Finanzgericht Hamburg Beschluss, 15. Jan. 2018 - 3 V 254/17

bei uns veröffentlicht am15.01.2018

Gründe

...

C.

Es bleibt bei den i.S.v. § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des in der Höhe über das letzte Gutachten hinaus festgestellten Grundbesitzwerts.

1

I. Seit dem veröffentlichten und übersandten Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11.03.1997 2 VG 2900/94 und seit dem Erbfall vom ... 2009 hat sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch den Vertrag für Hamburg-Wohnungsneubau vom 04.07.2011 und 07.07.2016 (sog. Hamburger Vertrag) zwar die Verwaltungspraxis geändert, aber nicht die baurechtliche Situation.

2

Danach galt, wie im VG-Urteil ausgeführt, bei Beibehaltung der ... auf dem ... Flurstück gemäß Baugenehmigung vom ... 1959 ... deren Nebenbestimmung ....

3

"Die Fläche... gärtnerisch anzulegen und zu erhalten."

4

II. Der auf der allein geänderten Verwaltungspraxis mit anderer Abwägung beruhende Bauvorbescheid vom ... 2015 für eine zusätzliche ... Bebauung kann nicht ohne weiteres entgegen dem VG-Urteil auf den Stichtag des Erbfalls zurückbezogen werden; er ist im Übrigen weder bestandskräftig noch verlängert worden.

5

III. Selbst wenn oder soweit eine erweiterte oder neue ... Bebauung aus Sicht der Verwaltung neu genehmigungsfähig gewesen wäre, fehlte es, wie nach dem Vorbescheid gefordert ..., an der Zustimmung der Nachbarn des Flurstücks ... zu einer Reallast für die Zufahrt ....

6

2. Nach bisherigem Erkenntnisstand ... existierte auch kein zivilrechtlicher Anspruch gegen die Nachbarn auf Zustimmung zu einer Reallast betreffend die Zufahrt ... für eine weitere ... Bebauung.

7

IV. Neben dem vom Finanzamt im schematischen Verfahren als Mindestwert nach § 184 Abs. 3 Satz 2 BewG angesetzten Bodenwert bleibt für den Verkehrswert zum Stichtag nach § 198 BewG gutachterlich zu prüfen, ob oder inwieweit über die gutachtlichen Wertansätze hinaus wertbildende Möglichkeiten oder Chancen bestanden für eine komplette Neubauplanung... einschließlich einer die Überbauung ... beseitigenden Verschiebung ...

8

1. Zu überprüfen ist dabei die Bewertbarkeit oder Bewertung der baurechtlichen Aussichten oder Risiken unter Beachtung

9

a) des Baustufenplans, dessen Fortgeltung auf der Überleitung gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BauGB i. d. F. 1976 beruht;

10

b) des Kriteriums, dass sich das Vorhaben i. S. v. § 34 BauGB nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung "einfügt";

11

c) des im VG-Urteil vom 11.03.1997 neben der Baugenehmigungs-Nebenbestimmung von 1959 angesprochenen Gesichtspunkts, dass eine bauliche Nutzung nötigenfalls so auszugestalten ist, dass sie mit öffentlichen Belangen und nach § 31 Abs. 2 BauGB auch denen der Nachbarschaft vereinbar ist; mit anderen Worten das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt, wie das Hmb. OVG nach bisherigem Recht zu einer Blockinnenbebauung näher ausgeführt hat durch Beschluss vom 27.03.2017, 2 Bs 51/17 (NordÖR 2017, 338; BauR 2017, 1148; NVwZ-RR 2017, 650).

12

2. Ergänzend wird Bezug genommen auf die substantiierten Einwendungen der Nachbarn im Verfahren des Bauvorbescheids vom ... 2015 und seiner Anfechtung bis hin zu ... Klagen ... Während nach den Klagen kein Antrag mehr auf Verlängerung des Bauvorbescheids gestellt wurde ..., ist zu berücksichtigen, dass zum Stichtag wahrscheinlich auch bei einer kompletten Neuplanung von der organisierten Nachbarschaft wesentliche Einwendungen zu erwarten und zu prüfen oder abzuwägen gewesen wären.

13

Zu bewerten ist, inwieweit diese Einfluss haben können auf

a) Verfahrensdauer und

b) Verfahrensausgang.

14

Die VG-Akten mit den einschlägigen schriftsätzlichen Ausführungen stehen zur Durchsicht zur Verfügung.

15

3. Besondere Schwierigkeiten einer gutachterlichen Bewertung machen diese nicht entbehrlich (vgl. FG Hamburg, Zwischenurteil vom 28.08.2014 3 K 134/13, zu V 3 f, Juris Rz. 37 m. w. N.). Bei Streit- oder Prozessrisiken ist die Wahrscheinlichkeit der Durchsetzbarkeit der jeweiligen Rechtspositionen für die Stichtags-Besteuerung im Schätzwert zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 02.03.1971 II 64/65, BFHE 102, 126, BStBl II 1968, 768), beispielsweise mittels Abschlägen (BFH, Urteil vom 02.03.1971, BFHE 102, 126, BStBl II 1971, 533); hier also für den Fall eines (bedingungslosen) Verkaufs am Bewertungsstichtag bei Abschätzung der fraglichen Möglichkeit einer kompletten käuferseitigen Neubauplanung.

16

4. Zu prüfen bzw. abzuwägen sind bei der Bewertung einer kompletten Neubauplanung ggf. auch

17

a) Freilegungskosten ... und ... nebst

18

b) Abfindungen oder Ersatzbesorgung für die zivil- oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen gegenüber Mietern und ... vor Baubeginn;

19

c) ein durch die Verschiebung ... verringertes Bauvolumen ...;

20

d) neue Ertragserwartungen einschließlich Ertragsausfällen bei Verzögerungen vor Baubeginn oder längerer Bauzeit.

...

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Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


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Baugesetzbuch - BBauG | § 31 Ausnahmen und Befreiungen


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Baugesetzbuch - BBauG | § 173 Genehmigung, Übernahmeanspruch


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Bewertungsgesetz - BewG | § 198 Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts


(1) Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen. Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen

Bewertungsgesetz - BewG | § 184 Bewertung im Ertragswertverfahren


(1) Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens ist der Wert der Gebäude (Gebäudeertragswert) getrennt von dem Bodenwert auf der Grundlage des Ertrags nach § 185 zu ermitteln. (2) Der Bodenwert ist der Wert des unbebauten Grundstücks nach § 179.

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(1) Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens ist der Wert der Gebäude (Gebäudeertragswert) getrennt von dem Bodenwert auf der Grundlage des Ertrags nach § 185 zu ermitteln.

(2) Der Bodenwert ist der Wert des unbebauten Grundstücks nach § 179.

(3) Der Bodenwert und der Gebäudeertragswert (§ 185) ergeben den Ertragswert des Grundstücks. Es ist mindestens der Bodenwert anzusetzen.

(4) Der Wert der baulichen Außenanlagen und sonstigen Anlagen ist mit dem nach den Absätzen 1 bis 3 ermittelten Ertragswert abgegolten.

(1) Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen. Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuchs erlassenen Vorschriften.

(2) Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind, dienen.

(3) Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert sind.

(1) Die Genehmigung wird durch die Gemeinde erteilt; § 22 Absatz 5 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Ist eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erforderlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt; im Baugenehmigungs- oder Zustimmungsverfahren wird über die in § 172 Absatz 3 bis 5 bezeichneten Belange entschieden.

(2) Wird in den Fällen des § 172 Absatz 3 die Genehmigung versagt, kann der Eigentümer von der Gemeinde unter den Voraussetzungen des § 40 Absatz 2 die Übernahme des Grundstücks verlangen. § 43 Absatz 1, 4 und 5 sowie § 44 Absatz 3 und 4 sind entsprechend anzuwenden.

(3) Vor der Entscheidung über den Genehmigungsantrag hat die Gemeinde mit dem Eigentümer oder sonstigen zur Unterhaltung Verpflichteten die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu erörtern. In den Fällen des § 172 Absatz 4 und 5 hat sie auch Mieter, Pächter und sonstige Nutzungsberechtigte zu hören. In den Fällen des § 172 Absatz 4 Satz 3 Nummer 6 hat sie die nach Satz 2 anzuhörenden Personen über die Erteilung einer Genehmigung zu informieren.

(4) Die landesrechtlichen Vorschriften, insbesondere über den Schutz und die Erhaltung von Denkmälern, bleiben unberührt.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 20. Februar 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 37.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerinnen wenden sich gegen eine von der Antragsgegnerin zugunsten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohngebäudes mit 48 Wohneinheiten.

2

Das Baugrundstück der Beigeladenen, S-Straße … (Flurstück … der Gemarkung Uhlenhorst), bildet den Innenblock der es umgebenden U-förmigen sechsgeschossigen Wohnbebauung auf den Grundstücken der Antragstellerinnen zu 1. bis 4.: H-Straße … (Flurstück … der Antragstellerin zu 3.), H-Straße …/ S-Straße … (Flurstück … der Antragstellerin zu 2.), S-Straße … (Flurstück … der Antragstellerin zu 4.), W-Weg … (Flurstück … der Antragstellerin zu 1.) und W-Weg … (Flurstück … der Antragstellerin zu 4.). Die Antragstellerinnen zu 1. bis 3. sind jeweils Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Das Baugrundstück wurde früher von einer Baufirma als Betriebshof mit Sozialräumen, Lager- und Unterstellplätzen sowie offenen Pkw-Stellplätzen für die Mitarbeiter und für Mieter aus der Umgebung genutzt. Im November 2010 wurde dort der genehmigte Neubau einer Stellplatzanlage mit 65 offenen und überdachten Stellplätzen für die umliegende Bebauung in Nutzung genommen. Die in den Jahren 1926 bis 1928 als Siedlungsbau errichteten Mehrfamilienhäuser der Antragstellerinnen zu 1., 2. und 4. sind in die Denkmalliste als geschütztes Ensemble eingetragen. Die streitbefangenen Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Durchführungsplans D 288 vom 1. Oktober 1957 (HmbGVBl. S. 452). Für das Baugrundstück gilt danach die Festsetzung Fläche für Garagen im Keller; auf den Grundstücken der Antragstellerinnen sind jeweils Baustangen ausgewiesen mit den Festsetzungen W 4 g, Bautiefe max. 12,00 m.

3

Die Antragsgegnerin erteilte der L-GmbH unter dem 11. März 2015 einen positiven Vorbescheid, in dem u.a. die Frage - Ist die Wohnnutzung auf der im Durchführungsplan als Flächen für Garagen im Keller ausgewiesene Fläche genehmigungsfähig? - mit Ja beantwortet wurde unter Erteilung einer Befreiung von der „Art der baulichen Nutzung“ unter der Bedingung, dass die Bebauung auf fünf Vollgeschosse ohne zusätzliches Staffelgeschoss zu reduzieren sei, die Abstandsflächen auf eigenem Grund nachzuweisen seien, der Baumbestand auf den Nachbargrundstücken nicht gefährdet werde, ein Anteil von mindestens 30% geförderter Wohnungsbau geschaffen werde und dass die derzeitig 15 vermieteten Stellplätze auf dem Grundstück in der zukünftigen Tiefgarage nachzuweisen seien.

4

Die Antragsgegnerin erteilte der Beigeladenen mit Bescheid vom 9. Februar 2016 im vereinfachten Genehmigungsverfahren auf der bauplanungsrechtlichen Grundlage des bereits erteilten Vorbescheides eine Baugenehmigung für die Errichtung eines fünfgeschossigen Wohngebäudes mit 48 Wohneinheiten (davon 15 als öffentlich gefördert) auf einer Grundfläche von ca. 21 m x 45 m (Breite x Tiefe). Unter dem 4. Mai 2016 erging zudem der Änderungsbescheid Nr. 1 zu dem Baugenehmigungsbescheid über den Entfall des Dachgartenzugangs (Außentreppe) von Wohnung 32.

5

Die Antragstellerinnen suchten am 1. Dezember 2016 beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nach. Sie beantragten, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche vom 14. April (der sich im Übrigen auch gegen den Vorbescheid richtet), 29. November und 30. Dezember 2016 gegen den Baugenehmigungsbescheid bzw. den Änderungsbescheid Nr. 1 anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 20. Februar 2017 die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen den Vorbescheid und den Baugenehmigungsbescheid in der Fassung des Änderungsbescheides Nr. 1 angeordnet. Zur Begründung heißt es in dem Beschluss u.a., der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei gemäß §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO so auszulegen, dass er auch gegen den Vorbescheid gerichtet sei. Ein derartiges Begehren ergebe sich eindeutig aus dem weiteren Sachvortrag der Antragstellerinnen und sei auch sachgerecht. Für die Zulässigkeit des Rechtsschutzbegehrens sei die in dem Widerspruchsschreiben vom 14. April 2016 erfolgte und mit Schreiben vom 29. November 2016 klargestellte Falsch-bezeichnung der Antragstellerinnen durch ihren Prozessbevollmächtigten unschädlich. Eine Parteibezeichnung in einem Widerspruchsschreiben sei grundsätzlich auslegungsfähig. Für einen objektiven Empfänger sei von vornherein deutlich geworden, dass die Widersprüche im Namen der Eigentümerinnen der betroffenen Grundstücke eingelegt werden sollten.

6

Der zulässige Antrag sei auch begründet, weil nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens das Vorhaben die Antragstellerinnen jedenfalls in ihrem Anspruch auf Befolgung des Gebots der Rücksichtnahme verletze. Das Vorhaben sei für die Antragstellerinnen unzumutbar, weil es in einem erheblichen Gegensatz zu dem stehe, was der Beigeladenen als bauliche Nutzung ihres Grundstücks zustehe und weil seine Auswirkungen insgesamt übermäßig nachteilig seien. Das Vorhaben stehe weitgehend in Widerspruch zu den Vorgaben des Durchführungsplans D 288, weil statt des Gebots für den Blockinnenbereich, über Erdgleiche lediglich eine Begrünung vorzunehmen und zu pflegen, dort ein fünfgeschossiger Hochbau errichtet werde, der überdies mit seiner Breite von ca. 21 m die Dimensionen sprenge, die aus dem (allerdings ohnehin anders konzipierten) anschließenden südlichen Planbereich für Zeilenbauten im Blockinnern abgeleitet werden könnten. Mit den fünf oberirdischen Geschossen zuzüglich Dachaufbauten, 48 Wohneinheiten, zu denen Dachterrassen bzw. zahlreiche Balkone und großflächige Fenster gehörten, trage der Hochbau eine intensive Nutzung in den Blockinnenbereich, die nur insoweit plangemäß sei, als das Vorhaben auch eine Tiefgarage mit Zufahrt umfasse. Die Auswirkungen des Vorhabens auf die Grundstücke der Antragstellerinnen seien in einer Gesamtschau unzumutbar. Für ihre Blockrandbebauung stelle sich das Hinzutreten des Vorhabens so dar, dass sie um eben die Wohnqualität einer Lage zu einem geschützten Innenhof gebracht würden, um derentwillen sie zu den umgebenden Straßen hin mit der dortigen Fassade desselben Gebäudes die Nachteile hinzunehmen hätten; sie wären vielmehr künftig kaum bessergestellt als bei einer Insellage zwischen zwei öffentlichen Wegen. Das Interesse, einen derartigen Ruhe- und Grünbereich mit freiem Blick zu erhalten, sei auch kein überzogenes, von vornherein nicht schutzwürdiges Anliegen. Vielmehr sei es im Recht der städtebaulichen Sanierung regelhaft unstreitig, dass eine intensive, beengende bauliche Nutzung inmitten eines großstädtischen Blockinnenbereichs i.S.v. § 136 Abs. 2 BauGB den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse widerspreche und stattdessen begrünte Freiflächen zu schaffen seien. Die Antragstellerinnen würden konkret insbesondere beeinträchtigt durch die erheblich abriegelnde Wirkung des Hochbaus, die in der Dach- und Fassadennutzung/-gestaltung angelegten Einsichtsmöglichkeiten sowie die Beeinträchtigung der Wohnruhe. Eine abriegelnde Wirkung käme - am deutlichsten für die Wohnungen in den Gebäuden der Antragstellerinnen zu 1., 2. und 4. - dem über 15 m hohen, 21 m breiten und ca. 45 m tiefen Baukörper zu, der ihnen weitgehend das nehme, was an freien Blickbeziehungen in der Innenhoflage derzeit möglich sei. Der Umstand, dass das Vorhaben in seiner Höhe die Gebäude der Antragstellerinnen jeweils nicht überragen würde, könnte zwar zur Vermeidung einer erdrückenden Wirkung ausreichen, verhindere indessen nicht die abriegelnde Wirkung auf die jeweils weniger breiten bzw. tiefen Gebäude der Antragstellerinnen. Nach den besonderen Verhältnissen der Innenhoflage sei auch die Ausgestaltung der Fassaden des auf 48 Wohneinheiten angelegten Vorhabens bzw. des Gebäudedaches unzumutbar mit einer Vielzahl von bodentiefen Fenstern, Balkonen bzw. mit drei Dachterrassen wegen der damit für eine hohe Zahl von Personen eröffneten Einsichtsmöglichkeiten auf die Fenster in den rückwärtigen Fassaden der Gebäude der Antragstellerinnen sowie auf die dort vorhandenen Balkonanlagen. Auch insoweit sei maßgeblich, dass diesen Gebäuden nach keiner Seite ein geschützter Bereich verbliebe - der Umstand, dass das Vorhaben die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Abstandsflächen einhalten solle, reiche zu einer Konfliktbewältigung nicht aus.

7

Schließlich sei der Schutzanspruch der Antragstellerinnen nicht deshalb wesentlich gemindert, weil ihre eigenen Gebäude nicht vollen Umfangs den Festsetzungen des Durchführungsplans D 288 entsprächen (was hinsichtlich der Geschosszahl für alle Gebäude und hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche insbesondere für das Gebäude der Antragstellerin zu 3. gelte). Denn die Bestandsbebauung der Antragstellerinnen sei in den hier wesentlichen Aspekten (Blockrandposition, geschlossene Bauweise, Wohnnutzung) plankonform. Die Wirkung des massiven Vorhabens wäre auch bei plangemäßer Bebauung der Grundstücke der Antragstellerinnen nicht nennenswert geringer, sondern hinsichtlich der Geschosszahl erheblicher. Bei den Antragstellerinnen zu 1., 2. und 4. trage ohnehin nicht die Erwägung für eine Einschränkung des Rügerechts, es widerspreche Treu und Glauben, wenn der Nachbar die Einhaltung einer Planvorgabe verlange, an die er sich selbst nicht halte. Denn ihre Gebäude seien nicht nur weit vor dem Erlass des Durchführungsplans errichtet worden, sondern stünden auch unter Denkmalschutz, so dass eine Anpassung an den Durchführungsplan öffentlich-rechtlich ausgeschlossen sei.

II.

8

1. Die gemäß §§ 146 Abs. 4, 147 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde der Beigeladenen hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beschwerde ist unbegründet, weil es die mit ihr dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein zu prüfen hat, nicht rechtfertigen, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und - wie von der Beigeladenen beantragt - den Antrag der Antragstellerinnen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche abzulehnen. Denn die von der Beigeladenen mit der Beschwerde dargelegten Gründe stellen nicht die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts durchgreifend in Zweifel, dass der zulässige Antrag der Antragstellerinnen gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 VwGO auch begründet ist, weil deren Aussetzungsinteresse das Interesse der Beigeladenen, die Bauarbeiten an dem Vorhaben fortführen zu können, überwiegt. Die Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts, die angefochtene Baugenehmigung verletze die Antragstellerinnen mit hoher Wahrscheinlichkeit in ihren Rechten, weil das Vorhaben der Beigeladenen gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verstößt, wird durch die Beschwerde nicht erschüttert.

9

a) Der Einwand der Beigeladenen, der Aussetzungsantrag der Antragstellerinnen sei bereits unzulässig, weil diese keinen Widerspruch erhoben hätten, vermag nicht zu überzeugen. Die Beigeladene meint, die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Umdeutung sei unzulässig, weil eine in dem Widerspruchsschreiben vom 14. April 2016 falsch bezeichnete nicht existierende juristische Person nicht in eine andere juristische Person umgedeutet werden könne. Im Übrigen sei nicht erkennbar, wer Mitglied der Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) sei.

10

Zunächst ist klarzustellen, dass es weder um eine Umdeutung i.S.d. § 47 Abs. 1 Hmb-VwVfG noch analog § 140 BGB geht, sondern um die Richtigstellung der falschen Bezeichnung allein der Antragstellerin zu 4., für die von dem Prozessbevollmächtigen in dem Widerspruchsschreiben vom 14. April 2016 als Rechtsform eine GbR statt richtigerweise eine GmbH & Co. KG angegeben wurde Auch die Bezeichnung der Widerspruchsführerin in einem Widerspruchsschreiben ist aber grundsätzlich auslegungsfähig. In diesem Zusammenhang ist auf das Verständnis aus der Sicht des Empfängers, also hier der Antragsgegnerin, abzustellen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.3.2001, Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 20, juris Rn. 2). Dass Widerspruch für den jeweiligen Grundstückseigentümer eingelegt werden sollte, dürfte aber für die Antragsgegnerin außer Zweifel gestanden haben. Abgesehen davon erfolgte die Richtigstellung der Falschbezeichnung der Antragstellerin zu 4. bereits mit dem weiteren Widerspruchsschreiben vom 29. November 2016 und somit innerhalb der Jahresfrist, die hier analog § 58 Abs. 2 i.V.m. § 70 Abs. 2 VwGO gilt, weil die angefochtene Baugenehmigung den Antragstellerinnen nicht bekannt gemacht wurde. Eine ordnungs- wie fristgemäße Widerspruchserhebung lag deshalb spätestens in diesem Zeitpunkt vor.

11

Einer ordnungsgemäßen Antragstellung nach § 80 Abs. 5 VwGO steht nicht entgegen, dass im Beschlussrubrum nicht die Gesellschafter der Antragstellerinnen zu 1. bis 3. genannt werden. Denn Eigentümer der Grundstücke sind nicht die Gesellschafter in gesamthänderischer Verbundenheit, sondern die (Außen-)Gesellschaften bürgerlichen Rechts selbst, die rechtsfähig sind und zu deren Gesellschaftsvermögen die Grundstücke jeweils gehören (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.4.2010, ZfBR 2010, 583, juris Rn. 4). Die Antragstellerinnen zu 1. bis 3. sind daher als handlungsfähige Gruppen nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig.

12

b) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge der Beigeladenen, das Verwaltungsgericht habe nicht den Vorbescheid in den Aussetzungsantrag einbeziehen dürfen, weil die anwaltlich vertretenen Antragstellerinnen lediglich beantragt hätten, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen den Baugenehmigungsbescheid und den Änderungsbescheid Nr. 1 anzuordnen. Dies stelle einen Verstoß gegen § 88 VwGO dar, weil der eindeutig formulierte Antrag vom Verwaltungsgericht nicht umgedeutet werden könne.

13

Die Beigeladene beruft sich zu Unrecht auf § 88 VwGO, weil diese Vorschrift das Gericht gerade nicht streng an „die Fassung der Anträge“ bindet, sondern die Möglichkeit eröffnet, im Wege der Auslegung das wirklich gewollte Rechtsschutzziel zugrunde zu legen. Das Verwaltungsgericht war deshalb nicht an den Wortlaut des Antrags gebunden, sondern konnte das wahre Antragsbegehren der Antragstellerinnen ermitteln. Ist ein Antragsteller bei der Fassung seines Antrages anwaltlich vertreten, kommt der Antragsformulierung zwar eine gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf aber die Auslegung vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Antrags-begründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Antragsziel von der Antragsfassung abweicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.3.2012, DÖD 2012, 190, juris Rn. 6). Hiervon hat sich das Verwaltungsgericht bei seiner Auslegung leiten lassen, ohne dass dies zu beanstanden wäre.

14

c) Das Beschwerdegericht kann die von der Beigeladenen aufgeworfene Frage, ob der Durchführungsplan D 288 nach § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 fortgilt oder zumindest nachträglich funktionslos geworden ist, weil seine Festsetzungen nicht verwirklicht worden sind und auch in Zukunft nicht realisiert werden, als nicht entscheidungserheblich offen lassen. Denn auch im Falle der Unwirksamkeit des Durchführungsplans D 288 würde das Vorhaben der Beigeladenen gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, wie es sich dann aus § 34 Abs. 1 BauGB und dem Gebot des Einfügens ergäbe.

15

aa) Das Verwaltungsgericht ist von der Geltung des Durchführungsplans D 288 ausgegangen, so dass sich das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme aus § 31 Abs. 2 BauGB und dem darin enthaltenen Gebot der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ ergibt, weil die Antragsgegnerin zugunsten der Beigeladenen eine Befreiung von der Festsetzung des Baugrundstücks als Fläche für Garagen im Keller erteilt hat. Das Verwaltungsgericht hat zudem angenommen, dass diese Festsetzung selbst nicht drittschützend ist, so dass der Nachbar lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf Würdigung seiner nachbarlichen Interessen hat; unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dabei nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO entwickelt hat (siehe BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998, NVwZ-RR 1999, 8, juris Rn. 6). Für den Nachbarn bedeutet das, dass er ein Bauvorhaben, für das eine Befreiung erteilt wurde, nur dann mit Erfolg angreifen kann, wenn dieses ihm gegenüber rücksichtslos ist. Ob das der Fall ist, erfordert eine Abwägung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung, der Interessen des Bauherrn und dessen, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot besteht nicht bereits dann, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen einer rechtmäßigen Befreiung objektiv nicht erfüllt sind; eine subjektive Verletzung nachbarlicher Rechte ist erforderlich. Andererseits haben die Interessen des planwidrig handelnden Bauherrn tendenziell ein geringeres Gewicht als bei der Beurteilung einer plankonformen Bebauung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (siehe OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, NordÖR 2013, 106, 109 m.w.N., juris Rn. 29).

16

Unter Anlegung dieses Maßstabs ist das Verwaltungsgericht zu dem überzeugenden Ergebnis gelangt, dass die Antragstellerinnen durch die Verwirklichung des Vorhabens der Beigeladenen unzumutbar beeinträchtigt würden. Entscheidendes Gewicht für die Interessenabwägung hat hierbei, dass die von der Antragsgegnerin erteilte Befreiung keine Abweichung mehr darstellt, sondern eine Umplanung, die besonders tief in das Interessengeflecht der Planung zu Lasten der Antragstellerinnen eingreift. Denn nach den Festsetzungen des Durchführungsplans D 288 ist das Grundstück der Beigeladenen oberirdisch unbebaubar und soll lediglich im Kellergeschoss als Gemeinschaftsgarage für die umliegenden Grundstücke dienen (siehe Nr. 1.4 der Erläuterungen zum Durchführungsplan D 288 unter Hinweis auf § 10 der Reichsgaragenordnung). Außerdem soll die Oberfläche der kellergeschossigen Garage nach Nr. 2.5 der Erläuterungen gärtnerisch angelegt und unterhalten werden. Die Freifläche hat damit im Blockinnenbereich eine Erholungsfunktion für die Bewohner der angrenzenden Wohngebäude und räumt ihnen zugleich einen großzügigen Zugang von Licht, Luft und Sonne ein und stellt einen Sozialabstand her, der den Wohnfrieden für die Blockrandbebauung sichert. Dieser planerische Interessenausgleich wird nunmehr durch die angefochtene Baugenehmigung bzw. den Vorbescheid aufgelöst, indem im Blockinnenbereich ein fünfgeschossiges, 15 m hohes Wohngebäude auf einer Grundfläche von ca. 21 m x 45 m (Breite x Tiefe) zugelassen wird. Dass eine derartig verdichtete Blockinnenbebauung, die nahezu die gesamte Freifläche in Anspruch nimmt, die straßenseitig orientierte Wohnbebauung der Antragstellerinnen gemessen an deren hervorgehobener Schutzwürdigkeit nach der planerischen Abwägung unzumutbar beeinträchtigt, ist vom Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis überzeugend angenommen worden.

17

Der Hinweis der Beigeladenen, das Vorhaben halte die bauordnungsrechtlich vorgeschriebene Tiefe der Abstandsfläche von 0,4 H ein, so dass nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (siehe dazu Beschl. v. 26.9.2007, NordÖR 2008, 73 ff.) in der Regel eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ausscheide, verfängt nicht. Zum einen hat das Beschwerdegericht in dem zitierten Beschluss (a.a.O., 74) gerade die Frage offen gelassen, ob diese Regel auch gilt, wenn es um eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots unter dem Gesichtspunkt der erdrückenden respektive abriegelnden Wirkung geht. Zum anderen liegt ein Ausnahmefall vor, weil es mit der maßgeblichen Interessenbewertung des Plangebers unvereinbar ist, bei einer Nachverdichtung die Bewohner der straßenseitig orientierten Blockrandbebauung lediglich auf den bauordnungsrechtlich vertretbaren Mindeststandard von 0,4 H zurückzusetzen. Denn mit der Festsetzung der zu begrünenden Freifläche im Blockinnern verfolgte der Plangeber erkennbar einen großzügigeren städtebaulichen Abstand der Gebäude zueinander, der einer aufgelockerten Bebauung entspricht. Nach diesem Maßstab geht von dem fünfgeschossigen, 15 m hohen Vorhaben mit einer Gebäudetiefe von ca. 45 m eine abriegelnde Wirkung aus, die hier bereits für sich genommen geeignet ist, die Rücksichtslosigkeit des Vorhabens zu begründen. Es kann deshalb dahin gestellt bleiben, ob die bodentiefen Fenster in den 48 Wohnungen zudem unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten auf die Grundstücke der Antragstellerinnen eröffnen. Allerdings dürfte die von der Beigeladenen in der Beschwerde zugesagte bauliche Maßnahme, die Balkonbrüstungen/-geländer blickdicht auszuführen, kaum geeignet sein, die Einsichtsmöglichkeiten erheblich einzuschränken. Denn die Fenster würden jeweils in der oberen Hälfte nach wie vor zahlreiche, größere Einsichtsmöglichkeiten eröffnen.

18

Unzutreffend ist das Argument der Beigeladenen, die Erläuterungen zum Durchführungsplan dürften zu dessen Auslegung nicht herangezogen werden, weil für sie keine Rechtsgrundlage bestehe. Der Durchführungsplan mit den Erläuterungen bildet vielmehr gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 einen Teil des ihm zugrunde liegenden Aufbaugesetzes i.d.F. vom 12. April 1957.

19

Der Umstand, dass sich im Blockinnern bisher der Betriebshof eines Baugeschäftes mit Sozialräumen etc. bzw. 65 Pkw-Stellplätze befunden hätten, spricht nicht gegen die vom Verwaltungsgericht angenommene Rücksichtslosigkeit, weil es insoweit nicht entscheidend auf die Wohnruhe abgestellt hat.

20

bb) Selbst wenn man der Beigeladenen in ihrer Annahme folgte, der Durchführungsplan D 288 sei unwirksam, würde dies nichts an einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ändern.

21

Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seinem Widerspruch nur durchdringen, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme setzt einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus. Er kann vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Mit dem in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verwendeten Begriff der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, ist die konkrete Größe der Grundfläche der baulichen Anlage und ihre räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung gemeint (siehe BVerwG, Beschl. v. 13.5.2014, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 217, juris Rn. 8). Ein den Rahmen überschreitendes Vorhaben ist nur ausnahmeweise zulässig, wenn es in eine „harmonische“ Beziehung zur vorhandenen Bebauung tritt. Das setzt voraus, dass durch das Überschreiten des Rahmens weder bodenrechtlich beachtliche, ausgleichsbedürftige Spannungen entstehen noch bereits vorhandene Spannungen dieser Art erhöht werden. Das zur Genehmigung stehende Vorhaben darf auch nicht durch seine Vorbildfunktion Unruhe in den Bereich hineintragen, die nur durch eine Bauleitplanung wieder aufgefangen werden kann (siehe BVerwG, Beschl. v. 4.2.1986, NVwZ 1986, 740, juris Rn. 4 f.). Drittschutz wird über das Einfügensgebot gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Es kommt darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.12.2013, BVerwGE 148, 290, 295, juris Rn. 21; OVG Hamburg, Beschl. v. 2.11.2016, 2 Bs 169/16, n.v.).

22

Das Vorhaben der Beigeladenen fügt sich nach seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Ein Wohngebäude mit einer bebauten Grundfläche von ca. 21 m x 45 m (Breite x Tiefe) ist in der näheren Umgebung des Vorhabens, die durch den Baublock S-Straße, W-Weg, Z-Straße, östlich der H-Straße gebildet wird, im Blockinnenbereich ohne Vorbild. Die Eigenart der näheren Umgebung ist geprägt von einer aufgelockerten Bebauung mit größeren Gebäudeabständen, wie sie sich südöstlich des Baugrundstücks auf dem Flurstück … zeigt. Ein Planungsbedürfnis besteht, weil durch das Vorhaben eine Freifläche in einem Blockinnenbereich in einer Weise großflächig bebaut werden soll, von der nicht gesagt werden kann, dass sie ein tatsächlich hinreichend angemessenes Verhältnis zwischen dem Vorhaben und der es umgebenden Blockrandbebauung herstellt. Die gebotene räumliche Abgrenzung des geschützten Personenkreises ergibt sich aus der U-förmigen Bebauung mit den Gebäuden der Antragstellerinnen, die das Baugrundstück der Beigeladenen umgrenzen. Schließlich liegt auch ein qualifizierter Verstoß gegen das Einfügensgebot vor, der zur Gewährung von Drittschutz führt, weil das Vorhaben zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Antragstellerinnen führt. Die nahezu vollständige Bebauung der bisherigen Freifläche im Blockinnern belastet die Antragstellerinnen in einer Weise, wie sie aufgrund der Umgebungsbebauung nicht zu erwarten war. Die vom Verwaltungsgericht angenommene abriegelnde Wirkung, die das Vorhaben mit einer Gebäudetiefe von ca. 45 m entfaltet greift auch insoweit durch.

23

d) Schließlich verhilft der Beschwerde nicht das Argument zum Erfolg, die Antragstellerinnen könnten sich auf eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nicht berufen, weil ein Nachbar die Einhaltung der Festsetzungen eines Plans nicht verlangen könne, wenn er selbst diese nicht einhalte. Sämtliche Gebäude der Antragstellerinnen seien aber nicht plangemäß bebaut. Alle Gebäude wiesen sechs statt der zulässigen vier Geschosse auf. Die Gebäude der Antragstellerinnen zu 1. und 4. am W-Weg … seien zudem 14 m tief, obwohl der Plan lediglich eine Bebauungstiefe von maximal 12 m zulasse. Sie lägen zur Hälfte auf der neu ausgewiesenen Straßenfläche.

24

Die Geltendmachung eines Abwehrrechts wegen einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme stellt sich als unzulässige Rechtsausübung und damit als Verstoß gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben dar, wenn der Grundstückseigentümer selbst in vergleichbarer Weise gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Die Versagung des Abwehranspruchs beruht darauf, dass es treuwidrig wäre, einen Nachbarn Nachteile durch die Bebauung des anderen Nachbarn auszusetzen, ihm selbst aber eine Ausnutzung seines Grundstücks unter Berufung auf das Gebot der Rücksichtnahme zu verwehren.

25

Dass die Antragstellerinnen zu Lasten der Beigeladenen in vergleichbarer Weise gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, ist nicht festzustellen. Von der U-förmigen Bebauung der Gebäude der Antragstellerinnen geht keine abriegelnde Wirkung aus. Die von der Beigeladenen angeführten Gebäude W-Weg … schöpfen in der Richtung ihres Baugrundstücks nicht einmal die festgesetzte Bautiefe von 12 m aus. Die Überschreitung der Bautiefe erfolgt vielmehr zur Straßenseite hin, wodurch das Baugrundstück der Beigeladenen nicht betroffen wird. Was die Überschreitung der festgesetzten Bautiefe durch die Grundstücke der Antragstellerinnen an der H-Straße angeht, erreicht diese erkennbar keinen Umfang, von dem eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht. Aus dem Umstand, dass die Gebäude der Antragstellerinnen mit ihren sechs Geschossen die festgesetzte Zahl von vier um zwei Geschosse überschreiten, kann die Beigeladene keine unzumutbare Beeinträchtigung herleiten, weil ihr Vorhaben selbst fünf Geschosse aufweist und damit in der Gebäudehöhe nur unwesentlich hinter der Bestandsbebauung der Antragstellerinnen zurückbleibt.

26

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Gründe

1

I. Zulässigkeit der Klage und Zwischenurteil

2

Im Rahmen der zulässigen Klage entscheidet das Gericht über die im Tenor bezeichneten entscheidungserheblichen Sach- und Rechtsfragen zum Grundbesitz-Bedarfswert des jeweiligen Krankenhaus-Erbbaurechts vorab im Wege des Zwischenurteils gemäß § 99 Abs. 2 FGO.

3

1. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn nicht der Kläger oder der Beklagte widerspricht.

4

Entscheidungserheblich sind solche Vorfragen, ohne deren Beantwortung ein Urteil über die geltend gemachte Rechtsbeeinträchtigung nicht möglich ist (BFH-Urteile vom 29.05.2008 V R 7/06, BFHE 221, 528, BStBl II 2009, 64 zu II A 2 a; vom 04.02.1999 IV R 54/97, BFHE 187, 418, BStBl II 2000, 139). Die Entscheidungserheblichkeit richtet sich nach dem Sach- und Streitstand vor dem Zwischenurteil. Sie ist bei auch dann zu bejahen, wenn eine anderweitige Möglichkeit zur Entscheidung des Rechtsstreits - etwa aufgrund neuen Tatsachenvortrags zu einer weiteren dann eventuell ausschlaggebenden Frage - nicht auszuschließen ist, aber die Beantwortung der vorgezogenen Fragen bei prozessökonomischer Prüfungsfolge Vorrang genießt. Maßgeblich ist der materiell-rechtliche Standpunkt des Finanzgerichts (vgl. BFH-Urteil vom 17.12.2008 III R 22/06, Juris Rz. 34; FG Hamburg, Zwischenurteile vom 06.04.1994 I 193/92, EFG 1994, 1080; vom 09.03.1993 I 195/90, EFG 1993, 700 zu II 2 a).

5

Sachdienlich ist die Entscheidung durch Zwischenurteil u. a. dann, wenn dadurch die Zeit zur Klärung von Vorfragen genutzt werden kann, während eine Bewertung noch nicht abgeschlossen ist (FG Hamburg, Zwischenurteil vom 07.04.2009 3 K 218/07, EFG 2010, 341, DStRE 2010, 418).

6

2. Im vorstehenden Sinne sind die im Tenor entschiedenen Sach- und Rechtsfragen entscheidungserheblich und ist ihre Entscheidung jeweils sachdienlich, während die Bewertung wegen unzureichender Bodenrichtwerte des Gutachterausschusses noch nicht abgeschlossen ist (vgl. ...  unten  V 3 h - j).

7

3. Die Beteiligten sind auf die mögliche Entscheidung durch Zwischenurteil ausdrücklich gemäß § 99 Abs. 2 FGO hingewiesen worden und haben nicht widersprochen. (...)

8

II. Vorläufigkeit

9

Verfassungsrechtliche Fragen (Art. 3 GG) hinsichtlich der Heranziehung des jeweiligen Grundbesitzwerts als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer stehen der Entscheidung nicht entgegen, nachdem das FA den jeweils angefochtenen Grundbesitzwertbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 3 AO für vorläufig erklärt hat aufgrund des Ländererlasses vom 17. Juni 2011 (BStBl I 2011, 575).

10

III. Bindung an die Grundbesitzwert-Anforderung (Tenor 1)

11

Die jeweilige Anforderung des Grundbesitzbedarfswerts für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin als Steuerschuldnerin aus dem Erbbaurechts-Einbringungs- und Übertragungsvertrag vom ... durch die Grunderwerbsteuerstelle ... ist gemäß § 138 Abs. 5 BewG i. d. F. vor 2007 für das Grundbesitzwertverfahren der Bewertungsstelle und beim Finanzgericht bindend; auf den Beteiligungsvertrag vom ... kommt es nicht an.

12

1. Ob nach § 138 Abs. 5 BewG i. d. F. vor 2007 "Bedarf" für einen Grundbesitzwert-Feststellungsbescheid besteht bzw. ob dieser "erforderlich" ist, entscheidet nicht die feststellende Bewertungsstelle beim Lage-FA, sondern die für die Besteuerung zuständige Stelle, ggf. ... die Grunderwerbsteuerstelle, und zwar allein durch den verwaltungsinternen Vorgang der Anforderung des Grundbesitzwerts (BFH-Beschluss vom 10.02.2011 II S 39/10 (PKH), BFHE 232, 310, BStBl II 2011, 657).

13

Es handelt sich um eine kraft Gesetzes zugewiesene sachliche Zuständigkeit. Insoweit gilt gemäß § 138 Abs. 5 i. d. F. vor 2007 nichts anderes als nach § 151 Abs. 1 BewG i. d. F. ab 2007 (vgl. FG Münster, Urteile vom 22.08.2013 3 K 1558/13 F, Juris; 3 K 1557/13 F, Juris; 3 K 1556/13 F, EFG 2014, 328; Beschluss vom 30.07.2013 3 V 1562/13 F, EFG 2013, 1738).

14

2. Diese Regelung schließt es im Regelfall aus, im Rechtsmittelverfahren gegen einen Feststellungsbescheid - wie hier - die Steuerbarkeit betreffende materiell-rechtliche Einwände zu berücksichtigen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob oder wie das Lage-FA bzw. die Bewertungsstelle auf solche Einwände eingegangen ist; überobligatorische Hinweise, Stellungnahmen oder Sachprüfungen eröffnen kein weiteres Rechtsmittel (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 18.02.2014 3 K 257/13, Juris Rz. 87 m. w. N.).

15

a) Das gilt insbesondere bei gegen den Bedarfswert nach § 8 Abs. 2 GrEStG gerichteten Einwänden, wie die Vertragslage auszulegen sei, was danach Steuergenstand sei (§ 1 GrEStG) oder wer danach Steuerschuldner sei (§ 13 GrEStG) und ob Verträgen eine Gegenleistung i. S. v. § 8 Abs. 1 GrEStG zu entnehmen sei - wie hier - (vgl. Urteile FG Köln vom 27.02.2013 4 K 1543/09, EFG 2013, 1302; Schleswig-Holsteinisches FG vom 09.12.2010 2 K 144/09, Juris Rz. 18; BFH-Beschluss vom 16.06.2005 II B 155/03, BFH/NV 2005, 2053).

16

b) Ob ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, wenn die Anforderung des Grundbesitzwerts unvertretbar, objektiv willkürlich, völlig aus der Luft gegriffen oder offensichtlich nicht erforderlich wäre, kann dahinstehen, wenn dafür - wie hier - keine Anhaltspunkte bestehen (Urteile BFH vom 24.05.2005 II R 57/03, DStRE 2005, 1216, BFH/NV 2005, 1982; FG Hamburg vom 10.05.2006 3 K 216/05, EFG 2006, 1643, DStRE 2007, 846).

17

c) Insbesondere kommt es für die Frage der Gegenleistung oder des Grundbesitz-Bedarfswerts für die Übertragung des jeweiligen Erbbaurechts vom ... nicht auf den nicht mit ... der Klägerin, sondern mit dem Investor ... am ... geschlossenen Beteiligungsvertrag an.

18

aa) Daraus ist kein Vertrag zu Gunsten Dritter i. S. v. § 328 BGB, hier zu Gunsten... der Klägerin, auf Einräumung von Ansprüchen auf die jeweiligen Erbbaurechte zu entnehmen. Dafür mangelt es bereits an der Bezeichnung der Erbbaurechtsflächen, auch in Abgrenzung von den anderweitig verwerteten Flächen ...; mithin an der insbesondere für Grundstücksgeschäfte nötigen Bestimmtheit (vgl. BFH-Urteil vom 20.01.2005 II R 20/03, BFHE 208, 432, BStBl II 2005, 408).

19

bb) Davon abgesehen beziehen sich Gegenstand und Preisregelungen des Beteiligungsvertrags auf den nur quotalen sukzessiven Erwerb von Anteilen an der Klägerin durch den Investor ... Damit unterscheidet sich dieser Vertrag gerade von der ... später folgenden konkreten Erbbaurechts-Bestellung ... und dem hier interessierenden Einbringungs- und Übertragungsvertrag ... in dem für eine fragliche Auslegung nach § 328 BGB maßgeblichen Zweck (vgl. Gottwald in Münchener Kommentar BGB, 4. A., § 328 Rz. 32 m. w. N.; Grüneberg in Palandt, BGB, 73. A., § 328 Rz. 3 m. w. N.).

20

cc) Vielmehr ist im Beteiligungsvertrag ausdrücklich nur die Rede von erst noch zu bestellenden und einzubringenden Erbbaurechten ... sowie abzuschließenden Erbbaurechtsverträgen vorbehaltlich standortbedingter Besonderheiten ... Die gesellschafterinterne Formulierung, dass die Gesellschafter "einander dafür einstehen", entspricht dem vertragspartei-internen Regelungscharakter in den Nebenbestimmungen des Beteiligungsvertrags unter ... "Gewährleistung". Derartige interne Zusicherungen in einer Vereinbarung zwischen Veräußerer und Krankenhausinvestor als Erwerber könnten selbst bei Konkretisierung nicht ohne weiteres Ansprüche aus Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB auslösen (vgl. LAG München, Urteil vom 19.05.2009 6 Sa 981/08, Juris).

(...)

21

d) Im Übrigen darf die Grunderwerbsteuerstelle bei Einbringung eines Erbbaurechts an einem Krankenhaus-Grundstück - ... ausdrücklich als Einlage gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB - in eine Gesellschaft z. B. bei null Erbbauzins § 8 Abs. 2 GrEStG anwenden (vgl. Urteile BFH vom 17.10.2007 II R 63/05, BFHE 218, 429, BStBl II 2008, 381, vorgehend FG Düsseldorf vom 29.06.2004 3 K 4577/02 GE, EFG 2006, 757).

22

e) Schließlich steht die Erforderlichkeit des Grundbesitzwerts im - vorliegenden Feststellungsverfahren nach ständiger Rechtsprechung insbesondere dann bindend völlig außer Frage, wenn die den Bedarfswert anfordernde Finanzbehörde - ... die Grunderwerbsteuerstelle - auf der Grundlage des Bescheids über die Bedarfswertfeststellung tatsächlich bereits Steuer - wie hier die Grunderwerbsteuer - festgesetzt hat (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 09.12.2010 2 K 144/09, Juris Rz. 16; BFH-Urteil vom 29.11.2006 II R 42/05, BFHE 215, 529, BStBl II 2007, 319, Juris Rz. 11; BFH-Beschluss vom 26.01.2006 II B 61/05, BFH/NV 2006, 921 Rz. 7).

23

IV. Erbbaurechtswert ausgehend vom Grundstückswert

24

1. Der Erbbaurechts-Grundbesitzwert bestimmt sich im vorliegenden Bedarfswertverfahren gemäß § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG i. d. F. vor 2007. Danach ergibt sich der Erbbaurechtswert als Differenz zwischen Grundstücks-Gesamtwert und dem abzuziehenden Wert des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks (Differenzmethode). Der zu subtrahierende letztere Wert beträgt gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG i. d. F. vor 2007 das 18,6fache des nach den jährlichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Erbbauzinses.

25

2. Zunächst ist dafür nach § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG i. d. F. vor 2007 der Grundstücks-Gesamtwert zu ermitteln, und zwar gemäß § 147 BewG i. d. F. vor 2007 bei bebauten Grundstücken, deren Gebäude zu Spezialnutzungen errichtet worden sind, das heißt ... auch bei Krankenhäusern (BFH-Urteile vom 25.08.2010 II R 42/09, BFHE 230, 570, BStBl II 2011, 205; darauf verweisend II R 41/09, BFH/NV 2010, 2241).

26

3. Aufgrund § 147 BewG i. d. F. vor 2007 bestimmt sich der Spezialnutzungs-Grundstückswert im Sachwertverfahren aus dem Bodenwert und dem Gebäudewert.

27

4. Gemäß § 147 Abs. 2 Satz 2 BewG bestimmt sich der Gebäudewert nach den ertragsteuerlichen Bewertungsvorschriften im Besteuerungszeitpunkt. Dazu haben sich die Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht über den jeweiligen - gemäß Erklärung, Bescheid und Einspruchsentscheidung unstreitigen - steuerbilanziellen Gebäudewert ... verständigt (... zur Bindung tatsächlicher Verständigungen über Immobilienwerte vgl. FG Hamburg, Urteil vom 07.10.2011 3 K 122/10, DStRE 2012, 759).

28

V. Bodenwert

29

1. Der Bodenwert ist nach § 147 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 145 Abs. 3 BewG i. d. F. vor 2007 jeweils nach der Fläche multipliziert mit dem vom Gutachterausschuss nach dem Baugesetzbuch auf den 1. Januar 1996 mitgeteilten Bodenrichtwert zu ermitteln und danach um 30 % Spezialnutzungsabschlag herabzusetzen.

30

2. Dabei ergibt sich die Fläche für die übertragenen Erbbaurechte jeweils zunächst aus der jeweiligen notariellen Übertragung ..., ggf. in Verbindung mit der darin in Bezug genommenen Erbbaurechts-Bestellungsurkunde einschließlich Anlagen mit Lageplänen ..., sowie, ggfs. nach Neuvermessung, jeweils abschließend aus dem Erbbaugrundbuch ...

31

3. Der dem FA vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte jeweils mitzuteilende Bodenrichtwert auf den 1. Januar 1996 ist vom Gutachterausschuss gemäß § 196 BauGB unter Berücksichtigung unterschiedlicher Entwicklungszustände, Bebauungsplanung oder Nutzung zu ermitteln.

32

a) Dabei kommt es hier für die Bewertung gemäß § 195 Abs. 3 Satz 2 BewG i. d. F. vor 2007 nicht auf die (evtl. noch nicht abschließend geklärten) Fragen an, inwieweit oder wie die Finanzämter nach § 195 Abs. 3 Satz 4 BewG neuer Fassung bei nicht vom Gutachterausschuss ermittelten Richtwerten selbst Bodenwerte aus den Werten vergleichbarer Flächen ableiten können (z. B. für Rohbauland vgl. FG München, Beschluss vom 21.12.2010 4 V 3049/10, EFG 2011, 859, Juris Rz. 24 ff.).

33

b) Für die vorliegende Bewertung nach der vor 2007 geltenden Fassung von § 145 Abs. 3 Satz 1-2 BewG ist dagegen nach ständiger Rechtsprechung geklärt, dass ein FA keine "eigenen" Bodenwerte aus den vom Gutachterausschuss mitgeteilten Bodenrichtwerten ableiten und nicht hinausgehen darf über die bloße Beachtung der jeweils vom Gutachterausschuss vorgegebenen Differenzierung, wie zum Beispiel bei der Anpassung an eine von ihm angegebene Geschossflächenzahl (BFH-Beschluss vom 25.11.2010 II B 3/10, BFH/NV 2011, 415, Juris Rz. 4-5 m. w. N.; vgl. insoweit z. T. noch FG Hamburg, Urteil vom 10.05.2006 3 K 216/05, EFG 2006, 1643, DStRE 2007, 846, Juris Rz. 34 m. w. N.).

34

c) Allein dem Gutachterausschuss vorbehalten sind nach dieser Rechtslage insbesondere
- die Ableitung eines Bodenrichtwerts aus dem Bodenrichtwert für eine benachbarte Richtwertzone (BFH-Urteil vom 25.08. 2010 II R 42/09, BFHE 230, 570, BStBl II 2011, 205, Juris Rz. 18);
- die Ableitung von Bodenrichtwerten mittels Zuschlags für erschließungsbeitragsfreie Grundstücke aus Bodenrichtwerten für erschließungsbeitragspflichtiges Bauland (BFH-Urteil vom 16.12.2009 II R 15/09, BFH/NV 2010, 1085);
- die Ermittlung oder Ableitung von Bodenrichtwerten für die in der Bebauungsplanung vorgesehenen Gemeinbedarfs- bzw. Krankenhausflächen - wie hier - (Urteile BFH vom 25.08.2010 II R 42/09, BFHE 230, 570, BStBl II 2011, 205, Juris Rz. 2, 5 13 f, 18; vom 25.08.2010 II R 41/09, BFH/NV 2010, 2241, Juris Rz. 9; vgl. FG Münster vom 18.10.2007 3 K 805/05 F, EFG 2008, 10);
- die Ableitung von Bodenrichtwerten für Brutto- oder Nettorohbauland vom Bodenrichtwert für erschließungsbeitragsfreie Flächen; der Finanzverwaltung ist es nicht erlaubt, hierfür stattdessen selbst bestimmte Abschläge zu verwenden - wie hier (oben A II 7 b-c, III 4, 6, 7 a) - (Urteile FG Münster vom 18.10.2007 3 K 805/05 F, EFG 2008, 10; BFH vom 26.04.2007 II R 58/04, BFHE 213/207, BStBl II 2006, 793; entgegen R 160 ErbStR 2003 zu § 145 BewG bzw. H B 179.3 ErbStHB 2012). Insoweit folgt das FG der zwischenzeitlich veröffentlichten Judikatur unter Änderung seiner früheren Rechtsprechung (z. T. entgegen Urteil vom 10.05. 2006 3 K 216/05, EFG 2006, 1643, DStRE 2007, 846, Juris Rz. 34 m. w. N.).

35

d) Diesbezüglich fehlende Vorgaben und Beschlüsse des Gutachterausschusses können nicht durch Äußerungen seines Vorsitzenden oder seiner Geschäftsstelle ersetzt werden (BFH-Urteile vom 25.08.2010 II R 42/09, BFHE 230, 570, BStBl II 2011, 205, Juris Rz. 18; vom 16.12.2009 II R 15/09, BFH/NV 2010, 1085, Juris Rz. 16).

36

e) Schon deswegen genügt auch nicht der vorliegende Beschluss des Gutachterausschusses ... betreffend Krankenhausgrundstücke mit dem Hinweis, dass "die steuerlichen Bewertungsschriften bereits entsprechende Pauschalisierungen vorsehen" ... Diese Formulierung schließt nämlich insbesondere nicht aus, dass außer oder vor den steuergesetzlichen Abschlägen wie hier 30 % nach § 147 Abs. 2 Satz 1 BewG i. d. F. vor 2007 dem FA die unzulässige eigene Entscheidung über die Anwendung von Rohbaulandabschlägen gemäß R 160 ErbStR 2003 überlassen wurde.

37

f) Der Gutachterausschuss kann sich seiner Verpflichtung, für jedes Gebiet einen Bodenrichtwert zu ermitteln und ergänzenden Vorgaben der Finanzverwaltung für die Ermittlung von Bodenrichtwerten nachzukommen, nicht mit dem Hinweis darauf entziehen, die Ermittlung sei nicht möglich oder besonders schwierig (vgl. Freise in Brügelmann, BauGB, § 196 Rz. 17 ff, 34; Kleiber in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 196 Rz. 52 f).

38

Vielmehr ist der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 145 Abs. 3 BewG i. d. F. vor 2007 i. V. m. § 196 BauGB ersichtlich davon ausgegangen, dass eine flächendeckende Ermittlung von Bodenrichtwerten möglich ist. Andernfalls hätte er von vornherein eine Regelung für den Fall treffen müssen, dass für bestimmte Grundstücke ein Bodenrichtwert nicht ermittelt werden kann. Dass der Gesetzgeber die Ermittlung eines Bodenrichtwerts für alle Grundstücke als möglich ansieht, wird durch die Neufassung des § 196 Abs. 1 Satz 1 BauGB durch Art. 4 Nr. 2 Buchst. a des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 3018) bestätigt. Die Vorschrift bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass die Bodenrichtwerte flächendeckend zu ermitteln sind.

39

Wie sich aus dem in § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG verwendeten Ausdruck "bestimmt sich" ergibt, sind die für die Bewertung der unbebauten Grundstücke nach dieser Vorschrift maßgebenden - nur um die gesetzlichen Abschläge von 20 % nach § 145 bzw. hier von 30 % nach § 147 BewG i. d. F. vor 2007 zu ermäßigenden - Bodenrichtwerte, die die Gutachterausschüsse nach § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG i. d. F. vor 2007 auf den 1. Januar 1996 ermittelt und den Finanzämtern mitgeteilt haben, für die Beteiligten im Steuerrechtsverhältnis verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich. Die Übertragung der Ermittlung der Bodenrichtwerte auf eine außerhalb der Steuerverwaltung eingerichtete, mit dieser allerdings durch die in § 192 Abs. 3 Satz 2 BauGB vorgeschriebene Mitwirkung eines Bediensteten der zuständigen Finanzbehörde mit Erfahrung in der steuerlichen Bewertung von Grundstücken als Gutachter bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte personell verbundene Stelle beruht darauf, dass den Gutachterausschüssen aufgrund ihrer besonderen Sachkunde und Erfahrung (§ 192 Abs. 3 Satz 1 BauGB) und ihrer größeren Ortsnähe sowie der in hohem Maße von Beurteilungs- und Ermessenserwägungen abhängigen Wertfindung eine vorgreifliche Kompetenz bei der Feststellung von Bodenrichtwerten für die Bedarfsbewertung zukommt. Der Gesetzgeber beabsichtigt mit dieser Regelung eine Typisierung (§ 138 Abs. 3 Satz 1 BewG) und Vereinfachung der Bedarfsbewertung (BFH-Urteile vom 16. Dezember 2009 II R 15/09, BFH/NV 2010, 108; vom 5. Dezember 2007 II R 70/05, HFR 2008, 793, BFH/NV 2008, 757; vom 26. April 2006 II R 58/04, BFHE 213, 207, BStBl II 2006, 793; vom 11. Mai 2005 II R 21/02, BFHE 210, 48, BStBl II 2005, 686; ständige Rechtsprechung).

40

g) Soweit oder solange es hier an vom Gutachterausschuss beschlossenen Bodenrichtwerten oder Bodenrichtwert-Ableitungen fehlt (oben c, A III 4-5), geht dies zu Lasten des FA, kann die Bodenwertermittlung des FA nicht berücksichtigt werden und scheidet auch der Ansatz eines Boden-Verkehrswerts aus (BFH-Urteile vom 25.08.2010 II R 42/09, BFHE 230, 570, BStBl II 2011, 205, Juris Rz. 19; II R 41/09, BFH/NV 2010, 2241; vom 16.12.2009 II R 15/09, BFH/NV 2010, 1085, Juris Rz. 17).

41

h) Daher ist dem FA zunächst Gelegenheit zu geben, beim Gutachterausschuss binnen angemessener Frist hinzuwirken auf die Ermittlung und Mitteilung jeweils der für die Bedarfsbewertung - hier der jeweiligen Krankenhausflächen ... - geeigneten Bodenrichtwerte auf den 1. Januar 1996 nach den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Wertverhältnissen und den tatsächlichen Verhältnissen gemäß Bedarfswertanforderung zum Besteuerungszeitpunkt der Erbbaurechts-Übertragung ... (vgl. BFH-Urteile vom 05.12.2007 II R 70/05, HFR 2008, 793, BFH/NV 2008, 757, Juris Rz. 14; vom 26.04.2006 II R 58/04, BFHE 213, 207, BStBl II 2006, 793, Juris Rz. 29).
(...)

42

j) Als angemessene Frist wird hiermit eine Ausschlussfrist von sechs Monaten ab Zustellung des Zwischenurteils beim FA gemäß § 79b FGO gesetzt, für die bereits die Zeit vor Rechtskraft des Zwischenurteils nutzbar ist... und über deren nötigenfalls zu beantragende Verlängerung der Berichterstatter befinden könnte (vgl. Urteile FG Münster vom 18.10.2007 3 K 805/05 F, EFG 2008, 280, Juris Rz. 16 f, 27; FG Düsseldorf vom 28.04.2005 11 K 4435/02 BG, EFG 2005, 1520, Juris Rz. 16, 28).

43

k) Zu der vom FA aufgeworfenen Frage einer eventuell anschließenden Verböserung ("reformatio in peius") der Grundbesitzwert-Feststellungen wird auf das aus § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO und Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitete gerichtliche Verböserungsverbot hingewiesen, das zugleich die Änderungsmöglichkeiten des FA weitenteils begrenzt (vgl. Urteile BFH vom 12.08.1997 VII R 43/97, BFH/NV 1998, 415; vom 27.03.1996 I R 182/94, BFHE 180, 444, BStBl II 1997, 449; FG Hamburg vom 24.04.2009 3 K 6/09, EFG 2010, 9, DStRE 2010, 179).

44

VI. Erbbaurechtswert bei null Grundlaufzeit-Erbbauzins

45

1. Bei der abschließenden Ermittlung des Erbbaurechts-Bedarfswerts ist aufgrund § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG i. d. F. vor 2007 von dem bei der Spezialnutzung nach § 147 BewG ermittelten Grundstücks-Gesamtwert auszugehen... und dieser im Wege der Differenzmethode um den Wert des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks zu verringern, der gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG i. d. F. vor 2007 "das 18,6fache des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Erbbauzinses" beträgt.

46

2. Nach diesem eindeutigen Gesetzeswortlaut kommt es für den vom Grundstücks-Gesamtwert abzuziehenden Wert des belasteten Grundstücks in Höhe des 18,6fachen zu zahlenden jährlichen Erbbauzinses auf den "im Besteuerungszeitpunkt" zu zahlenden jährlichen Erbbauzins an (vgl. BFH-Beschluss vom 22.05.2002 II B 173/01, BFHE 199, 11, BStBl II 2002, 844, Juris Rz. 8); das heißt hier auf den für die 60jährige Grundlaufzeit vereinbarten Erbbauzins null und nicht auf den erst nach zukünftiger eventueller Ausübung der Verlängerungsoption vorgesehenen Erbbauzins ...

47

a) Die bloße noch nicht ausgeübte Option stellt auch keinen gestaffelten Erbbauzins dar, so dass es nicht darauf ankommt, ob oder inwieweit aus einem solchen ein von null abweichender Durchschnitts-Erbbauzins errechnet werden könnte.
(...)

48

c) Insbesondere kann von dem Ergebnis der Anwendung des § 148 BewG i. d. F. vor 2007 in Fällen eines zu niedrigen oder fehlenden Erbbauzinses (Abs. 1, bzw. Pachtzinses, Abs. 2) nicht dadurch abgewichen werden, dass stattdessen ein angemessener oder üblicher Erbbauzins (bzw. Pachtzins) zugrunde gelegt wird ... (Hessisches FG, Urteil vom 02.02.2012 3 K 1252/09, Juris Rz. 59, rechtskräftig durch BFH-Beschluss vom 07.09.2012 II B 45/12, BFH/NV 2012, 1945).

49

In der Systematik des Bedarfswertverfahrens ist zwischen den gesetzesgemäß einzubeziehenden Werten ... einerseits und dem eröffneten Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts bzw. Verkehrswerts andererseits zu unterscheiden. Eine Kombination von Bedarfswert-Bestandteilen und gutachtlichen Verkehrswert-Bestandteilen ist außerhalb gesetzlicher Regelungen nicht zugelassen (BFH-Urteil vom 09.04.2014 II R 48/12, DStR 2014, 1055, HFR 2014, 622, Juris Rz. 16; FG Hamburg, Urteil vom 19.02.2009 3 K 13/08, EFG 2009, 1144, DStRE 2009, 1271, Juris Rz. 39-42).

50

d) Dementsprechend beträgt bei dem vereinbarten jährlichen Erbbauzins von null auch der 18,6fache jährliche Erbbauzins null und damit auch der vom Grundstücks-Gesamtwert abzuziehende Wert des belasteten Grundstücks null, so dass der Erbbaurechts-Bedarfswert dem Grundstück-Gesamtwert entspricht (neben der zu c-d genannten Rechtsprechung vgl. zu a-d insgesamt R. 182 Abs. 2 ErbStR 2003 zu § 148 BewG i. d. F. vor 2007; Mannek/Blum in Gürsching/Stenger, § 148 BewG bis 2006 Rz. 13, 42, 52, 58-62, 76, 91; Schaffner in Kreutziger/Lindberg/Schaffner, BewG, 1. A., § 148 [i. d. F. vor 2007] Rz. 10, 13, 15, 20; Halaczinsky in Rössler/Troll BewG, § 148 a. F. Rz. 19-20, 28; Knobel in Viskorf u. a., ErbStG/BewG, 2. A., § 148 BewG [i. d. F. vor 2007] Rz. 11, 12).

51

2. Zwar führt diese Gesetzessystematik in der Fassung vor Einführung von § 138 Abs. 4 BewG 2007 in Einzelfällen
- bei unüblich hohem Erbbauzins unter Umständen zu einem übermäßig hohen Bedarfswert des belasteten Grundstücks (§ 148 Abs. 1 Satz 1 BewG i. d. F. vor 2007; vgl. BFH-Urteile vom 11.12.2013 II R 22/11, BFH/NV 2014, 1086; vom 05.05.2004 II R 45/01, BFHE 204, 570, BStBl II 2004, 1036) oder umgekehrt
- bei - wie hier - fehlendem oder bei unüblich niedrigem Erbbauzins unter Umständen zu einem übermäßig hohen Erbbaurechts-Bedarfswert (§ 148 Abs. 1 Satz 2 BewG i. d. F. vor 2007; vgl. BFH, Urteile vom 22.01. 2009 II R 10/07, Juris; vom 22.01.2009 II R 9/07, BFH/NV 2009, 1096; vom 17.05.2006 II R 58/02, DStRE 2006, 1135, BFH/NV 2006, 1804; vom 29.09.2004 II R 57/02, BFHE 207, 52, BStBl II 2004, 1041; Beschluss vom 22.05.2002 II B 173/01, BFHE 199, 11, BStBl II 2002, 844).

52

Dem Einwand der Verfassungswidrigkeit wegen möglicher Überbewertungen ist jedoch der Boden entzogen durch die ständige Rechtsprechung, wonach zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot bei der Bewertung eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks oder eines Erbbaurechts gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 BewG i. d. F. vor 2007 im Wege verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift für Übermaßfälle der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zugelassen wurde (vgl. neben den vorgenannten jeweils speziellen Urteilen zusammenfassend BFH vom 08.06.2005 II R 8/03, BFH/NV 2005, 2170; FG Hamburg vom 19.02.2009 3 K 13/08, EFG 2009, 1271, DStRE 2009, 1271, Juris Rz. 36 ff.; Kommentare oben 1 d; Hinweise vom 14.03.2014, führende FG-A 3 K 134/13 Barmbek Bl. 189 zu D).

53

Dieser Nachweis ist vom Steuerpflichtigen zu führen (vgl. neben vorbezeichneten Urteilen und Hinweisen BFH-Beschluss vom 25.03.2009 II B 62/08, BFH/N 2099, 1091).
(...)