Finanzgericht Nürnberg Beschluss, 12. Apr. 2018 - 2 V 1532/17

bei uns veröffentlicht am12.04.2018

Gericht

Finanzgericht Nürnberg

Tenor

1. Die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide für 2010 bis 2013 vom 14.06.2017 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens aufgehoben. Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 2014 vom 14.06.2017 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens aufgehoben (nach Aktenlage in Höhe von 1.797,26 €) und im Übrigen ausgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Gründe

I.

Streitig sind Zuschätzungen nach einer Betriebsprüfung.

Der Antragsteller betrieb in den Streitjahren (und betreibt bis heute) u.a. eine Kaffeebar nach italienischem Vorbild in der Innenstadt.

Der Antragsteller wohnt derzeit – entgegen seiner eigenen Angabe in der Klageschrift – ausweislich der Meldedaten der Stadt an der A. Straße 1, 1; die in der Antragsschrift angegebene Adresse ist die des Cafés.

Mit Änderungsbescheiden vom 14.06.2017 änderte das Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzungen der Streitjahre (Steuernummer …/…/…) zu Lasten des Antragstellers (2010 +7.136,38 €, 2011 +12.102,56 €, 2012 +13.535,14 €, 2013 +6.335,07 €, 2014 +11.153,33 €). Die Änderungen beruhen auf einer Außenprüfung; die angesetzten Werte entsprechen den Werten laut dem Betriebsprüfungsbericht vom 17.05.2017.

Der Betriebsprüfungsbericht vom 17.05.2017 führt nach umfangreichen allgemeinen Ausführungen zu den rechtlichen Anforderungen an Buchführung und Aufzeichnungen von Steuerpflichtigen als tatsächliche Feststellungen zum Unternehmen des Antragsteller nur auf, dass der Antragsteller seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz ermittle und anscheinend geführte „Strichlisten“ nicht alle Geschäftsvorfälle (wohl insb. außer-Haus-Verkäufe) erfassten. Im Bericht werden die Ergebnisse einer Getränkekalkulation für 2013 und 2014 verwendet, um Rohgewinnaufschläge zu ermitteln (2013: 311% und 2014: 310%), die anschließend auf die früheren Jahre übertragen werden (310%). In diese Rohaufschläge finden auch kalkulierte Erlöse für „Ciabatta“ und „Gebäck“ Eingang. Für diese findet sich eine einfache Kalkulation im Bericht, die anscheinend auf dem gebuchten Wareneinkauf ansetzt und mit einem Aufschlag von 80% operiert. Ausweislich des Berichts habe sich dieser Aufschlag aus „den Einkaufspreisen lt. Rechnung und den Verkaufspreisen lt.“ dem Antragsteller ergeben.

Der Bericht verweist anschließend auf eine Kalkulation des Antragstellers vom 02.05.2017, die nicht herangezogen werden könne. Dennoch sei glaubhaft gemacht worden, dass Gratisgetränke, Bruch etc. in der Kalkulation der Betriebsprüfung nicht ausreichend berücksichtigt worden seien und deswegen der Rohgewinnaufschlag auf 257% reduziert werde. Dadurch würden „sämtliche Gratisgetränke, Anpassungen des Mahlgrades der Kaffeemaschine, Bruch, etc. berücksichtigt“.

Der Antragsteller hat fristgerecht Einspruch erhoben, über den noch nicht entschieden worden ist. Den mit dem Einspruch gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide hat das Finanzamt unter Verweis auf ein Schreiben des Finanzamts vom 05.09.2017 abgelehnt. Das Schreiben vom 05.09.2017 besteht neben Standardtextblöcken nur aus der per „Kopieren und Einfügen“ übernommene Stellungnahme des Betriebsprüfers vom 28.08.2017. Aus diesem Schreiben ergibt sich, dass der Antragsteller wohl bereits mit Schreiben vom 27.02.2017 zu den Punkten der Betriebsprüfung Stellung genommen und dabei eine eigene – von der späteren eigenen deutlich abweichende – Kalkulation vorgelegt hat. Die dieser Kalkulation zugrundeliegenden vom Antragsteller „rekonstruierten Preise“ der Jahre 2013 und 2014 hat die Betriebsprüfung daraufhin übernommen.

Am 05.10.2017 hat der Antragsteller 40.906,41 € unter Angabe seiner Steuernummer und den Worten „unter Vorbehalt“ überwiesen. Er hat dazu am 09.10.2017 dem Finanzamt mitgeteilt, dass er diesen Betrag nur aus einer kürzlich erhaltenen Erbschaft habe aufbringen können und angesichts der Steuerforderungen seinen Betrieb sonst „liquidieren“ müsse.

Ausweislich der in den vorgelegten Akten befindlichen Abfragen der offenen Steuerverbindlichkeiten („O-Abfragen) zum 12.09.2017 und zum 11.10.2017 ist dieser Betrag auf die streitige Umsatzsteuer verbucht worden; offen sind danach zum 11.10.2017 unter dieser Steuernummer nur noch neben Umsatzsteuer 2014 in Höhe von 9.356,17 € Nebenleistungen zur Umsatzsteuer sowie in geringem Umfang Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer zur Lohnsteuer.

Am 13.12.2017 hat der Antragsteller bei Gericht beantragt,

die Änderungsbescheide vom 14.06.2017 (u.a.) über Umsatzsteuer der Jahre 2010 bis 2014 in vollem Umfang von der Vollziehung „auszusetzen“.

Er begründet dies im Wesentlichen damit, dass die besonderen Verhältnisse des geprüften Betriebes in der Schätzung nicht (ausreichend) berücksichtigt worden seien.

Das Finanzamt beantragt,

den Antrag abzuweisen und begründet dies im Wesentlichen damit, dass alle Einwendungen des Antragstellers ausreichend berücksichtigt worden seien.

Das Finanzamt hat eine Umsatzsteuerakte vorgelegt, in der die Streitjahre und den Streitgegenstand betreffend ausschließlich die Steuererklärungen der Jahre 2010 und 2011 enthalten sind. Für die Jahre 2012 und 2014 enthält die Umsatzsteuerakte nichts. Des Weiteren hat das Finanzamt eine Gewerbesteuerakte vorgelegt. Hier sind die Gewinnermittlungen für das Café für die Streitjahre abgelegt; Informationen zur Betriebsprüfung sind dort nicht enthalten. In der ebenfalls vorgelegten Akte zur gesonderten Feststellung der Einkünfte unter der Steuernummer …/…/… findet sich zum Café neben der Erklärung für 2010 und dem Ausdruck der elektronischen Erklärung für 2011 nur der Hinweis auf eine umsatzsteuerliche Organschaft mit einem weiteren Café in 2 (Organtochter; Schreiben des Antragstellers vom 23.05.2014). In der vorgelegten Betriebsprüfungsakte ist nur der Bericht vom 17.05.2017 abgeheftet. In der ebenso vorgelegten Rechtsbehelfsakte finden sich neben den bereits genannten Schriftstücken (O-Abfragen, Schreiben vom 28.08.2017, 05.09.2017, 13.09.2017 und 09.10.2017) nur die Einspruchsschreiben und standardisierte Rücknahmeaufforderungen und eine „Ergebnisanzeige“.

II.

Der Antrag ist begründet. An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen bei der gebotenen überschlägigen Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts und der präsenten Beweismittel ernsthafte Zweifel.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auf Antrag auszusetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluss vom 10.02.1967 III B 9/66, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 08.04.2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 07.09.2011 I B 157/10, BStBl II 2012, 590, unter II.2.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss vom 19.03.2014 V B 14/14, BFH/NV 2014, 999).

2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, da das Finanzamt die steuererhöhenden Tatsachen nicht glaubhaft gemacht hat.

Das Finanzamt trägt die Feststellungslast für steuererhöhende Tatsachen (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 05.11.1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220).

Es ist dabei nicht Aufgabe der Gerichte im Vollziehungsaussetzungsverfahren, einen unvollständig begründeten und bestrittenen Steueranspruch durch eigene Ermittlungen zu belegen (vgl. schon BFH-Beschluss vom 14.02.1984 VIII B 112/83, BFHE 140, 153, BStBl II 1984, 443).

Ist dem Gericht im Aussetzungsverfahren eine sachliche Entscheidung der Frage unmöglich, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vorliegen, weil die Besteuerungsgrundlagen dem Antragsteller nicht in einem für die Rechtsverteidigung ausreichenden Umfang mitgeteilt worden sind, so begründet dies bereits für eine Aussetzung ausreichende ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit im Sinne des § 69 Abs. 2 und 3 FGO (vgl. BFH-Urteil vom 04.04.1978 VII R 71/77, BFHE 125, 20, BStBl II 1978, 402-404).

Dasselbe gilt, wenn die Ergebnisse einer Betriebsprüfung zwar anscheinend mit dem Steuerpflichtigen erörtert wurden, sich diese aber nicht nachvollziehbar dokumentiert in den dem Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorgelegten Akten finden. Auch dann ist es dem Gericht unmöglich, die aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen zu bewerten.

Zwar muss nicht in allen Fällen die schlüssige Begründung des Steueranspruchs bereits im Steuerbescheid selbst erfolgen. Es kann auch die Bezugnahme auf einen bekanntgemachten Prüfungsbericht genügen, sofern dieser so viele Angaben enthält, dass sich das Gericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein Bild von dem geltend gemachten Anspruch machen kann (BFH-Beschluss vom 14.02.1984 VIII B 112/83, BFHE 140, 153, BStBl II 1984, 443).

Bei einer Schätzung gemäß § 162 Abgabenordnung (AO) muss das Finanzamt daher – auch im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes – ausreichende Belege vorlegen, die Zweifel an einer Schätzungsbefugnis des Finanzamts ausräumen und zudem seine Schätzung der Höhe nach durch die Offenlegung einer nachvollziehbaren Kalkulation substantiieren. Dafür müssen sowohl die verwendeten Ausgangszahlen (in der Regel die Buchungskonten), als auch der Kalkulations Weg nachvollziehbar dargestellt werden, damit das Finanzgericht in die Lage versetzt wird, seine eigene Schätzungsbefugnis auszuüben. Dies wird in der Regel dadurch gewährleistet werden, dass der Sachbearbeiter in der Rechtsbehelfsstelle seinerseits die Kalkulation der Betriebsprüfung nachvollzieht und überprüft und dies in der Rechtsbehelfsakte dokumentiert. Dadurch gewährleistet er, dass dem Gericht die maßgeblichen Dokumente vorgelegt werden, anhand derer es selbst die Eröffnung einer Schätzungsbefugnis nachprüfen und diese sachgerecht ausüben kann.

Im Streitfall ist in den vorgelegten Akten weder ein Beleg für eine Schätzungsbefugnis des Finanzamt dokumentiert, noch lässt sich die Kalkulation – nicht einmal in Grundzügen – überprüfen.

3. Die Aussetzungsanordnung war trotz der sich aus dem Schreiben vom 09.10.2017 ergeben Zweifel an der Realisierung der Steuerforderung nicht von der Leistung einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

In der Regel rechtfertigt eine Gefährdung des Steueranspruchs die Anordnung einer Sicherheitsleistung. Allerdings ist von dieser trotzdem abzusehen, wenn und soweit mit Gewissheit oder doch mit großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (BFH-Beschluss vom 22.12.1969 V B 115-116/69, BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127). Davon ist für Zwecke des einstweiligen Rechtsschutzes auch auszugehen, wenn der Sachverhalt, aus dem ein Steueranspruch hergeleitet werden soll, vom Finanzamt unvollständig, widersprüchlich oder auch so ungeordnet vorgetragen wird, dass die rechtliche Subsumtion Schwierigkeiten bereitet. Das Finanzamt muss sich, soweit es die Feststellungslast trägt, im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung entgegenhalten lassen, dass der von ihm geltend gemachte Steueranspruch nicht schlüssig aus dem vorgetragenen Sachverhalt hergeleitet werden kann (BFH-Beschluss vom 14.02.1984 VIII B 112/83, BFHE 140, 153, BStBl II 1984, 443; BFH-Beschluss vom 30.07.1997 I B 141-142/96, BFH/NV 1998, 84).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 69


(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für

Abgabenordnung - AO 1977 | § 162 Schätzung von Besteuerungsgrundlagen


(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. (2) Zu schätzen ist insbesondere dann, we

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Bundesfinanzhof Beschluss, 19. März 2014 - V B 14/14

bei uns veröffentlicht am 19.03.2014

Tatbestand 1 I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist Unternehmerin. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Antragstellerin war A,

Bundesfinanzhof Beschluss, 07. Sept. 2011 - I B 157/10

bei uns veröffentlicht am 07.09.2011

Tatbestand 1 I. Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Verfahrens betreffend die Aussetzung der Vollziehung (AdV) streitig, ob und in welcher Höhe die Antragstelle

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(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Verfahrens betreffend die Aussetzung der Vollziehung (AdV) streitig, ob und in welcher Höhe die Antragstellerin und Beschwerdeführerin zu 1. (Antragstellerin) für den Abzug von Einkommensteuer auf an den Antragsteller und Beschwerdeführer zu 2. (Antragsteller) gezahlte Vergütungen nach der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung des § 50a des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) haftet.

2

Die Antragstellerin hatte mit dem in der Schweiz wohnenden Antragsteller Werbeverträge abgeschlossen, die Gegenstand von Außenprüfungen waren.

3

In einem dieser Werbeverträge verpflichtete sich der Antragsteller für die Laufzeit des Vertrages bei allen öffentlichen Auftritten soweit möglich ihr Logo auf einem Kleidungsstück zu tragen. Zudem verpflichtete sich der Antragsteller in jedem Vertragsjahr für Werbe-, Verkaufsförderungs- und Öffentlichkeitsmaßnahmen oder innerbetriebliche Veranstaltungen oder für die Erstellung von Werbemitteln zur Verfügung zu stehen. Darüber hinaus räumte er der Antragstellerin das Recht ein, seinen Namen, sein Bild, und/oder seinen Namenszug oder seine Unterschrift für die Konzeption und Gestaltung neuer Produkte und Vertriebsunterlagen zu nutzen. Außerdem erhielt die Antragstellerin das Recht, während der Laufzeit des Vertrages Foto-, Ton-, Schrift- und Filmmaterial betreffend den Antragsteller für Verkaufsförderungsmaßnahmen und sonstige Werbemaßnahmen aller Art zu verwenden. Ggf. sollte der Antragsteller der Antragstellerin auch etwaige markenrechtliche Nutzungsrechte einräumen.

4

Für seine vertraglichen Leistungen vereinbarte der Antragsteller mit der Antragstellerin ein jährliches Pauschalhonorar (...) ("Leistungsphase I"), das sich nach Beendigung seiner aktiven Karriere reduzierte ("Leistungsphase II"). In der Leistungsphase II erhöhte sich die Verpflichtung zur persönlichen Präsenz des Antragstellers. Die Umsatzsteuer sollte in beiden Leistungsphasen von der Antragstellerin getragen werden. Die Höhe des Quellensteuerabzugs sollte im Einklang mit der damals aktuellen Rechtsprechung vorgenommen werden, jedoch mit dem Finanzamt abgeklärt werden.

5

In der Zeit des Vertragsschlusses wurde der Antragsteller von der X-GmbH gemanagt, die u.a. die Vermittlung, Aushandlung und Abwicklung von Verträgen mit Werbepartnern übernahm. Im Zuge des Werbevertrages wurde der X-GmbH ein Honorar gezahlt.

6

Zu Beginn des Jahres 2005 wandten sich die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller an den Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--), um den Steuerabzug nach Maßgabe eines für vergangene Zeiträume festgelegten Schlüssels zur steuerrechtlichen Aufteilung der einzelnen Teilleistungen vorzunehmen. Mit einer entsprechenden Steueranmeldung für das I. Quartal 2005 wurde ein Vergütungsanteil von 29 % dem Steuerabzug unterworfen. Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein mit dem Begehren, lediglich 15 % der Vergütung als abzugssteuerpflichtig anzusehen. (...)

7

Am 11. Dezember 2009 erließ das FA den streitgegenständlichen Haftungsbescheid wegen Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag. Den Haftungsbetrag errechnete das FA ausgehend von einer Vergütung in Höhe von (...), zu dessen Berechnung es von der Gesamtvergütung den bereits in der Steueranmeldung berücksichtigten Vergütungsanteil abzog. Über den gegen den Haftungsbescheid eingelegten Einspruch ist bislang noch nicht entschieden worden. Nachdem das FA eine AdV abgelehnt hatte, setzte das FG die Vollziehung des Haftungsbescheids hinsichtlich eines Teilbetrags bis einen Monat nach Ergehen der Einspruchsentscheidung aus und lehnte im Übrigen den Antrag ab.

8

Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde wenden sich die Antragsteller gegen die verwehrte vollständige AdV des Haftungsbescheids.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Es bedarf weiterer Sachaufklärung, in welchem Umfang die an den Antragsteller ausgezahlte Vergütung nach dem Werbevertrag im Inland steuerpflichtig ist und das FA die Antragstellerin über die von ihr angemeldeten Steuern hinaus in Haftung nehmen durfte.

10

1. Die Antragsteller sind beschwerde- und antragsberechtigt. Dies gilt nicht nur für die Antragstellerin, gegen die sich der Haftungsbescheid als Vergütungsschuldnerin richtet, sondern auch für den Antragsteller als Vergütungsgläubiger.

11

Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein beschränkt steuerpflichtiger Vergütungsgläubiger prinzipiell einen Haftungsbescheid, dessen unmittelbarer Adressat der inländische Vergütungsschuldner ist, aus eigenem Recht mit Einspruch und Klage anfechten (vgl. Senatsurteil vom 24. April 2007 I R 39/04, BFHE 218, 89, BStBl II 2008, 95). Zugleich können sowohl der Vergütungsschuldner als auch der Vergütungsgläubiger AdV beantragen, weil § 361 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht erkennen lassen, dass die Befugnis zum Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz enger begrenzt sein soll als die in § 350 AO und in § 40 Abs. 2 FGO geregelte Rechtsbehelfsbefugnis (vgl. Senatsbeschluss vom 24. März 1999 I B 113/98, BFH/NV 1999, 1314 zur Abzugsanordnung nach § 50a Abs. 7 EStG 1997; vgl. auch Gosch in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 50a Rz 40; Maßbaum in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50a EStG Rz 135 für die Steueranmeldung). Daran hält der Senat fest, so dass die Antragsbefugnis des Vergütungsgläubigers im AdV-Verfahren und seine Beschwer im Hauptsacheverfahren regelmäßig einheitlich zu beantworten sind. Auch wenn dieser Grundsatz nicht ausnahmslos gilt, so besteht im Streitfall kein Anlass für eine Einschränkung der Antragsbefugnis des Vergütungsgläubigers, wie sie der Senat im Fall der vom Vergütungsgläubiger beantragten AdV gegen eine Abzugsanordnung (§ 50a Abs. 7 EStG 1997) mit dem Ziel der Auszahlung des vom Vergütungsschuldner abgeführten Steuerbetrages an ihn gemacht hat (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 1314). Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob die für den Fall einer Aufhebung der Vollziehung geltende weitere Einschränkung, dass bei einem Vollzug der Vergütungsgläubiger dem Vergütungsschuldner den angeforderten Steuerbetrag zurückzahlen müsse, in gleicher Weise für die AdV gilt (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Dezember 1993 I R 48/93, BFH/NV 1994, 549). Denn jedenfalls haben die Antragsteller das Bestehen eines solchen Rückforderungsanspruchs übereinstimmend vorgetragen. Dies hat auch das FA nicht bestritten.

12

2. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; Senatsbeschluss vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 22. März 2005 II B 14/04, BFH/NV 2005, 1379, m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (vgl. dazu Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 69 FGO Rz 123, m.w.N.).

13

3. Unter Heranziehung dieser Grundsätze reichen weder die Feststellungen des FG noch der bisherige Vortrag der Beteiligten oder der Akteninhalt für eine abschließende Entscheidung über die Gewährung oder Ablehnung einer AdV aus. Die Sache ist nicht spruchreif. Angesichts des Umfangs der nachzuholenden Sachverhaltsfeststellungen hält es der beschließende Senat für sachgerecht, die Sache an das FG zurückzuverweisen (zur Zurückverweisung im Verfahren auf AdV vgl. Senatsbeschluss vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156, m.w.N.).

14

a) Unterliegen Einkünfte des Vergütungsgläubigers im Inland dem Steuerabzug für beschränkt Steuerpflichtige gemäß § 50a Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 EStG 2002, ist der Vergütungsschuldner verpflichtet, den Steuerabzug für Rechnung des Vergütungsgläubigers vorzunehmen und die einbehaltene Steuer an das FA abzuführen (§ 50a Abs. 5 Satz 2 EStG 2002). Wird diese Verpflichtung nur teilweise erfüllt, haftet der Vergütungsschuldner unmittelbar für die einzubehaltende und abzuführende Steu-er (§ 50a Abs. 5 Satz 5 EStG 2002, § 219 Satz 2 AO) und kann vom FA durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden (vgl. § 191 AO i.V.m. § 73g Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 2000, § 3 des Solidaritätszuschlagsgesetzes).

15

Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme der Antragstellerin als Vergütungsschuldnerin ist damit das Vorliegen von Einkünften i.S. des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG 2002 des Antragstellers. In welchem Umfang dies der Fall ist, kann der Senat auch bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht entscheiden.

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b) Nach Auffassung des FG sind 2/3 der im Streitjahr ausgezahlten Vergütung als inländische Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2002 anzusehen, die dem Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG 2002 unterliegen. Dabei soll es sich um den Vergütungsanteil handeln, den der Antragsteller für die der Antragstellerin eingeräumten Rechte, seinen Namen, sein Bild und/oder seinen Namenszug/seine Unterschrift zur Produktgestaltung zu nutzen sowie Foto-, Ton-, Schrift- und Filmmaterial für Verkaufsförderungsmaßnahmen und sonstige Werbemaßnahmen aller Art, einschließlich der Werbung in elektronischen Medien und im Fernsehen zu verwenden, erzielt habe. Soweit sich der Antragsteller demgegenüber verpflichtet habe, das Logo der Antragstellerin zu tragen und z.B. an Werbe-, Verkaufsförderungs- und Öffentlichkeitsmaßnahmen teilzunehmen, handelt es sich nach Auffassung des FG bei dem darauf entfallenden Vergütungsanteil von 1/3 der Gesamtvergütung nicht um inländische und dem Steuerabzug unterliegende Einkünfte.

17

c) Der Senat pflichtet der Ansicht des FG jedenfalls insoweit bei, als die Einkünfte für die vom Antragsteller zu erbringenden Dienstleistungen und die von ihm erfolgte Rechteeinräumung zu unterschiedlichen Einkünften im Sinne der beschränkten Steuerpflicht führen. Demzufolge ist eine Aufteilung des gezahlten Pauschalhonorars erforderlich, sofern den Dienstleistungen gegenüber der Rechteverwertung ein eigenständiger Charakter zukommt und sie nicht nur von untergeordneter Bedeutung sind (vgl. Senatsurteile vom 28. Januar 2004 I R 73/02, BFHE 205, 174, BStBl II 2005, 550, und vom 19. Dezember 2007 I R 19/06, BFHE 220, 160, BStBl II 2010, 398). Daran hält der Senat in Kenntnis der tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Schätzung eines geeigneten Aufteilungsmaßstabs gemäß § 162 Abs. 1 AO fest. Denn auch wenn die Vertragsparteien von einem einheitlichen Vertragswerk ausgegangen sind, zwingt das nicht zu einer einheitlichen Qualifizierung der auf der Grundlage des Vertrages erzielten Einkünfte. Zum einen steht es ihnen frei, in den Grenzen der §§ 40 ff. AO und ggf. des Fremdvergleichs für verschiedene Einzelleistungen entsprechende Teilentgelte zu vereinbaren. Zum anderen macht es aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 Satz 1 AO) keinen Unterschied, ob die Vertragsparteien über jede Einzelleistung einen gesonderten oder, wie im Streitfall, einen einheitlichen Vertrag abschließen. Der Senat hält im Streitfall die Einzelleistungen auch nicht für untrennbar miteinander verknüpft. Selbst wenn, worauf die Antragsteller hinweisen, die Rechteüberlassung und die aktiven Werbetätigkeiten einheitlich der Verwertung des positiven Images des Antragstellers dienten, folgt daraus keine Untrennbarkeit von Werbedienstleistung und Rechteüberlassung.

18

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die nach dem Werbevertrag in der streitgegenständlichen "Leistungsphase I" zu erbringenden Leistungen wie folgt aufzuteilen:

19

aa) Die Einnahmen, die der Antragsteller durch das Tragen des Logos der Antragstellerin oder durch vergleichbare Verpflichtungen erzielt, begründen Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. von § 15 EStG 2002. Diese Einkünfte erfüllen jedoch keinen Tatbestand des § 50a Abs. 4 EStG 2002, der die Antragstellerin zum Steuerabzug verpflichtet und aufgrund derer sie in Haftung genommen werden könnte. Gleiches gilt für die Verpflichtung zur persönlichen Präsenz des Antragstellers bei Maßnahmen der Antragstellerin für Werbung, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit, innerbetrieblichen Veranstaltungen oder der Erstellung von Werbemitteln. Auch ist nach Aktenlage der Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG 2002 jedenfalls im Streitjahr nicht erfüllt (wird ausgeführt). Dies alles ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

20

bb) Soweit dagegen der Antragsteller der Antragstellerin Rechte an seinem Namen, seinem Bild, seinem Namenszug und seiner Unterschrift sowie etwaige markenrechtliche Nutzungsrechte zur Herstellung von Produkten, Vertriebsunterlagen und Werbung einräumt, erzielt er mit den dafür erhaltenen Vergütungen Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 2002, die --ebenfalls unstreitig-- in der inländischen Betriebsstätte der Antragstellerin verwertet wurden (vgl. zur zeitlich begrenzten Überlassung von Persönlichkeitsrechten Senatsurteil in BFHE 220, 160, BStBl II 2010, 398). Diese Einkünfte begründen die Verpflichtung zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 2002 und sind demzufolge geeignet, die Haftung nach § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG 2002 auszulösen.

21

cc) Gegen eine Aufteilung der Vergütung zur Bestimmung der Höhe des Steuerabzugs können die Antragsteller nicht einwenden, der auf die X-GmbH als inländischem Vertreter (§ 13 AO) entfallende Vergütungsanteil unterliege nicht dem Steuerabzug. Zwar kann, anders als es das FA und das FG meinen, nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller mit der X-GmbH über einen inländischen Vertreter i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alternative 2 EStG 2002 verfügte, der an dem streitgegenständlichen Vertrag beteiligt war. Dies ergibt sich nach gegenwärtigem Verfahrensstand zum einen aus dem streitgegenständlichen Werbevertrag selbst, der im Zusammenhang mit der Überlassung der Persönlichkeitsrechte eine Mitwirkung der X-GmbH vorsieht. Zum anderen widerspricht es einer lebensnahen Würdigung des Sachverhalts, dass der X-GmbH eine Vergütung (...) aufgrund des Werbevertrages gezahlt wurde, diese aber dafür keine Leistungen erbracht haben soll.

22

Allerdings schließt die Einschaltung eines inländischen Vertreters die Verpflichtung zum Steuerabzug nicht aus. Dem Steuerabzug unterliegen auch die Einkünfte aus der Einschaltung eines inländischen Vertreters, die anteilig der Rechteüberlassung zuzurechnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 2002). Soweit § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 2002 u.a. auf § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002 Bezug nimmt, folgt daraus, dass es sich bei den jeweiligen Nutzungsentgelten um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handeln muss, die der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Es bleibt bei der Einkunftsart, deren Inlandsbezug als Grundvoraussetzung zur beschränkten Steuerpflicht führt (vgl. Maßbaum in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 50a EStG Rz 96; Blümich/Wied, § 50a EStG Rz 59). Damit ist der Steuerabzug auch vorzunehmen, wenn die Überlassung im Rahmen einer Betätigung i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 2002 erfolgt (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 23. Januar 1996, BStBl I 1996, 89 Tz. 2.4, nunmehr BMF-Schreiben vom 25. November 2010, BStBl I 2010, 1350, Tz. 21 und Tz. 3 zur inländischen Betriebsstätte).

23

d) Indem die an den Antragsteller gezahlten Vergütungen nur teilweise dem Steuerabzug unterliegen, was das FA im Beschwerdeverfahren nicht mehr in Frage stellt, sind die Vergütungen nach den Verhältnissen im Streitfall schätzweise aufzuteilen (vgl. Senatsurteile in BFHE 205, 174, BStBl II 2005, 550, und in BFHE 220, 160, BStBl II 2010, 398). Indes lassen sich weder dem FG-Beschluss, dem Vorbringen der Beteiligten, dem sonstigen Akteninhalt oder aus präsenten Beweismitteln Anhaltspunkte entnehmen, die selbst nach dem Prüfungsmaßstab im AdV-Verfahren eine nachvollziehbare Bewertung der Verpflichtungen des Antragstellers und damit eine Aufteilung der Gesamtvergütung auf die gesondert zu betrachtenden Einkunftsquellen ermöglichen.

24

Der Senat teilt jedenfalls nicht die Würdigung des FG, bereits aus dem Aufbau des Werbevertrages sei eine Gewichtung des Werts der einzelnen Teilleistungen möglich. Ebenso wenig reichen bloße "Vermutungen" des zeitlichen und wirtschaftlichen Gehalts zur Schätzung eines geeigneten Aufteilungsschlüssels aus.

25

Die Bewertung und Aufteilung wird im zweiten Rechtsgang unter Mitwirkung der Antragsteller (§ 90 AO, § 76 Abs. 1 FGO), aus deren Sphäre die für eine Aufteilung notwendigen Sachumstände herrühren, beispielsweise durch Offenlegung der dem Vertrag zugrunde liegenden unterschiedlichen Kalkulationen für die jeweilige Leistungsphase und die Heranziehung von Vergleichswerten, zu klären sein. Eine etwaige Verletzung der Mitwirkungspflicht kann trotz der bei Haftungsbescheiden bestehenden Feststellungslast des FA eine Entscheidung zum Nachteil der Antragsteller rechtfertigen (vgl. dazu Senatsurteil vom 29. November 2006 I R 103/05, BFH/NV 2007, 1067; BFH-Urteil vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100).

26

4. Soweit die Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids die bereits durchgeführte Veranlagung des Antragstellers, das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums und einen Verstoß gegen das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (Freizügigkeitsabkommen --FZA--; vgl. Zustimmungsgesetz vom 2. September 2001, BGBl II 2001, 810) geltend machen, haben sie damit keinen Erfolg.

27

a) Der Haftungsinanspruchnahme steht nicht entgegen, dass der Antragsteller mit seinen inländischen Einkünften im Streitjahr zur beschränkten Steuerpflicht veranlagt wurde. Der Haftungsbescheid enthält ebenso wenig wie die vom Vergütungsschuldner abzugebende Steueranmeldung (§ 50a Abs. 4 EStG 2002) eine Steuerfestsetzung gegen den Vergütungsgläubiger. Vielmehr realisiert die Finanzbehörde (nur) die (eigene) Entrichtungsschuld des Vergütungsschuldners auf die Anmeldung und Abführung der Abzugsteuer gemäß § 50a Abs. 4 EStG 2002. Es besteht insoweit keine wechselseitige Bindungswirkung (vgl. Senatsurteil in BFHE 218, 89, BStBl II 2008, 95 zur Frage der notwendigen Beiladung). Im Übrigen erfolgte im Streitfall die Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO), so dass die Möglichkeit einer späteren Konkretisierung der (abzugs-)steuerpflichtigen Einnahmen bestand. Dass diese nicht mehr hätte geändert werden können, ist nicht erkennbar (vgl. insoweit zur ermessensfehlerhaften Lohnsteuerhaftung BFH-Urteil vom 9. Oktober 1992 VI R 47/91, BFHE 169, 208, BStBl II 1993, 169). Auch liegen die Ausschlusstatbestände des § 191 Abs. 5 AO nicht vor. Die von den Antragstellern behauptete Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme droht aufgrund der Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG 2002 nicht.

28

b) Der Haftungsinanspruchnahme können die Antragsteller auch einen entschuldbaren Rechtsirrtum nicht entgegenhalten. Soweit in der Rechtsprechung des Senats anerkannt ist, dass eine Haftung des Vergütungsschuldners ermessensfehlerhaft ist, wenn er Steuern infolge eines entschuldbaren Rechtsirrtums nicht einbehalten hat (vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 1988 I R 61/85, BFHE 154, 473, BStBl II 1989, 99, unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 18. September 1981 VI R 44/77, BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801; zur Einordnung als Ermessensfehler vgl. Senatsurteil vom 13. September 2000 I R 61/99, BFHE 193, 286, BStBl II 2001, 67), liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Dazu müsste das FA die Antragstellerin aufgrund einer Auskunft, einer Außenprüfung oder einer anderen Sachbehandlung in den Glauben versetzt haben, sie brauche für einen bestimmten Tatbestand keine Steuer einzubehalten (vgl. für die Lohnsteuerhaftung BFH-Urteil in BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801). Es ist im Streitfall nicht erkennbar, dass das FA für die streitgegenständliche Vergütung einer bestimmten Sachbehandlung zugestimmt und damit einen Irrtum bei der Einbehaltung und Abführung der Steuern bei der Antragstellerin hervorgerufen hat. Auch konnte die Antragstellerin nicht aus dem Umstand, dass das FA die beantragte Aufhebung der Vollziehung ihrer Steueranmeldung angeordnet hat, aufgrund der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung den Schluss ziehen, es halte einen über die Steueranmeldung hinausgehenden Betrag für nicht steuerabzugsverpflichtet. Für die Antragstellerin war erkennbar der Umfang der dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte im Streit, wie dies ihre vorsorgliche Kontaktaufnahme mit dem FA vor Auszahlung der Vergütung angesichts des Vertragsschlusses mit Blick auf das damals aktuelle BFH-Urteil in BFHE 205, 174, BStBl II 2005, 550 und der von ihr gegen die Steueranmeldung eingelegte Einspruch belegen. Auch der Werbevertrag sah eine Abklärung der Höhe des Quellensteuerabzugs vor. Aus dem Unterlassen des FA, die Antragstellerin zur Abgabe geänderter Steueranmeldungen mit höheren Beträgen aufzufordern, konnte sie ebenfalls nicht schließen, der anzumeldende Steuerbetrag sei nur geringer, würde aber keinesfalls höher ausfallen, oder das FA sehe von einer etwaigen Haftungsinanspruchnahme ab.

29

c) Schließlich steht der Haftungsinanspruchnahme auch das Freizügigkeitsabkommen nicht entgegen. Dass das Abzugsverfahren bei Zahlungen an einen in der Schweiz ansässigen Vergütungsgläubiger anwendbar ist, wird von den Antragstellern zu Recht nicht in Frage gestellt. Es bestehen allerdings auch keine ernsthaften rechtlichen Bedenken dagegen, dass die Betriebsausgaben bei der Bestimmung der Steuer, für die die Antragstellerin haften soll, unberücksichtigt geblieben sind.

30

aa) Nach § 50a Abs. 4 Satz 3 EStG 2002 ist ein Abzug von Betriebsausgaben nicht zulässig. Dieses Abzugsverbot gilt trotz des Freizügigkeitsabkommens und der dort geregelten Dienstleistungsfreiheit (Art. 5).

31

Zutreffend weisen die Antragsteller im Grundsatz darauf hin, dass das gemäß Art. 300 ff., Art. 310 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung mit den Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (EG; im Streitjahr in der Fassung mit den Änderungen durch den Vertrag von Nizza; nunmehr Art. 216 f. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV-- in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Union 2007 Nr. C 306/01) geschlossene Freizügigkeitsabkommen Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist und die Handlung eines Gemeinschaftsorgans darstellt (vgl. zum Assoziationsabkommen mit Ungarn Senatsurteil vom 23. Juni 2010 I R 37/09, BFHE 230, 156, BStBl II 2010, 895). Damit nimmt der Abkommensinhalt, der für die Organe der Gemeinschaft (Union) und die Mitgliedstaaten verbindlich ist (Art. 300 Abs. 7 EG; Art. 216 Abs. 2 AEUV), am Vorrang des EG-Rechts gegenüber nationalem Recht teil und bewirkt im Fall einer abkommenswidrigen innerstaatlichen Vorschrift deren Nichtanwendbarkeit. Über die Auslegung des Abkommens ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, jetzt Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), im Vorabentscheidungsverfahren zuständig (vgl. EuGH-Urteile vom 30. April 1974 C-181/73 "Haegeman", Slg. 1974, 449; vom 30. September 1987 C-12/86 "Demirel", Slg. 1987, 3719; Cordewener, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2008, 536, 538).

32

Jedoch rechtfertigt das Freizügigkeitsabkommen nicht die Minderung des Haftungsbetrages um die anteiligen Steuern, die sich aus der Versagung des Abzugs von Betriebsausgaben ergeben. Dabei kann offenbleiben, ob die im Freizügigkeitsabkommen geregelte Dienstleistungsfreiheit so umfassend gewährt wird, wie es nach Art. 49 EG (Art. 56 AEUV) der Fall ist (vgl. dazu EuGH-Urteil vom 15. Juli 2010 C-70/09, Informationsbrief Ausländerrecht --InfAuslR-- 2010, 317; Söffing/Bron, Recht der Internationalen Wirtschaft 2009, 358, 361; Weigell, IStR 2006, 190, 194; Kälin, Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik 4/2002, 123, 126; Kahil-Wolff/Mosters, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2001, 5, 8; kritisch zum EuGH-Urteil in InfAuslR 2010, 317: Epiney, Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht 2011, 64). Denn auch wenn der EuGH und ihm folgend der Senat entschieden haben, dass das Steuerabzugsverfahren bei beschränkt Steuerpflichtigen und die damit einhergehende Haftung des Vergütungsschuldners grundsätzlich mit EU-Recht, insbesondere den Art. 49, Art. 50 EG (Art. 56, Art. 57 AEUV), vereinbar ist, sofern im Steuerabzugsverfahren die im unmittelbaren Zusammenhang mit der inländischen Tätigkeit stehenden Betriebsausgaben des beschränkt steuerpflichtigen EU-Vergütungsgläubigers, die er dem Vergütungsschuldner mitgeteilt hat, geltend gemacht werden können (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006 C-290/04 "Scorpio", Slg. 2006, I-9461; Senatsurteile in BFHE 218, 89, BStBl II 2008, 95, sowie vom 5. Mai 2010 I R 104/08, BFH/NV 2010, 1814, und vom 5. Mai 2010 I R 105/08, BFH/NV 2010, 2043), so ist diese Rechtsprechung jedenfalls wegen Art. 16 Abs. 2 FZA im Streitfall nicht anwendbar.

33

Nach Art. 16 Abs. 2 FZA wird, soweit für die Anwendung des Freizügigkeitsabkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen werden, nur die Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens, dem 21. Juni 1999, berücksichtigt. Über nach diesem Datum ergangene Rechtsprechung wird die Schweiz unterrichtet. Um das ordnungsgemäße Funktionieren des Freizügigkeitsabkommens sicherzustellen, stellt der Gemischte Ausschuss (Art. 14 FZA) auf Antrag einer Vertragspartei die Auswirkungen dieser Rechtsprechung fest. Somit ist nach dieser --besonderen-- vertraglichen Auslegungsregel (vgl. Imhof, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht --ZESAR-- 2010, 425, 433 und in ZESAR 2007, 155, 161 ff.) grundsätzlich die Gleichwertigkeit der wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Freizügigkeitsabkommen auf der Basis der anzuwendenden Begriffe des Gemeinschaftsrechts, zu denen die Dienstleistungsfreiheit gehört, unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Freizügigkeitsabkommens zu beurteilen. Danach ergangene Entscheidungen des EuGH zu inhaltsgleichen Bestimmungen können wegen dieses statischen Verweises (vgl. Kokott in Festschrift Steinberger, 2002, S. 771, 785; Lang/Lüdicke/Reich, IStR 2008, 709, 714, unter Hinweis auf Reich/König, Europäisches Steuerrecht, 2006, 47) dagegen nicht zur Auslegung des Freizügigkeitsabkommens herangezogen werden, soweit der Gemischte Ausschuss dies --wie im Streitfall-- nicht beschlossen hat. Infolgedessen gibt das Freizügigkeitsabkommen eine qualitativ-zeitliche Begrenzung zur Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung vor. Auch wenn die Begrenzung für lediglich präzisierende Rechtsprechung nicht gelten sollte (vgl. auch Pärli, ZESAR 2008, 377, 385), so ist für den beschließenden Senat entgegen der Auffassung der Antragsteller bei summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass sich die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Betriebsausgaben im Steuerabzugsverfahren bereits zuvor hinreichend konkret abgezeichnet hätte.

34

Der Senat teilt weiterhin nicht die Auffassung der Antragsteller, die Vorschrift entfalte für die EU-Staaten nicht die gleiche Bedeutung wie für die Schweiz. Zwar begünstigt die Vorschrift die einseitige Anpassung der Schweiz an die Rechtsprechung des EuGH (vgl. Kokott in Festschrift Steinberger, a.a.O., S. 771, 787), allerdings lässt sich ihrem Wortlaut nicht entnehmen, dass ihre Schutzfunktion ausschließlich gegenüber der Schweiz wirkt, mit der Folge, dass in Deutschland die nach dem 21. Juni 1999 ergangene Rechtsprechung des EuGH im Verhältnis zur Schweiz uneingeschränkt zugunsten der Antragsteller zu berücksichtigen wäre und dies nur für das Schweizer (Steuer-)Recht nicht der Fall sei.

35

bb) Indem die Abzugsverpflichtung nach § 50a Abs. 4 EStG 2002 an die beschränkte Steuerpflicht und nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpft, werden auch die allgemeinen Diskriminierungsverbote nach Art. 2 FZA und nach Art. 25 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen nicht verletzt.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist Unternehmerin. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Antragstellerin war A, daneben bestand auch eine Geschäftsführungsbefugnis für B und C.

2

Die Antragstellerin war unmittelbar oder über die Tochtergesellschaft D-GmbH Alleingesellschafter der E-GmbH, F-GmbH, G-GmbH, H-GmbH, I-GmbH und J-GmbH. Mit Ausnahme der J-GmbH war A bei allen Gesellschaften alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Geschäftsführer der J-GmbH waren N, der bei der Antragstellerin zugleich in leitender Funktion tätig war, und C.

3

Für den Zeitraum bis zum 1. Mai 2012 gingen die Antragstellerin und der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass alle sechs Tochtergesellschaften Organgesellschaften der Antragstellerin gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) waren.

4

Am 5. März 2012 stellte die Antragstellerin beim zuständigen Amtsgericht Insolvenzantrag und beantragte Eigenverwaltung. Das zuständige Amtsgericht bestellte noch am gleichen Tag P zum vorläufigen Sachwalter und ordnete an, dass die Antragstellerin berechtigt war, unter Aufsicht des vorläufigen Sachwalters (P) die Insolvenzmasse weiter zu verwalten und über sie zu verfügen.

5

Mit Beschluss vom 1. Mai 2012 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragstellerin und zeitgleich auch über das Vermögen der sechs Tochtergesellschaften. Für alle Verfahren wurde Eigenverwaltung i.S. von § 270 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) angeordnet, P wiederum jeweils zum Sachwalter bestellt und Gläubigerausschüsse eingesetzt. In allen Eröffnungsbeschlüssen wurde angeordnet, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO bei der jeweiligen Schuldnerin verbleibe und schuldbefreiende Leistungen nur an diese zu erfolgen haben.

6

Die für die Antragstellerin sowie deren Tochtergesellschaften gesondert abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Mai 2012 fasste das FA in der Annahme, die Organschaft bestehe fort, zusammen und erließ am 5. Juli 2012 einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Mai 2012 gegenüber der Antragstellerin in Höhe von 590.413,36 €. Die Vorauszahlungen der Tochtergesellschaften wurden durch die Bescheide vom 24. Juli 2012 auf 0 € festgesetzt. Die I-GmbH wurde bei der Festsetzung vom 5. Juli 2012 noch nicht berücksichtigt, sondern erst bei Erlass des Änderungsbescheids vom 18. Oktober 2012.

7

Am 17. Juli 2012 legte die Antragstellerin gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung Mai 2012 Einspruch ein, da die Organschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet worden sei. Das FA wies den Einspruch mit Bescheid vom 1. August 2012 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage zum Finanzgericht (FG), über die noch nicht entschieden ist.

8

Den Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids Mai 2012 auszusetzen, lehnte das FA mit Bescheid vom 10. Oktober 2012 ab. Das FA änderte sodann die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung Mai 2012 durch Bescheid vom 20. November 2012, so dass sich eine Umsatzsteuer von 556.802,13 € ergab.

9

Auch das FG verneinte in dem in Deutsches Steuerrecht (DStR) 2014, 415 veröffentlichten Beschluss ernstliche Zweifel am Fortbestand der Organschaft. Die organisatorische Eingliederung habe unverändert weiter vorgelegen. Die Insolvenzeröffnung habe im Hinblick auf das Verfahren der Eigenverwaltung ohne Bestellung von Insolvenzverwaltern bei der Antragstellerin und ihren Tochtergesellschaften hieran nichts geändert. Ob die Eigenverwaltung aufgrund besonderer Befugnisse des Sachwalters zu einer Beendigung der Organschaft führen könne, sei unerheblich, da dem Sachwalter im Streitfall keine derartigen Befugnisse zugestanden hätten. Abweichendes ergebe sich auch nicht aus Art. 11 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL).

10

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde. Das FG habe nicht berücksichtigt, dass Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung gemäß § 276a InsO keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners hätten. Es fehle damit an der finanziellen Eingliederung. Der Geschäftsführer sei nicht mehr der Gesellschafterversammlung verpflichtet. Es fehle auch die organisatorische Eingliederung. Die Geschäftstätigkeit werde an den Interessen der Gläubiger ausgerichtet, die Überwachung erfolge durch Insolvenzorgane wie Sachwalter, Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung. Der Geschäftsführer sei daher mit "zwei Hüten" tätig. Die Beherrschung sei somit entfallen, auch wenn derselbe Geschäftsführer weiter tätig sei. Der Sachwalter sei nach § 280 InsO auch zur Anfechtung berechtigt. Zudem bestehe nach § 276 InsO für Rechtshandlungen, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung seien, ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Gläubigerausschusses. Dies gelte auch im Konzern und stehe einer uneingeschränkten Willensdurchsetzung durch den Organträger bei der Organgesellschaft entgegen. Bestätigt werde das Entfallen der Organschaft durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Eröffnungsverfahren. Entgegen dem FG-Beschluss in DStR 2014, 415 bestehe kein uneingeschränktes Zugriffsrecht auf die Vermögen der Tochtergesellschaften. Schließlich stehe auch § 276a InsO einer finanziellen Eingliederung entgegen.

11

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Mai 2012 vom 20. November 2012 in Höhe von 3.000 € in der Vollziehung auszusetzen.

12

Das FA beantragt,
die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

13

P sei mit Einreichung des Insolvenzantrags zunächst am 5. März 2012 zum vorläufigen Sachwalter bestellt worden. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Mai 2012 und der Anordnung von Eigenverwaltung sei P zum Sachwalter bei allen Gesellschaften bestellt worden. Sonderrechte wie etwa Kassenführungsbefugnis (§ 275 Abs. 2 InsO) hätten für den Sachwalter nicht bestanden. Es hätten auch keine Zustimmungspflichten nach § 275 Abs. 1 InsO und § 277 Abs. 1 InsO vorgelegen. Bei allen Gesellschaften sei derselbe Sachwalter tätig gewesen. Zudem sei die Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen nicht entfallen. Die Interessen der Muttergesellschaft seien weiter durchsetzungsfähig gewesen.

Entscheidungsgründe

14

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das FG hat zu Unrecht ernstliche Zweifel am Fortbestand der Organschaft und damit ernstliche Zweifel der Steuerschuldnerschaft der Antragstellerin für die von den bisherigen Organgesellschaften ausgeführten Umsätze verneint.

15

1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (AdV) gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss in BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2.).

16

2. Umsatzsteuerrechtlich begründet die Organschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine Zusammenfassung der Unternehmen mehrerer Personen zu einem Unternehmen.

17

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Erhebungsgebiet gelegenen Unternehmensteilen beschränkt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG). Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG).

18

Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 11 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 11 MwStSystRL führt die Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr. 19; zur Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen vgl. auch EuGH-Urteile vom 9. April 2013 C-85/11, Kommission/Irland, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 418 Rdnrn. 35 ff., und vom 25. April 2013 C-480/10, Kommission/Schweden, UR 2013, 423 Rdnrn. 33 ff.). Aufgrund dieser Verschmelzung hat der Organträger als Unternehmer die Aufgabe als "Steuereinnehmer" für den gesamten Organkreis wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747, unter II.3.a, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung).

19

b) Die Zusammenfassung zu einem Unternehmen führt dazu, dass der Organträger Steuerschuldner für alle Leistungen ist, die die Unternehmensteile des Organkreises gegenüber Dritten erbringen. So sind die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze dem Organträger zuzurechnen (BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a). Leistungsbezüge der Organgesellschaft von Dritten werden dem Organträger gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen zum Vorsteuerabzug (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1995 V R 71/93, BFH/NV 1996, 273, unter II.2.). Leistungsbeziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft sind demgegenüber als Innenumsätze nichtsteuerbar und begründen kein Recht auf Vorsteuerabzug (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, Leitsatz 2). Die vom Organkreis geschuldete Steuer ist einheitlich in einem gegenüber dem Organträger zu erlassenden Steuerbescheid festzusetzen.

20

c) Organträger und Organgesellschaft sind aufgrund ihrer Stellung als Steuerschuldner (Organträger) und Haftungsschuldner gemäß § 73 der Abgabenordnung --AO-- (Organgesellschaft) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) Gesamtschuldner i.S. von § 421 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Aufgrund seiner Steuerschuldnerschaft für die Umsätze des gesamten Organkreises steht dem Organträger daher zivilrechtlich ein Ausgleichsanspruch i.S. von § 426 BGB gegen die Organgesellschaft auf Zahlung der Umsatzsteuer zu, die auf ihre Umsatztätigkeit entfällt. Dieser Ausgleichsanspruch beruht nach der BGH-Rechtsprechung darauf, dass der Beteiligte am Organkreis, aus dessen Umsätzen die an das FA gezahlten Umsatzsteuerbeträge herrühren, im Innenverhältnis zwischen den dem Organkreis angehörenden Personen auch die Steuerlast zu tragen hat. Der BGH führt hierfür zutreffend an, dass die Umsatzzurechnung zum Organträger ohne zivilrechtlichen Innenausgleich dem Grundsatz der Belastungsneutralität widerspräche, da es sonst zu erheblichen Vermögensverschiebungen zwischen den am Organkreis beteiligten Rechtsträgern käme (BGH-Urteil vom 29. Januar 2013 II ZR 91/11, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2013, 537, unter II.2.b). Ebenso würde der Grundsatz der Belastungsneutralität auf Unternehmensebene systemwidrig durchbrochen, wenn das Recht zum Vorsteuerabzug für die an eine Organgesellschaft erbrachten Lieferungen und Leistungen zivilrechtlich dem Organträger zugewiesen würde (BGH-Urteil in HFR 2013, 537, unter II.2.c bb). Somit erfolgt die Verteilung von Umsatzsteuerlast und Vorsteuerabzugsrecht gleichermaßen nach dem Verursacherprinzip (BGH-Urteil in HFR 2013, 537, unter II.2.d aa).

21

Gegenstand des Ausgleichsanspruchs ist dabei ein Saldobetrag, der sich zu Lasten oder zu Gunsten der Organgesellschaft aus einer fiktiven auf die Organgesellschaft bezogenen Steuerberechnung ergibt (vgl. zur Parallelfrage der Bestimmung des Haftungsumfangs der Organgesellschaft gemäß § 73 AO zutreffend Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Anhang 1 Rz 63). Dementsprechend geht der BGH von einem Ausgleichsanspruch in Höhe des Betrages aus, der sich aus den "internen" Umsatzsteuervoranmeldungen der Organgesellschaft nach Saldierung von Vorsteuerbeträgen und "Umsatzsteuerschulden" ergibt (BGH-Urteil in HFR 2013, 537, unter II.3.).

22

d) Führt z.B. die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt dazu, dass der Organträger zu einer Willensdurchsetzung in der Organschaft nicht mehr in der Lage ist und er daher den ihm gegen die Organgesellschaft zustehenden Ausgleichsanspruch aufgrund insolvenzrechtlicher Besonderheiten nicht mehr verwirklichen kann, entfällt die organisatorische Eingliederung und mithin die Organschaft (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747, unter II.3.b).

23

3. Anders als das Umsatzsteuerrecht bei der Organschaft fasst das Insolvenzrecht Verfahren mehrerer Personen nicht zusammen.

24

a) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 InsO kann das Insolvenzverfahren über das Vermögen jeder natürlichen und jeder juristischen Person eröffnet werden. Dies gilt gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO auch für das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit wie z.B. einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft.

25

b) Das Insolvenzrecht enthält bislang keine Regelungen, die im Fall einer Konzerninsolvenz ein einheitliches Insolvenzverfahren für mehrere Konzerngesellschaften ermöglichen (zur Reformüberlegung vgl. z.B. Siemon, Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung; das gesamte Verfahren der Unternehmens- und Verbraucherinsolvenz 2014, 55, und Verhoeven, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2014, 217). Sowohl hinsichtlich der Feststellung des Insolvenzgrundes als auch in Bezug auf die Abwicklung des Insolvenzverfahrens bleiben verbundene Unternehmen daher insolvenzrechtlich selbständig. Dabei scheidet die Bildung einer einheitlichen Haftungsmasse bestehend aus mehreren rechtlich selbständigen Konzerngesellschaften aus, da ansonsten der unterschiedliche Umfang der Gläubigerrechte, wie sie im Verhältnis zu den einzelnen Insolvenzschuldnern bestehen, missachtet würde (vgl. Hirte in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 11 Rz 394). Die Insolvenz eines herrschenden Unternehmens erstreckt sich daher nach geltendem Recht nur auf dessen Vermögen, nicht dagegen auf das Vermögen seiner Tochtergesellschaften (Hirte in Uhlenbruck, a.a.O., § 11 Rz 395). Die Vermögensmassen insolvenzfähiger Gesellschaften und Personen sind dementsprechend trotz konzernmäßigen Verbundes getrennt abzuwickeln (Maus in Uhlenbruck, a.a.O., § 80 Rz 34), so dass es keine Konzerninsolvenz gibt (Peters in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2013, § 35 Rz 72; vgl. Ehricke in Jaeger, Insolvenzordnung, 2004, § 11 Rz 32).

26

c) Folge dieser insolvenzrechtlichen Einzelbetrachtung ist, dass Ansprüche, die zwischen den Personen bestehen, die umsatzsteuerrechtlich einem Organkreis angehören, im Insolvenzfall nur nach den allgemeinen insolvenzrechtlichen Regelungen geltend gemacht werden können. Daher ist zwischen Insolvenzforderungen (§ 38 InsO), die zur Insolvenztabelle anzumelden sind (§§ 174 ff. InsO), und bevorrechtigten Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) zu unterscheiden. Dies gilt auch für die Ansprüche Dritter gegen die dem Organkreis angehörigen Personen. So bestehen auch für das FA im Insolvenzfall nach § 251 Abs. 2 Satz 1 AO keine Vorrechte, so dass es Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) ebenfalls nur als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit geltend machen kann (vgl. BFH-Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11, unter II.2.a aa).

27

4. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Unternehmen durch die umsatzsteuerrechtliche Organschaft nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) fortbesteht. Dies gilt gleichermaßen für die Insolvenzeröffnung beim Organträger wie auch bei der Organgesellschaft.

28

a) Der insolvenzrechtliche Einzelverfahrensgrundsatz (s. oben II.3.b) spricht gegen den Fortbestand der Organschaft bei einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers.

29

aa) Der Senat hat bereits für die nach der Konkursordnung bestehende Rechtslage entschieden, dass "eine Organschaft ausnahmsweise mit dem Konkurs des Organträgers enden kann, wenn sich der Konkurs nicht auf die Organgesellschaft erstreckt und der Konkursverwalter auf ihre laufende Geschäftsführung keinen Einfluß nimmt" (BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1.). Der Senat hat hierfür insbesondere angeführt, konkursrechtlich sei zwischen dem Vermögen des Organträgers und dem Vermögen der Organgesellschaft zu unterscheiden. Während das Vermögen des Organträgers in die Konkursmasse falle, bleibe das Vermögen der Organgesellschaft konkursfrei. Die Umsatzsteuer aus den Aktivitäten der Organträgerin zähle zu den Massekosten oder Masseschulden, sei aus der Konkursmasse zu berichtigen und in einem an die Konkursverwalter des Organträgers zu richtenden Steuerbescheid geltend zu machen. Die Umsatzsteuer aus den Aktivitäten der Organgesellschaft sei nicht aus der Konkursmasse zu berichtigen und dementsprechend auch nicht in einem an die Konkursverwalter des Organträgers zu richtenden Steuerbescheid geltend zu machen (BFH-Urteil in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1.).

30

bb) Unter der Geltung der Insolvenzordnung ist darüber hinaus zu beachten, dass das FA --bei Annahme eines Fortbestands der Organschaft-- den sich für den Organkreis ergebenden Steueranspruch für Umsatztätigkeiten nach Insolvenzeröffnung nur insoweit durch Steuerbescheid gegen den Organträger festsetzen kann, als es sich um eine Masseverbindlichkeit des Unternehmers --hier des Organträgers-- handelt.

31

Zwar ist der Umsatzsteueranspruch für eine Umsatztätigkeit nach Insolvenzeröffnung Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da es sich um eine "durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet[e]" Verbindlichkeit handelt (BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1.). Dies gilt aber nur für den Umsatzsteueranspruch aus der eigenen Umsatztätigkeit des Organträgers, nicht aber auch für den Umsatzsteueranspruch, der auf die Umsatztätigkeit seiner Organgesellschaften entfällt. Denn die Umsatzsteuer für die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft gehört nicht zur Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse, die sich auf das rechtlich eigene Vermögen des Organträgers bezieht und sich nicht auf das Vermögen der Organgesellschaften erstreckt (s. oben II.3.b). Insolvenzrechtlich bestünde daher für das FA allenfalls die Möglichkeit, einen auf die eigene Umsatztätigkeit des Organträgers beschränkten Steuerbescheid zu erlassen und die Organgesellschaft als Haftende nach § 73 AO in Anspruch zu nehmen. Dies ist mit dem umsatzsteuerrechtlichen Grundsatz der organschaftlichen Unternehmenseinheit (s. oben II.2.b) nicht vereinbar.

32

cc) Im Hinblick auf die sich aus dem Insolvenzrecht ergebenden Einschränkungen bestehen somit ernstliche Zweifel, ob der Senat der im Schrifttum vertretenen Auffassung beipflichten könnte, nach der die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers für die Organschaft ohne Bedeutung sei (so z.B. Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 411; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 135, und Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 1016, und Schmittmann, Zeitschrift für Steuern & Recht 2007, 191 ff., allerdings ohne Auseinandersetzung mit dem insolvenzrechtlichen Einzelverfahrensgrundsatz).

33

b) Der insolvenzrechtliche Einzelverfahrensgrundsatz steht auch einem Fortbestand der Organschaft bei einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Organgesellschaft entgegen.

34

aa) Die Annahme eines Fortbestands der Organschaft trotz Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft führte dazu, dass der Organträger Steuerschuldner auch für die Umsatzsteuer bliebe, die auf Umsatztätigkeiten der Organgesellschaft nach Verfahrenseröffnung entfällt. Als "Steuereinnehmer" (s. oben II.2.a) für diese Umsatzsteuer kann der Organträger aber nur angesehen werden, wenn er zumindest dem Grundsatz nach in der Lage ist, den ihm aufgrund seiner Steuerschuldnerschaft zustehenden Ausgleichsanspruch gegen die Organgesellschaft auch durchzusetzen.

35

bb) Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Organgesellschaft kann der Organträger seinen Ausgleichsanspruch nur durchsetzen, wenn dieser insolvenzrechtlich eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 InsO ist. Dies ist bei summarischer Prüfung zu verneinen.

36

(1) Zwar ist der Umsatzsteueranspruch, der sich für eine Umsatztätigkeit ergibt, die eine Organgesellschaft nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen ausübt, eine Masseverbindlichkeit dieser Gesellschaft, wenn keine Organschaft bestünde. Dies gilt aber nicht für den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch des Organträgers gegen die Organgesellschaft im Fall des Fortbestehens der Organschaft. Der Ausgleichsanspruch ergibt sich weder aus einer Handlung des Insolvenzverwalters noch ist der Ausgleichsanspruch durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse der Organgesellschaft begründet (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO), die bei einem angenommenen Fortbestand der Organschaft nicht Steuerschuldner ist. Ist von einem Fortbestehen der Organschaft auszugehen, beruht der Ausgleichsanspruch vielmehr auf der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, nicht aber auf der Verwaltung der Insolvenzmasse der Organgesellschaft.

37

(2) Der sich gesetzlich aus einem Gesamtschuldverhältnis ergebende Ausgleichsanspruch (s. oben II.2.c) ist auch keine Verbindlichkeit aus einem gegenseitigen Vertrag i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

38

(3) Der Ausgleichsanspruch des Organträgers ist auch keine Verbindlichkeit "aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse" gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Dies setzt eine unmittelbare Bereicherung der Insolvenzmasse voraus (Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., § 55 Rz 87, und Hefermehl, in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2013, § 55 Rz 209). Zudem muss die Massebereicherung ohne rechtlichen Grund erfolgt sein (Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., § 55 Rz 89, und Hefermehl, a.a.O., § 55 Rz 215).

39

Zwar kann die Organgesellschaft, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steuerpflichtig Leistungen erbringt und hierfür Gegenleistungen bestehend aus Entgelt und Umsatzsteuer vereinnahmt, im Hinblick auf den Umsatzsteueranteil, der --bei einem unterstellten Fortbestand der Organschaft-- vom Organträger zu versteuern ist, als unmittelbar bereichert angesehen werden. Diese Bereicherung erfolgt aber nicht ohne rechtlichen Grund, da die Organgesellschaft zivilrechtlich Inhaber des Anspruchs auf die --auch den Umsatzsteueranteil umfassende-- Gegenleistung ist. Darüber hinaus ist die Organgesellschaft in Bezug auf die von ihr vereinnahmte Umsatzsteuer auch nicht herausgabepflichtig und somit im Verhältnis zum Organträger nicht ohne rechtlichen Grund bereichert, da sich der Ausgleichsanspruch zwischen Organträger und Organgesellschaft nicht auf eine vereinnahmte Umsatzsteuer, sondern auf den Saldobetrag bezieht, der sich bei einer auf die Organgesellschaft bezogenen (fiktiven) Steuerberechnung ergibt (s. oben II.2.c). Diese Eigenständigkeit des Ausgleichsanspruchs gegenüber der von der Organgesellschaft vereinnahmten Umsatzsteuer, schließt die Anwendung von § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO aus, zumal der BGH den Ausgleichsanspruch zivilrechtlich auf den Gesamtschuldnerausgleich, nicht aber auf Bereicherungsrecht stützt (BGH-Urteil in HFR 2013, 537; Ansprüche aus Bereicherungsrecht verneinen auch Pyszka/Hahn, GmbH-Rundschau 2010, 689 ff., 691).

40

cc) Aufgrund dieser insolvenzrechtlichen Besonderheiten kommt es für den Fortbestand der Organschaft auch nicht darauf an, ob für die Organgesellschaft Eigenverwaltung (§ 270 InsO) angeordnet wurde und für einen im Rahmen der Eigenverwaltung tätigen Sachwalter (§ 274 InsO) besondere Befugnisse wie Kassenführung (§ 275 Abs. 2 InsO) und/oder Zustimmungsbedürftigkeit (§ 277 InsO) bestehen. Soweit demgegenüber nach dem Vorliegen derartiger Sonderrechte für den Sachwalter unterschieden und von einem Fortbestand der Organschaft für den Fall ausgegangen wird, dass Eigenverwaltung ohne Sonderbefugnisse für den Sachwalter angeordnet wird (Oberfinanzdirektion --OFD-- Hannover vom 6. August 2007 S 7105-49-StO 172, juris, Tz. 1.3.2, und dem folgend Birkenfeld, a.a.O., § 44 Rz 423; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 2 UStG Rz 97, und Schmittmann, ZSteu 2007, 192) erfolgt dies ohne Berücksichtigung des insolvenzrechtlichen Einzelverfahrensgrundsatzes (vgl. oben II.3.).

41

c) Wird über das Vermögen von Organträger und Organgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, ist aufgrund des insolvenzrechtlichen Einzelverfahrensgrundsatzes gleichfalls von einer Beendigung der Organschaft auszugehen. Hierfür ist unerheblich, ob das Insolvenzgericht für Organträger und Organgesellschaft denselben oder unterschiedliche Insolvenzverwalter bestellt (zutreffend Roth, Insolvenzsteuerrecht, 2011, 476 f. im Hinblick auf den Grundsatz der Interessenwahrung des jeweiligen Gläubigerkreises; a.A. aber OFD Frankfurt a.M. vom 20. Juli 2009, UR 2010, 155, Tz. 2.3; Birkenfeld, a.a.O., § 44 Rz 431, und Stadie, a.a.O., § 2 Rz 1012, und Schmittmann, ZSteu 2007, 192 f.) oder ob es Eigenverwaltung anordnet.

42

5. Im Streitfall ist danach ernstlich zweifelhaft, ob die Organschaft über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus bestanden hat.

43

a) Entgegen dem Beschluss des FG ergeben sich diese Zweifel aus dem insolvenzrechtlichen Einzelverfahrensgrundsatz, den das FG nicht hinreichend berücksichtigt hat. Auf die im bisherigen Verfahren streitige Frage, welche Bedeutung die Ausgestaltung der Eigenverwaltung hat, kommt es demgegenüber nicht an.

44

b) Im Hinblick auf die Eröffnung von Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragstellerin --als bisherige Organträgerin-- wie auch über die Vermögen ihrer Tochtergesellschaften --als bisherige Organgesellschaften-- kann dabei offenbleiben, welches der Insolvenzverfahren zur Beendigung der Organschaft führt.

45

Ob die Fortdauer der Organschaft daran scheitert, dass die insolvenzrechtlichen Besonderheiten einer finanziellen und/oder einer organisatorischen Eingliederung entgegenstehen und/oder ob die Organschaft aufgrund der insolvenzrechtlichen Besonderheiten nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu verneinen ist, ist im summarischen Verfahren nicht zu entscheiden.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.