Finanzgericht Münster Urteil, 06. Juni 2014 - 4 K 3546/11 E
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 18.1.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.9.2011 wird dahingehend geändert, dass die Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit beim Kläger um 369 EUR höher und bei der Klägerin um 33 EUR niedriger als bisher angesetzt werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung sowie über den Abzug diverser weiterer Werbungskosten.
3Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war als Zeitsoldat bei der Bundeswehr tätig und der X-Kaserne in O zugeordnet. Dort war er zunächst auch untergebracht. Seine Dienstzeit wurde im Januar 2009 zunächst bis Januar 2013 und zu einem späteren Zeitpunkt bis 2017 verlängert, wobei der Kläger nur bis Ende 2013 in der Kaserne in O tätig war und seitdem in C für eine Bundeseinrichtung arbeitet.
4Die Klägerin war seit 2008 arbeitslos, nachdem ihr Arbeitsverhältnis in J vom Arbeitgeber gekündigt worden war. Zum 1.3.2009 nahm sie eine bis zum 30.11.2009 befristete Beschäftigung als Finanzbuchhalterin in K auf. Ab dem 1.12.2009 war sie zunächst wieder arbeitslos und trat im Februar 2010 eine weitere für ein Jahr befristete Stelle in H an, die sie bis zum Eintritt in den Mutterschutz im Dezember 2010 ausübte.
5Mit notariellem Kaufvertrag vom 20.3.2009 erwarben die Kläger eine 3-Zimmer-Eigentumswohnung (81,79 m2, Baujahr 1995) in P (A-Str. 2a) für 76.500,- EUR. Die Schlüsselübergabe fand am Tag des Vertragsschlusses statt. Die Hauskosten trugen die Kläger ab dem 1.4.2009. In der Folgezeit führten die KlägerRenovierungsmaßnahmen durch (Entfernung einer halben Wand im Wohnzimmer,Erneuerung der Fußbodenbeläge, Streichen etc.), nutzten die Wohnung aber auch während dieser Zeit bereits zu Wohnzwecken. Ca. Mitte 2013 veräußerten die Kläger die Eigentumswohnung wieder.
6Seit 2005 bewohnten die Kläger das Dachgeschoss des den Eltern der Klägerin gehörenden Hauses in T (Baujahr 2001). Die übrigen Etagen (Erdgeschoss: 81,5 m2 und Obergeschoss: 99,19 m2) wurden von den Eltern selbst und den beiden Brüdern der Klägerin (Jahrgang 1986) zu Wohnzwecken genutzt. Im Dachgeschoss sollte sich nach der ursprünglichen Planung lediglich ein einziger Raum (27,7 m2) befinden, jedoch wurde es tatsächlich zu einer vollständigen Wohnung (etwa 55 - 60 m2, 3 Zimmer, Küche, Bad) ausgebaut, die die Kläger seit 2005 nutzten. Ein Umbau (Vergrößerung der Wohnfläche durch Einbau von Dachgauben) war seit 2007 geplant. Auf die entsprechende Bauzeichnung (Bl. 61 der Einkommensteuerakte) und auf die von den Klägern eingereichte Bestätigung des Planungs- und Ingenieurbüros M vom 22.5.2014 (Bl. 105 der Gerichtsakte) wird insoweit Bezug genommen. Mit diesem Umbau wurde nach Angaben der Kläger aber erst im Jahr 2010 begonnen. Die Kläger zahlten für die Nutzung des Dachgeschosses keine Miete, überwiesen an die Eltern der Klägerin aber in unregelmäßigen Abständen höhere Beträge. Für das Streitjahr 2009 liegen Nachweise über insgesamt 3.300 EUR vor.
7In ihrer Einkommensteuererklärung für 2009 machten die Kläger Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in folgendem Umfang geltend:
8Kläger |
Klägerin |
||
Fahrten Wohnung-ArbSt. |
2.019,00 € |
Fahrten Wohnung-ArbSt. |
2.882,70 € |
Arbeitsmittel pauschal |
110,00 € |
Arbeitsmittel pauschal |
110,00 € |
Berufsverband |
52,00 € |
Kontoführung |
16,00 € |
Kontoführung |
16,00 € |
Computer AfA 50% beruflich |
245,00 € |
Reinigung Berufskleidung |
344,00 € |
Laptop AfA 50% beruflich |
284,00 € |
Laptop AfA 40% beruflich |
140,00 € |
Navi und Zubehör |
123,95 € |
Unterkunftspauschale |
252,00 € |
Bewerbungsfotos |
24,00 € |
Festplatte |
79,00 € |
Versandtaschen |
3,00 € |
Schlüsseldienst |
6,90 € |
Briefmarken |
29,00 € |
Gürtel |
11,58 € |
Aldi SD-Card |
9,99 € |
Socken |
5,98 € |
Parkgebühr Arbeitsamt |
0,20 € |
Bürste |
5,39 € |
Telefon Arbeitsagentur |
4,00 € |
Rasierer, Schaum, Klingen |
181,34 € |
Fahrten Arbeitsagentur |
18,00 € |
Dienstreisen |
2.997,88 € |
Doppelte Haushaltsführung |
6.727,00 € |
Doppelte Haushaltsführung |
6.728,00 € |
||
Summe |
12.949,07 € |
Summe |
10.476,84 € |
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Steuererklärung und die Anlagen hierzu Bezug genommen.
10Nachdem der Beklagte am 17.12.2010 eine Ortsbesichtigung im Einfamilienhaus in T durchgeführt hatte - auf das Protokoll (Bl. 59 und 60 der Einkommensteuerakte) wird Bezug genommen - erkannte er im Einkommensteuerbescheid unter anderem die Kosten für die doppelte Haushaltsführung nicht an, da das Haus der Eltern der Klägerin nicht als Lebensmittelpunkt der Kläger anzusehen sei. Hierfür sprächen Größe und Ausstattung der Eigentumswohnung in P .
11Zur Begründung ihres Einspruchs trugen die Kläger vor, dass die doppelte Haushaltsführung aus beruflichem Anlass begründet worden sei. Da beide Arbeitsverträge befristet seien, solle der Lebensmittelpunkt nicht nach P verlegt werden. Vielmehr sei beabsichtigt, die Wohnung später zu vermieten. Sie verfüge auch nicht über eine bessere Ausstattung als die Räume im Haus der Eltern. Dort finde das gesamte Privatleben mit Familie und Freunden statt und man halte sich an allen arbeitsfreien Tagen dort auf.
12Im Hinblick auf die doppelte Haushaltsführung wies der Beklagte den Einspruch alsunbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass sich der Lebensmittelpunkt der Kläger nicht in T befinde. In der Regel verlagere sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen an den Beschäftigungsort, wenn der Arbeitnehmer dort mit seinem Ehepartner eine familiengerechte Wohnung bezieht, auch wenn die frühere Familienwohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird. Hinsichtlich der Klägerin fehle es bereits an einer Wohnung am Beschäftigungsort, da ihre regelmäßige Arbeitsstätte über 40 km von der Zweitwohnung entfernt liege. Für den Kläger könne die doppelte Haushaltsführung nicht anerkannt werden, da er nicht wie erforderlich die meiste Zeit allein am Beschäftigungsort gewohnt, sondern mit seiner Ehefrau in P einen gemeinsamen Haushalt geführt habe.
13In Bezug auf nicht mehr streitige Punkte half der Beklagte dem Einspruch teilweise ab, was zu einer Berücksichtigung bzw. Nichtanerkennung folgender Werbungskosten führte:
14Kläger |
Klägerin |
||
Fahrten Wohnung-ArbSt. |
2.019,00 € |
Fahrten Wohnung-ArbSt. |
2.882,70 € |
Arbeitsmittel pauschal |
0,00 € |
Arbeitsmittel pauschal |
110,00 € |
Berufsverband |
52,00 € |
Kontoführung |
0,00 € |
Kontoführung |
0,00 € |
Computer AfA 50% beruflich |
245,00 € |
Reinigung Berufskleidung |
217,50 € |
Laptop AfA 50% beruflich |
284,00 € |
Laptop AfA 40% beruflich |
140,00 € |
Navi und Zubehör |
0,00 € |
Unterkunftspauschale |
0,00 € |
Bewerbungsfotos |
0,00 € |
Festplatte |
0,00 € |
Versandtaschen |
0,00 € |
Schlüsseldienst |
0,00 € |
Briefmarken |
0,00 € |
Gürtel |
0,00 € |
Aldi SD-Card |
0,00 € |
Socken |
0,00 € |
Parkgebühr Arbeitsamt |
0,00 € |
Bürste |
0,00 € |
Telefon Arbeitsagentur |
4,00 € |
Rasierer, Schaum, Klingen |
0,00 € |
Fahrten Arbeitsagentur |
18,00 € |
Dienstreisen |
2.779,00 € |
Doppelte Haushaltsführung |
0,00 € |
Doppelte Haushaltsführung |
0,00 € |
||
Summe |
5.210,50 € |
Summe |
3.545,00 € |
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage trugen die Kläger zunächst vor, dass sie vom 1.4. bis zum 30.11.2009 die Wohnung in P von montags bis freitags gemeinsam genutzt hätten. Im Dezember habe die Klägerin in T gelebt. Die Wochenendfahrten hätten beide getrennt von ihren jeweiligen Arbeitsstätten aus durchgeführt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung trug die Klägerin vor, dass sie häufig auch an Wochentagen nach T gefahren sei, um ihre hilfsbedürftige Mutter zu Arztbesuchen oder zum Einkaufen zu fahren. Auch habe sie selbst dort noch Arztbesuche (z.B. Zahnarzt, Hausarzt) erledigt. Ferner sei sie auch in der Zeit, in der der Kläger aufgrund von Dienstreisen nicht in P war, nach der Arbeit nicht dorthin, sondern nach T gefahren.
16Bei der Wohnung in P habe es sich lediglich um eine Schlafstätte gehandelt. Unter den gegebenen Umständen sei es nicht möglich gewesen, Freundschaften aufzubauen. Dies habe im Hinblick auf die befristeten Arbeitsverhältnisse auch keinen Sinn gehabt. Vielmehr seien die aus Kindertagen gewachsenen Beziehungen in T aufrechterhalten worden, wozu insbesondere die Mitgliedschaft des Klägers im Fußballverein und die Übernahme ehrenamtlicher Arbeiten gehöre. Die Größe der Wohnung stelle lediglich ein Indiz, nicht aber das entscheidende Argument für die Frage des Lebensmittelpunkts dar. Mit der Renovierung der Wohnung in T sei im September 2010 begonnen worden, zunächst in eigener Regie, später durch beauftragte Handwerker. Zuvor habe die Planung mangels finanzieller Mittel nicht umgesetzt werden können, da die Mutter der Klägerin seit 2007 nur noch eine Erwerbsminderungsrente bezogen habe. Eine Bildung von Wohnungseigentum hinsichtlich der Dachgeschosswohnung hätten die Eltern nicht gewollt. Tatsächlich hätten die Kläger die Renovierung dann aber doch selbst finanziert. Eine Rückkehr der Klägerin in die Zweitwohnung komme nicht in Betracht, da sie für den Fall einer Arbeitsaufnahme die Hilfe ihrer Eltern zur Beaufsichtigung des Kindes benötige. Die geltend gemachten Kosten für die doppelte Haushaltsführung seien um die Einzahlungen in die Instandhaltungsrücklage (304,53 EUR) zu kürzen, aber um die auf die Wohnung entfallenden Entnahmen aus dieser Rücklage (1.861,04 EUR) zu erhöhen.
17Zum Nachweis der Unterkunftspauschale bis einschließlich Juli haben die Kläger während des Klageverfahrens Belege hinsichtlich der Monate Januar bis Mai und Juli eingereicht; bisher hatte lediglich ein Beleg für den Monat Juni vorgelegen. Dieser Punkt ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig.
18Über die weiteren ursprünglich von den Klägern angegriffenen Punkte (Kontoführungsgebühren, Reinigung der Berufskleidung, Festplatte, Schlüsseldienst, Gürtel, Socken, Bürste, Rasierutensilien, Navigationsgerät und Bewerbungskosten) erzielten die Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 6.6.2014 eine Einigung. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
19Die Kläger beantragen nunmehr,
20den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 18.1.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.9.2011 dahingehend zu ändern, dass bei beiden Klägern Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Bezug auf die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung in dem Umfang berücksichtigt werden, dass die ursprünglich beantragten Beträge um die Kosten für die Instandhaltungsrücklage lt. Schreiben des Klägervertreters vom 23.5.2014 erhöht und um die zu hoch angesetzte AfA lt. Schreiben des Beklagten vom 19.5.2014 vermindert werden, sowie die übrigen in der mündlichen Verhandlung besprochenen unstreitigen Änderungen vorzunehmen.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen, mit Ausnahme der Punkte, über die Einigkeit erzielt wurde.
23Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass die Wohnung im Dachgeschoss des Hauses in T deutlich kleiner gewesen sei als die Wohnung in P . Für eine Verlagerung des Lebensmittelpunkts der Kläger nach P spreche auch die mehrfache Stellensuche der Klägerin im Raum K .
24Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 6.6.2014 Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Die zulässige Klage ist nur in geringem Umfang begründet.
27Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 18.1.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.9.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung, FGO), soweit der Beklagte den Werbungskostenabzug für Kontoführungsgebühren, die Unterkunftspauschale, die anteilige Festplatte, den Schlüsseldienst und die (anteiligen) Bewerbungskosten nicht anerkannt hat. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig.
28- 29
I. Der Beklagte hat die geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in P zu Recht nicht als Werbungskosten anerkannt. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 2009 gültigen Fassung (EStG) liegt eine doppelte Haushaltsführung nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.
- 31
1. Die Wohnung in P stellte für beide Kläger im Streitjahr 2009 eine Wohnung am Beschäftigungsort dar. Entgegen der ursprünglich vom Beklagten vertretenen Auffassung gilt dies auch für die Klägerin, obwohl sie zu ihrer Arbeitsstätte in K eine Entfernung von 49 km zurückzulegen hatte, was eine Fahrzeit von ca. 40 Minuten in Anspruch nahm. Maßgeblich für das Vorliegen einer Wohnung am Beschäftigungsort ist ungeachtet der Gemeinde- und Landesgrenzen, dass der Arbeitnehmer täglich seine Arbeitsstätte erreichen kann. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dies im Urteil vom 19.4.2012 (VI R 59/11, BStBl II 2012, 833) sogar für eine Entfernung von 141 km und eine Zugfahrt von einer Stunde angenommen. Entfernung und Fahrzeit der Klägerin liegen im Streitfall deutlich darunter.
- 33
2. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung geht das Gericht auch davon aus, dass die Kläger einen eigenen Hausstand in der Dachgeschosswohnung in T unterhalten haben. Aus dem Protokoll der Ortsbesichtigung vom 15.12.2010 durch Mitarbeiter des Beklagten geht hervor, dass sich zu diesem Zeitpunkt bereits „renovierte Räume“ und eine „abgebaute Küche“ im Dachgeschoss befunden hätten. Dies lässt nur den Schluss zu, dass zuvor bereits mehrere Räume vorhanden gewesen sein müssen und nicht nur ein einziger Raum. Dies entspricht auch dem von den Klägern eingereichten Schreiben des Planungsbüros M , das das Vorhandensein einer kompletten Wohnung bereits im Jahr 2007 bestätigt. Diese Wohnung war angesichts ihrer Größe und Ausstattung für eine eigene Haushaltsführung der Kläger geeignet. Die Zahlung von Miete oder die Übernahme (anteiliger) Hauskosten ist hierfür nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.2013 VI R 10/13, BFH/NV 2014, 507). Nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist auch davon auszugehen, dass mit dem Aufbau von Dachgauben erst im Jahr 2010 begonnen wurde, so dass die Wohnung während des gesamten Streitjahres 2009 noch bewohnbar war.
- 35
3. Die Kläger hatten jedoch ihren Lebensmittelpunkt spätestens ab dem Einzug in die Eigentumswohnung in P nicht mehr in T. Ob eine außerhalb des Beschäftigungsortes liegende Wohnung als Mittelpunkt der Lebensinteressen anzusehen ist, erfordert eine Abwägung und Bewertung aller Umstände des Einzelfalls. Indizien können sich aus einem Vergleich von Größe und Ausstattung der Wohnungen sowie aus Dauer und Häufigkeit der Aufenthalte in den Wohnungen ergeben (BFH-Urteil vom 30.10.2008 VI R 10/07, BStBl II 2009, 153). Bei einem verheirateten Arbeitnehmer liegt der Lebensmittelpunkt grundsätzlich an dem Ort, an dem auch der Ehepartner wohnt. Allein das Zusammenleben berufstätiger Ehegatten am Beschäftigungsort führt für sich genommen noch nicht zu einer Verlagerung des Lebensmittelpunkts (BFH-Beschluss vom 9.7.2008 VI B 4/08, BFH/NV 2008, 2000). In der Regel verlagert sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen aber an den Beschäftigungsort, wenn der Arbeitnehmer dort mit seinem Ehepartner in eine familiengerechte Wohnung einzieht, auch wenn die frühere Familienwohnung zeitweise noch genutzt wird. In diesen Fällen ist die Verlagerung des Lebensmittelpunkts an den Beschäftigungsort naheliegend (BFH-Beschlüsse vom 5.10.2011 VI B 58/11, BFH/NV 2012, 233 und vom 1.2.2012 VI B 88/11, BFH/NV 2012, 945). Wenn beide Ehegatten während der Woche gemeinsam in einer Wohnung zusammenleben und an den Wochenenden und im Urlaub eine andere Wohnung nutzen, ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in der Wohnung ist, von der aus beide regelmäßig ihre Arbeitsstätte aufsuchen. Insoweit ist der Grundsatz, nach dem ein alleinstehender Arbeitnehmer im Allgemeinen seinen Lebensmittelpunkt an dem Ort hat, von dem aus er seine Arbeitsstätte aufsucht, auf Ehegatten übertragbar (BFH-Beschluss vom 4.5.2011 VI B 152/10 BFH/NV 2011, 1347).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung stellt im Streitfall der Umstand, dass beide Kläger in P eine Wohnung erworben und bezogen haben, von der aus sie regelmäßig ihre Arbeitsstätten aufgesucht haben, ein gewichtiges Indiz gegen die Beibehaltung des Lebensmittelpunkts in T dar. Dies gilt selbst dann, wenn sich die Kläger tatsächlich - wie vorgetragen - an jedem Wochenende und im Urlaub in T aufgehalten haben. Auch der Verwurzelung der Kläger in T und den dort weiterhin unterhaltenen sozialen Kontakten (z.B. Freunde, Familie, Ärzte) kommt gegenüber der gemeinsam am beiderseitigen Beschäftigungsort genutzten Wohnung nicht das entscheidende Gewicht zu. Dies folgt daraus, dass Beziehungen von Eheleuten untereinander erheblich höher zu gewichten sind als Beziehungen zu anderen Personen oder Orten. Dort, wo Eheleute hauptsächlich ihre Ehe leben, ist grundsätzlich auch ihr Haupthausstand (FG München, Urteil vom 31.3.2011 5 K 2018/10, Juris, nachgehend BFH-Beschluss vom 1.2.2012 VI B 88/11, BFH/NV 2012, 945).
37Die Wohnung in P ist auch als familiengerecht anzusehen, da sie drei Zimmer, eine Küche und ein Bad umfasste und eine Größe von fast 82 m2 aufwies. Das Gericht geht auch davon aus, dass die Klägerin zwischen dem 1.4.2009 und dem 30.11.2009 nahezu arbeitstäglich von dort aus ihre Arbeitsstätte aufgesucht hat. Dies ist angesichts der kürzeren Entfernung zwischen K und P (49 km) im Vergleich zur Entfernung zwischen K und T (96 km) nicht nur lebensnah, sondern entspricht auch den Angaben zu den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte der Klägerin in der im August 2010 erstellten Einkommensteuererklärung. Dort ist angegeben, dass sie an 22 Arbeitstagen eine Entfernung von 96 km und an 153 Arbeitstagen eine Entfernung von 49 km zurückgelegt habe. Dies entspricht einer Anfahrt von T aus im Monat März (vor Einzug in die Eigentumswohnung) und im Übrigen von P aus. Wäre die Klägerin häufig an Wochentagen von der Arbeit aus nach T gefahren, hätte es nahe gelegen, für diese Fahrten in der Steuererklärung eine höhere Anzahl von Arbeitstagen anzugeben. Darüber hinaus haben die Kläger auch in der Klagebegründung (Seite 2 des Schreibens des Prozessvertreters vom 24.1.2012, Bl. 31 der Gerichtsakte) ausdrücklich vorgetragen, dass die Klägerin die Wohnung in P vom 1.4. bis zum 30.11.2009 von montags bis freitags genutzt habe. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin in nennenswertem Umfang häufigere Fahrten unter der Woche nach T unternommen hat. Nachweise für diese Behauptung haben die Kläger nicht erbracht.
38Auch der Vergleich der Größe und der Ausstattung der beiden Wohnungen spricht für eine Verlagerung des Lebensmittelpunkts nach T . Die Wohnung in P verfügt über eine um mindestens 20 m2 größere Wohnfläche als die Wohnung in T sowie über einen Balkon.
39Die Begleitumstände des Wohnungserwerbs lassen ebenfalls auf eine Verlagerung des Lebensmittelpunkts schließen. Der Ankauf erfolgte etwa zeitgleich mit dem Arbeitsantritt der Klägerin in K , die zuvor in der Nähe von T beschäftigt gewesen war. Die Kläger haben damit eine Wohnung erworben, von der aus nunmehr beide ihre Arbeitsstätten mit angemessenem Aufwand erreichen konnten. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Arbeitsantritt der Klägerin (1.3.2009) und dem Abschluss des Kaufvertrages (20.3.2009) spricht dafür, dass gezielt eine Wohnung gesucht und auch tatsächlich bezogen wurde, die den Anforderungen beider Kläger genügte.
40Auch der Umstand, dass die Wohnung umfassend nach eigenen Vorstellungen renoviert wurde (z.B. Entfernung einer halben Wand, neue Bodenbeläge), spricht dafür, dass man sich dort einen gemeinsamen Haupthausstand einrichten wollte. In die Anschaffung und in die Renovierung dieser Wohnung wurde viel Zeit und Eigenkapital investiert, während die bereits seit 2007 bestehenden Pläne für den Umbau der Dachgeschosswohnung in T zunächst nicht umgesetzt wurden. Dies ist zwar dadurch erklärbar, dass das Haus in T nicht im Eigentum der Kläger, sondern im Eigentum der Eltern der Klägerin stand und das Scheitern der ursprünglichen Planung an deren fehlenden finanziellen Mitteln gescheitert war. Gerade dieses Scheitern der ursprünglichen Pläne spricht aber indiziell dafür, dass die Kläger sich einen anderen Lebensmittelpunkt suchen wollten. Dabei haben sie sich nunmehr nach der Arbeitsstätte des Klägers ausgerichtet, dort ein Eigenheim angeschafft und die Klägerin hat ebenfalls eine Arbeitsstelle in der Umgebung gesucht. Der Erwerb und die Renovierung der Wohnung in P sind demnach in erster Linie durch die tatsächliche Selbstnutzung veranlasst und nicht - wie die Kläger behaupten - vorrangig durch eine beabsichtigte spätere Vermietung.
41Der Umstand, dass die Klägerin ab dem Eintritt in den Mutterschutz Ende 2010 nach eigenen Angaben nicht mehr in P, sondern in T gewohnt hat, führt nicht dazu, dass bereits im Streitjahr 2009 der Lebensmittelpunkt in T lag. Vielmehr sprechen die Umstände dafür, dass die durch das erwartete Kind eingetretene neue Lebenssituation zu einer Zurückverlagerung des Lebensmittelpunktes führte. Erst im September 2010 wurde nach Angaben der Kläger mit dem bereits drei Jahre zuvor entworfenem Umbau der Dachgeschosswohnung begonnen. Zwischen dem Beginn der Renovierung und der Schwangerschaft bestand daher ein enger zeitlicher Zusammenhang. Entgegen der ursprünglichen Planungen wurden die Umbaumaßnahmen nunmehr auf eigene Kosten der Kläger durchgeführt. Hätte bereits 2009 der Lebensmittelpunkt hier verbleiben sollen, hätte es nahe gelegen, diese Planung von vornherein so umzusetzen und sich nicht woanders eine Eigentumswohnung anzuschaffen.
42Dass die Arbeitsverhältnisse beider Kläger nur befristet waren, kann zwar als Indiz gegen die Verlagerung des Lebensmittelpunkts angesehen werden, fällt aber nach Auffassung des Gerichts im Streitfall nicht so stark ins Gewicht, dass dadurch die anderen Indizien in den Hintergrund treten. Hierbei ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich die Befristung für die Stelle des Klägers als Zeitsoldat unmittelbar vor Anschaffung der Wohnung (Anfang 2009) um weitere vier Jahre bis Januar 2013 verlängert hat. Über diesen Zeitraum war damit eine mittelfristige Planung möglich. Die Stelle der Klägerin in K war zwar nur bis Ende November 2009 befristet und ist auch tatsächlich zu diesem Zeitpunkt ausgelaufen. Jedoch hat sie nur kurze Zeit später (im Februar 2010) erneut eine Stelle in H und damit in der näheren Umgebung von P angetreten.
43Dass die Klägerin sich nach eigenen Angaben im Dezember des Streitjahres 2009nahezu ausschließlich in T aufgehalten haben will, führt nicht dazu, dass sie ihren Lebensmittelpunkt wieder nach dort zurückverlegt hat. Dadurch, dass sie bereits im Februar 2010 wieder eine neue Arbeitsstelle in der Umgebung von P angetreten hat, hat sie ihren dortigen Lebensmittelpunkt auch in der Zwischenzeit beibehalten.
44- 45
II. Die übrigen mit der Klage angefochtenen Streitpunkte haben sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung erledigt.
- 47
1. Im Hinblick auf die Kosten der Reinigung der Berufskleidung des Klägers haben sich die Beteiligten darauf geeinigt, dass ein Betrag in Höhe von 280,75 EUR zu berücksichtigen ist.
- 49
2. Die Unterkunftspauschalen des Klägers sind in der nunmehr nachgewiesenen Höhe (250,40 EUR) abzugsfähig. Die Kosten des Klägers für den Schlüsseldienst (6,90 EUR) und für den beruflichen Anteil der Festplatte (40 % von 79 EUR = 31,60 EUR) sind ebenfalls anzuerkennen. Gleiches gilt für die Kontoführungsgebühren beider Kläger in Höhe von jeweils 16 EUR. Die Bewerbungskosten der Ehefrau sind ebenfalls abzugsfähig, hinsichtlich der SD-Card gilt dies jedoch nur in Höhe des beruflichen Anteils der PC-Nutzung (50 % von 9,99 EUR = 5 EUR). Demgegenüber ist die vom Beklagten bereits gewährte Pauschale für Arbeitsmittel (110 EUR) neben tatsächlich angefallenen Kosten nicht zu gewähren.
- 51
3. Im Hinblick auf den Abzug der Kosten des Klägers für Gürtel, Funktionssocken, Rasierer und Bürste sowie auf die Kosten der Klägerin für das Navigationsgerät und die Parkgebühren verfolgen die Kläger ihre Begehren nicht mehr weiter.
Im Ergebnis sind Werbungskosten in folgendem Umfang anzuerkennen:
53Kläger (F E ) |
Erklärung |
Einspruchs-entscheidung |
Urteil |
Fahrten Wohnung-ArbSt. |
2.019,00 € |
2.022,00 € |
2.022,00 € |
Arbeitsmittel |
110,00 € |
0,00 € |
0,00 € |
Berufsverband |
52,00 € |
52,00 € |
52,00 € |
Kontoführung |
16,00 € |
0,00 € |
16,00 € |
Reinigung |
344,00 € |
217,50 € |
280,75 € |
Laptop AfA 40% beruflich |
140,00 € |
140,00 € |
140,00 € |
Unterkunftspauschale |
252,00 € |
0,00 € |
250,40 € |
Festplatte |
79,00 € |
0,00 € |
31,60 € |
Schlüsseldienst |
6,90 € |
0,00 € |
6,90 € |
Gürtel |
11,58 € |
0,00 € |
0,00 € |
Socken |
5,98 € |
0,00 € |
0,00 € |
Bürste |
5,39 € |
0,00 € |
0,00 € |
Rasierer, Schaum, Klingen |
181,34 € |
0,00 € |
0,00 € |
Dienstreisen |
2.997,88 € |
2.779,00 € |
2.779,00 € |
Doppelte Haushaltsführung |
7.505,00 € |
0,00 € |
0,00 € |
Summe |
5.210,50 € |
5.578,65 € |
|
Erhöhung der Werbungskosten |
368,15 € |
Klägerin (N E ) |
Erklärung |
Einspruchs-entscheidung |
Urteil |
Fahrten Wohnung-ArbSt. |
2.882,70 € |
2.884,00 € |
2.884,00 € |
Arbeitsmittel |
110,00 € |
110,00 € |
0,00 € |
Kontoführung |
16,00 € |
0,00 € |
16,00 € |
Computer AfA 50% beruflich |
245,00 € |
245,00 € |
245,00 € |
Laptop AfA 50% beruflich |
284,00 € |
284,00 € |
284,00 € |
Navi und Zubehör |
123,95 € |
0,00 € |
0,00 € |
Bewerbungsfotos |
24,00 € |
0,00 € |
24,00 € |
Versandtaschen |
3,00 € |
0,00 € |
3,00 € |
Briefmarken |
29,00 € |
0,00 € |
29,00 € |
Aldi SD-Card |
9,99 € |
0,00 € |
5,00 € |
Parkgebühr Arbeitsamt |
0,20 € |
0,00 € |
0,00 € |
Telefon Arbeitsagentur |
4,00 € |
4,00 € |
4,00 € |
Fahrten Arbeitsagentur |
18,00 € |
18,00 € |
18,00 € |
Doppelte Haushaltsführung |
7.505,00 € |
0,00 € |
0,00 € |
Summe |
3.545,00 € |
3.512,00 € |
|
Minderung der Werbungskosten |
33,00 € |
Die Minderung der Werbungskosten der Ehefrau stellt keine Verböserung dar, weil sich die Steuer im Gesamtergebnis aufgrund der Erhöhung der Werbungskosten des Klägers vermindert.
56- 57
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Die Kläger obsiegen nur in einem geringen Umfang. Darüber hinaus haben sie einen Großteil der Nachweise über die Unterkunftspauschalen erst im Klageverfahren vorgelegt, so dass ihnen insoweit die Kosten gemäß § 137 FGO auferlegt werden.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Münster Urteil, 06. Juni 2014 - 4 K 3546/11 E
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Münster Urteil, 06. Juni 2014 - 4 K 3546/11 E
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenFinanzgericht Münster Urteil, 06. Juni 2014 - 4 K 3546/11 E zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(1)1Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.2Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.3Werbungskosten sind auch
- 1.
Schuldzinsen und auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.2Bei Leibrenten kann nur der Anteil abgezogen werden, der sich nach § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb ergibt; - 2.
Steuern vom Grundbesitz, sonstige öffentliche Abgaben und Versicherungsbeiträge, soweit solche Ausgaben sich auf Gebäude oder auf Gegenstände beziehen, die dem Steuerpflichtigen zur Einnahmeerzielung dienen; - 3.
Beiträge zu Berufsständen und sonstigen Berufsverbänden, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist; - 4.
Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Sinne des Absatzes 4.2Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro anzusetzen, höchstens jedoch 4 500 Euro im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4 500 Euro ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt.3Die Entfernungspauschale gilt nicht für Flugstrecken und Strecken mit steuerfreier Sammelbeförderung nach § 3 Nummer 32.4Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte benutzt wird.5Nach § 8 Absatz 2 Satz 11 oder Absatz 3 steuerfreie Sachbezüge für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mindern den nach Satz 2 abziehbaren Betrag; ist der Arbeitgeber selbst der Verkehrsträger, ist der Preis anzusetzen, den ein dritter Arbeitgeber an den Verkehrsträger zu entrichten hätte.6Hat ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, so sind die Wege von einer Wohnung, die nicht der ersten Tätigkeitsstätte am nächsten liegt, nur zu berücksichtigen, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.7Nach § 3 Nummer 37 steuerfreie Sachbezüge mindern den nach Satz 2 abziehbaren Betrag nicht; § 3c Absatz 1 ist nicht anzuwenden.8Zur Abgeltung der Aufwendungen im Sinne des Satzes 1 ist für die Veranlagungszeiträume 2021 bis 2026 abweichend von Satz 2 für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der ersten 20 Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro und für jeden weiteren vollen Kilometer - a)
von 0,35 Euro für 2021, - b)
von 0,38 Euro für 2022 bis 2026
- 4a.
Aufwendungen des Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Fahrten, die nicht Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Sinne des Absatzes 4 sowie keine Familienheimfahrten sind.2Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer durch die persönliche Benutzung eines Beförderungsmittels entstehen, können die Fahrtkosten mit den pauschalen Kilometersätzen angesetzt werden, die für das jeweils benutzte Beförderungsmittel (Fahrzeug) als höchste Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz festgesetzt sind.3Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Absatz 4) und hat er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen, gilt Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 und Absatz 2 für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort oder dem zur Wohnung nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet entsprechend.4Für die Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebietes gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend. - 5.
notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen.2Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt.3Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.4Als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung können im Inland die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft angesetzt werden, höchstens 1 000 Euro im Monat.5Aufwendungen für die Wege vom Ort der ersten Tätigkeitsstätte zum Ort des eigenen Hausstandes und zurück (Familienheimfahrt) können jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich abgezogen werden.6Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine Familienheimfahrt ist eine Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstandes und dem Ort der ersten Tätigkeitsstätte anzusetzen.7Nummer 4 Satz 3 bis 5 ist entsprechend anzuwenden.8Aufwendungen für Familienheimfahrten mit einem dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart überlassenen Kraftfahrzeug werden nicht berücksichtigt.9Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine Familienheimfahrt ist für die Veranlagungszeiträume 2021 bis 2026 abweichend von Satz 6 eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der ersten 20 Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstandes und dem Ort der ersten Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro und für jeden weiteren vollen Kilometer - a)
von 0,35 Euro für 2021, - b)
von 0,38 Euro für 2022 bis 2026
- 5a.
notwendige Mehraufwendungen eines Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Übernachtungen an einer Tätigkeitsstätte, die nicht erste Tätigkeitsstätte ist.2Übernachtungskosten sind die tatsächlichen Aufwendungen für die persönliche Inanspruchnahme einer Unterkunft zur Übernachtung.3Soweit höhere Übernachtungskosten anfallen, weil der Arbeitnehmer eine Unterkunft gemeinsam mit Personen nutzt, die in keinem Dienstverhältnis zum selben Arbeitgeber stehen, sind nur diejenigen Aufwendungen anzusetzen, die bei alleiniger Nutzung durch den Arbeitnehmer angefallen wären.4Nach Ablauf von 48 Monaten einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte, die nicht erste Tätigkeitsstätte ist, können Unterkunftskosten nur noch bis zur Höhe des Betrags nach Nummer 5 angesetzt werden.5Eine Unterbrechung dieser beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte führt zu einem Neubeginn, wenn die Unterbrechung mindestens sechs Monate dauert. - 5b.
notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kraftfahrzeug des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kraftfahrzeug für Kalendertage entstehen, an denen der Arbeitnehmer eine Verpflegungspauschale nach Absatz 4a Satz 3 Nummer 1 und 2 sowie Satz 5 zur Nummer 1 und 2 beanspruchen könnte.2Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kraftfahrzeug entstehen, kann im Kalenderjahr einheitlich eine Pauschale von 8 Euro für jeden Kalendertag berücksichtigt werden, an dem der Arbeitnehmer eine Verpflegungspauschale nach Absatz 4a Satz 3 Nummer 1 und 2 sowie Satz 5 zur Nummer 1 und 2 beanspruchen könnte, - 6.
Aufwendungen für Arbeitsmittel, zum Beispiel für Werkzeuge und typische Berufskleidung.2Nummer 7 bleibt unberührt; - 7.
Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung, Sonderabschreibungen nach § 7b und erhöhte Absetzungen.2§ 6 Absatz 2 Satz 1 bis 3 ist in Fällen der Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern entsprechend anzuwenden.
(2)1Durch die Entfernungspauschalen sind sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Sinne des Absatzes 4 und durch die Familienheimfahrten veranlasst sind.2Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel können angesetzt werden, soweit sie den im Kalenderjahr insgesamt als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen.3Menschen mit Behinderungen,
- 1.
deren Grad der Behinderung mindestens 70 beträgt, - 2.
deren Grad der Behinderung weniger als 70, aber mindestens 50 beträgt und die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind,
(3) Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 bis 5a sowie die Absätze 2 und 4a gelten bei den Einkunftsarten im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 bis 7 entsprechend.
(4)1Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.2Die Zuordnung im Sinne des Satzes 1 wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt.3Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.4Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft
- 1.
typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder - 2.
je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
(4a)1Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung sind nur nach Maßgabe der folgenden Sätze als Werbungskosten abziehbar.2Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), ist zur Abgeltung der ihm tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen eine Verpflegungspauschale anzusetzen.3Diese beträgt
- 1.
28 Euro für jeden Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer 24 Stunden von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist, - 2.
jeweils 14 Euro für den An- und Abreisetag, wenn der Arbeitnehmer an diesem, einem anschließenden oder vorhergehenden Tag außerhalb seiner Wohnung übernachtet, - 3.
14 Euro für den Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer ohne Übernachtung außerhalb seiner Wohnung mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist; beginnt die auswärtige berufliche Tätigkeit an einem Kalendertag und endet am nachfolgenden Kalendertag ohne Übernachtung, werden 14 Euro für den Kalendertag gewährt, an dem der Arbeitnehmer den überwiegenden Teil der insgesamt mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist.
(5)1§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6b bis 8a, 10, 12 und Absatz 6 gilt sinngemäß.2Die §§ 4j, 4k, 6 Absatz 1 Nummer 1a und § 6e gelten entsprechend.
(6)1Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium sind nur dann Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.2Eine Berufsausbildung als Erstausbildung nach Satz 1 liegt vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird.3Eine geordnete Ausbildung liegt vor, wenn sie auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt wird.4Ist eine Abschlussprüfung nach dem Ausbildungsplan nicht vorgesehen, gilt die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als abgeschlossen.5Eine Berufsausbildung als Erstausbildung hat auch abgeschlossen, wer die Abschlussprüfung einer durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelten Berufsausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bestanden hat, ohne dass er zuvor die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen hat.
Tatbestand
- 1
-
I. Streitig ist, unter welchen Voraussetzungen ein Wohnen am Beschäftigungsort im Sinne einer doppelten Haushaltsführung vorliegt.
- 2
-
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, haben ihren gemeinsamen Hausstand in C; sie erzielten im Streitjahr (2008) beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin arbeitet als kaufmännische Angestellte in A, nachdem ihr Arbeitgeber seinen Firmensitz ab Januar 2007 von B nach A verlegt hatte. Die Klägerin ist seit dem Jahr 2000 Eigentümerin einer 78,40 qm großen Wohnung in B, die sie unter der Woche als Zweitwohnsitz nutzt. Die Entfernung zwischen dieser Wohnung in B und ihrer Arbeitsstätte in A beträgt 141 km. Die Wochenenden verbringen die Kläger regelmäßig gemeinsam in C.
- 3
-
Die Klägerin machte Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend, nämlich Aufwendungen für Familienheimfahrten sowie Unterkunftskosten für die Wohnung in B.
- 4
-
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im hier streitigen Einkommensteuerbescheid für 2008 dagegen keine Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung, weil sich die Wohnung in B nicht am Beschäftigungsort in A befinde.
- 5
-
Die dagegen auf Berücksichtigung der Kosten als Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung gerichtete Klage war aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 36 veröffentlichten Gründen erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte als notwendige Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung die Aufwendungen für die Unterkunft unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. August 2007 VI R 10/06 (BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820) anteilig im Umfang für die Kosten einer 60 qm Wohnung am Beschäftigungsort sowie die Aufwendungen für die Familienheimfahrten.
- 6
-
Das FA wendet sich mit der vom FG zugelassenen Revision gegen die Vorentscheidung und rügt die Verletzung materiellen Rechts.
- 7
-
Es sei mit dem möglichen Wortsinn des Tatbestands der doppelten Haushaltsführung als Grenze der Auslegung nicht mehr vereinbar, zwei 141 km entfernt liegende geographische Punkte als am selben Ort liegend zu betrachten. Der BFH habe in seinem Beschluss vom 2. Oktober 2008 VI B 33/08 (juris) bei der Auslegung des Begriffs am Beschäftigungsort bei einer Entfernung von 62 km zwischen Zweitwohnung und Arbeitsstätte kein Wohnen am Beschäftigungsort angenommen. Auch wenn man davon ausgehe, dass die Entfernung nur eines von mehreren Kriterien sei, dürfe dieses Kriterium auch bei großzügiger Auslegung nicht ausgehebelt werden.
- 8
-
Das FA beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 13. Oktober 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 9
-
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 10
-
II. Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von den Klägern geltend gemachten Kosten für die doppelte Haushaltsführung der Klägerin als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
- 11
-
1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Das Gesetz selbst konkretisiert nicht weiter, was unter dem Wohnen am Beschäftigungsort im Einzelnen zu verstehen ist. Es entspricht allerdings schon der bisherigen langjährigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, den Begriff des Beschäftigungsorts weit auszulegen und darunter insbesondere nicht nur dieselbe politische Gemeinde zu verstehen. So hatte der Senat bereits mit Urteil vom 9. November 1971 VI R 96/70 (BFHE 103, 506, BStBl II 1972, 134, s. auch Senatsurteil vom 16. Dezember 1981 VI R 227/80, BFHE 135, 57, BStBl II 1982, 302) entschieden, dass ein Arbeitnehmer auch dann am Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG wohnt, wenn er in der Umgebung der politischen Gemeinde wohnt, in der sich seine Arbeitsstätte befindet, und von hier aus zur Arbeitsstätte fährt.
- 12
-
a) Daran hält der Senat grundsätzlich fest. Der Tatbestand der doppelten Haushaltsführung selbst konkretisiert das Merkmal des Wohnens am Beschäftigungsort. Denn liegt eine doppelte Haushaltsführung dann vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt, und ist die Errichtung des Zweithaushalts am Beschäftigungsort beruflich veranlasst, wenn der Arbeitnehmer den Zweithaushalt unterhält, um von dort aus seinen Arbeitsplatz aufsuchen zu können (BFH-Urteile vom 5. März 2009 VI R 23/07, BFHE 224, 420, BStBl II 2009, 1016; VI R 58/06, BFHE 224, 413, BStBl II 2009, 1012; VI R 31/08, BFH/NV 2009, 1256), dann wohnt der Arbeitnehmer in einer Wohnung am Beschäftigungsort, wenn er von dort aus ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen seine Arbeitsstätte täglich aufsuchen kann. Dementsprechend haben auch bisher schon Entscheidungen der Finanzgerichte sowie die Kommentarliteratur eine Wohnung am Beschäftigungsort bejaht, wenn sie in einem Bereich liegt, von dem aus der Arbeitnehmer üblicherweise täglich zu diesem Ort fahren kann (vgl. Urteil des FG des Saarlandes vom 25. Juni 1993 1 K 189/92, EFG 1994, 201; Urteil des FG Münster vom 19. Oktober 1999 13 K 2468/94 E, juris; von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz G 50; Wagner, in: Heuermann/Wagner, LohnSt, F, Rz 313; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, "Doppelte Haushaltsführung" Rz 46; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 505; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 365; jeweils m.w.N.).
- 13
-
b) Die Entscheidung darüber, ob die fragliche Wohnung in der Weise am Beschäftigungsort, nämlich so zur Arbeitsstätte gelegen ist, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen kann, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Denn die Antwort darauf kann nur aufgrund der Berücksichtigung und Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles gegeben werden und ist insbesondere von den individuellen Verkehrsverbindungen zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte abhängig; dabei ist naturgemäß die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein wesentliches, allerdings nicht allein entscheidungserhebliches Merkmal.
- 14
-
2. Nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze hat das FG zutreffend entschieden, dass die fragliche Wohnung der Klägerin in B eine Wohnung am Beschäftigungsort im Sinne der doppelten Haushaltsführung darstellt.
- 15
-
a) Das FG gelangte auf der Grundlage seiner insoweit unstreitigen Feststellungen, dass die Klägerin für die Zugfahrt von B nach A mit dem ICE eine Stunde benötigt, zu der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung, dass der Klägerin ein tägliches Aufsuchen ihrer Arbeitsstätte möglich sei, ein solcher Zeitaufwand für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angesichts steigender Mobilitätsanforderungen nicht unüblich sei und die Wohnung in B mithin noch im Einzugsbereich der Arbeitsstätte der Klägerin liege. Zutreffend hat das FG in seine Würdigung einbezogen, dass es insoweit nicht auf die bloße geographische Entfernung zwischen Zweitwohnung und Arbeitsstätte ankomme und es auch nicht unüblich sei, dass Arbeitnehmer größere Entfernungen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Kauf nähmen, sofern die Arbeitsstätte verkehrsgünstig zu erreichen sei.
- 16
-
b) Entgegen der Auffassung des FA hat deshalb das FG auch zu Recht berücksichtigt, dass der Arbeitgeber der Klägerin seinen Firmensitz zunächst in B gehabt und später nach A wegverlegt habe. Denn damit hat das FG nicht etwa, wie das FA meint, eine reine Billigkeitserwägung ohne gesetzliche Grundlage herangezogen, sondern entsprechend den vorgenannten Rechtsgrundsätzen zutreffend die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt und damit insbesondere nachvollziehbar begründet, dass die Wohnung in B offenkundig beruflich veranlasst war und sich allein mit dem Wegzug des Arbeitgebers und der unverändert beibehaltenen Art der Nutzung der Wohnung an der beruflichen Veranlassung auch nichts geändert hat.
- 17
-
Diesen Grundsätzen entspricht es schließlich, wenn der Senat mit Beschluss vom 2. Oktober 2008 VI B 33/08 (juris) im dort entschiedenen Streitfall auf der Grundlage der dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen des FG dessen Würdigung nicht beanstandet hatte, dass angesichts der dort gegebenen individuellen Lage und Entfernung zwischen der Zweitwohnung des Klägers und dessen Beschäftigungsort (62 km) keine Wohnung am Beschäftigungsort vorgelegen hatte.
- 18
-
Schließlich dringt das FA auch nicht mit seinem Vorbringen durch, dass der mögliche Wortsinn des Tatbestandsmerkmals "am Beschäftigungsort" der vorstehenden Auslegung entgegensteht. Denn der erkennende Senat hatte dazu schon in seinem Urteil aus dem Jahr 1971 (BFHE 103, 506, BStBl II 1972, 134) darauf hingewiesen, dass der Begriff "Wohnen am Beschäftigungsort" weitgehend unverändert auf einen Erlass des Reichsministers der Finanzen vom 6. Dezember 1930 (RStBl 1930, 782) zurückgehe, deshalb unter Berücksichtigung der seitdem eingetretenen Entwicklung der Verhältnisse auszulegen sei, und hatte auf dieser Grundlage schon damals den Begriff "Beschäftigungsort" nicht auf die politische Gemeinde begrenzt, sondern die gesamte Umgebung einbezogen.
Tatbestand
- 1
-
I. Streitig ist, ob Unterkunftskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzugsfähig sind.
- 2
-
Der 1956 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Diplom-Ingenieur, war im Streitjahr (2008) in H nichtselbständig tätig. Seit März 2005 ist er unter der Adresse A-Str. 87 in H mit Nebenwohnsitz gemeldet. Diese Wohnung hat eine Wohnfläche von 75 qm, besteht aus vier Zimmern, Küche und Bad und ist mit Möbeln des Klägers eingerichtet. Unter der Adresse B-Str. 5 in L ist der Kläger mit Hauptwohnsitz gemeldet. Dort befindet sich ein im Eigentum des Vaters des Klägers stehendes Reihenhaus. Nach den Angaben des Klägers bewohnt er dort sein altes Kinderzimmer (12,44 qm) und nutzt die übrigen Räumlichkeiten gemeinsam mit seinem Vater.
- 3
-
In der Einkommensteuer-Erklärung 2008 machte der Kläger Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend. Neben Fahrtkosten für 45 Heimfahrten zwischen H und L machte er Kosten für die Wohnung in Höhe von 6.968,79 € geltend.
- 4
-
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) übersandte dem Kläger daraufhin einen Fragebogen bezüglich der doppelten Haushaltsführung. Daraufhin teilte der Kläger mit, dass er im Frühjahr 2005 seinen Nebenwohnsitz von N nach H verlegt habe. Die Heimatadresse in L sei seit Jahren als erster Wohnsitz registriert und sei Mittelpunkt seines Lebensinteresses. In L und Umgebung wohnten seine Familienangehörigen, Verwandten und Freunde; bei der Bank L werde sein Gehaltskonto geführt, dort würden auch Beratungstermine durchgeführt. An den Wochenenden entwickele er dort Aktivitäten (Kino, Konzertbesuche, Karneval, Beschaffung von Kleidung, Buchung von Urlauben usw.). Darüber hinaus würden die Sommer- bzw. Winterreifen in der heimatlichen Garage aufbewahrt und der Reifenwechsel werde in einer Werkstatt in L vorgenommen. Er unterhalte in L einen eigenen Hausstand, der sich in seinem Elternhaus befinde. Für dieses Haus habe er ein uneingeschränktes Nießbrauchsrecht und eine dauerhafte Zugangsberechtigung. Dort lebe sein Vater, der aber häufig über Tage oder bei Urlauben für längere Zeit abwesend sei. Die Kosten des Haushalts an den Wochenenden (Lebensmittel u.a.) trage hauptsächlich er, der Kläger, darüber hinaus erledige er maßgeblich häusliche Arbeiten (Kochen, Putzen, Rasen mähen, Reparaturen). Setze man als Verpflegungskosten die Pauschbeträge nach Steuerrecht an, so ergebe sich hochgerechnet pro Person bei 111 Tagen (Wochenenden, Feier- und Brückentage) ein Betrag von 5.328 €. Das Leben in L werde persönlich und finanziell wesentlich von ihm, dem Kläger, bestritten und bestimmt.
- 5
-
Auf Nachfrage des FA teilte er unter Beifügung entsprechender an seinen Vater gerichteter Rechnungen weiter mit, dass in 2008 für die Wohnung in L Grundbesitzabgaben, Gebäudeversicherung, Gas, Strom und Wasser in Höhe von 3.163,02 € gezahlt worden seien. Um diesen Betrag mit den von ihm ermittelten Lebenshaltungskosten vergleichen zu können, sei eine Minderung auf 111/365 vorzunehmen. Der sich ergebende Betrag von 961,60 € sei erheblich weniger als die von ihm getragenen Lebenshaltungskosten in Höhe von 5.328 €.
- 6
-
Im Einkommensteuer-Bescheid 2008 vom 29. April 2009 berücksichtigte das FA lediglich Fahrtkosten für Fahrten zwischen L und H (90 km an 45 Tagen). Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass eine doppelte Haushaltsführung nur vorliege, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhalte, beschäftigt sei und auch dort übernachte. Ein eigener Hausstand setze eine eingerichtete, den Lebensbedürfnissen entsprechende Wohnung des Arbeitnehmers voraus. Die Wohnung müsse grundsätzlich aus eigenem Recht, z.B. als Mieter oder Eigentümer, genutzt werden. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer sei zu prüfen, ob er einen eigenen Hausstand unterhalte oder in einen fremden Haushalt eingegliedert sei. Aus den eingereichten Unterlagen sei ersichtlich, dass keine zwei abgeschlossenen Wohnungen vorlägen, der Vater alle Kosten für den Unterhalt des Einfamilienhauses trage und der Kläger gegen eine Kostenbeteiligung in den Haushalt des Vaters eingegliedert sei. Es würden lediglich 45 Heimfahrten anerkannt, da die entfernt liegende Wohnung den Mittelpunkt der Lebensinteressen bilde.
- 7
-
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 840 veröffentlicht.
- 8
-
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
- 9
-
Er beantragt,
das Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 6. November 2012 15 K 767/10 E und die Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2010 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 zuletzt vom 4. August 2011 dahingehend abzuändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von 6.969 € als Werbungskosten berücksichtigt werden,
hilfsweise
die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG Münster zurückzuverweisen.
- 10
-
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 11
-
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
- 12
-
1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Dies gilt grundsätzlich auch für einen alleinstehenden Arbeitnehmer; auch er kann einen doppelten Haushalt führen (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 21. April 2010 VI R 26/09, BFHE 230, 5, BStBl II 2012, 618, m.w.N.).
- 13
-
a) Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der nicht verheiratete Arbeitnehmer als nicht die Haushaltsführung wesentlich bestimmender bzw. mitbestimmender Teil in einen Hausstand eingegliedert ist, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin --wenn auch gegen Kostenbeteiligung-- im elterlichen Haushalt ihr Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann in einem dieser häufigen Fälle zwar, auch wenn das Kind am Beschäftigungsort eine Unterkunft bezogen hat, wie bisher der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen sein, sie ist aber nicht ein von dem Kind unterhaltener eigener Hausstand (Senatsurteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180).
- 14
-
b) Bei älteren, wirtschaftlich selbständigen, berufstätigen Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist hingegen davon auszugehen, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen, so dass ihnen dieser Hausstand als "eigener" zugerechnet werden kann. Diese Regelvermutung gilt insbesondere, wenn die Wohnung am Beschäftigungsort dem Arbeitnehmer im Wesentlichen nur als Schlafstätte dient, der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen hingegen am Heimatort zu verorten ist, weil dort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen (vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 2013 VI R 46/12, BFHE 240, 241, BStBl II 2013, 627, m.w.N.).
- 15
-
c) Der Umstand, dass der Arbeitnehmer dabei am Heimatort nicht über eine abgeschlossene Wohnung verfügt, steht dieser Vermutung nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können die durch das Leben am Beschäftigungsort zusätzlich entstehenden notwendigen Aufwendungen grundsätzlich auch dann zu Werbungskosten führen, wenn die Wohnverhältnisse des Steuerpflichtigen am Ort seines Lebensmittelpunktes vergleichsweise einfach oder beengt sein sollten (Senatsurteil vom 14. Oktober 2004 VI R 82/02, BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98, m.w.N.). Insbesondere müssen die dem Arbeitnehmer zur ausschließlichen Nutzung überlassenen Räumlichkeiten nicht den bewertungsrechtlichen Anforderungen an eine Wohnung gerecht werden (Senatsurteil in BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98). Der Senat hat es in dieser Entscheidung auch für unerheblich angesehen, dass sich der Arbeitnehmer in der ihm von seinen Eltern überlassenen Wohnung die Sanitäreinrichtung mit seiner Schwester teilen musste, weil ihm die übrigen Räumlichkeiten eine eigenständige Haushaltsführung ermöglichten (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Dezember 2005 III R 27/05, BFHE 212, 376, BStBl II 2006, 561, m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn dem Arbeitnehmer die Küche nicht zur alleinigen Verfügung steht (Senatsurteil vom 30. Juli 2009 VI R 13/08, BFH/NV 2009, 1986). Deshalb kann ein eigener Hausstand auch dann unterhalten werden, wenn der Erst- oder Haupthausstand gemeinsam mit den Eltern oder einem Elternteil geführt wird (Senatsurteil in BFHE 240, 241, BStBl II 2013, 627, m.w.N.).
- 16
-
d) Auch bedarf es der Übernahme einer besonderen finanziellen Verantwortung für den (gemeinsamen) Hausstand durch die gleichmäßige Beteiligung an den laufenden Haushalts- und Lebenshaltungskosten durch den Steuerpflichtigen nicht. Denn eine finanzielle Beteiligung, aus der auf eine gemeinsame Haushaltsführung von Eltern und Kindern geschlossen werden kann, kann auch vorliegen, wenn etwa eine Aufteilung nach laufenden und einmaligen Kosten oder nach gewöhnlichem und außergewöhnlichem Aufwand vorgenommen wird. Im Übrigen ist dem Merkmal der Entgeltlichkeit lediglich --eine gewichtige-- Indizfunktion beizumessen. Denn die Entgeltlichkeit ist keine unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua non) einer steuererheblichen doppelten Haushaltsführung. Dies gilt sowohl für die Überlassung der Wohnung selbst als auch für die Kostentragung im Übrigen. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein alleinstehender Steuerpflichtiger auch dann einen eigenen Haushalt unterhält, wenn nicht er selbst, sondern Dritte für diese Kosten aufkommen. Denn eine eigene Haushaltsführung des auswärts Beschäftigten ist nicht zwingend ausgeschlossen, wenn sich dessen finanzielle Beteiligung am Haushalt nicht feststellen lässt, wie auch umgekehrt aus einem finanziellen Beitrag allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen Haushalts zu schließen ist (Senatsurteile vom 28. März 2012 VI R 87/10, BFHE 236, 553, BStBl II 2012, 800, und vom 26. Juli 2012 VI R 10/12, BFHE 238, 413, BStBl II 2013, 208).
- 17
-
2. Die Entscheidung des FG entspricht diesen Grundsätzen nicht. Denn die Vorinstanz hat verkannt, dass bei einem erwachsenen, wirtschaftlich selbständigen Kind --wie dem Kläger, einem im Streitjahr 52 Jahre alten Diplom-Ingenieur-- regelmäßig vermutet werden kann, dass es nicht als Gast in den elterlichen Haushalt eingegliedert ist, sondern jedenfalls dann, wenn es dort lediglich unterbrochen durch Arbeits- und Urlaubsaufenthalte gemeinsam mit den Eltern oder einem Elternteil wohnt und dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen zu verorten ist, auch die gemeinsame Haushaltsführung wesentlich mitbestimmt. Danach --der Lebensmittelpunkt des Klägers wird von den Beteiligten unstreitig am Heimatort verortet-- liegen im Streitfall dem Grunde nach die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vor.
- 18
-
3. Die Sache ist jedoch nicht entscheidungsreif. Denn das FG hat auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung bisher nicht festgestellt, in welcher Höhe dem Kläger notwendige Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung entstanden sind. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben. Dabei hat es auch zu prüfen, in welcher Höhe diese Aufwendungen angesichts der Begrenzung auf einen durchschnittlichen Mietzins einer 60 qm großen Wohnung als Werbungskosten zu berücksichtigen sind (Senatsurteil vom 28. März 2012 VI R 25/11, BFHE 237, 429, BStBl II 2012, 831, m.w.N).
- 19
-
4. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dem FG die von dem Kläger gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind. Der Kläger hat seine Revision auch auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt. In einem solchen Fall muss der BFH das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts prüfen, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (Senatsurteil vom 21. Januar 2010 VI R 51/08, BFHE 228, 85, BStBl II 2010, 700; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 73). Da die Revision aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, muss der Senat nicht noch darüber entscheiden, ob der Kläger auch infolge eines Verfahrensfehlers in seinen Rechten verletzt ist.
Gründe
- 1
-
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unbegründet. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) noch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
- 2
-
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 2008 VI B 7/08, BFH/NV 2008, 1838; vom 12. Oktober 2007 VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45; vom 10. Oktober 2007 VI B 33/07, BFH/NV 2008, 44). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28). Davon ist hier auszugehen.
- 3
-
a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG liegt eine doppelte Haushaltsführung vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Eine doppelte Haushaltsführung kann auch ohne Wechsel der Arbeitsstätte vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 2009 VI R 58/06, BFHE 224, 413, BStBl II 2009, 1012).
- 4
-
Der Hausstand i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Mittelpunkt seiner Lebensinteressen führt, also sein Haupt- bzw. bei Ehegatten der Ehegatten- oder Familienhausstand. Eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn der Beschäftigungsort der Lebensmittelpunkt ist. Ob der Hausstand gegenüber der Wohnung am Beschäftigungsort der Lebensmittelpunkt bzw. der Ort ist, an dem die Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft i.S. des § 1353 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zusammenleben, erfordert eine Abwägung und Bewertung aller Umstände des Einzelfalles. Indizien können sich aus einem Vergleich von Größe und Ausstattung der Wohnungen sowie aus Dauer und Häufigkeit der Aufenthalte in den Wohnungen ergeben (BFH-Urteil vom 30. Oktober 2008 VI R 10/07, BFHE 223, 242, BStBl II 2009, 153, m.w.N.). Bei einem verheirateten Arbeitnehmer liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen grundsätzlich an dem Ort, an dem auch sein Ehepartner und --wenn auch nicht notwendigerweise-- auch seine minderjährigen Kinder wohnen. In der Regel verlagert sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen an den Beschäftigungsort, wenn der Arbeitnehmer dort mit seinem Ehepartner in eine familiengerechte Wohnung einzieht, auch wenn die frühere Familienwohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird (BFH-Beschluss vom 9. Juli 2008 VI B 4/08, BFH/NV 2008, 2000, m.w.N.).
- 5
-
b) Die Vorinstanz ist in der angefochtenen Entscheidung von den genannten Grundsätzen ausgegangen. Das Finanzgericht (FG) hat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entschieden. Es ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers in den Streitjahren nicht mehr in X, sondern in der Nähe seines Beschäftigungsorts befand. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie diesbezügliche Schlussfolgerungen sind nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen. Solche Verstöße sind im Streitfall nicht erkennbar. Die aus den vorliegenden Gesamtumständen gewonnene Überzeugung des FG, dass der Kläger seinen Lebensmittelpunkt an den Beschäftigungsort verlagert hat, ist angesichts der Tatsache, dass er dort mit seiner Ehefrau eine familiengerechte Wohnung nutzt, nicht nur möglich und vertretbar, sondern naheliegend.
- 6
-
2. Die Zulassung der Revision kann auch nicht auf einen Verfahrensmangel gestützt werden.
- 7
-
a) Soweit das FG davon abgesehen hat, das im Schriftsatz des Klägers vom 14. März 2011 beantragte Sachverständigengutachten einzuholen, ist ihm kein Verfahrensfehler unterlaufen. Abgesehen davon, dass die Einholung von Sachverständigengutachten im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht (BFH-Beschluss vom 30. September 1998 X B 28, 29/98, BFH/NV 1999, 491), war das beantragte Gutachten nicht geeignet, den erforderlichen Beweis zu erbringen. Nach der Rechtsauffassung des FG war u.a. die Häufigkeit und Dauer des Aufenthalts des Klägers in X im Rahmen der angesprochenen Gesamtwürdigung von Bedeutung. Aus den vom FG in der angefochtenen Entscheidung genannten Gründen sind jedoch die vorgelegten, den Wasser- und Erdgasverbrauch betreffenden Abrechnungen nicht geeignet, den Umfang des Aufenthalts des Klägers in X zu dokumentieren. Das FG konnte davon ausgehen, dass auch ein Sachverständiger zu entsprechenden Angaben außerstande ist.
- 8
-
Unter diesen Voraussetzungen konnte das FG von der beantragten Beweiserhebung absehen, ohne gegen § 76 Abs. 1 FGO zu verstoßen.
- 9
-
b) Soweit der Kläger rügt, das FG habe den in seinem Schriftsatz vom 14. Januar 2010 gestellten Antrag auf Bestellung eines Sachverständigen unberücksichtigt gelassen, liegt keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines Beweisantrags vor. Denn das Gericht ist nicht verpflichtet, einem unsubstantiierten Beweisantrag nachzugehen (Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 29). Um einen solchen handelt es sich hier.
Gründe
- 1
-
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) noch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
- 2
-
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 2008 VI B 7/08, BFH/NV 2008, 1838; vom 12. Oktober 2007 VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45; vom 10. Oktober 2007 VI B 33/07, BFH/NV 2008, 44). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28). Davon ist hier auszugehen.
- 3
-
a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG liegt eine doppelte Haushaltsführung vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Orts, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Eine doppelte Haushaltsführung kann auch ohne Wechsel der Arbeitsstätte vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 2009 VI R 58/06, BFHE 224, 413, BStBl II 2009, 1012).
- 4
-
Der Hausstand i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Mittelpunkt seiner Lebensinteressen führt, also sein Haupt- bzw. bei Ehegatten der Ehegatten- oder Familienhausstand. Eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn der Beschäftigungsort der Lebensmittelpunkt ist. Ob der Hausstand gegenüber der Wohnung am Beschäftigungsort der Lebensmittelpunkt bzw. der Ort ist, an dem die Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft i.S. des § 1353 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zusammenleben, erfordert eine Abwägung und Bewertung aller Umstände des Einzelfalls. Indizien können sich aus einem Vergleich von Größe und Ausstattung der Wohnungen sowie aus Dauer und Häufigkeit der Aufenthalte in den Wohnungen ergeben (BFH-Urteil vom 30. Oktober 2008 VI R 10/07, BFHE 223, 242, BStBl II 2009, 153, m.w.N.).
- 5
-
Bei einem verheirateten Arbeitnehmer liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen grundsätzlich an dem Ort, an dem auch sein Ehepartner und --wenn auch nicht notwendigerweise-- auch seine minderjährigen Kinder wohnen. In der Regel verlagert sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen an den Beschäftigungsort, wenn der Arbeitnehmer dort mit seinem Ehepartner in eine familiengerechte Wohnung einzieht, auch wenn die frühere Familienwohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird (BFH-Beschluss vom 9. Juli 2008 VI B 4/08, BFH/NV 2008, 2000, m.w.N.).
- 6
-
b) Die Vorinstanz ist in der angefochtenen Entscheidung von den genannten Grundsätzen ausgegangen. Das Finanzgericht (FG) hat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entschieden. Es ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Klägerin im Streitjahr nicht mehr in X, sondern in der Nähe ihres Beschäftigungsorts befand. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie diesbezügliche Schlussfolgerungen sind nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen. Solche Verstöße sind im Streitfall nicht erkennbar. Die aus den vorliegenden Gesamtumständen gewonnene Überzeugung des FG, dass die Klägerin ihren Lebensmittelpunkt an den Beschäftigungsort verlagert hat, ist angesichts der Tatsache, dass sie dort mit ihrem Ehemann eine familiengerechte Wohnung nutzt, nicht nur möglich und vertretbar, sondern naheliegend.
- 7
-
2. Die Zulassung der Revision kann auch nicht auf einen Verfahrensmangel gestützt werden.
- 8
-
a) Soweit das FG davon abgesehen hat, das im Schriftsatz der Klägerin vom 9. März 2011 beantragte Sachverständigengutachten einzuholen, ist ihm kein Verfahrensfehler unterlaufen. Abgesehen davon, dass die Einholung von Sachverständigengutachten im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht (BFH-Beschluss vom 30. September 1998 X B 28, 29/98, BFH/NV 1999, 491), war das beantragte Gutachten nicht geeignet, den erforderlichen Beweis zu erbringen. Nach der Rechtsauffassung des FG war u.a. die Häufigkeit und Dauer des Aufenthalts der Klägerin in X im Rahmen der angesprochenen Gesamtwürdigung von Bedeutung. Aus den vom FG in der angefochtenen Entscheidung genannten Gründen sind jedoch die vorgelegten, den Wasser- und Erdgasverbrauch betreffenden Abrechnungen nicht geeignet, den Umfang des Aufenthalts der Klägerin in X zu dokumentieren. Das FG konnte davon ausgehen, dass auch ein Sachverständiger zu entsprechenden Angaben außerstande ist.
- 9
-
Unter diesen Voraussetzungen konnte das FG von der beantragten Beweiserhebung absehen, ohne gegen § 76 Abs. 1 FGO zu verstoßen.
- 10
-
b) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe den in ihrem Schriftsatz vom 30. September 2010 gestellten Antrag auf Bestellung eines Sachverständigen unberücksichtigt gelassen, liegt keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines Beweisantrags vor. Denn das Gericht ist nicht verpflichtet, einem unsubstantiierten Beweisantrag nachzugehen (Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 29). Um einen solchen handelt es sich hier.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
Einem Beteiligten können die Kosten ganz oder teilweise auch dann auferlegt werden, wenn er obsiegt hat, die Entscheidung aber auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen oder beweisen können und sollen. Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden. Berücksichtigt das Gericht nach § 76 Abs. 3 Erklärungen und Beweismittel, die im Einspruchsverfahren nach § 364b der Abgabenordnung rechtmäßig zurückgewiesen wurden, sind dem Kläger insoweit die Kosten aufzuerlegen.