Finanzgericht Nürnberg Urteil, 12. Apr. 2016 - 1 K 1466/14

bei uns veröffentlicht am12.04.2016

Gericht

Finanzgericht Nürnberg

Gründe

Finanzgericht Nürnberg

1 K 1466/14

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

A. A-Straße, A-Stadt

- Klägerin -

Prozessbev.: Rechtsanwälte, Steuerberater Dr. B. B-Straße,

gegen

Finanzamt C. C-Straße, C.

- Beklagter -

wegen Investitionszulage 2005

hat der 1. Senat des Finanzgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht … und den Richter am Finanzgericht … sowie den ehrenamtlichen Richter … und den ehrenamtlichen Richter … aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung

vom 12. April 2016

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.

Bei der Einlegung und Begründung der Revision muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

Postanschrift des Finanzgerichts Nürnberg: Deutschherrnstr. 8, 90429 Nürnberg, Telefax-Anschluss des Finanzgerichts Nürnberg: 0911/27076-290, Postanschrift des Bundesfinanzhofs: Postfach 860240, 81629 München, Hausanschrift des Bundesfinanzhofs: Ismaninger Straße 109, München, Telefax-Anschluss des Bundesfinanzhofs: 089/9231-201

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin als kleines oder mittleres Unternehmen im Sinne der Empfehlung der EU-Kommission einzuordnen ist und ihr deshalb die erhöhte Investitionszulage zusteht.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ihr Unternehmensgegenstand ist die Herstellung und der Vertrieb von Verpackungssystemen aus Kunststoff und sonstigen Materialien. Die Geschäftsanteile werden zu gleichen Teilen von ZZ, seinem Cousin YZ, XZ (Sohn von ZZ) und WZ (Sohn von YZ) gehalten. Geschäftsführer sind XZ und WZ.

Die Gesellschafter sind auch die einzigen Kommanditisten der FIRMA 1. Die FIRMA 1 beschäftigte im Jahr 2004 ca. 450 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von über 130 Mio. €. Geschäftsführer der FIRMA 1 sind die Z GmbH, deren Geschäftsanteile von der FIRMA 1 gehalten werden, und V. Wegen der weiteren Zusammenhänge der Firmen in der Z-gruppe wird auf das Organigramm auf Blatt 111 der InvZul-Akte des Finanzamts verwiesen.

Die Klägerin wurde 1997 gegründet. Ihre Tätigkeit übt sie in A-Stadt (Thüringen) aus. Die Geschäftsleitung befindet sich in den Räumen der FIRMA 1 in D-Stadt (Bayern). Sie erzielte im Streitjahr 2005 ihren Umsatz fast ausschließlich mit der Herstellung und dem Vertrieb von PET-Preforms, die dazu bestimmt sind, zur Abfüllung von Flüssigkeiten zu Kunststoff-Flaschen aufgeblasen zu werden.

Die Klägerin beantragte für das Kalenderjahr 2005 Investitionszulage von 287.907,50 € (1.151.630 € Bemessungsgrundlage x 25% Investitionszulagensatz). In der beigefügten KMU-Erklärung erklärte sie, das sie ein eigenständiges Unternehmen mit 32 Mitarbeitern, einem Umsatz von 42 Mio. € und einer Bilanzsumme von 30 Mio. € im Wirtschaftsjahr 2004 sei. Das Finanzamt E-Stadt setzte am 02.11.2006, im Anschuss an eine Nachschau, die Investitionszulage 2005 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit 268.531,50 € fest.

Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 2004-2006 (Prüfungsanordnung vom 17.04.2008) stellte der Prüfer des Finanzamts E-Stadt fest, dass die Voraussetzungen für eines kleines oder mittleres Unternehmen i. S. d. Kommissionsempfehlung nicht vorlägen, da die Einstufungswerte mit der FIRMA 1 und der von dieser beherrschten Unternehmen zu addieren seien.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen und minderte am 29.01.2009 die Investitionszulage für 2005 auf 134.265,00 € (12,5% von 1.074.126 €). Der fristgerechte Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die Klägerin hat Klage erhoben und vorgetragen, dass die Klägerin als eigenständiges Unternehmen zu beurteilen sei und deshalb die Einstufungsgrenzen als mittleres Unternehmen entsprechend der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 06.05.2003 nicht überschritten seien.

Eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen liege nicht vor. Eine Beteiligungsidentität, wie sie im Streitfall aber auch nicht gegeben sei, da an der FIRMA 1 die Z GmbH und Herr V beteiligt seien, reiche hierfür nicht, da sonst für dieses Tatbestandsmerkmal kein eigenständiger Prüfungsbereich verbliebe. Die Gesellschaftsverträge der beteiligten Firmen sähen eine Fortführung der Beteiligung nach zwei Familienstämmen vor und es sei kein gemeinsames Abstimmungsverhalten vereinbart. Dies bestätige gerade die bestehenden Interessengegensätze. Zwischen WZ und XZ bestehe nur eine Verwandtschaft 6. Grades. Von einer familiären Verbundenheit könne nicht ausgegangen werden. Das gemeinsame Handeln im Sinne der KMU-Definition müsse sich auf mehrere Unternehmen erstrecken.

Die Klägerin und die FIRMA 1, bzw. die anderen Firmen, seien nicht in benachbarten Märkten tätig. Die Kommission beziehe sich in Tz. 12 der Empfehlung ausdrücklich auf den wettbewerbsrechtlichen Marktbegriff. Die Klägerin und die FIRMA 1 seien im Rahmen der Produktions- bzw. Vertriebskette nicht auf vor- oder nachgelagerten Märkten tätig. Die FIRMA 1 stelle weder das Granulat für die PET-Rohlinge her, noch blase sie diese auf oder vertreibe sie. Die Klägerin stelle weder Soda für die Glaserzeugung her, noch vertreibe sie Glasflaschen.

Es handle sich auch nicht um verwandte oder ähnliche Produkte wie in der Kommissionsentscheidung vom 07.06.2006, da im Streitfall kein Begriff genannt sei, der dem dortigen Begriff der Transportleistung entspreche. Die Produkte unterschieden sich wesentlich. Während Glasflaschen überwiegend für alkoholische Getränke genutzt würden, würden aus den Preforms mit Hilfe aufwendiger Weiterverarbeitung vielfältige Behältnisse für Flüssigkeiten hergestellt. Dabei sei zu beachten, dass nach der Verbraucherauffassung selbst Butter und Margarine getrennte Märkte bedienten. Nach der Klassifikation des Statistischen Bundesamts lägen ebenfalls getrennte Wirtschaftszweige vor.

Die Klägerin habe von der FIRMA 1 nur Finanzierungsmittel zu fremdüblichen Konditionen erhalten und sei zudem auf diese nicht angewiesen gewesen. Sie sei gegenüber anderen KMU nicht in einer bevorzugten Lage, da sie selbst über eine gesunde Finanzkraft verfüge. Die historischen Anschaffungs-/Herstellungskosten von ca. 43 Mio. € seien zu 15,5 Mio. € aus staatlichen Zuschüssen und Zulagen und zu 27,5 Mio. € aus der Innenfinanzierung zu leisten gewesen. Einzelne entgeltliche Verpachtungen und die Buchführung gegen Kostenerstattung begründeten keinerlei Vorteile gegenüber Mitbewerbern. Für die Beurteilung als KMU sei alleine auf die Größenmerkmale und nicht auf die Bedürftigkeit abzustellen.

Der Ausweis der Bilanzposten gegenüber verbundenen Unternehmen habe keine konstitutive Wirkung. Die Vollhafter der FIRMA 1 stünden in keiner gesellschaftsrechtlichen Stellung zur Klägerin. Durch die Nutzung gleicher Dienstleister für Frachtabfertigung und Versicherungen, die nicht exklusiv für beide Unternehmen tätig würden, würden die Klägerin und die FIRMA 1 nicht zu verbundenen Unternehmen. Die Homepages seien lediglich verlinkt. Auch eine Gesamtbetrachtung führe zu keinem anderen Ergebnis.

Die Klägerin hat beantragt, den Bescheid über Investitionszulage für das Kalenderjahr 2005 vom 29.01.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.08.2010 dahingehend zu ändern, dass die Investitionszulage auf 268.531,50 € festgesetzt wird; im Falle des Unterliegens hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Herren Z seien als gemeinsam handelnde Gruppe anzusehen. Es sei realitätsfern von zwei ständig in Konkurrenz handelnden Gruppen auszugehen. Die Eigentumsstruktur sei das Hauptkriterium für die Analyse der Kontrollbefugnisse in Unternehmen. Die wirtschaftlichen und organisatorischen Verknüpfungen ermöglichten die strategische Entwicklung der Z- Gruppe.

Die Firmen seien jedenfalls in benachbarten Märkten tätig. Bei den PET-Rohlingen und den Glasflaschen handle es sich um verwandte bzw. ähnliche Produkte. Beide würden im Markt der Getränkeproduktion zur Abfüllung, verbrauchsfähigen Lagerung und Weitergabe verwendet.

Weder die Klägerin noch die Gruppe als Ganzes seien mit den typischen Schwierigkeiten eines KMU konfrontiert. Eigenständige, kleinere Unternehmen hätten gerade in der Gründungsphase nur erschwert Zugang zu Kapital und Technologie, weshalb für diese eine erhöhte Investitionszulage gerechtfertigt sei.

Die Entscheidung der Kommission vom 07.06.2006 (ABl. L 353 vom 13.12.2006, S. 60-68; Umesterungswerk) brächte den Willen der Kommission zum Ausdruck und gehe als unmittelbares EU-Recht dem nationalen Recht vor.

Zweifelhaft sei auch, ob die beweglichen Wirtschaftsgüter noch 5 Jahre in einem begünstigten Betrieb verblieben seien, da jedenfalls ab Einbringung der Klägerin in die Holding im Jahr 2007 kein KMU-Betrieb mehr vorhanden sei.

Nach Ruhen des Verfahrens wegen Entscheidungen des BFH/EuGH, in denen klargestellt wurde, dass über das Merkmal „gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen“ anhand einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der im Einzelfall vorliegenden rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu entscheiden ist, hat die Klägerin vorgetragen:

Die Umstände im Urteilsfall des BFH (III R 30/11) unterschieden sich erheblich von denjenigen im vorliegenden Fall. Ob die Klägerin und die FIRMA 1 auf demselben sachlich relevanten Produktmarkt tätig seien, sei aus Verbrauchersicht zu entscheiden. Dieser Markt umfasse sämtliche Erzeugnisse, die hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar von diesen angesehen würden. Dies sei für Glasflaschen, die insb. für Wein, Sekt und alkoholische Getränke zum Einsatz kämen, und PET-Formlinge, die zuerst aufgeblasen werden müssten und sodann für Wasser, Softdrinks und vielfältige andere Flüssigkeiten zum Einsatz kämen, nicht der Fall. Daher gebe es so gut wie keine Überschneidungen bei den Abnehmern der Produkte.

Das Finanzamt hat weiter ausgeführt, dass die Herren XZ und WZ u. a. bei der Klägerin und bei der FIRMA 1 jeweils gemeinsam Geschäftsführer und beide dort jeweils zu 25% beteiligt seien. Beide hätten somit eine wesentliche Gesamtverantwortung für den Werdegang des Z-Konzerns.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Behörden- und Finanzgerichtsakten, einschließlich der Sitzungsniederschrift vom 12.04.2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin gehört nicht zu den kleinen oder mittleren Unternehmen, für die die erhöhte Investitionszulage gewährt wird.

1. Die Einbringung der Klägerin in die Z-Holding im Jahr 2007 hat keinen Einfluss auf die Höhe der Investitionszulage, da die Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen der Klägerin und im Fördergebiet verblieben sind. Der Verlust des KMU-Status nach dem Stichtag innerhalb des Verbleibenszeitraums wäre ohne Bedeutung (BMF-Schreiben zum InvZulG 2005 vom 20.01.2006, IV C 3 - InvZ 1015 -1/06; Rn. 128.)

2. Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes, die im Fördergebiet begünstigte Investitionen vornehmen, haben Anspruch auf eine Investitionszulage (§ 1 Abs. 1 InvZulG 2005). Begünstigte Investitionen sind die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die in einem Fünfjahreszeitraum zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören, in einer Betriebsstätte eines Betriebs des verarbeitenden Gewerbes oder eines Betriebs der produktionsnahen Dienstleistungen im Fördergebiet verbleiben, in jedem Jahr zu nicht mehr als 10 vom Hundert privat genutzt werden und soweit es sich um Erstinvestitionen handelt (§ 2 Abs. 1 InvZulG 2005).

Nach § 2 Abs. 7 InvZulG 2005 erhöht sich die Investitionszulage vorbehaltlich des Satzes 2 für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 1 entfällt, wenn die beweglichen Wirtschaftsgüter während des Fünfjahreszeitraums in einem begünstigten Betrieb verbleiben, der zusätzlich die Begriffsdefinition für kleine und mittlere Unternehmen im Sinne der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. EG Nr. L 107 S. 4), ersetzt durch die Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. EU Nr. L 124 S. 36), erfüllt, auf 25 vom Hundert der Bemessungsgrundlage.

a) Die dem § 2 Abs. 7 Satz 1 InvZulG 2005 zugrunde liegende Definition der KMU ist europarechtlich zu interpretieren. Raum für eine Interpretation nach nationalen Rechtssätzen besteht nicht (BFH, Urteil vom 03. Juli 2014 - III R 30/11 -, BFHE 246, 477, BStBl II 2015, 157, Rn. 25).

Gemäß Art. 2 Abs. 1 des Anhangs zur KMU-Empfehlung liegt ein mittleres Unternehmen nur vor, wenn dieses weniger als 250 Personen beschäftigt und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. € erzielt oder dessen Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. € beläuft. Dabei werden die Schwellenwerte für eigenständige Unternehmen betrachtet und solche von verbundenen Unternehmen zusammenaddiert (Art. 3 Abs. 1 des Anhangs zur KMU-Empfehlung).

Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabsatz 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung sind Unternehmen dann verbunden, wenn ein Unternehmen am anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte hält, die Befugnis zur Bestellung und Abberufung der Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremiums des anderen Unternehmens hat, aufgrund eines Vertrags oder einer Satzungsklausel einen beherrschenden Einfluss auf das andere Unternehmen hat oder kraft einer Vereinbarung die alleinige Kontrolle über die Mehrheit der Stimmrechte in dem anderen Unternehmen ausüben kann. Unternehmen, die durch eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen miteinander in einer der vorstehend aufgeführten Beziehungen stehen, gelten nach Art. 3 Abs. 3 Unterabsatz 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung als verbundene Unternehmen, sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind.

b) Vorliegend ist die Klägerin nicht mehr als mittleres Unternehmen i. S. d. Art. 2 Abs. 1 des Anhangs zur KMU-Empfehlung einzuordnen, da sie über die gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen mit der FIRMA 1 als verbundenes Unternehmen gilt und zusammen mit deren Größenmerkmalen die Schwellenwerte eines mittleren Unternehmens übersteigt.

aa) Die Herren ZZ, YZ, XZ und WZ halten die Mehrheit der Geschäftsanteile in beiden Unternehmen. Sie verwirklichen damit als Gruppe die Beziehung beider Unternehmen nach Artikel 3 Abs. 3 Buchstabe a des Anhangs zur KMU-Empfehlung.

Das Gericht teilt nicht die Ansicht der Klägerin, dass eine gemeinsam handelnde Gruppe mehr voraussetzt als identische Mehrheitsbeteiligungen in den zusammenzurechnenden Unternehmen. Im Gegenteil: Eine gemeinsam handelnde Gruppe, die den Tatbestand des Artikel 3 Abs. 3 Buchstabe a des Anhangs zur KMU-Empfehlung verwirklicht, kann auch dann vorliegen, wenn kein Inhaber von Geschäftsanteilen an anderen Gesellschaften beteiligt ist, durch ein gemeinsames Handeln von natürlichen Personen jedoch deren Mehrheitsbeteiligungen an verschiedenen Unternehmen zusammenbetrachtet werden und die verschiedenen Unternehmen nicht als eigenständig nach der KMU-Empfehlung einzuordnen sind.

Wenn bereits die Mehrheitsbeteiligung nach Artikel 3 Abs. 3 Buchstabe a des Anhangs die Zusammenrechnung der Unternehmen zur Folge hat, kann nichts anderes gelten, wenn - wie im Streitfall - eine Gruppe von Personen die Mehrheit der Geschäftsanteile in den verschiedenen Unternehmen innehat. Die Mehrheitsbeteiligung alleine stellt die Verbindung her. Zwar können die Interessenlagen der Inhaber in den jeweiligen Unternehmen auseinanderlaufen; dies ist jedoch nicht anders, wenn ein Unternehmen selbst die Mehrheit an einem anderen Unternehmen hält. Letztendlich werden abgestimmte Entscheidungen getroffen, die den Interessen Rechnung tragen. Die KMU-Empfehlung knüpft für die Abgrenzung der Eigenständigkeit hier an die objektiv feststellbare Mehrheitsbeteiligung an.

Im Streitfall sind die Klägerin und die FIRMA 1 nicht eigenständig, da ihre jeweiligen Inhaber der Geschäftsanteile sogar identisch sind.

bb) Da bereits dieses formale Kriterium der Zusammenrechnung erfüllt ist, kommt es auf die gebotene wirtschaftliche Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der im Einzelfall vorliegenden rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen (BFH-Urteil vom 03.07.2014, a. a. O.) nicht mehr entscheidend an. Aber auch die Gesamtbetrachtung führt zur Zusammenrechnung der Schwellenwerte der Klägerin und der FIRMA 1.

Die EU-Kommission hat die familiäre Beziehung zwischen den Gesellschaftern, insb. die Beschränkung der Inhaber auf Familienmitglieder, als ausreichend für ein gemeinsames Handeln angesehen (Entscheidung vom 07.06.2006, ABl. L 353 vom 13.12.2006, S. 66-68). Diese sind ebenso im Streitfall vorhanden. Nicht nur die Klägerin und die FIRMA 1 befinden sich in der Hand der Familie Z; auch der Großteil der anderen Firmen im Verbund wird ausschließlich von diesen als Familienbetrieb geführt. Zwar werden auch Dritte eingebunden, jedoch nicht derart, dass sie sich gegen den Willen der Familie durchsetzen könnten.

Auch die nach der EU-Kommission weiter zu prüfenden wirtschaftlichen Beziehungen liegen im Streitfall vor. Die Herren XZ und WZ sind sowohl bei der Klägerin als auch bei der FIRMA 1 jeweils gemeinsam Geschäftsführer und tragen hier Gesamtverantwortung. Beide Firmen nutzen gemeinsame Ressourcen u. a. bei Logistik und Verwaltung.

cc) Die Klägerin und die FIRMA 1 sind ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig.

In Absatz 12 der KMU-Empfehlung vom 06.05.2003 führt die Kommission aus, dass die Prüfung des relevanten Marktes sich auf das unbedingt Notwendige beschränken solle und man sich deshalb gegebenenfalls auf die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft beziehen solle. Nach Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft vom 09.12.1997 (97/C 372/03) ist hierfür die Substituierbarkeit der Nachfrage und des Angebots zu untersuchen. Dabei ist zu hinterfragen, ob der Abnehmer die Produkte als austauschbar ansieht und bei einer Erhöhung des Preises auf andere Produkte ausweichen wird bzw. der Anbieter anstatt eines für den Abnehmer nicht austauschbaren Produkts ohne spürbare Zusatzkosten oder Risiken ein anderes am Markt anbieten kann.

Der benachbarte Markt für ein Produkt oder eine Dienstleistung wird mit Artikel 3 Abs. 3 des Anhangs zur KMU-Empfehlung als der Markt fingiert, der dem betreffenden Markt unmittelbar vor- oder nachgeschaltet ist.

Die EU-Kommission hat diese Kriterien für denselben und benachbarten Markt in ihrer Entscheidung vom 07.06.2006 konkretisiert. Im dortigen Fall war jedenfalls ein benachbarter Markt anzunehmen, weil alle Unternehmen Kraftstoffe vertrieben, die in Fahrzeugen für Transportdienstleistungen verbraucht wurden. Dem stand nicht entgegen, dass die Produkte nicht austauschbar waren, da Biodiesel nur für Lastkraftwagen und Bioethanol nur für Personenkraftwagen verwendet werden konnten. Diese weite Auslegung des zu beurteilenden Marktes ist im Lichte der Notwendigkeit einer erhöhten Beihilfeintensität geboten, da nur so berücksichtigt werden kann, wenn eine Unternehmensgruppe ihr Produktportfolio mit Hilfe jeweils eigener Gesellschaften anbietet. Unternehmensteile werden in eigenverantwortliche Gesellschaften und Abteilungen aufgegliedert, die ihre Einnahmen und Ausgaben selbst verwalten und dennoch dem Gesamtunternehmen zu dienen haben und von dort gesteuert werden. Einer besonders intensiven staatlichen Förderung bedürfen diese Gesellschaften nicht, da sie auf die Ressourcen des Gesamtunternehmens zugreifen können. Weiterhin spricht für diese Auslegung die Einbeziehung des vor- und nachgelagerten Marktes. Obwohl die Produkte in dieser Konstellation weder für die Abnehmer austauschbar sein werden noch von den Anbietern ohne großen Aufwand angeboten werden können, sollen solche Unternehmen zusammenbetrachtet werden, da sie innerhalb einer Produktionskette tätig werden.

Im Streitfall erfüllen sowohl die von der Klägerin hergestellten Preforms wie auch die Glasflaschen, die von der FIRMA 1 hergestellt wurden, eine ähnliche Funktion als Verpackung für Flüssigkeiten, insb. für die Getränkeindustrie. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass die Abnehmer dieser Verpackungen Präferenzen haben, für welche ihrer Produkte sie welche Verpackungsform vorziehen. Die Austauschbarkeit beider Kategorien zeigt sich jedoch bereits darin, dass im Lauf der Zeit sich die Marktanteile von PET- und Glasflaschen verändern und manche Kunden beide Verpackungsformen im Angebot haben. Die Differenzierung danach, dass alkoholische Getränke immer in Glas- und Softdrinks immer in PET-Flaschen angeboten werden, ist nicht geeignet die zu betrachtenden Märkte von einander abzugrenzen, da auch innerhalb der Kategorie Glasflasche nicht jeder Flaschentyp von Größe, Wandstärke und Farbe für jede Getränkesorte geeignet erscheint.

Da die Klägerin und die FIRMA 1 über die Gruppe der Familienmitglieder Z auf dem gemeinsam zu betrachtenden Markt der Verpackungen für die Getränkeindustrie verbunden sind, ist die Anzahl ihrer Mitarbeiter, ihr Umsatz und ihre Bilanzsumme zu addieren, so dass die Schwellenwerte für ein mittleres Unternehmen im Sinne der KMU-Empfehlung überschritten werden und die erhöhte Investitionszulage nicht gewährt werden kann.

3. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen, da sie in der Sache unterlegen ist (§ 135 Abs. 1 FGO).

4. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen, da zur Abgrenzung des zu betrachtenden Marktes im Sinn der KMU-Empfehlung noch keine gefestigte Rechtsprechung vorliegt.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Investitionszulagengesetz 2005 - InvZulG 2005 | § 2 Betriebliche Investitionen


(1) Begünstigte Investitionen sind die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung (Fünfjahreszeitraum) 1. zum Anlagevermög

Investitionszulagengesetz 2005 - InvZulG 2005 | § 1 Anspruchsberechtigter, Fördergebiet


(1) Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes, die im Fördergebiet begünstigte Investitionen im Sinne des § 2 vornehmen, haben Anspruch auf eine Investitionszulage. Steuerpflichtige im Sinne des Körpersc

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Bundesfinanzhof Urteil, 21. Dez. 2017 - III R 14/16

bei uns veröffentlicht am 21.12.2017

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 12. April 2016  1 K 1466/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Referenzen

Tatbestand

1

I. Im Revisionsverfahren ist die Frage streitig, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zusammen mit der X-GmbH als "verbundene Unternehmen" im Sinne der KMU-Empfehlung eine wirtschaftliche Einheit bildet und die Schwellenwerte wegen der dann vorzunehmenden Zusammenrechnung überschritten sind, mit der Folge, dass nur ein Anspruch auf eine Investitionszulage in Höhe der Grundzulage von 12,5 % nach § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 des Investitionszulagengesetzes 2005 (InvZulG 2005) besteht.

2

Die Klägerin, eine GmbH, stellt Platten, Folien, Schläuche und Profile aus Kunststoff her. Gesellschafter sind A mit einem Gesellschaftsanteil in Höhe von 24,8 %, seine Ehefrau B mit 62,8 % sowie C mit 12,4 %. Geschäftsführer der Klägerin mit Einzelvertretungsberechtigung sind A und C. A ist zusammen mit seiner Mutter zudem zu gleichen Teilen Gesellschafter der X-GmbH. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der X-GmbH sind wiederum A und C.

3

In ihrer Anfangsphase wurde die Klägerin durch Bürgschaften der X-GmbH unterstützt. Des Weiteren schloss die Klägerin bei ihrer Gründung für die Dauer der Finanzierungen, mindestens aber für fünf Jahre mit Verlängerungsoption, einen "Geschäftsbesorgungsvertrag" mit der X-GmbH. Auf dessen Grundlage erhält die Klägerin --jedenfalls bis zur Entscheidung durch das Finanzgericht (FG)-- sämtliche Aufträge von der X-GmbH. Im Gegenzug übernimmt die X-GmbH das gesamte Produktionsvolumen zu einem marktüblichen Preis und vertreibt es. Am Markt --insbesondere im Internet-- tritt nur die X-GmbH in Erscheinung. Der Vertrag sieht weiter vor, dass ein Vertreter der X-GmbH die Betriebsleitung der Klägerin laufend fachlich anleitet. Die Klägerin hat zudem den kompletten Einkauf sowie EDV und Forschung auf die X-GmbH ausgelagert und nutzt eine von mehreren Bankverbindungen der X-GmbH für ihre Zwecke.

4

Für sich betrachtet überschreitet die Klägerin weder mit ihrer Mitarbeiterzahl noch mit ihren Umsatz- oder Bilanzzahlen die Schwellenwerte im Sinne der Empfehlung der Europäischen Kommission 2003/361/EG vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen --KMU-Empfehlung-- (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2003 Nr. L 124, S. 36). Die X-GmbH überschreitet die Schwellenwerte in den Jahren 2004 und 2005 sowohl mit der Mitarbeiterzahl als auch mit ihrem Jahresumsatz.

5

Die Investitionsbank Sachsen-Anhalt vertrat die Auffassung, bei der Klägerin handele es sich um ein KMU im Sinne der KMU-Empfehlung und bewilligte ihr deshalb erhöhte Zuschüsse im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA-Förderung).

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging aufgrund der Verflechtungen mit der X-GmbH davon aus, dass die Klägerin ein mit der X-GmbH verbundenes Unternehmen im Sinne der KMU-Empfehlung bilde und demzufolge die KMU-Schwellenwerte überschritten seien. Er gewährte der Klägerin für das Streitjahr 2006 deshalb nur die Grundzulage (Zulagensatz 12,5 %) für das verarbeitende Gewerbe gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005 und nicht die mit einem Zulagensatz von 25 % beantragte erhöhte Investitionszulage für KMU nach § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 22. November 2007).

7

Das FG wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 1921 veröffentlichten Urteil vom 24. März 2011  1 K 1725/07 ab.

8

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe zunächst für die Frage, ob A, B und D als Gesellschafter der Klägerin bzw. der X-GmbH eine "gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen" i.S. von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung darstellen und der dabei vorzunehmenden Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs zu Unrecht auf über den Wortlaut der KMU-Definition der KMU-Empfehlung hinausgehende europarechtliche Rechtsgrundlagen oder Entscheidungen zurückgegriffen. Insoweit sei vielmehr allein auf deutsches Recht bzw. die Rechtsprechung deutscher Gerichte abzustellen, wonach aber gerade keine "gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen" vorliege. Insbesondere seien die in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung aufgezählten Kriterien nicht durch zusätzliche Kriterien zu erweitern, sondern vielmehr abschließend. Weiterhin habe sich das Gericht bei seiner Begründung der Vermutung gleichgerichteter Interessen allein auf Indizien gestützt, ohne dass der Beklagte einen konkreten Beweis für die Gleichrichtung der Interessen innerhalb des Familienverbundes erbracht hätte. Sie, die Klägerin, könne jedoch nachweisen, dass zwischen den Mitgliedern der Familie teilweise erhebliche Interessengegensätze vorliegen würden.

9

Zudem habe das Gericht die Bindungswirkung der Einstufung der Klägerin als KMU durch die Investitionsbank des Landes Sachsen-Anhalt für Zwecke der GA-Förderung nicht beachtet. Angesichts der in der Gesetzesbegründung formulierten Absicht, eine regelmäßige Bindung der Finanzverwaltung anzunehmen, sollten divergierende Verwaltungsentscheidungen auf Fälle offensichtlicher Fehlerhaftigkeit beschränkt bleiben. Eine offensichtlich fehlerhafte Einstufung durch die GA-Behörde habe aber nicht vorgelegen.

10

Der Senat hat mit Beschluss vom 20. Dezember 2012 III R 30/11 (BFHE 239, 560, BStBl II 2013, 335) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

11

"1. a) Welche Anforderungen sind an die Annahme eines gemeinsamen Handelns i.S. des Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der Empfehlung der Kommission 2003/361/EG vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Empfehlung) zu stellen: Genügt insoweit bereits jegliche unternehmensbezogene Kooperation der an beiden Unternehmen beteiligten natürlichen Personen, die ohne Streitigkeiten oder zu Tage tretende Interessengegensätze stattfindet, oder ist vielmehr ein erkennbar abgestimmtes Verhalten dieser Personen erforderlich?

12

b) Falls ein abgestimmtes Verhalten erforderlich ist: Folgt dieses bereits aus einer rein tatsächlichen Kooperation?

13

2. Ist, wenn kein Fall der Verpflichtung zu einem konsolidierten Abschluss besteht, bei der Frage, ob ein Unternehmen mit einem anderen Unternehmen über eine Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen verbunden ist, über die in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung aufgeführten "Beziehungen" hinaus weiterhin eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der Aspekte wie die Eigentumsverhältnisse --hierbei insbesondere die Zugehörigkeit der Anteilseigner zu einer Familie--, die Beteiligungsstruktur und die wirtschaftliche Integration --insbesondere auch die Identität der Geschäftsführer-- der betroffenen Unternehmen zu untersuchen sind?

14

3. Für den Fall, dass auch unter der Geltung der KMU-Empfehlung eine über die formale Betrachtung hinausgehende wirtschaftliche Gesamtbetrachtung möglich ist: Setzt dies die Absicht oder zumindest das Risiko der Umgehung der KMU-Definition voraus?"

15

Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom 27. Februar 2014 C-110/13 (ABlEU 2014, Nr. C 112, S. 15) wie folgt beantwortet:

16

"Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen ist dahin auszulegen, dass Unternehmen als "verbunden" im Sinne dieses Artikels angesehen werden können, wenn die Prüfung der zwischen ihnen bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen ergibt, dass sie, vermittels einer natürlichen Person oder einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen, eine einzige wirtschaftliche Einheit bilden, auch wenn sie formal nicht in einer der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs aufgeführten Beziehungen zueinander stehen.

17

Als gemeinsam handelnd im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs sind natürliche Personen anzusehen, wenn sie sich abstimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, so dass diese Unternehmen nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängig angesehen werden können. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, und es ist nicht zwingend erforderlich, dass zwischen den fraglichen Personen vertragliche Beziehungen bestehen oder dass sie auch nur die Absicht haben, die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen im Sinne der genannten Empfehlung zu umgehen."

18

Die Beteiligten haben sich zu dem EuGH-Urteil nicht mehr geäußert.

19

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom 22. November 2007 den Investitionszulagenbescheid 2006 vom 6. August 2007 dahingehend zu ändern, dass die Investitionszulage auf 10.694,26 € heraufgesetzt wird.

20

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

21

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 121 FGO).

Entscheidungsgründe

22

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Klägerin lediglich einen Anspruch auf Investitionszulage in Höhe der vom FA im angefochtenen Investitionszulagenbescheid festgesetzten Grundzulage von 12,5 % nach § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005 hat.

23

1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf eine erhöhte Investitionszulage nach § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005 zu.

24

a) Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005 erhöht sich die Investitionszulage für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen i.S. des § 2 Abs. 1 InvZulG 2005 entfällt, wenn die beweglichen Wirtschaftsgüter während des Fünfjahreszeitraums in einem begünstigten Betrieb verbleiben, der zusätzlich die Begriffsdefinition für kleine und mittlere Unternehmen im Sinne der Empfehlung 96/280/EG der Europäischen Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen --Empfehlung 96/280/EG-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1996 Nr. L 107, S. 4, ersetzt durch die KMU-Empfehlung in ABlEU 2003 Nr. L 124, S. 36), erfüllt, auf 25 % der Bemessungsgrundlage bei Investitionen in Betriebsstätten, die --wie im Streitfall-- im übrigen Fördergebiet belegen sind. Bei dem InvZulG 2005 handelt es sich um eine von der Kommission genehmigte Beihilfe (ABlEU 2005 Nr. C 235, S. 3, 4) i.S. des Art. 87 Abs. 3 Buchst. a und c des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - jetzt Art. 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

25

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die § 2 Abs. 7 Satz 1 InvZulG 2005 zugrunde liegende Definition der KMU europarechtlich zu interpretieren. Dies ergibt sich bereits aus dem gesetzlich verankerten Verweis auf die KMU-Empfehlung der Europäischen Kommission und entspricht dem Willen des Gesetzgebers, im Unterschied zu der Vorgängerregelung des § 2 Abs. 7 InvZulG 1999 den europarechtlichen KMU-Begriff zu übernehmen (BTDrucks 15/2249, S. 15, 16). Zwar ist die Verwendung der KMU-Definition für die Mitgliedstaaten freiwillig (Benutzerhandbuch der Europäischen Kommission zur neuen KMU-Definition --Benutzerhandbuch--, 2006, S. 6, abrufbar auf der Webseite der Europäischen Kommission unter www.ec.europa.eu/ enterprise/policies/sme). Entscheidet sich ein Mitgliedstaat --wie vorliegend die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland)-- jedoch für die Übernahme, ist für eine Interpretation anhand nationaler Rechtsprechung --beispielsweise durch Übertragung der Kriterien für das Vorliegen einer personellen Verflechtung bei der Betriebsaufspaltung-- kein Raum mehr. Eine Lösung von Interpretationsproblemen anhand nationaler Rechtsprechung --wie von der Klägerin geltend gemacht-- würde insoweit dem mit der KMU-Empfehlung einhergehenden Zweck zuwiderlaufen, die Vielzahl der auf Gemeinschaftsebene verwendeten Definitionen von KMU und damit einhergehende Inkohärenzen zu reduzieren und eine einheitliche Ausrichtung von KMU-Maßnahmen auf der Ebene der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten zu gewährleisten und damit die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden (vgl. 1. Erwägungsgrund der KMU-Empfehlung). Dadurch, dass Deutschland dieser Empfehlung durch die explizite und unmittelbare Bezugnahme in § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005 nachgekommen ist, wird eine unionsrechtliche Auslegung somit auch dann erforderlich, wenn es sich um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt handelt (vgl. EuGH-Urteile vom 21. Dezember 2011 C-482/10, Slg. 2011, I-14139 Rz 19, m.w.N.; vom 18. Oktober 2012 C-583/10, ABlEU 2012, Nr. C 379, S. 5, ZESAR 2013, 235 Rz 47, m.w.N.).

26

2. Die KMU-Schwelle ist im Streitfall nach Art. 2 des Anhangs der KMU-Empfehlung sowohl mit der Mitarbeiterzahl als auch mit dem Jahresumsatz überschritten, weil die Klägerin und die X-GmbH als "verbundene Unternehmen" i.S. des Art. 3 Abs. 3 des Anhangs der KMU-Empfehlung der Kommission anzusehen sind.

27

a) Die KMU-Empfehlung unterscheidet bei der Berechnung der Mitarbeiterzahlen und der finanziellen Schwellenwerte drei maßgebliche Unternehmenstypen, die das vormalige sog. Unabhängigkeitskriterium ersetzen, das formal auf die Einhaltung einer Beteiligungsschwelle von bis zu 25 % abstellte. Maßgeblich ist, ob ein Unternehmen eigenständig ist oder ob es mit anderen Unternehmen --als verbundene Unternehmen oder Partnerunternehmen-- eine wirtschaftliche Gruppe bildet.

28

Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung sind Unternehmen dann verbunden, wenn ein Unternehmen am anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte hält, die Befugnis zur Bestellung und Abberufung der Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremiums des anderen Unternehmens hat, aufgrund eines Vertrags oder einer Satzungsklausel einen beherrschenden Einfluss auf das andere Unternehmen hat oder kraft einer Vereinbarung die alleinige Kontrolle über die Mehrheit der Stimmrechte in dem anderen Unternehmen ausüben kann. Unternehmen, die durch eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen miteinander in einer der vorstehend aufgeführten Beziehungen stehen, gelten nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung als verbundene Unternehmen, sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind.

29

b) Vorliegend ist keiner der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs genannten Fälle gegeben. Die Klägerin gilt aber nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung über die "gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen" als ein mit der X-GmbH verbundenes Unternehmen.

30

aa) Nach dem Urteil des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren (in ABlEU 2014, Nr. C 112, S. 15) können auch Unternehmen, die zueinander in keiner der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung genannten Beziehungen stehen, aber wegen der Rolle, die eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen spielt, eine einzige wirtschaftliche Einheit darstellen und damit als verbundene Unternehmen im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden, sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind (Rz 34). Da als KMU-Unternehmen nur tatsächlich unabhängige Unternehmen erfasst werden sollen, ist die Struktur von KMU zu untersuchen, die eine wirtschaftliche Gruppe bilden, deren Bedeutung über die eines solchen Unternehmens hinausgeht, und es ist darauf zu achten, dass die Definition der KMU nicht durch eine rein formale Erfüllung der Kriterien umgangen wird (Rz 33).

31

bb) An dieses EuGH-Urteil im Vorabentscheidungsverfahren ist das nationale Gericht bei seiner Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits gebunden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Mai 2013 XI R 11/09, BFHE 242, 84, m.w.N.). Der erkennende Senat ist daher nicht befugt, die Auslegung des KMU-Begriffs abweichend vom EuGH zu entscheiden.

32

cc) Das FG hat die vom EuGH vorgegebenen Grundsätze bereits im ersten Rechtsgang zutreffend angewandt. Es hat zu Recht nicht allein auf die rein formale Erfüllung des Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung abgestellt, sondern im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise das Vorliegen einer KMU-Eigenschaft der Klägerin verneint. Hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen der Klägerin und der X-GmbH hat es dabei "die mehrheitliche Beteiligung der Familie, ... die identische Geschäftsführung in beiden Unternehmen, ... den Geschäftsbesorgungsvertrag als auch die komplette Auslagerung von Einkauf, EDV und Forschung" sowie die "gemeinsame Bankverbindung und nicht zuletzt ... die Mitverpflichtung der ... (X-GmbH) bei Mietkauf- und Darlehnsverträgen" berücksichtigt. In der Gesamtschau dieser tatsächlichen Umstände hat das FG, da weder ein erkennbar abgestimmtes Verhalten bezüglich einzelner Geschäfte noch eine über die tatsächliche Kooperation hinausgehende vertragliche Bindung erforderlich ist, auf ein als wirtschaftliche Einheit zu betrachtendes verbundenes Unternehmen zwischen der Klägerin und der X-GmbH geschlossen und damit zu Recht eine Überschreitung der Schwellenwerte angenommen.

33

dd) Diese vom FG aufgrund der Gesamtwürdigung vorgenommene Schlussfolgerung, die verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist, ist für das Revisionsgericht bindend, auch wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. BFH-Urteile vom 1. April 1971 IV R 195/69, BFHE 102, 85, BStBl II 1971, 522; vom 6. März 2007 IX R 38/05, BFH/NV 2007, 1281). Zu den der Bindung unterliegenden Feststellungen gehören auch die Schlussfolgerungen tatsächlicher Art (BFH-Urteil vom 28. Februar 2008 V R 44/06, BFHE 221, 415, BStBl II 2008, 586; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 118 FGO Rz 140 ff.).

34

ee) Es ist revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das FG bei seiner Gesamtwürdigung dem pauschalen Bestreiten von gleichgerichteten Interessen innerhalb der Familie keine besondere Bedeutung beigemessen hat. Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie die teilweise zwischen den Familienmitgliedern bestehenden erheblichen Interessengegensätze anhand von einzeln aufgeführten Streitfällen nachweisen könne, kann der Senat offenlassen, ob die erstmals im Revisionsverfahren dargestellten Differenzen zwischen den Familienangehörigen und der X-GmbH das FG zu einer anderen Gesamtbetrachtung veranlasst hätte. Denn der BFH muss seiner Entscheidung die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen zugrunde legen (§ 118 Abs. 2 FGO) und darf deshalb Tatsachen, die von den Beteiligten erstmals im Revisionsverfahren vorgetragen werden, grundsätzlich nicht berücksichtigen (BFH-Urteile vom 17. Dezember 1997 X R 88/95, BFHE 185, 40, BStBl II 1998, 343; vom 18. November 1998 X R 143/95, BFH/NV 1999, 915), es sei denn, es wären dagegen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht oder Gegenrügen des Revisionsbeklagten erhoben worden (BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R 54/00, BFHE 200, 204, BStBl II 2002, 869). Das ist hier nicht der Fall.

35

3. Soweit die Klägerin für Zwecke der Förderung nach der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" von der Investitionsbank des Landes Sachsen-Anhalt (GA-Behörde) als KMU-Unternehmen behandelt worden ist, hat diese Entscheidung keine Bindungswirkung.

36

a) Der Einordnung der GA-Behörde kommt keine bindende Grundlagenfunktion zu. (Bindende) Grundlagenbescheide (§ 171 Abs. 10 der Abgabenordnung --AO--) liegen grundsätzlich nur vor, wenn die Bindungswirkung gesetzlich angeordnet ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 11. April 2005 GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679; BFH-Urteil vom 26. Oktober 2011 VII R 64/10, BFH/NV 2012, 712, m.w.N.; Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 207). Im vorliegenden Fall fehlt es an einer gesetzgeberischen Verfahrensentscheidung.

37

b) Selbst wenn man eine Tatbestandswirkung ressortfremder Behördenentscheidungen auch ohne gesetzlich angeordnete Bindungswirkung für möglich halten würde, "wo Sachverhalte zu beurteilen sind, die die Finanzbehörde mangels eigener Sachkunde nicht selbst nachzuprüfen vermag" (so der erkennende Senat in den Urteilen vom 13. Dezember 1985 III R 204/81, BFHE 145, 545, BStBl II 1986, 245; vom 10. Juni 1988 III R 232/84, BFHE 154, 68, BStBl II 1988, 981; BFH-Beschlüsse vom 13. April 2005 VI B 197/04, BFH/NV 2005, 1231; vom 26. Oktober 2011 VII R 64/10, BFH/NV 2012, 712; zweifelnd der Große Senat des BFH in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679), tritt eine solche im vorliegenden Fall nicht ein. Die Einordnung eines Unternehmens als groß oder klein, verbunden oder unverbunden kann die Finanzbehörde kraft eigener Sachkunde vornehmen.

38

c) Soweit nach dem Willen des Gesetzgebers (BTDrucks 15/2249, S. 16) die Finanzämter die Einstufung der Wirtschaftsbehörde übernehmen sollen, wenn diese nicht offensichtlich unzutreffend ist, reicht dies für eine Bindungswirkung nicht aus. Die gebotene und unverzichtbare Rechtsgrundlage kann nicht durch allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungen oder vergleichbare Überlegungen --auch nicht durch Verwaltungsvorschriften-- ersetzt werden (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679; vgl. BFH-Urteil in BFHE 154, 68, BStBl II 1988, 981). Durch die Gesetzesbegründung (BTDrucks 15/2249, S. 16) hat der Gesetzgeber der GA-Behörde hinsichtlich der rechtlichen Einordnung eines Unternehmens auch kein nur eingeschränkt überprüfbares administratives Letztentscheidungsrecht eingeräumt. Der Gesetzgeber hat trotz seiner Gesetzesbegründung eine verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Bindung gerade nicht in das InvZulG übernommen. Vielmehr hat er die Entscheidung über den Anspruch auf Investitionszulage ausdrücklich dem für die Besteuerung des Anspruchsberechtigten nach dem Einkommen zuständigen Finanzamt gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 2005 zugeordnet. § 3 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 2005 ist eine Bestimmung sowohl für die örtliche als auch die sachliche Zuständigkeit i.S. des § 17 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Finanzverwaltung i.V.m. § 16 AO. Selbst wenn sich aus der Gesetzesbegründung eine Bindung der Finanzbehörde an die Einordnung durch die GA-Behörde ergeben sollte, ändert dies nichts am Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Die Interpretation der generell-abstrakten Rechtsnorm und der in ihr enthaltenen (unbestimmten) Rechtsbegriffe ist eine originäre Funktion der rechtsprechenden Gewalt, keine genuine Verwaltungsfunktion, so dass die Beurteilung der rechtlichen Maßstäbe, das heißt deren Auslegung und deren Rechtmäßigkeit, den Gerichten obliegt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 10. Dezember 2009  1 BvR 3151/07, Deutsches Verwaltungsblatt 2010, 250). Darüber hinaus kann der erkennende Senat auch keinen tragfähigen Sachgrund (vgl. BVerfG-Beschluss vom 31. Mai 2011  1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1) für ein Letztentscheidungsrecht der GA-Behörde erkennen. Jedenfalls gelangen weder die Finanzbehörden noch die Gerichte bei der Überprüfung der Einstufung eines Unternehmens als KMU-Unternehmen an die Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit.

(1) Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes, die im Fördergebiet begünstigte Investitionen im Sinne des § 2 vornehmen, haben Anspruch auf eine Investitionszulage. Steuerpflichtige im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes haben keinen Anspruch, soweit sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 und 11 bis 22 des Körperschaftsteuergesetzes von der Körperschaftsteuer befreit sind. Bei Personengesellschaften und Gemeinschaften tritt an die Stelle des Steuerpflichtigen die Gesellschaft oder die Gemeinschaft als Anspruchsberechtigte.

(2) Fördergebiet sind die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nach dem Gebietsstand vom 3. Oktober 1990.

(1) Begünstigte Investitionen sind die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung (Fünfjahreszeitraum)

1.
zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören,
2.
in einer Betriebsstätte eines Betriebs des verarbeitenden Gewerbes oder eines Betriebs der produktionsnahen Dienstleistungen im Fördergebiet verbleiben,
3.
in jedem Jahr zu nicht mehr als 10 vom Hundert privat genutzt werden
und soweit es sich um Erstinvestitionen im Sinne des Absatzes 3 handelt. Wird ein nach Satz 1 begünstigtes Wirtschaftsgut von einem Betrieb, der nicht zum verarbeitenden Gewerbe oder den produktionsnahen Dienstleistungen gehört, zur Nutzung überlassen, hat der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Bewilligungsbehörde für die Gewährung von Investitionszuschüssen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur für die gewerbliche Wirtschaft" nachzuweisen, dass die Investitionszulage in vollem Umfang auf das Nutzungsentgelt angerechnet worden ist. Als eine Privatnutzung im Sinne des Satzes 1 Nr. 3 gilt auch die Verwendung von Wirtschaftsgütern, die zu einer verdeckten Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes führt. Ersetzt der Anspruchsberechtigte ein begünstigtes bewegliches Wirtschaftsgut vor Ablauf des Fünfjahreszeitraums durch ein mindestens gleichwertiges neues abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut, ist Satz 1 Nr. 1 bis 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass für die verbleibende Zeit des Fünfjahreszeitraums das Ersatzwirtschaftsgut an die Stelle des begünstigten beweglichen Wirtschaftsguts tritt. Nicht begünstigt sind geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes, Luftfahrzeuge und Personenkraftwagen. Beträgt die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des begünstigten beweglichen Wirtschaftsguts weniger als fünf Jahre, tritt diese Nutzungsdauer an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren. Betriebe der produktionsnahen Dienstleistungen sind die folgenden Betriebe:
a)
Betriebe der Datenverarbeitung und Datenbanken,
b)
Betriebe der Forschung und Entwicklung,
c)
Betriebe der Markt- und Meinungsforschung,
d)
Ingenieurbüros für bautechnische Gesamtplanung,
e)
Ingenieurbüros für technische Fachplanung,
f)
Büros für Industrie-Design,
g)
Betriebe der technischen, physikalischen und chemischen Untersuchung,
h)
Betriebe der Werbung und
i)
Betriebe des fotografischen Gewerbes.
Hat ein Betrieb Betriebsstätten im Fördergebiet und außerhalb des Fördergebiets, gelten für die Einordnung des Betriebs in das verarbeitende Gewerbe oder in die produktionsnahen Dienstleistungen die gesamten Betriebsstätten im Fördergebiet als ein Betrieb. Satz 1 gilt nur, soweit in den sensiblen Sektoren, die in der Anlage 1 zu diesem Gesetz aufgeführt sind, die Förderfähigkeit nicht ausgeschlossen ist. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, zur Durchführung der von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Rechtsvorschriften die Liste der sensiblen Sektoren im Sinne des Satzes 9 (Anlage 1 zu diesem Gesetz), in denen die Europäische Kommission die Förderfähigkeit ganz oder teilweise ausgeschlossen hat, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzupassen.

(2) Begünstigte Investitionen sind die Anschaffung neuer Gebäude, Eigentumswohnungen, im Teileigentum stehender Räume und anderer Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind (Gebäude), bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung sowie die Herstellung neuer Gebäude, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes oder in einem Betrieb der produktionsnahen Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 1 verwendet werden und soweit es sich um Erstinvestitionen handelt. Im Fall der Anschaffung kann Satz 1 nur angewendet werden, wenn kein anderer Anspruchsberechtigter für das Gebäude Investitionszulage in Anspruch nimmt. Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend.

(3) Erstinvestitionen sind die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern, die einem der folgenden Vorgänge dienen:

1.
Errichtung einer neuen Betriebsstätte,
2.
Erweiterung einer bestehenden Betriebsstätte,
3.
grundlegende Änderung eines Produkts oder eines Produktionsverfahrens eines bestehenden Betriebs oder einer bestehenden Betriebsstätte oder
4.
Übernahme eines Betriebs, der geschlossen worden ist oder geschlossen worden wäre, wenn der Betrieb nicht übernommen worden wäre.

(4) Die Investitionen sind begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte nach dem 24. März 2004 und vor dem 1. Januar 2007 begonnen und nach dem 31. Dezember 2004 und vor dem 1. Januar 2007 abgeschlossen hat oder nach dem 31. Dezember 2006 abschließt, soweit vor dem 1. Januar 2007 Teilherstellungskosten entstanden oder im Fall der Anschaffung Teillieferungen erfolgt sind. Investitionen sind in dem Zeitpunkt begonnen, in dem die Wirtschaftsgüter bestellt oder herzustellen begonnen worden sind. Gebäude gelten in dem Zeitpunkt als bestellt, in dem über ihre Anschaffung ein rechtswirksam abgeschlossener obligatorischer Vertrag oder ein gleichstehender Rechtsakt vorliegt. Als Beginn der Herstellung gilt bei Gebäuden, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Gebäuden, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden. Investitionen sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt worden sind.

(5) Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ist die Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im Wirtschaftsjahr oder Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen. In die Bemessungsgrundlage können die im Wirtschaftsjahr oder Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten und entstandenen Teilherstellungskosten einbezogen werden. In den Fällen des Satzes 2 dürfen im Wirtschaftsjahr oder Kalenderjahr der Anschaffung oder Herstellung der Wirtschaftsgüter die Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei der Bemessung der Investitionszulage nur berücksichtigt werden, soweit sie die Anzahlungen oder Teilherstellungskosten übersteigen. § 7a Abs. 2 Satz 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes gilt entsprechend.

(6) Die Investitionszulage beträgt vorbehaltlich des Satzes 2

1.
12,5 vom Hundert der Bemessungsgrundlage,
2.
15 vom Hundert der Bemessungsgrundlage, wenn es sich um Investitionen in Betriebsstätten im Randgebiet nach der Anlage 2 zu diesem Gesetz handelt.
Bei Investitionen, auf die der multisektorale Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben vom 13. Februar 2002 (ABl. EG Nr. C 70 S. 8), geändert durch die Mitteilung der Kommission vom 1. November 2003 (ABl. EU Nr. C 263 S. 3), anzuwenden ist, ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als der jeweils beihilferechtlich geltende Regionalförderhöchstsatz durch die Gewährung von Investitionszulagen nicht überschritten wird.

(7) Die Investitionszulage erhöht sich vorbehaltlich des Satzes 2 für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 1 entfällt, wenn die beweglichen Wirtschaftsgüter während des Fünfjahreszeitraums in einem begünstigten Betrieb verbleiben, der zusätzlich die Begriffsdefinition für kleine und mittlere Unternehmen im Sinne der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. EG Nr. L 107 S. 4), ersetzt durch die Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. EU Nr. L 124 S. 36), erfüllt, auf

1.
25 vom Hundert der Bemessungsgrundlage,
2.
27,5 vom Hundert der Bemessungsgrundlage, wenn es sich um Investitionen in Betriebsstätten im Randgebiet nach der Anlage 2 zu diesem Gesetz handelt,
3.
20 vom Hundert der Bemessungsgrundlage bei Investitionen in Betriebsstätten im Land Berlin und in Gemeinden des Landes Brandenburg, die zur Arbeitsmarktregion Berlin nach der Anlage 3 zu diesem Gesetz gehören.
Absatz 6 Satz 2 gilt entsprechend.

Tatbestand

1

I. Im Revisionsverfahren ist die Frage streitig, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zusammen mit der X-GmbH als "verbundene Unternehmen" im Sinne der KMU-Empfehlung eine wirtschaftliche Einheit bildet und die Schwellenwerte wegen der dann vorzunehmenden Zusammenrechnung überschritten sind, mit der Folge, dass nur ein Anspruch auf eine Investitionszulage in Höhe der Grundzulage von 12,5 % nach § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 des Investitionszulagengesetzes 2005 (InvZulG 2005) besteht.

2

Die Klägerin, eine GmbH, stellt Platten, Folien, Schläuche und Profile aus Kunststoff her. Gesellschafter sind A mit einem Gesellschaftsanteil in Höhe von 24,8 %, seine Ehefrau B mit 62,8 % sowie C mit 12,4 %. Geschäftsführer der Klägerin mit Einzelvertretungsberechtigung sind A und C. A ist zusammen mit seiner Mutter zudem zu gleichen Teilen Gesellschafter der X-GmbH. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der X-GmbH sind wiederum A und C.

3

In ihrer Anfangsphase wurde die Klägerin durch Bürgschaften der X-GmbH unterstützt. Des Weiteren schloss die Klägerin bei ihrer Gründung für die Dauer der Finanzierungen, mindestens aber für fünf Jahre mit Verlängerungsoption, einen "Geschäftsbesorgungsvertrag" mit der X-GmbH. Auf dessen Grundlage erhält die Klägerin --jedenfalls bis zur Entscheidung durch das Finanzgericht (FG)-- sämtliche Aufträge von der X-GmbH. Im Gegenzug übernimmt die X-GmbH das gesamte Produktionsvolumen zu einem marktüblichen Preis und vertreibt es. Am Markt --insbesondere im Internet-- tritt nur die X-GmbH in Erscheinung. Der Vertrag sieht weiter vor, dass ein Vertreter der X-GmbH die Betriebsleitung der Klägerin laufend fachlich anleitet. Die Klägerin hat zudem den kompletten Einkauf sowie EDV und Forschung auf die X-GmbH ausgelagert und nutzt eine von mehreren Bankverbindungen der X-GmbH für ihre Zwecke.

4

Für sich betrachtet überschreitet die Klägerin weder mit ihrer Mitarbeiterzahl noch mit ihren Umsatz- oder Bilanzzahlen die Schwellenwerte im Sinne der Empfehlung der Europäischen Kommission 2003/361/EG vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen --KMU-Empfehlung-- (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2003 Nr. L 124, S. 36). Die X-GmbH überschreitet die Schwellenwerte in den Jahren 2004 und 2005 sowohl mit der Mitarbeiterzahl als auch mit ihrem Jahresumsatz.

5

Die Investitionsbank Sachsen-Anhalt vertrat die Auffassung, bei der Klägerin handele es sich um ein KMU im Sinne der KMU-Empfehlung und bewilligte ihr deshalb erhöhte Zuschüsse im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA-Förderung).

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging aufgrund der Verflechtungen mit der X-GmbH davon aus, dass die Klägerin ein mit der X-GmbH verbundenes Unternehmen im Sinne der KMU-Empfehlung bilde und demzufolge die KMU-Schwellenwerte überschritten seien. Er gewährte der Klägerin für das Streitjahr 2006 deshalb nur die Grundzulage (Zulagensatz 12,5 %) für das verarbeitende Gewerbe gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005 und nicht die mit einem Zulagensatz von 25 % beantragte erhöhte Investitionszulage für KMU nach § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 22. November 2007).

7

Das FG wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 1921 veröffentlichten Urteil vom 24. März 2011  1 K 1725/07 ab.

8

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe zunächst für die Frage, ob A, B und D als Gesellschafter der Klägerin bzw. der X-GmbH eine "gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen" i.S. von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung darstellen und der dabei vorzunehmenden Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs zu Unrecht auf über den Wortlaut der KMU-Definition der KMU-Empfehlung hinausgehende europarechtliche Rechtsgrundlagen oder Entscheidungen zurückgegriffen. Insoweit sei vielmehr allein auf deutsches Recht bzw. die Rechtsprechung deutscher Gerichte abzustellen, wonach aber gerade keine "gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen" vorliege. Insbesondere seien die in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung aufgezählten Kriterien nicht durch zusätzliche Kriterien zu erweitern, sondern vielmehr abschließend. Weiterhin habe sich das Gericht bei seiner Begründung der Vermutung gleichgerichteter Interessen allein auf Indizien gestützt, ohne dass der Beklagte einen konkreten Beweis für die Gleichrichtung der Interessen innerhalb des Familienverbundes erbracht hätte. Sie, die Klägerin, könne jedoch nachweisen, dass zwischen den Mitgliedern der Familie teilweise erhebliche Interessengegensätze vorliegen würden.

9

Zudem habe das Gericht die Bindungswirkung der Einstufung der Klägerin als KMU durch die Investitionsbank des Landes Sachsen-Anhalt für Zwecke der GA-Förderung nicht beachtet. Angesichts der in der Gesetzesbegründung formulierten Absicht, eine regelmäßige Bindung der Finanzverwaltung anzunehmen, sollten divergierende Verwaltungsentscheidungen auf Fälle offensichtlicher Fehlerhaftigkeit beschränkt bleiben. Eine offensichtlich fehlerhafte Einstufung durch die GA-Behörde habe aber nicht vorgelegen.

10

Der Senat hat mit Beschluss vom 20. Dezember 2012 III R 30/11 (BFHE 239, 560, BStBl II 2013, 335) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

11

"1. a) Welche Anforderungen sind an die Annahme eines gemeinsamen Handelns i.S. des Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der Empfehlung der Kommission 2003/361/EG vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Empfehlung) zu stellen: Genügt insoweit bereits jegliche unternehmensbezogene Kooperation der an beiden Unternehmen beteiligten natürlichen Personen, die ohne Streitigkeiten oder zu Tage tretende Interessengegensätze stattfindet, oder ist vielmehr ein erkennbar abgestimmtes Verhalten dieser Personen erforderlich?

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b) Falls ein abgestimmtes Verhalten erforderlich ist: Folgt dieses bereits aus einer rein tatsächlichen Kooperation?

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2. Ist, wenn kein Fall der Verpflichtung zu einem konsolidierten Abschluss besteht, bei der Frage, ob ein Unternehmen mit einem anderen Unternehmen über eine Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen verbunden ist, über die in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung aufgeführten "Beziehungen" hinaus weiterhin eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der Aspekte wie die Eigentumsverhältnisse --hierbei insbesondere die Zugehörigkeit der Anteilseigner zu einer Familie--, die Beteiligungsstruktur und die wirtschaftliche Integration --insbesondere auch die Identität der Geschäftsführer-- der betroffenen Unternehmen zu untersuchen sind?

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3. Für den Fall, dass auch unter der Geltung der KMU-Empfehlung eine über die formale Betrachtung hinausgehende wirtschaftliche Gesamtbetrachtung möglich ist: Setzt dies die Absicht oder zumindest das Risiko der Umgehung der KMU-Definition voraus?"

15

Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom 27. Februar 2014 C-110/13 (ABlEU 2014, Nr. C 112, S. 15) wie folgt beantwortet:

16

"Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen ist dahin auszulegen, dass Unternehmen als "verbunden" im Sinne dieses Artikels angesehen werden können, wenn die Prüfung der zwischen ihnen bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen ergibt, dass sie, vermittels einer natürlichen Person oder einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen, eine einzige wirtschaftliche Einheit bilden, auch wenn sie formal nicht in einer der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs aufgeführten Beziehungen zueinander stehen.

17

Als gemeinsam handelnd im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs sind natürliche Personen anzusehen, wenn sie sich abstimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, so dass diese Unternehmen nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängig angesehen werden können. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, und es ist nicht zwingend erforderlich, dass zwischen den fraglichen Personen vertragliche Beziehungen bestehen oder dass sie auch nur die Absicht haben, die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen im Sinne der genannten Empfehlung zu umgehen."

18

Die Beteiligten haben sich zu dem EuGH-Urteil nicht mehr geäußert.

19

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom 22. November 2007 den Investitionszulagenbescheid 2006 vom 6. August 2007 dahingehend zu ändern, dass die Investitionszulage auf 10.694,26 € heraufgesetzt wird.

20

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

21

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 121 FGO).

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Klägerin lediglich einen Anspruch auf Investitionszulage in Höhe der vom FA im angefochtenen Investitionszulagenbescheid festgesetzten Grundzulage von 12,5 % nach § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005 hat.

23

1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf eine erhöhte Investitionszulage nach § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005 zu.

24

a) Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005 erhöht sich die Investitionszulage für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen i.S. des § 2 Abs. 1 InvZulG 2005 entfällt, wenn die beweglichen Wirtschaftsgüter während des Fünfjahreszeitraums in einem begünstigten Betrieb verbleiben, der zusätzlich die Begriffsdefinition für kleine und mittlere Unternehmen im Sinne der Empfehlung 96/280/EG der Europäischen Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen --Empfehlung 96/280/EG-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1996 Nr. L 107, S. 4, ersetzt durch die KMU-Empfehlung in ABlEU 2003 Nr. L 124, S. 36), erfüllt, auf 25 % der Bemessungsgrundlage bei Investitionen in Betriebsstätten, die --wie im Streitfall-- im übrigen Fördergebiet belegen sind. Bei dem InvZulG 2005 handelt es sich um eine von der Kommission genehmigte Beihilfe (ABlEU 2005 Nr. C 235, S. 3, 4) i.S. des Art. 87 Abs. 3 Buchst. a und c des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - jetzt Art. 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

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b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die § 2 Abs. 7 Satz 1 InvZulG 2005 zugrunde liegende Definition der KMU europarechtlich zu interpretieren. Dies ergibt sich bereits aus dem gesetzlich verankerten Verweis auf die KMU-Empfehlung der Europäischen Kommission und entspricht dem Willen des Gesetzgebers, im Unterschied zu der Vorgängerregelung des § 2 Abs. 7 InvZulG 1999 den europarechtlichen KMU-Begriff zu übernehmen (BTDrucks 15/2249, S. 15, 16). Zwar ist die Verwendung der KMU-Definition für die Mitgliedstaaten freiwillig (Benutzerhandbuch der Europäischen Kommission zur neuen KMU-Definition --Benutzerhandbuch--, 2006, S. 6, abrufbar auf der Webseite der Europäischen Kommission unter www.ec.europa.eu/ enterprise/policies/sme). Entscheidet sich ein Mitgliedstaat --wie vorliegend die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland)-- jedoch für die Übernahme, ist für eine Interpretation anhand nationaler Rechtsprechung --beispielsweise durch Übertragung der Kriterien für das Vorliegen einer personellen Verflechtung bei der Betriebsaufspaltung-- kein Raum mehr. Eine Lösung von Interpretationsproblemen anhand nationaler Rechtsprechung --wie von der Klägerin geltend gemacht-- würde insoweit dem mit der KMU-Empfehlung einhergehenden Zweck zuwiderlaufen, die Vielzahl der auf Gemeinschaftsebene verwendeten Definitionen von KMU und damit einhergehende Inkohärenzen zu reduzieren und eine einheitliche Ausrichtung von KMU-Maßnahmen auf der Ebene der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten zu gewährleisten und damit die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden (vgl. 1. Erwägungsgrund der KMU-Empfehlung). Dadurch, dass Deutschland dieser Empfehlung durch die explizite und unmittelbare Bezugnahme in § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005 nachgekommen ist, wird eine unionsrechtliche Auslegung somit auch dann erforderlich, wenn es sich um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt handelt (vgl. EuGH-Urteile vom 21. Dezember 2011 C-482/10, Slg. 2011, I-14139 Rz 19, m.w.N.; vom 18. Oktober 2012 C-583/10, ABlEU 2012, Nr. C 379, S. 5, ZESAR 2013, 235 Rz 47, m.w.N.).

26

2. Die KMU-Schwelle ist im Streitfall nach Art. 2 des Anhangs der KMU-Empfehlung sowohl mit der Mitarbeiterzahl als auch mit dem Jahresumsatz überschritten, weil die Klägerin und die X-GmbH als "verbundene Unternehmen" i.S. des Art. 3 Abs. 3 des Anhangs der KMU-Empfehlung der Kommission anzusehen sind.

27

a) Die KMU-Empfehlung unterscheidet bei der Berechnung der Mitarbeiterzahlen und der finanziellen Schwellenwerte drei maßgebliche Unternehmenstypen, die das vormalige sog. Unabhängigkeitskriterium ersetzen, das formal auf die Einhaltung einer Beteiligungsschwelle von bis zu 25 % abstellte. Maßgeblich ist, ob ein Unternehmen eigenständig ist oder ob es mit anderen Unternehmen --als verbundene Unternehmen oder Partnerunternehmen-- eine wirtschaftliche Gruppe bildet.

28

Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung sind Unternehmen dann verbunden, wenn ein Unternehmen am anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte hält, die Befugnis zur Bestellung und Abberufung der Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremiums des anderen Unternehmens hat, aufgrund eines Vertrags oder einer Satzungsklausel einen beherrschenden Einfluss auf das andere Unternehmen hat oder kraft einer Vereinbarung die alleinige Kontrolle über die Mehrheit der Stimmrechte in dem anderen Unternehmen ausüben kann. Unternehmen, die durch eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen miteinander in einer der vorstehend aufgeführten Beziehungen stehen, gelten nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung als verbundene Unternehmen, sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind.

29

b) Vorliegend ist keiner der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs genannten Fälle gegeben. Die Klägerin gilt aber nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung über die "gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen" als ein mit der X-GmbH verbundenes Unternehmen.

30

aa) Nach dem Urteil des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren (in ABlEU 2014, Nr. C 112, S. 15) können auch Unternehmen, die zueinander in keiner der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung genannten Beziehungen stehen, aber wegen der Rolle, die eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen spielt, eine einzige wirtschaftliche Einheit darstellen und damit als verbundene Unternehmen im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden, sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind (Rz 34). Da als KMU-Unternehmen nur tatsächlich unabhängige Unternehmen erfasst werden sollen, ist die Struktur von KMU zu untersuchen, die eine wirtschaftliche Gruppe bilden, deren Bedeutung über die eines solchen Unternehmens hinausgeht, und es ist darauf zu achten, dass die Definition der KMU nicht durch eine rein formale Erfüllung der Kriterien umgangen wird (Rz 33).

31

bb) An dieses EuGH-Urteil im Vorabentscheidungsverfahren ist das nationale Gericht bei seiner Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits gebunden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Mai 2013 XI R 11/09, BFHE 242, 84, m.w.N.). Der erkennende Senat ist daher nicht befugt, die Auslegung des KMU-Begriffs abweichend vom EuGH zu entscheiden.

32

cc) Das FG hat die vom EuGH vorgegebenen Grundsätze bereits im ersten Rechtsgang zutreffend angewandt. Es hat zu Recht nicht allein auf die rein formale Erfüllung des Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung abgestellt, sondern im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise das Vorliegen einer KMU-Eigenschaft der Klägerin verneint. Hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen der Klägerin und der X-GmbH hat es dabei "die mehrheitliche Beteiligung der Familie, ... die identische Geschäftsführung in beiden Unternehmen, ... den Geschäftsbesorgungsvertrag als auch die komplette Auslagerung von Einkauf, EDV und Forschung" sowie die "gemeinsame Bankverbindung und nicht zuletzt ... die Mitverpflichtung der ... (X-GmbH) bei Mietkauf- und Darlehnsverträgen" berücksichtigt. In der Gesamtschau dieser tatsächlichen Umstände hat das FG, da weder ein erkennbar abgestimmtes Verhalten bezüglich einzelner Geschäfte noch eine über die tatsächliche Kooperation hinausgehende vertragliche Bindung erforderlich ist, auf ein als wirtschaftliche Einheit zu betrachtendes verbundenes Unternehmen zwischen der Klägerin und der X-GmbH geschlossen und damit zu Recht eine Überschreitung der Schwellenwerte angenommen.

33

dd) Diese vom FG aufgrund der Gesamtwürdigung vorgenommene Schlussfolgerung, die verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist, ist für das Revisionsgericht bindend, auch wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. BFH-Urteile vom 1. April 1971 IV R 195/69, BFHE 102, 85, BStBl II 1971, 522; vom 6. März 2007 IX R 38/05, BFH/NV 2007, 1281). Zu den der Bindung unterliegenden Feststellungen gehören auch die Schlussfolgerungen tatsächlicher Art (BFH-Urteil vom 28. Februar 2008 V R 44/06, BFHE 221, 415, BStBl II 2008, 586; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 118 FGO Rz 140 ff.).

34

ee) Es ist revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das FG bei seiner Gesamtwürdigung dem pauschalen Bestreiten von gleichgerichteten Interessen innerhalb der Familie keine besondere Bedeutung beigemessen hat. Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie die teilweise zwischen den Familienmitgliedern bestehenden erheblichen Interessengegensätze anhand von einzeln aufgeführten Streitfällen nachweisen könne, kann der Senat offenlassen, ob die erstmals im Revisionsverfahren dargestellten Differenzen zwischen den Familienangehörigen und der X-GmbH das FG zu einer anderen Gesamtbetrachtung veranlasst hätte. Denn der BFH muss seiner Entscheidung die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen zugrunde legen (§ 118 Abs. 2 FGO) und darf deshalb Tatsachen, die von den Beteiligten erstmals im Revisionsverfahren vorgetragen werden, grundsätzlich nicht berücksichtigen (BFH-Urteile vom 17. Dezember 1997 X R 88/95, BFHE 185, 40, BStBl II 1998, 343; vom 18. November 1998 X R 143/95, BFH/NV 1999, 915), es sei denn, es wären dagegen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht oder Gegenrügen des Revisionsbeklagten erhoben worden (BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R 54/00, BFHE 200, 204, BStBl II 2002, 869). Das ist hier nicht der Fall.

35

3. Soweit die Klägerin für Zwecke der Förderung nach der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" von der Investitionsbank des Landes Sachsen-Anhalt (GA-Behörde) als KMU-Unternehmen behandelt worden ist, hat diese Entscheidung keine Bindungswirkung.

36

a) Der Einordnung der GA-Behörde kommt keine bindende Grundlagenfunktion zu. (Bindende) Grundlagenbescheide (§ 171 Abs. 10 der Abgabenordnung --AO--) liegen grundsätzlich nur vor, wenn die Bindungswirkung gesetzlich angeordnet ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 11. April 2005 GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679; BFH-Urteil vom 26. Oktober 2011 VII R 64/10, BFH/NV 2012, 712, m.w.N.; Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 207). Im vorliegenden Fall fehlt es an einer gesetzgeberischen Verfahrensentscheidung.

37

b) Selbst wenn man eine Tatbestandswirkung ressortfremder Behördenentscheidungen auch ohne gesetzlich angeordnete Bindungswirkung für möglich halten würde, "wo Sachverhalte zu beurteilen sind, die die Finanzbehörde mangels eigener Sachkunde nicht selbst nachzuprüfen vermag" (so der erkennende Senat in den Urteilen vom 13. Dezember 1985 III R 204/81, BFHE 145, 545, BStBl II 1986, 245; vom 10. Juni 1988 III R 232/84, BFHE 154, 68, BStBl II 1988, 981; BFH-Beschlüsse vom 13. April 2005 VI B 197/04, BFH/NV 2005, 1231; vom 26. Oktober 2011 VII R 64/10, BFH/NV 2012, 712; zweifelnd der Große Senat des BFH in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679), tritt eine solche im vorliegenden Fall nicht ein. Die Einordnung eines Unternehmens als groß oder klein, verbunden oder unverbunden kann die Finanzbehörde kraft eigener Sachkunde vornehmen.

38

c) Soweit nach dem Willen des Gesetzgebers (BTDrucks 15/2249, S. 16) die Finanzämter die Einstufung der Wirtschaftsbehörde übernehmen sollen, wenn diese nicht offensichtlich unzutreffend ist, reicht dies für eine Bindungswirkung nicht aus. Die gebotene und unverzichtbare Rechtsgrundlage kann nicht durch allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungen oder vergleichbare Überlegungen --auch nicht durch Verwaltungsvorschriften-- ersetzt werden (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679; vgl. BFH-Urteil in BFHE 154, 68, BStBl II 1988, 981). Durch die Gesetzesbegründung (BTDrucks 15/2249, S. 16) hat der Gesetzgeber der GA-Behörde hinsichtlich der rechtlichen Einordnung eines Unternehmens auch kein nur eingeschränkt überprüfbares administratives Letztentscheidungsrecht eingeräumt. Der Gesetzgeber hat trotz seiner Gesetzesbegründung eine verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Bindung gerade nicht in das InvZulG übernommen. Vielmehr hat er die Entscheidung über den Anspruch auf Investitionszulage ausdrücklich dem für die Besteuerung des Anspruchsberechtigten nach dem Einkommen zuständigen Finanzamt gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 2005 zugeordnet. § 3 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 2005 ist eine Bestimmung sowohl für die örtliche als auch die sachliche Zuständigkeit i.S. des § 17 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Finanzverwaltung i.V.m. § 16 AO. Selbst wenn sich aus der Gesetzesbegründung eine Bindung der Finanzbehörde an die Einordnung durch die GA-Behörde ergeben sollte, ändert dies nichts am Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Die Interpretation der generell-abstrakten Rechtsnorm und der in ihr enthaltenen (unbestimmten) Rechtsbegriffe ist eine originäre Funktion der rechtsprechenden Gewalt, keine genuine Verwaltungsfunktion, so dass die Beurteilung der rechtlichen Maßstäbe, das heißt deren Auslegung und deren Rechtmäßigkeit, den Gerichten obliegt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 10. Dezember 2009  1 BvR 3151/07, Deutsches Verwaltungsblatt 2010, 250). Darüber hinaus kann der erkennende Senat auch keinen tragfähigen Sachgrund (vgl. BVerfG-Beschluss vom 31. Mai 2011  1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1) für ein Letztentscheidungsrecht der GA-Behörde erkennen. Jedenfalls gelangen weder die Finanzbehörden noch die Gerichte bei der Überprüfung der Einstufung eines Unternehmens als KMU-Unternehmen an die Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.