eine solche Trennung lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits der Stellenbeschreibung entnehmen. Die unter der Ziffer 1 beschriebenen Tätigkeiten erschöpfen sich nicht in der Feststellung einzelner Sachverhalte, wie sie beispielhaft mit Unterpunkten bezeichnet werden, sondern führen - soweit erforderlich - zu Maßregelungen. Dies folgt bereits aus dem Obersatz, der ausdrücklich das Aussprechen von Verwarnungen oder das Fertigen von Anzeigen vorsieht, sowie den Erläuterungen unter dem letzten Unterpunkt, nach denen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr vorgesehen sind. In Ziffer 2 der Stellenbeschreibung wird dieser Aufgabenkreis der Außendienstmitarbeiter ausdrücklich ergänzt. Danach verbleibt es nicht bei der Ermächtigung, das Vorliegen von Ordnungswidrigkeiten nur festzustellen. Zusätzlich werden Maßnahmen zur Abwehr oder Beendigung etwaiger Gefahrenlagen überantwortet und konkretisiert. Das ergibt sich iÜ auch aus dem eigenen Vortrag der Beklagten, die die Maßnahmen unter Ziffer 2 der Stellenbeschreibung als „Abschluss“ der Tätigkeiten unter deren Ziffer 1 bezeichnet und damit letztlich selbst beide als Teile eines Ganzen ansieht.

29

Bei den Streifengängen ist nach dem Zuschnitt des Aufgabenbereichs die auszuübende Tätigkeit nicht nach dem „Erfassen“ beendet, sondern geht, soweit im Einzelfall erforderlich, in das „Ergreifen von Maßnahmen“ über. Dabei sind die Aufgaben nach Ziffer 1 und die Aufgaben nach Ziffer 2 der Stellenbeschreibung von ein und derselben Person zu erledigen. Dies sind im Hinblick auf das zu erreichende Arbeitsergebnis, das von der Beklagten selbst mit der „Durchsetzung ordnungsrechtlicher Normen und damit einhergehend der Ahndung von Verstößen“, der „Gefahrenabwehr“ und der Erzeugung eines „erhöhten Sicherheitsgefühls bei der Bevölkerung“ vorgegeben ist, nicht nach tariflicher Wertigkeit trennbare Tätigkeitsbereiche. Das unterscheidet den Zuschnitt dieses Aufgabenbereichs von dem der Tätigkeit von Innendienstmitarbeitern, denen - bei entsprechendem Zuschnitt des Tätigkeitsbereichs - entweder nur Akten mit einfachen Sachverhalten oder nur mit höherem Schwierigkeitsgrad zur Bearbeitung vorgelegt werden können. Eine solche „Vorab-Trennung“ ist bei den Streifengängen der Kläger kaum möglich und von der Beklagten auch nicht angestrebt. Die Kläger müssen vor Ort und ggf. ohne Verzögerung entscheiden, welche Maßnahme im konkreten Einzelfall zu ergreifen ist. Die Beklagte hätte es zwar möglicherweise bei der Übertragung der bloßen Feststellung von Sachverhalten, der Entgegennahme von Anzeigen, Informationen, Meldungen sowie der Auskunftserteilung gegenüber Bürgern belassen und die Befugnis zur Ergreifung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr anderen Beschäftigten übertragen können. In diesem Fall wäre vielleicht eine Vergleichbarkeit zu der Tätigkeit der von der Revision angeführten Innendienstmitarbeiter mit begrenztem Aufgabenbereich in Betracht gekommen. Da sie von einer entsprechenden Aufteilung abgesehen hat, stellen sich die unter Ziffer 2 aufgelisteten Maßnahmen als Teil des einheitlichen Arbeitsergebnisses „Durchsetzung ordnungsrechtlicher Normen und Gefahrenabwehr“ dar. Sie können nicht sinnvoll abgegrenzt und getrennt bewertet werden.

30

3. Die für die Bewertung des danach vorliegenden einheitlichen Arbeitsvorganges „Streifengang“ in Betracht kommenden Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a Teil I Allgemeiner Teil zum BAT/BL lauten:

        

„Vergütungsgruppe V b

        

1c.     

Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert,

                 

nach dreijähriger Bewährung in Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1a.

                 

(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung [des Betriebes], bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)

        

Vergütungsgruppe V c

        

1a.     

Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.

                 

(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung [des Betriebes], bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)

        

1b.     

Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Drittel selbständige Leistungen erfordert.

                 

(Die Klammerzusätze zu Fallgruppe 1 a gelten.)

                 

Vergütungsgruppe VI b

        

1a.     

Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Fünftel selbständige Leistungen erfordert.

                 

(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung [des Betriebes], bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)

                 

Vergütungsgruppe VII

        

1a.     

Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert.

                 

(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung [des Betriebes], bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Verhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.)

        

1b.     

Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche Fachkenntnisse erfordert.

                 

(Erforderlich sind nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen usw. des Aufgabenkreises.)“

31

Die Protokollnotiz Nr. 9 ist vorliegend nicht von Bedeutung.

32

4. Die den Klägern übertragene Tätigkeit erfüllt die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmales der VergGr. Vc Fallgr. 1a BAT, da sie gründliche und vielseitige Fachkenntnisse sowie selbständige Leistungen abverlangt. Da die klagenden Parteien sich entsprechend den tariflichen Voraussetzungen bewährt haben, erfüllen sie auch die Anforderungen der VergGr. Vb Fallgr. 1c BAT, die nach Überleitung in den TV-L seit dem 1. November 2006 der angestrebten Entgeltgruppe 9 TV-L entspricht.

33

a) Das Urteil des Landesarbeitsgerichts unterliegt, soweit es sich um die Anwendung der Begriffe „gründliche und vielseitige Fachkenntnisse“, und „selbständige Leistungen“ und damit um die von unbestimmten Rechtsbegriffen handelt, lediglich einer eingeschränkten Überprüfung. Es kann in der Revisionsinstanz nur dahingehend überprüft werden, ob es den Rechtsbegriff als solchen verkannt und ihn bei der Subsumtion beibehalten hat, ob es Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat sowie darauf, ob es in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr., vgl. nur BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 313/09 - Rn. 24 mwN, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 62). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Berufungsurteil erkennen lässt, wie das Landesarbeitsgericht den unbestimmten Rechtsbegriff verstanden hat (st. Rspr., vgl. nur BAG 6. Juni 2007 - 4 AZR 456/06 - Rn. 20 mwN, ZTR 2008, 156).

34

b) Dieser eingeschränkten Überprüfung hält das Berufungsurteil stand.

35

aa) Darin wird zu Recht davon ausgegangen, dass der Arbeitsvorgang „Streifengang“ gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert. Dabei war insoweit eine pauschale Überprüfung ausreichend, weil die Parteien die Tätigkeit der klagenden Parteien als unstreitig ansehen und dieses Tatbestandsmerkmal der VergGr. VII Fallgr. 1a BAT, auf der die VergGr. VIb Fallgr. 1a und die VergGr. Vc Fallgr. 1a BAT aufbauen, durch diese Tätigkeit als erfüllt erachten (st. Rspr., vgl. nur BAG 22. April 2009 - 4 AZR 166/08 - Rn. 21 mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 311; 25. Januar 2006 -  4 AZR 613/04  - Rn. 17, AP BAT-O § 27 Nr. 4; 12. Mai 2004 -   4 AZR 371/03  - zu I 1 f aa (3) der Gründe mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 301). Zwar hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderung bestritten, dies sei zu 100 % der Fall. Ihrem Vorbringen ist jedoch zu entnehmen, dass sie selbst jedenfalls mindestens 50 % gründliche und vielseitige Fachkenntnisse zugrunde legt. Das folgt einerseits daraus, dass bereits die ursprünglich von ihr als zutreffend angesehene VergGr. VIb (Fallgr. 1a und 1b) BAT sowie die dieser vorausgehende VergGr. VII (Fallgr. 1a) BAT zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge erfordern, die dieses Tatbestandsmerkmal erfüllen. Die Beklagte ist den Ausführungen des Berufungsgerichts, die Tätigkeit der klagenden Parteien werde von gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen bestimmt, iÜ auch nicht entgegengetreten.

36

(1) „Gründliche Fachkenntnisse“ setzen unter Berücksichtigung der auch hier heranzuziehenden Klammerdefinition zur VergGr. VII Fallgr. 1b BAT nähere Kenntnisse von ua. Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen des fraglichen Aufgabenkreises voraus. Die Fachkenntnisse müssen sich jedoch nicht notwendig auf Rechtsvorschriften beziehen, wie sich bereits aus dem Zusatz „usw.“ zu der Klammerdefinition zur VergGr. VII Fallgr. 1b BAT ergibt. So hat der Senat ua. historische, architekturhistorische und fremdsprachliche Fachkenntnisse als ausreichend angesehen (vgl. ua. BAG 10. Dezember 1997 - 4 AZR 221/96 - zu II 1 b bb (3) der Gründe, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 237; näher Krasemann Das Eingruppierungsrecht des BAT/BAT-O 8. Aufl. Kap. 9.4 Rn. 40 ff.). Es sind Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art zu verlangen. Vielseitige Fachkenntnisse erfordern demgegenüber eine Erweiterung des Fachwissens seinem Umfang nach. Dies kann sich beispielsweise aufgrund der Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen oder der Verschiedenartigkeit der sich aus einem Fachgebiet stellenden Anforderungen ergeben (vgl. ua. BAG 10. Dezember 1997 - 4 AZR 221/96 - aaO). Denkbar ist zwar, dass sich der Wissensbereich nur auf ein einzelnes, abgegrenztes Teilgebiet beschränkt, in dem der Angestellte eingesetzt wird (vgl. BAG 23. September 2009 - 4 AZR 308/08 - Rn. 28 mwN, AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 40), jedoch reicht ein eng abgegrenztes Teilgebiet mit etwa nur routinemäßiger Bearbeitung nicht aus.

37

(2) Das Landesarbeitsgericht hat aus dem Vortrag der Parteien, insbesondere aus dem der Beklagten, und unter Berücksichtigung der von der Beklagten erstellten Stellenbeschreibung und der Zuständigkeitsanordnung vom 15. April 2008 ohne Rechtsfehler geschlossen, dass die Anforderung der gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse erfüllt ist. Dabei hat es insbesondere darauf abgestellt, dass neunzehn Gesetze und Verordnungen die gesetzliche Grundlage der Tätigkeit bilden und dass Fachkenntnisse des Gefahrenabwehr- und Vollstreckungsrechts anzuwenden sind. Diese Fachkenntnisse konnte das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler als gründlich und vielseitig bewerten.

38

(a) Dabei ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht für die Vielseitigkeit der benötigten Fachkenntnisse auch auf die Zuständigkeitsanordnung vom 15. April 2008 Bezug genommen hat. Zwar kann dieser Zuständigkeitsanordnung nicht ausdrücklich entnommen werden, dass die in ihr geregelten Zuständigkeiten für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum gelten. Jedoch ergibt sich aus einem Klammerzusatz zu ihrer Überschrift - „basiert auf der Senats-Drs. vom Januar 2006“ -, dass ein Vorläufer vom Januar 2006 existiert. Die Beklagte hat weder die Zuständigkeitsanordnung in Abrede gestellt noch Umstände vorgetragen, die für eine beachtliche zwischenzeitliche Änderung der Zuständigkeiten des BOD sprechen.

39

(b) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht sich ua. auf die von der Beklagten erstellte Stellenbeschreibung gestützt hat, in der es unter der Überschrift „Erforderliche Fachkenntnisse“ heißt, dass „[g]ründliche und vielseitige Fachkenntnisse der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus dem Zuständigkeitsbereich des bezirklichen Ordnungsdienstes, insbesondere des Gefahrenabwehr- und Vollstreckungsrechts“ erforderlich sind. Zwar können die Angaben in einer Stellenbeschreibung (auch wenn die Beklagte diese selbst erstellt hat und, wie vorliegend, im Verlaufe des Rechtsstreits auch nicht in Frage stellt, ggf. nur rechtlich anders bewertet) grundsätzlich nicht mit tarifvertraglichen Vorgaben gleichgesetzt werden. Ob solche Vorgaben erfüllt sind, ist eine Rechtsfrage. Die Antwort darauf kann von den Parteien des Rechtsstreits nicht unstreitig gestellt werden und sie kann auch nicht ohne jegliche Subsumtion einer Stellenbeschreibung entnommen werden. Das hat das Landesarbeitsgericht jedoch auch nicht getan, sondern es hat auf die danach und iÜ unstreitig benötigten Fachkenntnisse insbesondere des Gefahrenabwehr- und Vollstreckungsrechts Bezug genommen und sie ersichtlich in die eigene rechtliche Bewertung einbezogen.

40

bb) Das Landesarbeitsgericht hat weiter rechtsfehlerfrei erkannt, dass der Arbeitsvorgang „Streifengang“ entgegen der Auffassung der Beklagten auch das Tatbestandsmerkmal „selbständige Leistungen“ iSd. VergGr. Vc Fallgr. 1a BAT in rechtserheblichem Ausmaß erfüllt.

41

(1) Das Landesarbeitsgericht ist von dem zutreffenden Begriff der „selbständigen Leistungen“ im Sinne des Satzes 3 des Klammerzusatzes zu der VergGr. Vc Fallgr. 1a BAT ausgegangen.

42

(a) Danach erfordern selbständige Leistungen ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen. Das Merkmal „selbständige Leistungen“ darf nicht mit dem Begriff „selbständig arbeiten“ verwechselt werden, worunter eine Tätigkeit ohne direkte Aufsicht oder Leitung zu verstehen ist. Eine selbständige Leistung im Tarifsinne ist dann anzunehmen, wenn eine Gedankenarbeit erbracht wird, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses, eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert. Kennzeichnend für selbständige Leistungen im tariflichen Sinne ist - ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe - ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses. Es werden Abwägungsprozesse verlangt, in deren Rahmen Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt werden. Dabei müssen für eine Entscheidung unterschiedliche Informationen verknüpft und untereinander abgewogen werden. Dass diese Abwägungsprozesse bei entsprechender Routine durchaus schnell ablaufen können, steht nicht entgegen (BAG 22. April 2009 - 4 AZR 166/08 - Rn. 27 mwN, AP BAT §§ 22, 23 Nr. 311).

43

(b) Zum Erfüllen der tariflichen Anforderungen ist es ausreichend, wenn selbständige Leistungen innerhalb des Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliegen. Nicht erforderlich ist es, dass innerhalb eines Arbeitsvorgangs selbständige Leistungen ihrerseits in dem von § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 und Unterabs. 4 BAT bestimmten Maß anfallen (st. Rspr., vgl. BAG 22. April 2009 - 4 AZR 166/08 - Rn. 27 mwN, AP BAT §§ 22, 23 Nr. 311; 18. Mai 1994 - 4 AZR 461/93 - zu B II 4 c der Gründe, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 178). Dabei kann es dahinstehen, ob und ggf. wo genau eine quantitative Grenze für den unbestimmten Rechtsbegriff des rechtserheblichen Ausmaßes zu ziehen wäre. Eine Bestimmung eines Prozentsatzes, bei dessen Vorliegen das fragliche Tarifmerkmal in rechtserheblichem Ausmaße vorliegt, erscheint dem Senat nach wie vor (vgl. BAG 22. März 1995 - 4 AZN 1105/94 - zu II der Gründe mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 193)nicht geboten. Jedenfalls sind selbständige Leistungen dann in rechtserheblichem Ausmaß erforderlich, wenn ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt werden könnte (BAG 20. Oktober 1993 - 4 AZR 45/93 - zu III 3 b bb der Gründe, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 172). Dabei kann das Erfüllen dieser Voraussetzung nicht davon abhängen, ob nach dem Ende der Arbeitseinheit festgestellt wird, dass bei dem Erzielen des Arbeitsergebnisses die höchste qualitative Anforderung in einem bestimmten zeitlichen Ausmaß auch tatsächlich abgerufen wurde. Entscheidend ist, dass zu Beginn der Tätigkeit die Fähigkeit, dieser qualitativen Anforderung gerecht zu werden, allgemein bereitgehalten werden muss, weil sie nach der arbeitsvertraglichen Aufgabenstellung jederzeit, wenn auch in einem nicht vorhersehbaren Umfang, eingesetzt werden muss. Dieser qualitativ bestimmte Maßstab folgt insbesondere daraus, dass die Tarifvertragsparteien des BAT den Arbeitsvorgang zur grundlegenden und universalen Bezugsgröße für die Eingruppierung gemacht haben. Hätten die Tarifvertragsparteien die Arbeitszeit zum Bezugspunkt von Qualifikationsmerkmalen machen wollen, so hätten sie das - beispielsweise - in § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT - zum Ausdruck bringen müssen (näher BAG 20. Oktober 1993 - 4 AZR 45/93 - aaO; 22. März 1995 - 4 AZN 1105/94 - aaO).

44

(2) Gemessen an diesem Kriterium hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, das Tatbestandsmerkmal „selbständige Leistungen“ liege in rechtserheblichem Ausmaß vor.

45

(a) Das Landesarbeitsgericht hat entscheidend darauf abgestellt, ohne selbständige Leistungen könne kein brauchbares Arbeitsergebnis erzielt werden. Die im Rahmen des Arbeitsvorgangs „Streifengang“ zu erbringenden Tätigkeiten dienten der Durchsetzung der bei der Beklagten bestehenden ordnungsrechtlichen Normen. Dies erfordere regelmäßig, dass die klagenden Parteien Ermessensentscheidungen zu treffen hätten, ob und ggf. welche Maßnahme im Einzelfall zu ergreifen sei.

46

(b) Damit hat das Landesarbeitsgericht in zutreffender Weise die Tätigkeit der Kläger unter das Tatbestandsmerkmal der selbständigen Leistungen subsumiert sowie das Erfordernis des rechtserheblichen Ausmaßes zum Begriff des Arbeitsvorgangs in Bezug gesetzt. Mit seiner Wertung, ohne die Erbringung selbständiger Leistungen sei die Durchsetzung ordnungsrechtlicher Normen und damit die Entscheidung über Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und der Verhinderung oder Beseitigung von Ordnungswidrigkeiten nicht möglich, mit der Folge, dass ein zufriedenstellendes Arbeitsergebnis nicht erzielt werden könne, hat es den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Das Landesarbeitsgericht konnte bei seinen Erwägungen zugrunde legen, dass der Arbeitsvorgang „Streifengang“ selbständige Leistungen iSd. Tatbestandsmerkmales erfordert, und zwar ua. Ermessensentscheidungen unter Verknüpfung und Abwägung unterschiedlicher Informationen. Selbst die Beklagte hat nicht bestritten, dass dies der Fall ist. Sowohl in ihrer Berufungs- als auch in ihrer Revisionsbegründung rügt sie lediglich, dieses Tatbestandsmerkmal sei nicht in rechtserheblichem Ausmaß erfüllt. Selbst wenn, den Vortrag der Beklagten unterstellt, selbständige Leistungen lediglich im Umfang von unter 10 % bezogen auf Ziffer 2 der Stellenbeschreibung (25 % der Gesamtarbeitszeit ausmachend) benötigt würden, kommt es darauf nicht an, solange diese für ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis vorgehalten werden müssen.

47

(c) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe bezüglich eines rechtserheblichen Anteils selbständiger Leistungen „ohne tatsächliche Feststellungen“ geurteilt, geht ins Leere. Es kann dabei dahinstehen, ob es sich insoweit um eine Verfahrensrüge handelt und ob diese den Anforderungen entsprechend dargelegt worden ist. Jedenfalls brauchte das Landesarbeitsgericht zu diesem Punkt keine Feststellungen zu treffen, denn es hat allein auf der Grundlage der Angaben der Beklagten - unter abweichender rechtlicher Bewertung - der Klage stattgegeben.

48

(3) Der hiergegen von der Revision erhobene Einwand, eine Vergütung der Kläger nach der Entgeltgruppe 9 TV-L sei im Vergleich beispielsweise mit wesentlich anspruchsvolleren, aber im Eingruppierungsgefüge niedriger bewerteten Tätigkeiten anderer Beschäftigter nicht gerechtfertigt, ist unerheblich. Soweit die Revision sich hier auf Personalsachbearbeiter der Entgeltgruppe 8 TV-L oder auf Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes der Entgeltgruppe 9 TV-L beruft, übersieht sie bereits, dass nach ihrer eigenen Stellenbeschreibung ein/e Mitarbeiter/in im Außendienst des BOD über eine abgeschlossene Berufsausbildung mit mehrjähriger Praxiserfahrung oder über eine Laufbahnprüfung für den mittleren allgemeinen Verwaltungsdienst verfügt. Im Übrigen ist die Vergütungsordnung des BAT in den hier fraglichen Vergütungsgruppen nicht nach personenbezogenen Ausbildungsanforderungen aufgebaut. Keines der Tatbestandsmerkmale der hier vorgesehenen Eingruppierungsvorschriften nimmt Bezug auf formale Ausbildungserfordernisse. Mit dem Tatbestandsmerkmal „gründliche und vielseitige Fachkenntnisse“ werden zwar Fachkenntnisse ausdrücklich honoriert, es kommt jedoch nicht darauf an, wie und über welche Dauer diese erworben worden sind. Nach der Rechtsprechung des Senats kann es sich dabei auch um Erfahrungswissen oder Wissen der Allgemeinbildung handeln (BAG 29. August 1984 - 4 AZR 338/82 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 94). Vorliegend geht die Beklagte iÜ selbst vom Erfordernis gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse aus.

49

Soweit die Beklagte die Wertigkeit der von ihr angeführten Tätigkeiten im Entgeltsystem nicht zutreffend abgebildet findet, ist es nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für das Regelungsproblem gefunden haben (ua. BAG 29. August 2001 - 4 AZR 352/00 - zu I 4 a der Gründe mwN, BAGE 99, 31).

50

cc) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die Kläger die für die Eingruppierung in der VergGr. Vb Fallgr. 1c BAT und nach der Überleitung in den TV-L in der Entgeltgruppe 9 erforderliche Bewährungszeit erfolgreich absolviert haben.

51

(1) Die von den klagenden Parteien angestrebte Eingruppierung in die VergGr. Vb Fallgr. 1c BAT, die nach Überleitung in den TV-L der Entgeltgruppe 9 entspricht (§§ 3, 4 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder iVm. der Anlage 2 TVÜ-Länder - Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen für am 31. Oktober 2006/1. November 2006 vorhandene Beschäftigte für die Überleitung - Teil A), erfordert, dass sie sich drei Jahre in der VergGr. Vc Fallgr. 1a BAT bewährt haben. Bei ihrer Überleitung in den TV-L am 1. November 2006 müssen sie die bei Fortgeltung des bisherigen Tarifrechts für eine Höhergruppierung erforderliche Zeit der Bewährung zur Hälfte erfüllt haben (§ 8 Abs. 1 Satz 1 erster Spiegelstrich TVÜ-Länder).

52

Nach ständiger Rechtsprechung zum BAT ist das Erfordernis der Bewährung erfüllt, wenn die oder der betreffende Angestellte während der vorgeschriebenen Bewährungszeit die volle Eignung für die übertragene Tätigkeit nachgewiesen hat, sich also allen in der Ausgangsvergütungsgruppe einer solchen Tätigkeit auftretenden Anforderungen gewachsen gezeigt hat. Um diese personenbezogene Anforderung zu erfüllen, müssen keine herausragenden Leistungen erbracht werden; es genügt die qualitative und quantitative Normalleistung, die nach den herkömmlichen Beurteilungssystemen mit „genügt den Anforderungen” zu bewerten wäre. Letztlich honorieren die Tarifvertragsparteien damit ein gewisses Erfahrungswissen (vgl. dazu BAG 24. März 2010 - 4 AZR 721/08 - Rn. 31, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 313; 28. November 1984 - 4 AZR 35/83 - BAGE 47, 253; 10. Dezember 2008 - 4 AZR 862/07 - Rn. 46, ZTR 2009, 314 und 9. April 2008 - 4 AZR 117/07 - Rn. 38, AP TVG § 1 Nr. 44).

53

(2) Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

54

(a) Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass die Arbeit der Kläger beanstandungsfrei erbracht wurde und daher die Bewährung als solche gegeben ist. Insoweit hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 20. Januar 2010 zu Protokoll erklärt, für den Fall, dass die Tätigkeit der klagenden Parteien ursprünglich nach der VergGr. Vc Fallgr. 1a BAT zu bewerten gewesen wäre, hätten sie die für den Bewährungsaufstieg erforderliche dreijährige Bewährungszeit erfolgreich durchlaufen. Ebenfalls nicht streitig ist, dass die von den klagenden Parteien beim SOD und beim BOD ausgeübten Tätigkeiten tariflich gleich zu bewerten sind.

55

(b) Dies gilt für alle Kläger.

56

(aa) Der Kläger zu 1. ist seit dem 1. September 2003 zunächst beim SOD und seit dem 1. März 2006 beim BOD als Außendienstmitarbeiter mit im Wesentlichen identischen ordnungsdienstlichen Aufgaben beschäftigt. Damit begann die Bewährungszeit am 1. September 2003 und endete am 31. August 2006. Folglich ist der Kläger ab dem 1. September 2006 in die VergGr. Vb BAT und nach der Überleitung in den TV-L mit Wirkung zum 1. November 2006 in der Entgeltgruppe 9 TV-L eingruppiert.

57

(bb) Der Kläger zu 2. ist seit dem 23. August 2004 im Ordnungsdienst als Außendienstmitarbeiter beschäftigt, zunächst beim SOD und seit dem 1. März 2006 beim BOD. Damit begann seine Bewährungszeit mit dem 23. August 2004 und endete mit dem 22. August 2007. Zum Zeitpunkt der Überleitung in den TV-L am 1. November 2006 hatte er folglich über 26 Monate, mithin mehr als die Hälfte des erforderlichen Zeitraums durchlaufen und ist mit Ablauf der Bewährungszeit in der Entgeltgruppe 9 TV-L eingruppiert.

58

(cc) Der Kläger zu 3. arbeitete seit dem 1. März 2005 für den SOD und wechselte am 1. März 2006 zum BOD. Seine Bewährungszeit begann am 1. März 2005. Am 1. November 2006 hatte er 20 Monate und damit mehr als die Hälfte des nach der VergGr. Vb Fallgr. 1c BAT vorgegebenen Zeitmaßes absolviert und ist seit dem 1. März 2008 in der Entgeltgruppe 9 TV-L eingruppiert. Der Umstand, dass er vom 1. April 2007 bis 31. Oktober 2008 die Aufgabe der Leitungsassistenz im Management des öffentlichen Raums übernommen hat, wirkt sich auf die absolvierte Bewährung nicht aus. In dem genannten Zeitraum hat er eine Zulage in Höhe der Differenz zwischen den Entgeltgruppen 6 und 8 TV-L erhalten. Seit dem 1. November 2008 ist er wieder in seiner „alten“ Funktion tätig. Tatsächlich hat er überdies auch während der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit zwischen 50 % und 80 % seiner Arbeitszeit im Außendienst Streifengänge geleistet.

59

5. Die Revision hat allerdings hinsichtlich eines geringen Teils des vom Landesarbeitsgerichts zuerkannten Anspruchszeitraums Erfolg. Der Kläger zu 3. kann nach Maßgabe der tariflichen Ausschlussfristregelung die begehrte Vergütung erst ab dem 1. Juli 2008 verlangen. Im Übrigen bleibt auch hier die Revision der Beklagten erfolglos.

60

a) Nach § 37 Abs. 1 TV-L verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ebenso wie nach dem früher geltenden § 70 BAT, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten geltend gemacht werden.

61

aa) Eine Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und dessen Höhe, dh. der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Klarheit ersichtlich gemacht wird. Der Sinn und Zweck der Regelung erfordert, dem Schuldner gegenüber den behaupteten Anspruch so genau zu bezeichnen, dass er sich über Inhalt und Umfang klar werden kann und dem Gläubiger die Erhebung einer formellen Klage zunächst erspart wird. Deshalb genügt es nicht, die andere Seite aufzufordern, überhaupt eine Forderung zu erfüllen. Für den Arbeitgeber müssen die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, erkennbar sein (BAG 16. November 2010 - 9 AZR 597/09 - Rn. 41 mwN, ZTR 2011, 218; vgl. zu § 70 Satz 1 BAT: 7. Juli 2010 - 4 AZR 549/08 - Rn. 83 mwN, AP GG Art. 9 Nr. 140 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 25).

62

bb) Dabei ist die Geltendmachung eines Anspruchs keine Willenserklärung, sondern eine einseitige rechtsgeschäftsähnliche Handlung, auf deren Auslegung die §§ 133, 157 BGB entsprechend anzuwenden sind (BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 549/08 - Rn. 92 mwN, AP GG Art. 9 Nr. 140 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 25; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu I 1 a der Gründe mwN, BAGE 109, 100; 20. Februar 2001 - 9 AZR 46/00 - zu II 2 a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 11 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 139). Ob eine Handlung einer Partei zur Geltendmachung eines Anspruchs ausreicht, ist grundsätzlich von den Tatsacheninstanzen festzustellen. Die dabei vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung ist in der Revisionsinstanz ebenso wie die Auslegung nichttypischer Vertragserklärungen nur daraufhin überprüfbar, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt und ob sie rechtlich möglich ist (st. Rspr., vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - aaO; 20. Februar 2001 - 9 AZR 46/00 - aaO).

63

b) Die vom Landesarbeitsgericht für die Kläger zu 1. und 2. als ausreichend bewerteten Geltendmachungsschreiben erfüllen die Anforderungen nach § 37 Abs. 1 TV-L. Das ebenfalls für ausreichend gehaltene Geltendmachungsschreiben des Klägers zu 3. vom 11. September 2007 wahrt dagegen die Ausschlussfrist nicht, so dass dem Kläger zu 3. die begehrte Vergütung erst ab dem 1. Juli 2008 zusteht.

64

aa) Der Kläger zu 1. hat für den von ihm zuletzt begehrten Zeitraum ab dem 1. Juni 2008 die Ausschlussfrist jedenfalls mit dem am 2. Dezember 2008 bei der Arbeitgeberin eingegangenen Schreiben vom 28. November 2008 gewahrt. Das Schreiben erfüllt die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geltendmachung, indem es die begehrte Entgeltgruppe genau bezeichnet und sich auf die Erfüllung von deren Voraussetzungen durch die Eingruppierung in der VergGr. Vc Fallgr. 1a BAT sowie der absolvierten Bewährung beruft.

65

bb) Der Kläger zu 2. hat mit Schreiben vom 30. Mai 2008 „die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe Vc bzw. Vb BAT, der jetzigen Entgeltgruppe 8 bzw. 9 TV-L“ beansprucht. Auch dies ist eine ordnungsgemäße Geltendmachung und führt zu einer Wahrung der Ausschlussfrist für die zuletzt vom Kläger zu 2. begehrte Zeit ab dem 1. November 2007.

66

c) Dem Kläger zu 3. steht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Entgelt nach der Entgeltgruppe 9 TV-L erst ab dem 1. Juli 2008 zu. Das Schreiben vom 11. September 2007 genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geltendmachung iSd. § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L im Hinblick auf den begehrten Anspruch nicht.

67

aa) Das Schreiben vom 11. September 2007 ist in einem Zeitraum an die Beklagte gesandt worden, in der der Kläger mit der gegenüber den Streifengängen höherwertigen Tätigkeit der Leitungsassistenz betraut war. Bereits dem Betreff - „Antrag auf Anhebung der Stelle als Leitungsassistenz (BOD) von MR 40“ -, aber auch dem ersten Satz des Schreibens - „hiermit beantrage ich die Anhebung der oben genannten Stelle als Leitungsassistenz von MR 40 auf BAT Vb bzw. der Entgeltgruppe 9“ - ist zu entnehmen, dass es dem Kläger gerade nicht um die Geltendmachung eines Entgelts nach der Entgeltgruppe 9 TV-L aufgrund der erfolgreichen Absolvierung einer dreijährigen Bewährungszeit in der VergGr. Vc Fallgr. 1a BAT ging, sondern um eine Höhergruppierung infolge der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Dementsprechend hat er im Schreiben seine zu dieser Zeit wahrgenommenen Aufgaben in der Leitungsassistenz ausdrücklich gegenüber denjenigen im Außendienst beim BOD abgegrenzt und darauf hingewiesen, dass diese Tätigkeit ein höheres Maß an Verantwortung und auch eine selbständige Führungsfunktion erfordere. Damit ist das Höhergruppierungsbegehren an die Tätigkeit in der Leitungsassistenz und nicht an die bisherige und spätere als Außendienstmitarbeiter angeknüpft worden, wobei in der Sache die originäre Bewertung des aktuell bearbeiteten Aufgabenkreises nach der Entgeltgruppe 9 TV-L beansprucht wird und nicht die Höhergruppierung aufgrund einer Bewährung in den zuvor und später ausschließlich erledigten Streifengängen. Die Beklagte brauchte daraufhin lediglich zu überprüfen, inwieweit allein die Übertragung der Leitungsassistenz zu einem höheren Entgeltanspruch des Klägers zu 3. geführt hat. Dies hat sie - insoweit vom Kläger zu 3. unangegriffen - verneint.

68

Der Kläger zu 3. kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Entgeltgruppe 9 TV-L gefordert und die Beklagte ihm daraufhin die Differenz zwischen den Entgeltgruppen 6 und 8 TV-L als Zulage gewährt hat. Selbst wenn die Beklagte dem Begehren des Klägers nachgekommen wäre und ihn während der Zeit der Tätigkeit in der Leitungsassistenz nach der Entgeltgruppe 9 TV-L entgolten hätte - womit die Geltendmachung „verbraucht“ gewesen wäre -, hätte er für die nachfolgende Tätigkeit im Streifendienst des BOD erneut ein gesondertes Höhergruppierungsverlangen stellen müssen.

69

bb) In Ermangelung einer anderweitigen Geltendmachung wahrt erstmalig die am 22. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht eingegangene und der Beklagten am 9. Januar 2009 zugestellte Klage die Ausschlussfrist mit der Folge, dass bei Fälligkeit des Entgeltanspruchs am letzten Tag des Monats nach § 24 Abs. 1 Satz 2 TV-L ihm erst ab dem 1. Juli 2008 Entgelt nach der Entgeltgruppe 9 TV-L zusteht.

70

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Bei der nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlichen Quotelung der Kosten waren die in diesem Rechtsstreit bereits rechtskräftig von den Vorinstanzen entschiedenen Streitgegenstände anteilig zu berücksichtigen.

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Winter    

        

        

        

    Lippok    

        

    Pieper