Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 12. Apr. 2016 - 11 K 1965/13

12.04.2016

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig ist die Erstattung von Einfuhrabgaben, die maßgeblich von der Tarifierung von „Milchpermeat Y“ abhängt.
Die Klägerin handelt mit Milcherzeugnissen. Mit sechs Schreiben jeweils vom 30. Juli 2012 beantragte sie die Erstattung von Eingangsabgaben in Höhe von insgesamt xxx.xxx,xx EUR. Die Einfuhrabgaben waren mit sechs Bescheiden für im ersten Quartal des Jahres 2012 unter der Bezeichnung „Milchpermeat Y“ eingeführte Waren erstmals festgesetzt bzw. nacherhoben worden. Dabei handelt es sich um die folgenden Bescheide:
1.  [ 1 ...] vom 3. April 2012 (RL xxx/xx) über xx.xxx,xx EUR
2.  [2 ... ] vom 3. April 2012 (RL xxx/xx) über xx.xxx,xx EUR
3.  [3 ... ] vom 3. April 2012 (RL xxx/xx) über xx.xxx,xx EUR
4.  [4 ... ] vom 11. April 2012 (RL xxx/xx) über xxx.xxx,xx EUR
5.  [5 ... ] vom 11. April 2012 (RL xxx/xx) über xxx.xxx,xx EUR
6.  [6 ... ] vom 16. Mai 2012 (RL xxx/xx) über xx.xxx,xx EUR
Bei der Einfuhr hatte die Klägerin das „Milchpermeat Y  – direkt vertreten durch die Zollagentur X –  beim Zollamt A jeweils als Waren der Unterposition 0404 1048 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet (Zollsatz 0,07 EUR pro kg Trockenmasse). In zwei Fällen hatte das Zollamt eine Warenprobe entnommen und diese zur Begutachtung an das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung (BWZ) gesandt. Auf Nachfrage des BWZ im Rahmen der Begutachtung teilte die Lieferantin L mit, das „Milchpermeat Y sei durch Ultrafiltration von Milch aus der Schweiz hergestellt worden. Daraufhin reihte das BWZ mit Einreihungsgutachten vom 21. März 2012 „Molke-Milchpermeat Y und mit Einreihungsgutachten vom 30. April 2012 „Milchpermeat Y unter die Unterposition 0404 9021 KN (Zollsatz 100,40 EUR pro Dezitonne) ein, da die Waren nicht aus Molke, sondern aus Milch hergestellt worden seien (Behördenakten Band 1 Blatt 245 bzw. 305). Das Hauptzollamt (HZA) folgte dieser Einreihung, setzte abweichend von den Zollanmeldungen mit Bescheid vom 16. Mai 2012 die mit Bescheid vom 30. März 2012 in Höhe von xx.xxx,xx EUR zunächst nicht abschließend festgesetzten Einfuhrabgaben nunmehr abschließend fest und erhob nach Art. 220 des Zollkodex (Verordnung [EWG] Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – ZK –)mit drei Bescheiden vom 3. April 2012 und mit zwei Bescheiden vom 11. April 2012 Einfuhrabgaben in Höhe von weiteren xxx.xxx,xx EUR nach. Insgesamt wurden mit den maßgeblichen Bescheiden somit xxx.xxx,xx EUR festgesetzt. Mit Bescheid [ 7 ... ] vom 17. Oktober 2012 lehnte das HZA die beantragte Erstattung ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das HZA mit Entscheidung vom 25. April 2013 als unbegründet zurück, die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 3. Mai 2013 förmlich zugestellt wurde.
Mit ihrer hiergegen gerichteten, bei Gericht am 3. Juni 2013 eingegangenen Klage macht die Klägerin geltend, die mit den genannten Bescheiden festgesetzten bzw. nacherhobenen Einfuhrabgaben seien bereits nach Art. 236 ZK zu erstatten, da es sich bei den eingeführten Waren nicht um solche der Unterposition 0404 9021 KN, sondern um Waren der Unterposition 0404 1048 KN handle. Die Tatsache, dass die Waren durch Ultrafiltration von Milch gewonnen worden seien, stehe einer Einreihung in die Unterposition 0404 1048 KN nicht entgegen. Zum einen komme es für die Einreihung nicht auf die Herstellung der Ware an, da die in Betracht kommenden Tarifpositionen dies nicht ausdrücklich vorschrieben, zum anderen betreffe die Unterposition 0404 10 des Harmonisierten Systems (HS)  – der die ersten sechs Ziffern der KN entsprechen –  ausweislich der französischen und der englischen Fassung Milchserum. Dieser Begriff sei nicht mit Molke gleichzusetzen. Vielmehr umfasse Milchserum sowohl Milchpermeat als auch Molkenpermeat. Dementsprechend hätten sowohl die französische als auch die Schweizer Zollverwaltung Produkte wie die vorliegend zu beurteilende Ware als solche der Unterposition 0404 10 HS eingereiht. Die Klägerin verweist auf entsprechende, der Klage in Kopie beigefügte verbindliche Zolltarifauskünfte.
Die vom HZA für zutreffend erachtete Unterposition 0404 90 HS sei auf Eiweißkonzentrate beschränkt und umfasse keine Permeate, unabhängig davon, ob sie aus Milch oder Molke hergestellt worden seien.
Im Übrigen liege lediglich hinsichtlich der unter Position 1 des oben unter Nummer 6 aufgelisteten Bescheides vom 16. Mai 2012 aufgeführten Ware ein Untersuchungsergebnis vor. Das andere Gutachten betreffe keine von den vorliegend angegriffenen Bescheiden betroffene Ware. Eine Übertragung der Untersuchungsergebnisse auf andere Waren sei unzulässig.
Für den Fall, dass es sich aber um Waren der Unterposition 0404 9021 KN handeln sollte, seien die Abgaben nach Art. 239 ZK zu erstatten. Der hierfür erforderliche besondere Umstand liege darin, dass die Lieferantin der Klägerin auf eine unrichtige bzw. unvollständige verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) der französischen Zollbehörden vertraut und daher die Waren als solche der Unterposition 0404 1048 KN bezeichnet habe. Zwar könne sich die Lieferantin nicht auf die Verbindlichkeit der vZTA berufen; nach der Rechtsprechung des EuGH komme in diesen Fällen jedoch die Annahme eines außergewöhnlichen Umstandes in Betracht. Die Möglichkeit einer Einholung einer vZTA schließe die Annahme außergewöhnlicher Umstände nicht aus. Sie, die Klägerin, habe auch keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Einreihung haben müssen, da die objektive Beschaffenheit von Molkenpermeat und Milchpermeat identisch sei. Zudem habe sie sich auf die Erfahrung und die Kenntnisse ihrer Lieferantin verlassen dürfen, die seit 15 Jahren aus Molke oder Milch hergestelltes Permeat nach Frankreich liefere, wo „Milchpermeat Y immer unter der Unterposition 0404 1048 KN eingereiht werde. Diese Einreihung beruhe auch nicht auf einer fehlenden Kenntnis der Eigenschaften der Ware, da diese auch von den französischen Behörden untersucht worden sei.
Durch die vom HZA vorgenommene Einreihung werde sie gegenüber Wirtschaftsbeteiligten aus anderen Mitgliedstaaten schlechter gestellt, wodurch ihr ein Schaden entstehe. Solche Konstellationen fielen in den Anwendungsbereich des Art. 239 ZK. Zudem hätten die deutschen Zollbehörden weder die L noch sie, die Klägerin, auf die bestehenden Zweifel an der Einreihung hingewiesen. Auch dies begründe eine Erstattung nach Art. 239 ZK. Offensichtliche Fahrlässigkeit liege nicht vor, weshalb die Abgaben zu erstatten seien.
10 
Die Klägerin beantragt,
das beklagte HZA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides [ 7 ... ] vom 17. Oktober 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 25. April 2013 zu verpflichten, ihr die auf der Grundlage der auf Seite 2 der Klageschrift vom 3. Juni 2013 näher bezeichneten Bescheide vom 30. März sowie vom 3. und 11. April 2012 erhobenen Einfuhrabgaben in Höhe von xxx.xxx,xx EUR zu erstatten.
11 
Das HZA beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
12 
Zur Begründung verweist es zunächst auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung und führt weiter aus, „Milchpermeat Y werde aus Milch und nicht aus Molke hergestellt, weshalb eine Einreihung als Molkeerzeugnis der Unterposition 0404 10 HS ausscheide.
13 
Aus den verschiedenen Sprachfassungen könne keine andere Tarifierung hergeleitet werden. Die englische Fassung der Unterposition 0404 10 HS verwende die Bezeichnung „whey“, die mit dem deutschen Begriff „Molke“ gleichzusetzen sei, nicht aber mit „milk serum“ oder dem deutschen „Milchserum“. „Whey“ stelle auf die Gerinnung von Milch bei der Käseherstellung ab, die der Herstellung des vorliegend zu beurteilenden Produkts jedoch nicht zugrunde liege. Entsprechendes gelte für die französische Sprachfassung. Der dort verwendete Begriff „Lactosérum“ stelle ebenfalls auf die Gerinnung von Milch im Zusammenhang mit der Herstellung von Käse ab.
14 
Soweit sich die Klägerin auf  – im Übrigen nicht ihr selbst, sondern Dritten erteilte –  vZTAe berufe, beträfen diese offensichtlich nicht die gleiche Ware, sondern Molkeprodukte. Den vZTAen könne jedenfalls nicht entnommen werden, dass es sich hierbei nicht um ein Produkt aus Molke, sondern aus Milch handle. Lediglich die als Anlage 11 der Klagebegründung beigefügte vZTA FR-RTC-2013-161205 betreffe ein im Wege der Ultrafiltration von Magermilch gewonnenes Milchpermeat. Gleichwohl sei der Klägerin selbst keine vZTA erteilt worden. Auf die angesprochenen, Dritten erteilten vZTAe könne sie sich nicht berufen. Lediglich Frankreich weiche in Einzelfällen von der mit der EU-Kommission abgestimmten Einreihungsauffassung ab, habe aber für „permeat de lait“ gleichwohl auch Einreihungen in Unterposition 0404 90 HS vorgenommen.
15 
Anders als die Klägerin meine, sei das Herstellungsverfahren zolltariflich nicht unerheblich. Der Wortlaut der Unterposition 0404 10 HS stelle ausdrücklich auf Molke und nicht auf Milchserum ab. Bei den eingeführten Waren handle es sich aber weder um Molke, noch seien sie aus Molke hergestellt. Unterposition 0404 90 HS sei auch nicht auf Eiweißkonzentrate beschränkt. Eine solche Einschränkung ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Position und Unterpositionen noch aus den Erläuterungen hierzu.
16 
Auch das Einreihungsgutachten vom 21. März 2012 betreffe eine von den vorliegend relevanten Bescheiden erfasste Einfuhrsendung, und zwar diejenige, für die mit Bescheid [ 1 ...] vom 3. April 2012 insgesamt xx.xxx,xx EUR nacherhoben worden seien. Dass für die übrigen Einfuhrsendungen keine Probenuntersuchungen vorgenommen worden seien, stehe der Rechtmäßigkeit der Nachforderungen nicht entgegen.
17 
Die von der Klägerin geltend gemachte Erstattung nach Art. 239 ZK scheitere am Fehlen eines besonderen Umstands und am Vorliegen offensichtlicher Fahrlässigkeit. Die Klägerin habe  – wie sich aus ihren mündlichen und schriftlichen Äußerungen ergebe –  hinsichtlich der Tarifierung auf die Angaben ihres Lieferanten vertraut, ohne diese zu überprüfen.
18 
Wegen der Einzelheiten wird auf die Klagebegründung vom 23. September 2013, die Klageerwiderung vom 27. Mai 2014 und die Einspruchsentscheidung vom 25. April 2013 verwiesen.
19 
Am 12. April 2016 wurde die Sache mündlich verhandelt. Wegen des Ablaufs der Verhandlung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Das HZA hat zu Recht die von der Klägerin beantragte Erstattung von Einfuhrabgaben abgelehnt. Die Klägerin wird durch die Ablehnung nicht in ihren Rechten verletzt (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
21 
Die Erstattung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben ist in Art. 236 bis Art. 239 ZK geregelt. Gemäß § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes gelten für die Einfuhrumsatzsteuer – von vorliegend nicht relevanten Ausnahmen abgesehen – die Vorschriften für Zölle sinngemäß. Gemäß § 14 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung wird die Einfuhrumsatzsteuer in den in Art. 235 bis 242 ZK bezeichneten Fällen in sinngemäßer Anwendung dieser Vorschriften erstattet (vgl. zur Überlagerung der nationalen Erstattungsregelungen für die Einfuhrumsatzsteuer BFH-Urteil vom 9. Dezember 2010 VII R 20/10, BFH/NV 2011, 875, ZfZ 2011, 160).
22 
Die Klägerin hat weder nach Art. 236 ZK noch nach Art. 239 ZK einen Anspruch auf Erstattung der Einfuhrabgaben.
23 
1. Die Voraussetzungen für eine Erstattung der Einfuhrabgaben nach Art. 236 ZK liegen nicht vor. Zwar hat sie den Antrag innerhalb der in Art. 236 Abs. 2 Satz 1 ZK vorgesehenen Frist von drei Jahren nach Mitteilung der Abgaben bei der zuständigen Zollstelle gestellt, der Antrag ist jedoch unbegründet.
24 
Nach Art. 236 Abs. 1 ZK werden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung oder im Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Art. 220 Abs. 2 ZK buchmäßig erfasst worden ist.
25 
Vorliegend waren die in den oben genannten Bescheiden festgesetzten Abgaben gesetzlich geschuldet (siehe dazu unter Buchstabe a). Das HZA durfte die von den unter den laufenden Nummern 1 bis 5 genannten Bescheiden erfassten Einfuhrabgaben auch nacherheben. Insbesondere stand der Nacherhebung Art. 220 Abs. 2 ZK nicht entgegen (siehe dazu unter Buchstabe b).
26 
a) Für die von den oben genannten Bescheiden erfassten Waren ist unstreitig eine Zollschuld nach Art. 201 Abs. 1 ZK entstanden. Die festgesetzte Höhe der Abgaben ist nicht zu beanstanden. Das HZA hat zu Recht bei der Berechnung einen Zollsatz von 100,40 EUR pro Dezitonne zugrunde gelegt, der sich aus einer Einreihung der Waren in die Unterposition 0404 9021 KN ergibt.
27 
Der anzuwendende Abgabensatz ergibt sich nach Art. 20 Abs. 1 ZK aus dem Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften, der nach Abs. 3 Buchstabe a der Vorschrift auch die KN umfasst. Diese ist in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif anzuwenden (Amtsblatt  – ABl. –  der EU Nr. L 282/1 vom 28. Oktober 2011).
28 
Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN festgelegt sind (Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der KN Teil I Titel I Abschnitt A der KN; EuGH-Urteile vom 19. Juli 2012 Rs. C-336/11  – Rohm & Haas Electronic Materials CMP Europe u.a. –,ECLI:EU:C:2012:500, Rz. 31, HFR 2012, 1034 und ZfZ 2013, 26; vom 7. Februar 2002 Rs. C-276/00  – Turbon International –, Sammlung der Rechtsprechung des EuGH und des Gerichts Erster Instanz  – Slg. –  2002, I-1389 Rn. 21; vom 4. März 2004 Rs. C-130/02  – Krings–, Slg. 2004, I-2121 Rn. 28).
29 
„Milchpermeat Y ist danach als „Erzeugnis aus natürlichen Milchbestandteilen, anderweit weder genannt noch inbegriffen, andere Ware als Molke und modifizierte Molke, ohne Zusatz von Zucker oder anderen Süßmitteln, mit einem Milchfettgehalt von 1,5 GHT oder weniger“ in Unterposition 0404 9021 KN einzureihen.
30 
(1) Bei der von der Klägerin angemeldeten Ware handelt es sich um ein Permeat, und zwar um ein Produkt, das durch Ultrafiltration von Milch hergestellt wird. Dieses „Milchpermeat Y wird  – auch nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten –  von Position 0404 HS angesprochen, die lautet, „Molke, auch eingedickt oder mit Zusatz von Zucker oder anderen Süßmitteln; Erzeugnisse, die aus natürlichen Milchbestandteilen bestehen, auch mit Zusatz von Zucker oder anderen Süßmitteln, anderweit weder genannt noch inbegriffen“. Die genannten Waren werden in den Unterpositionen 0404 10 und 0404 90 HS weiter unterschieden. Während Unterposition 0404 10 HS „Molke und modifizierte Molke, auch eingedickt oder mit Zusatz von Zucker oder anderen Süßmitteln“ erfasst, werden die dort nicht genannten Waren der Position 0404 HS als „andere“ Waren in Unterposition 0404 90 HS eingereiht.
31 
(2) Anhaltspunkte dafür, was unter „Molke und modifizierte Molke“ zu verstehen ist, enthalten die Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens zum HS (Erl(HS)) unter 01.1 zu Position 0404 HS. Danach handelt es sich bei Molke im Sinne der Position 0404 HS um die natürlichen Milchbestandteile, die nach dem Entzug des Fettes und des Caseins aus der Milch zurückbleiben. Dieser Entzug erfolgt klassischerweise bei der Herstellung von Käse. Die Abscheidung von Casein und Fett kann zwar auch durch Ultrafiltration von Milch oder Molke erreicht werden, gleichwohl handelt es sich bei einem auf diese Weise hergestellten Produkt nicht um Molke, sondern um Permeat. Dieses kann entweder aus Molke (Molkenpermeat) oder aus Milch (Milchpermeat) gewonnen werden. Handelt es sich um Molkenpermeat, kann das Produkt als modifizierte Molke in Unterposition 0404 10 HS eingereiht werden. Milchpermeat wird dagegen von dieser Unterposition nicht angesprochen und ist in Unterposition 0404 90 HS einzureihen. Da es sich bei „Milchpermeat Y um eine Ware der Position 0404 HS handelt, die nicht von Unterposition 0404 10 HS erfasst wird, ist das Produkt Unterposition 0404 90 HS zuzuweisen.
32 
Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Definition von Molke in den Erl(HS) 01.1 zu Position 0404 HS in ihrer Formulierung „die natürlichen Milchbestandteile, die nach dem Entzug des Fettes und des Caseins aus der Milch zurückbleiben,“ nicht ausdrücklich auf das Verfahren Bezug nimmt, mit dem das Fett und das Casein der Milch entzogen werden. Denn zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die Erl(HS) sowie die Erläuterungen der Kommission zur KN (Erl(KN)) zwar ein wichtiges Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen, jedoch nicht verbindlich sind (EuGH-Urteile vom 7. Februar 2002 Rs. C-276/00  – Turbon International –, Slg. 2002, I-1389 Rz. 22 sowie vom 4. März 2004 Rs. C-130/02  – Krings –, Slg. 2004, I-2121 Rn. 28). Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Erl(HS) 01.1 zu Position 0404 HS zu einem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem die Ultrafiltration von Milch noch kein gängiges Verfahren bei der Herstellung von Molkereiprodukten darstellte, mithin ein Entzug von Fett und Casein grundsätzlich durch Zugabe von Lab zur Milch (zum Ausfällen des Milcheiweißes bei der Käseherstellung) oder durch Zusatz von Milchsäurebakterien (zur Herstellung von Quark) und anschließendem Abseihen der Feststoffe erfolgte. Der für die Erarbeitung der Erl(HS) zuständige Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens verstand demnach unter der Formulierung „Entzug des Fettes und des Caseins aus der Milch“ den im Rahmen der klassischen Käseherstellung durch Zusatz von Lab oder Milchsäurebakterien erfolgenden Abscheidungsvorgang. Ultrafiltration von Milch ist erst seit Ende der 1990er Jahre in der Milchwirtschaft gebräuchlich, während sie davor hauptsächlich Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen war (vgl. z. B. die in der Klagebegründung vom 23. September 2013 auf Seite 3 aufgeführten Beispiele).
33 
(3) Für dieses Verständnis des Unterpositionswortlauts „Molke und modifizierte Molke“ spricht bereits der jeweilige Sprachgebrauch der Begriffe „Molke“, und zwar nicht nur im Deutschen sondern auch in den verbindlichen französischen und englischen Sprachfassungen („lactosérum“ und „whey“).
34 
Im Deutschen wird unter Molke die aus geronnener Milch nach dem Abscheiden des Fettes und des Kaseins ablaufende grünlich gelbe Flüssigkeit verstanden (Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, 20. Aufl., 1998). Dies entspricht den Angaben auf der aktuellen Homepage der Lieferantin der Klägerin, der L, wonach Molke ein flüssiges Produkt ist, das bei der Käseherstellung anfällt (http://www. [ ... ]/). Auch die Klägerin behauptet nicht, dass es sich bei dem von ihr eingeführten Produkt um Molke handelt, sie unterscheidet vielmehr ausdrücklich Molke von Permeat. Die von ihr vertretene Tarifauffassung stützt sie vielmehr darauf, dass es sich bei beiden Produkten um „Milchserum“ handele und der Wortlaut der Unterposition 0404 10 HS nicht Molke, sondern Milchserum und damit auch Permeat erfasse. Es ist schon fraglich, ob es sich bei dem Begriff „Milchserum“ tatsächlich  – wie die Klägerin vorträgt –  um einen Oberbegriff für Molke und Permeat handelt oder ob „Milchserum“ vielmehr ein Produkt ist, das aus Molke hergestellt wird, indem dieser die Molkenproteine entzogen werden. Der Senat konnte diese Frage offen lassen, da Unterposition 0404 10 HS seinem Wortlaut nach ausdrücklich Molke und modifizierte Molke umfasst. Milchserum ist dagegen weder im Positionswortlaut noch im Unterpositionswortlaut genannt.
35 
Anders als die Klägerin meint, ergibt sich auch aus den verbindlichen englischen und französischen Sprachfassungen nichts anderes. Unterposition 0404 10 HS umfasst nach dem französischen Wortlaut
36 
„Lactosérum, modifié ou non, même concentré ou additionné de sucre ou d'autres édulcorants.“
37 
Der Begriff „Lactosérum“ beschreibt dabei nicht etwa, wie der lateinische Wortstamm nahe legt und die Klägerin vorträgt, „Milchserum“, sondern „Molke“. Dies wird aus der eindeutigen französischen Definition des Begriffs „lactosérum“ deutlich:
38 
„lactosérum , subst. masc., „Liquide libéré au cours de l'égouttage du caillé de lait“
(Centre National de Ressources Textuelles et Lexicales)
„lactosérum, n. m.: Liquide jaune pâle séparé du caillé lors de la fabrication du fromage“ (Le Petit Larousse, Dictionaire, 2008)
39 
Entsprechendes gilt für die englische Fassung der Unterposition 0404 10 HS, die folgenden Wortlaut hat:
40 
„Whey and modified whey, whether or not concentrated or containing added sugar or other sweetening matter.“
41 
Auch die englische Definition von „whey“ stellt auf die bei der Käseherstellung entstehende Molke ab:
42 
„whey, n.: the watery part of milk that remains after curds have formed.“
(Oxford Dictionaries, 2001)
„whey: the watery part of milk separated from the curd (the thick part), especially in making cheese.“
(Cambridge Dictionaries)
43 
Gestützt wird dies durch die französische Fassung der Homepage der Lieferantin des einzureihenden Produktes, der L, die „Lactosérum“ ebenfalls als Produkt, das bei der Herstellung von Käse anfällt, definiert und mit dem Begriff „petit lait“ gleichsetzt:
44 
„Le lactosérum, ou plus connu sous la dénomination commune de "petit-lait", est un produit liquide provenant de la fabrication fromagère.“
45 
Die Begriffe „lactosérum“ und „whey“ sind demnach keine Synonyme für „Milchserum“, sondern für den deutschen Begriff „Molke“, wie er in der deutschen Fassung der Unterposition 0404 10 HS verwendet wird. Demnach hängt die Einreihung von Permeaten davon ab, ob sie aus Molke hergestellt sind oder nicht. Molkenpermeate sind als modifizierte Molke unter die Unterposition 0404 10 HS, Milchpermeate als Erzeugnisse, die aus natürlichen Milchbestandteilen bestehen, unter die Unterposition 0404 90 HS einzureihen.
46 
(4) Zwar weisen Milchpermeat und Molkenpermeat überwiegend dieselben Inhaltsstoffe auf; gleichwohl handelt es sich nicht um dieselben Waren. Dass die Produkte „Molkenpermeat“ und „Milchpermeat“ nicht identisch sind, hat einerseits der in der mündlichen Verhandlung anwesende Dr. Z vom BWZ bestätigt, andererseits geht dies aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2016/534 der Kommission vom 31. März 2016 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif (ABl. EU Nr. L 89/6 vom 6. April 2016, im Folgenden Durchführungsverordnung Nr. 2016/534), Erwägungsgrund 4, und aus der mit dieser Verordnung eingefügten zusätzlichen Anmerkung 4 hervor, auf die der Senat im Rahmen der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen hatte.
47 
Die weitgehende Übereinstimmung der Inhaltsstoffe führt nicht dazu, dass Molkenpermeat und Milchpermeat zolltariflich in dieselbe Unterposition einzureihen sind. Auch der von der Klägerin vorgetragene übereinstimmende Verwendungszweck der Erzeugnisse ist nur dann ein erhebliches Kriterium, wenn die Tarifierung nicht allein auf der Grundlage der objektiven Merkmale und Eigenschaften des Erzeugnisses erfolgen kann (EuGH-Urteil vom 16. Dezember 2010, Rs. C-339/09  – Skoma-Lux –  ECLI:EU:C:2010:781, Slg. 2010, I-13251).
48 
Dass dagegen  – was von der Klägerin beanstandet wird –  die Herstellung der Ware vorliegend für die Einreihung insofern eine Rolle spielt, als das HS auf den Entzug von Fett und Casein durch Zusatz von Lab oder Milchsäurebakterien mit anschließendem Abseihen abstellt, ist der Definition der Begriffe „Molke“, „whey“ und „lactosérum“ geschuldet, die jeweils auf deren Gewinnung im Rahmen der Herstellung von Käse und Quark beruht. Daher ist das von der Klägerin bemängelte Abstellen auf die Herstellung von Molke bzw. modifizierter Molke (durch Zusätze im Rahmen der Käse und Quarkproduktion und nicht durch Ultrafiltration) dem HS immanent. Ob die Molke durch Zusatz von Lab oder von Milchsäurebakterien gewonnen wird, spielt dagegen zolltariflich keine Rolle. Bei der Einreihung einer Ware unter den Begriff „modifizierte Molke“ stellt das HS letztlich wiederum auf die Herstellung ab. Zwar ist dabei nicht das Verfahren relevant, wohl aber der Ausgangsstoff (Molke, nicht Milch). Auch diese Berücksichtigung der Herstellung ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des HS („modifizierte Molke“).
49 
Die von der Klägerin angeführten Auszüge aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen dazu, dass es sich bei Permeat u. a. lebensmittelrechtlich um Milchserum handele, Milch- und Molkenpermeat über die gleichen Eigenschaften verfügten und demselben Verwendungszweck dienten und deshalb zolltariflich gleich zu behandeln seien, sind tarifrechtlich nur von untergeordneter Bedeutung. Zum einen knüpft das HS wie oben dargestellt nicht an den Begriff „Milchserum“, sondern den der „Molke“ an; zum anderen spielen die für die Milchwirtschaft wichtigen Eigenschaften der Permeate zolltariflich keine Rolle. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 2. August 1993 Rs. C-248/92 ausdrücklich festgehalten, dass technische Normen, die nur die Definitionen von Waren, unabhängig von ihrer zollrechtlichen Tarifierung betreffen, im Rahmen der Einreihung von Waren nicht herangezogen werden können (EuGH-Urteil vom 2. August 1993 Rs. C-248/92  – Jepsen Stahl –  ECLI:EU:C:1993:347, Slg. 1993, I-4721 Rn. 13). Das Gleiche muss für wissenschaftliche Ausführungen dazu gelten, dass zwei in ihrer Zusammensetzung unterscheidbare Produkte in ihrer Verwendung austauschbar seien. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die Milchwirtschaft bewusst zwischen Molken- und Milchpermeat unterscheidet. Der dem Molkenpermeat anhaftende Geruch und Geschmack nach gesäuerter Milch ist gerade nicht bei allen unter Zusatz von Permeat hergestellten Produkten gewollt.
50 
(5) Bestätigt wird die vom Senat vorgenommene Einreihung von „Milchpermeat Y in Unterposition 0404 90 HS durch die Tatsache, dass der Wortlaut der Position 0404 HS und der Unterpositionen 0404 10 und 0404 90 HS auch als die Herstellung von Permeat durch Ultrafiltration von Milch und Molke für die Milchwirtschaft eine immer wichtigere Rolle spielte und die zolltarifliche Einordnung der Ware aufgrund der erheblichen Unterschiede der Zollsätze bei den Unterpositionen 0404 10 HS (0,07 EUR pro kg) und 0404 90 HS (1,004 EUR pro kg) einen wesentlichen betriebswirtschaftlichen Faktor darstellte, nicht geändert wurde. Das Gleiche gilt im Hinblick auf die Beibehaltung der bestehenden Anmerkungen und Erläuterungen (vgl. dazu auch die Darstellung der Beratungen des Ausschusses für den Zollkodex [Agrar/Chemie] der Kommission im Jahr 2002 in den Stellungnahmen des BWZ vom 7. Dezember 2012, Behördenakten, Ordner 2, Blatt 1039, 1041 und vom 12. November 2013, Behördenakten, Ordner 2, Blatt 1027,1029 und im Erlass des BMF vom 10. April 2012, Behördenakten, Ordner 2, Blatt 1037).
51 
Das HS zur Bezeichnung und Codierung der Waren wurde unter der Schirmherrschaft der Weltzollorganisation (WZO) erarbeitet und durch das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossene Internationale Übereinkommen in Kraft gesetzt. Die offizielle Auslegung des HS, die für deren weltweit einheitliche Anwendung sorgt, erfolgt durch den HS-Ausschuss, der sich aus Vertretern der derzeit 138 Vertragsparteien zum HS-Übereinkommen zusammensetzt. Um eine Änderungen der Anwendung des HS zu erreichen, kann der HS-Ausschuss entweder nach Art. 16 des Übereinkommens über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren das Übereinkommen sowie dessen Nomenklatur abändern oder nach Art. 8 des Übereinkommens Entscheidungen treffen, die zur „Verwaltung oder Auslegung" desselben dienen (in der Regel in Form von Einreihungsentscheidungen, Erläuterungen oder Tarifavisen). Von dieser Möglichkeit hat der HS-Ausschuss im Hinblick auf die Position 0404, die Unterpositionen 0404 10 und 0404 90 HS keinen Gebrauch gemacht. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass nunmehr aufgrund der Entwicklung der Membrantechnik im Bereich der Milchwirtschaft auch Milchpermeate unter Unterposition 0404 10 HS eingereiht werden müssen, weil die Erl(HS) 01.1 zu Position 0404 HS nicht geändert wurden. Vielmehr ist aufgrund der Diskussionen im Ausschuss für den Zollkodex – Fachbereich zolltarifliche und statistische Nomenklatur, Unterbereich Landwirtschaft/Chemie – (vgl. die Protokolle über die einschlägige 135., 141., 145., 153. und 159. Sitzung des Ausschusses) und der mit Durchführungsverordnung Nr. 2016/534 eingefügten zusätzlichen Anmerkung 4 zu Kapitel 4 KN zu schließen, dass Unterposition 0404 10 HS trotz veränderter technischer Möglichkeiten zum Entzug von Casein und Fett ungeachtet der eher geringen Unterschiede von Milch- und Molkenpermeat Permeate nicht insgesamt erfassen, sondern auch weiterhin Produkten aus Molke („lactosérum“, „whey“) vorbehalten bleiben soll. Die mit der Durchführungsverordnung Nr. 2016/534 eingefügte zusätzliche Anmerkung 4 zu Kapitel 4 KN lautet:
52 
„Für die Zwecke der Unterpositionen 0404 10 und 0404 90 gilt Folgendes:
Milchpermeat und Molkenpermeat können analytisch durch das Vorhandensein von Stoffen (z. B. Milchsäure, Lactate und Glykomakropeptide), die mit der Molkenherstellung zusammenhängen, unterschieden werden.
Zu Unterposition 0404 10 gehört ‚Molkenpermeat‘, ein Erzeugnis mit in der Regel leicht säuerlichem Geruch, das durch Ultrafiltration oder sonstige Verarbeitungsverfahren aus Molke oder Mischungen natürlicher Molkenbestandteile gewonnen wird.
Das Vorhandensein von Stoffen, die mit der Herstellung von Molke zusammenhängen (z. B. Milchsäure, Lactate und Glykomakropeptide), ist eine Voraussetzung für die Einreihung von Molkenpermeaten in diese Unterposition.
Zu Unterposition 0404 90 gehört ‚Milchpermeat‘, ein in der Regel nach Milch riechendes Erzeugnis, das durch Ultrafiltration oder sonstige Verarbeitungsverfahren aus Milch gewonnen wird. Das mengenmäßig begrenzte Vorhandensein oder das Fehlen von Milchsäure und Lactaten (höchstens 0,1 GHT in pulverförmigen Milchpermeaten oder höchstens 0,015 GHT in flüssigen Milchpermeaten) sowie das Fehlen von Glykomakropeptiden sind Voraussetzungen für die Einreihung von Milchpermeaten in Unterposition 0404 90.
53 
….“
54 
Zwar kann diese nachträglich eingeführte zusätzliche Anmerkung keine unmittelbare rückwirkende Anwendung finden, sie kann jedoch als Indiz im Rahmen der Auslegung der betroffenen Unterpositionen herangezogen werden. Das gilt unabhängig davon, dass der Senat Zweifel an der Gültigkeit der zusätzlichen Anmerkung hat. Diese Zweifel betreffen nämlich nicht die tarifliche Unterscheidung von Molken- und Milchpermeat, sondern die Tatsache, dass die zusätzliche Anmerkung Merkmale für die Einreihung in Unterposition 0404 90 HS enthält, die dem Charakter des Unterpositionswortlauts „andere“ widersprechen und die auch nicht in der Erläuterung zum HS genannt werden (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 29. Oktober 2009 Rs. C-522/07, C-65/08, C-522/07, C-65/08  – Dinter und Europol Frost-Food – ECLI:EU:C:2009:663, Rn. 32, Slg. 2009, I-987).
55 
(6) Dagegen kann aus den von der Klägerin angeführten vZTAen kein Rückschluss auf die Einreihung in den Tarif erfolgen. Auf die Dritten erteilten vZTAe kann sich die Klägerin nicht berufen, da diese nur gegenüber dem Berechtigten Bindungswirkung entfalten (Art. 12 Abs. 2 ZK). Die vZTAe können aber auch deshalb nicht zur Auslegung herangezogen werden, da aus dem öffentlich zugänglichen Teil der vZTAe die genaue Beschreibung und Zusammensetzung der jeweils begutachteten Waren nicht ersichtlich sind. Damit können die im Rahmen der Erteilung der vZTAen begutachteten Waren auch nicht mit dem vorliegend einzureihenden „Milchpermeat Y verglichen werden. Nur bei Übereinstimmung aller Merkmale könnten aber  – wenn überhaupt –  Rückschlüsse auf die Tarifierung gezogen werden.
56 
(7) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das HZA habe die Untersuchungsergebnisse der erfolgten Probeziehungen unzulässigerweise auf andere eingeführte Waren übertragen. Der EuGH hat ausdrücklich entschieden, dass die Ergebnisse einer Teilbeschau der in einer Zollanmeldung bezeichneten Waren, die anhand von Proben durchgeführt wurde, die diesen Waren entnommen wurden, für in früheren Anmeldungen desselben Anmelders aufgeführte Waren  – die nicht Gegenstand einer Beschau waren und deren Beschau aufgrund ihrer erfolgten Überlassung nicht mehr möglich ist –  übernommen werden dürfen, sofern diese Waren identisch sind (EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 Rs. C-571/12  – Greencarrier Freight Services Latvia –, ECLI:EU:C:2014:102, ZfZ 2014, 97, HFR 2014, 478). Vorliegend bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei den anderen Einfuhren um die gleichen Waren gehandelt hat. Die Klägerin hat weder dargetan, dass sich die anderen als „Milchpermeat Y angemeldeten Waren  – trotz der gleichlautenden Warenbezeichnung –  von denen, bei denen Proben gezogen worden waren, in irgendeiner Weise unterschieden haben, noch Nachweise hierfür benannt. Sie beruft sich lediglich darauf, dass die Untersuchungsergebnisse nicht übertragbar seien. Der Anmelder hat zwar das Recht, einer solchen Übernahme entgegenzutreten; handelt es sich der Anmeldung zufolge jedoch um die gleiche Ware, muss er alle Beweise beibringen, die geeignet sind, dieses Vorbringen, mit dem die fehlende Identität der fraglichen Waren dargetan werden soll, zu stützen (vgl. EuGH-Urteil vom 27. Februar 2014 Rs. C-571/12  – Greencarrier Freight Services Latvia –, ECLI:EU:C:2014:102, ZfZ 2014, 97, HFR 2014, 478).
57 
b) Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK stand der Nacherhebung mit den fünf Bescheiden vom 3. und 11. April 2012 nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.
58 
(1) Vorliegend fehlt es schon an einem Irrtum der Zollbehörden. Ein den Vertrauensschutz des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b UAbs. 1 ZK auslösender Irrtum muss auf ein Handeln der zuständigen Behörden zurückzuführen sein. Denn das Vertrauen des Zollschuldners verdient nur dann den Schutz des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b UAbs. 1 ZK, wenn die zuständige Behörde selbst die Grundlage geschaffen hat, auf der dieses Vertrauen beruht (so schon EuGH-Urteil vom 27. Juni 1991 Rs. C-348/89  – Mecanarte –, ECLI:EU:C:1991:278, Slg 1991, I-3277, HFR 1993, 139; weitere Nachweise bei Deimel in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Art. 220 ZK, Rn. 84). Vorliegend haben die Zollbehörden die jeweiligen Zollanmeldungen lediglich ohne nähere Prüfung entgegengenommen. Damit wird der Vertrauensschutz jedoch nicht ausgelöst. Andere Umstände, die einen solchen Irrtum begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Zwar beruft sich die Klägerin auf die langjährige Praxis ihrer Lieferantin, ohne jedoch darzulegen, dass tatsächlich über einen längeren Zeitraum Einfuhren des „Milchpermeat Y unter Unterposition 0404 10 HS von den Zollbehörden akzeptiert wurden.
59 
(2) Selbst für den Fall, dass die Zollbehörden bei der ursprünglichen Abgabenerhebung einem Irrtum im Hinblick auf die zutreffende Tarifierung unterlegen hätten, wäre dieser Irrtum für die Klägerin erkennbar gewesen.
60 
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sind bei der Beantwortung der Frage, ob der Irrtum der Zollbehörde einem Wirtschaftsteilnehmer erkennbar war, namentlich die Art des Irrtums sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers zu berücksichtigen (siehe z. B. EuGH-Urteile vom 11. November 1999 C-48/98  - Söhl & Söhlke -  ECLI:EU:C:1999:548, Slg. 1999, I-7877, ZfZ 2000, 12 und vom 26. März 2015 C-7/14 P  – Wünsche Handelsgesellschaft International –, ECLI:EU:C:2015:205, Rn. 55 und 56, ZfZ 2015, 156; vgl. auch Deimel in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Art. 220 ZK, Rn. 93 mit weiteren Nachweisen der höchstrichterlichen Rechtsprechung).
61 
Die Zollbehörden haben sich  – einen Irrtum unterstellt –  lediglich über die zutreffende Tarifnummer geirrt. Aufgrund der Bezeichnung „Milchpermeat Y war für die Behörden nicht ohne weiteres erkennbar, ob es sich dabei um ein aus Molke hergestelltes Produkt der Unterposition 0404 10 HS handelt oder nicht. Zwar weist die Bezeichnung auf ein Milchprodukt hin; da es sich aber auch bei Molke um ein aus Milch hergestelltes Produkt handelt, konnte die Zollbehörde keine weiteren Schlüsse aus der Bezeichnung ziehen.
62 
Bei der Klägerin handelt es sich um eine erfahrene Wirtschaftsteilnehmerin. Anders als die Zollbehörden wusste sie, dass „Milchpermeat Y nicht aus Molke, sondern aus Milch hergestellt worden war. Sie hätte demnach zumindest erkennen können, dass die Einreihung in Unterposition 0404 10 HS zweifelhaft ist. Anstatt sich der Richtigkeit ihrer Angaben in der Zollanmeldung zu vergewissern, hat sie sich ausweislich der Akten jedoch keinerlei Gedanken über die Tarifierung der Ware gemacht, sondern sich ganz auf die Angaben der Codenummer der Waren auf den Rechnungen ihrer Lieferantin verlassen.  Sie durfte sich auch nicht auf die von ihr zitierte vZTA der französischen Zollbehörden berufen. Da diese „Permeat de lait“ gerade nicht einheitlich in Unterposition 0404 1048 KN eingereiht (so aber vZTA vom 16. Oktober 2007 FR-E-2007-002908-1), sondern auch Einreihungen in Unterposition 0404 9021 KN für zutreffend erachtet hatten (vZTA vom 14. Juli 2007 FR-E4-2007-002908) und diese früher ergangene vZTA trotz der parallel verlaufenden Gültigkeitsdauer nicht widerrufen worden war, bestanden erhebliche Zweifel an der zutreffenden Tarifierung und damit Anlass zur Überprüfung und ggf. zur Beantragung einer vZTA.
63 
Da die Klägerin als erfahrene Wirtschaftsteilnehmerin trotz der für sie erkennbaren Zweifel keinerlei Maßnahmen ergriffen hat, um die von ihrer Lieferantin angegebene Tarifposition zu überprüfen, kann sie sich nicht auf den Vertrauensschutz des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b UAbs. 1 ZK berufen.
64 
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erstattung der Einfuhrabgaben nach Art. 239 ZK. Nach dieser Vorschrift können Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben in anderen als den in den Art. 236, 237 und 238 ZK genannten Fällen erstattet oder erlassen werden; diese Fälle werden nach dem Ausschussverfahren festgelegt und ergeben sich aus Umständen, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind (Art. 239 Abs. 1 ZK). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
65 
Es mangelt bereits am Vorliegen eines besonderen Umstands. Darüber hinaus hat die Klägerin aber auch fahrlässig gehandelt.
66 
a) Besondere Umstände i.S. von Art. 239 Abs. 1 2. Anstrich ZK i.V.m. Art. 905 Abs. 1 UAbs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zum ZK  – ZKDVO –  liegen vor, wenn sich der Wirtschaftsteilnehmer im Verhältnis zu anderen Wirtschaftsteilnehmern in einer außergewöhnlichen Situation befindet (siehe statt vieler Deimel, Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Art. 239 ZK, Rn. 53 mit zahlreichen Nachweisen der Rechtsprechung). Die Klägerin beruft sich zur Begründung eines besonderen Umstands darauf, dass ihre Lieferantin, die L, auf eine einem Dritten erteilte vZTA vertraut habe, nach der „Permeat de lait“ in die Unterposition 0404 1048 KN eingereiht worden sei (Seiten 12 und 13 der Klagebegründungsschrift). Zu Recht weist sie gleichzeitig darauf hin, dass sich die Lieferantin nicht unmittelbar auf die Verbindlichkeit dieser Auskunft berufen könne. Aber auch das Vertrauen der Lieferantin auf diese vZTA stellt keinen besonderen Umstand im Sinne des Art. 239 ZK dar.
67 
Soweit sich die Klägerin zur Begründung eines solchen besonderen Umstands auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-250/91  – Hewlett Packard France –  noch zur alten Rechtslage des Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 über die Erstattung oder den Erlass von Eingangsabgaben oder Ausfuhrabgaben beruft (EuGH-Urteil vom 1. April 1993 ECLI:EU:C:1993:134, Slg. 1993, I-1819), ist schon der Sachverhalt nicht vergleichbar. Während in dem genannten Rechtsstreit der betroffene Wirtschaftsteilnehmer geltend gemacht hatte, er habe auf eine unrichtige Auskunft vertraut, die die zuständigen Zollbehörden eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, in dem sich die für die Erhebung zuständige Zollbehörde befindet, seiner Tochtergesellschaft für die identische Ware erteilt hatten, beruft sich die Klägerin vorliegend darauf, nicht sie selbst, sondern ihre Lieferantin habe auf eine Auskunft der Zollbehörden eines anderen Mitgliedstaats für eine vergleichbare Ware vertraut. Vorliegend stützt sich die Klägerin zudem lediglich darauf, dass einem unbekannten Dritten eine entsprechende vZTA erteilt worden sei. Ein solcher Sachverhalt stellt jedoch keinen besonderen Umstand dar. Vielmehr handelt es sich um die typische Situation eines Wirtschaftsteilnehmers, der eine Ware einführt, die anderen Waren gleicht, für die divergierende vZTAe erteilt wurden.
68 
b) Darüber hinaus hat die Klägerin aber auch offensichtlich fahrlässig gehandelt, indem sie bei Abgabe der Zollanmeldung auf die Angaben ihrer Lieferantin vertraut hat, ohne diese Angaben zu überprüfen.
69 
Was unter offensichtlicher Fahrlässigkeit zu verstehen ist, hat der Verordnungsgeber nicht geregelt. An welchen Kriterien das Vorliegen offensichtlich fahrlässigen Verhaltens zu messen ist, hat der EuGH in Urteil vom 11. November 1999, C-48/98  - Söhl & Söhlke -  (ECLI:EU:C:1999:548, Slg. 1999, I-7877, ZfZ 2000, 12) grundlegend entschieden. Danach müssen insbesondere die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld begründet, sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers berücksichtigt werden. Zugleich weist der EuGH allerdings darauf hin, dass der Begriff der offensichtlichen Fahrlässigkeit so auszulegen ist, dass die Anzahl der Fälle, in denen erstattet oder erlassen wird, begrenzt bleibt (EuGH-Urteilvom 11. November 1999 C-48/98  - Söhl & Söhlke -, ECLI:EU:C:1999:548, Slg. 1999, I-7877, ZfZ 2000, 12, Rz. 52). Im Übrigen sind bei der Beurteilung, ob einem Wirtschaftsteilnehmer „offensichtliche Fahrlässigkeit“ im Sinne von Art. 239 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich ZK vorzuwerfen ist, die im Rahmen von Art. 220 ZK für die Prüfung, ob der Irrtum der Zollbehörde einem Wirtschaftsteilnehmer erkennbar war, herangezogenen Kriterien entsprechend anzuwenden (vgl. EuGH-Urteile vom 11. November 1999 C-48/98  - Söhl & Söhlke -, ECLI:EU:C:1999:548, Slg. 1999, I-7877, ZfZ 2000, 12, Rn. 55 und 56, sowie vom 13. März 2003 Rs. C-156/00  – Niederlande/Kommission –, EU:C:2003:149, Rn. 92, Slg. 2003, I-2527, ZfZ 2003, 189 und vom 26. März 2015 C-7/14 P  – Wünsche Handelsgesellschaft International –, ECLI:EU:C:2015:205, Rn. 78, ZfZ 2015, 156).
70 
Ein gewichtiges Indiz für Komplexität liegt vor, wenn es angesichts der Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten über die Tarifierung einer Ware erforderlich war, eine Verordnung zu erlassen, die die Tarifposition, in die die Ware einzustufen ist, abschließend klärt (vgl. EuGH-Urteile vom 1. April 1993, Rs. C-250/91  – Hewlett Packard France –, Slg. 1993, I-1819, Rn. 23; und vom 20. November 2008 Rs. C-38/07  – Heuschen & Schrouff –, ECLI:EU:C:2008:641, Slg 2008, I-8599, ZfZ 2009, 43). Daher mag auch im vorliegenden Fall von einer gewissen Komplexität der Vorschriften auszugehen sein. Allerdings handelt es sich bei der Klägerin um eine erfahrene Wirtschaftsteilnehmerin. Ausschlaggebend für die Annahme offensichtlicher Fahrlässigkeit ist jedoch die mangelnde Sorgfalt der Klägerin bei der Angabe der einschlägigen Tarifposition in der Zollanmeldung. Sie selbst hat sich ausweislich der Akten nämlich keinerlei Gedanken über die Tarifierung der Ware gemacht, sondern sich ganz auf die Angaben ihrer Lieferantin verlassen (siehe oben unter 1 b). Dementsprechend stellt ihr gesamter Vortrag zum Vorliegen eines besonderen Umstands und zum Fehlen offensichtlicher Fahrlässigkeit auf das Verhalten ihrer Lieferantin ab. Maßgeblich ist jedoch die von ihr selbst angewendete Sorgfalt. Diese genügt den Voraussetzungen für eine Erstattung der Einfuhrabgaben nicht. Insbesondere durfte sie nicht auf die Angaben ihrer Lieferantin vertrauen, ohne diese zu überprüfen. Bereits daraus ergibt sich ein offensichtlich fahrlässiges Verhalten der Klägerin. Darüber hinaus bestand aufgrund der zum Teil divergierenden vZTAe zu  – der Bezeichnung nach –  möglicherweise ähnlichen Produkten Anlass zur Überprüfung und ggf. zur Beantragung einer vZTA (siehe oben unter 1 b).
71 
_____________.........._____________.........._____________
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1 und 143 Abs. 1 FGO.
73 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Gründe

 
20 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Das HZA hat zu Recht die von der Klägerin beantragte Erstattung von Einfuhrabgaben abgelehnt. Die Klägerin wird durch die Ablehnung nicht in ihren Rechten verletzt (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
21 
Die Erstattung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben ist in Art. 236 bis Art. 239 ZK geregelt. Gemäß § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes gelten für die Einfuhrumsatzsteuer – von vorliegend nicht relevanten Ausnahmen abgesehen – die Vorschriften für Zölle sinngemäß. Gemäß § 14 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung wird die Einfuhrumsatzsteuer in den in Art. 235 bis 242 ZK bezeichneten Fällen in sinngemäßer Anwendung dieser Vorschriften erstattet (vgl. zur Überlagerung der nationalen Erstattungsregelungen für die Einfuhrumsatzsteuer BFH-Urteil vom 9. Dezember 2010 VII R 20/10, BFH/NV 2011, 875, ZfZ 2011, 160).
22 
Die Klägerin hat weder nach Art. 236 ZK noch nach Art. 239 ZK einen Anspruch auf Erstattung der Einfuhrabgaben.
23 
1. Die Voraussetzungen für eine Erstattung der Einfuhrabgaben nach Art. 236 ZK liegen nicht vor. Zwar hat sie den Antrag innerhalb der in Art. 236 Abs. 2 Satz 1 ZK vorgesehenen Frist von drei Jahren nach Mitteilung der Abgaben bei der zuständigen Zollstelle gestellt, der Antrag ist jedoch unbegründet.
24 
Nach Art. 236 Abs. 1 ZK werden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung oder im Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Art. 220 Abs. 2 ZK buchmäßig erfasst worden ist.
25 
Vorliegend waren die in den oben genannten Bescheiden festgesetzten Abgaben gesetzlich geschuldet (siehe dazu unter Buchstabe a). Das HZA durfte die von den unter den laufenden Nummern 1 bis 5 genannten Bescheiden erfassten Einfuhrabgaben auch nacherheben. Insbesondere stand der Nacherhebung Art. 220 Abs. 2 ZK nicht entgegen (siehe dazu unter Buchstabe b).
26 
a) Für die von den oben genannten Bescheiden erfassten Waren ist unstreitig eine Zollschuld nach Art. 201 Abs. 1 ZK entstanden. Die festgesetzte Höhe der Abgaben ist nicht zu beanstanden. Das HZA hat zu Recht bei der Berechnung einen Zollsatz von 100,40 EUR pro Dezitonne zugrunde gelegt, der sich aus einer Einreihung der Waren in die Unterposition 0404 9021 KN ergibt.
27 
Der anzuwendende Abgabensatz ergibt sich nach Art. 20 Abs. 1 ZK aus dem Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften, der nach Abs. 3 Buchstabe a der Vorschrift auch die KN umfasst. Diese ist in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif anzuwenden (Amtsblatt  – ABl. –  der EU Nr. L 282/1 vom 28. Oktober 2011).
28 
Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN festgelegt sind (Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der KN Teil I Titel I Abschnitt A der KN; EuGH-Urteile vom 19. Juli 2012 Rs. C-336/11  – Rohm & Haas Electronic Materials CMP Europe u.a. –,ECLI:EU:C:2012:500, Rz. 31, HFR 2012, 1034 und ZfZ 2013, 26; vom 7. Februar 2002 Rs. C-276/00  – Turbon International –, Sammlung der Rechtsprechung des EuGH und des Gerichts Erster Instanz  – Slg. –  2002, I-1389 Rn. 21; vom 4. März 2004 Rs. C-130/02  – Krings–, Slg. 2004, I-2121 Rn. 28).
29 
„Milchpermeat Y ist danach als „Erzeugnis aus natürlichen Milchbestandteilen, anderweit weder genannt noch inbegriffen, andere Ware als Molke und modifizierte Molke, ohne Zusatz von Zucker oder anderen Süßmitteln, mit einem Milchfettgehalt von 1,5 GHT oder weniger“ in Unterposition 0404 9021 KN einzureihen.
30 
(1) Bei der von der Klägerin angemeldeten Ware handelt es sich um ein Permeat, und zwar um ein Produkt, das durch Ultrafiltration von Milch hergestellt wird. Dieses „Milchpermeat Y wird  – auch nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten –  von Position 0404 HS angesprochen, die lautet, „Molke, auch eingedickt oder mit Zusatz von Zucker oder anderen Süßmitteln; Erzeugnisse, die aus natürlichen Milchbestandteilen bestehen, auch mit Zusatz von Zucker oder anderen Süßmitteln, anderweit weder genannt noch inbegriffen“. Die genannten Waren werden in den Unterpositionen 0404 10 und 0404 90 HS weiter unterschieden. Während Unterposition 0404 10 HS „Molke und modifizierte Molke, auch eingedickt oder mit Zusatz von Zucker oder anderen Süßmitteln“ erfasst, werden die dort nicht genannten Waren der Position 0404 HS als „andere“ Waren in Unterposition 0404 90 HS eingereiht.
31 
(2) Anhaltspunkte dafür, was unter „Molke und modifizierte Molke“ zu verstehen ist, enthalten die Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens zum HS (Erl(HS)) unter 01.1 zu Position 0404 HS. Danach handelt es sich bei Molke im Sinne der Position 0404 HS um die natürlichen Milchbestandteile, die nach dem Entzug des Fettes und des Caseins aus der Milch zurückbleiben. Dieser Entzug erfolgt klassischerweise bei der Herstellung von Käse. Die Abscheidung von Casein und Fett kann zwar auch durch Ultrafiltration von Milch oder Molke erreicht werden, gleichwohl handelt es sich bei einem auf diese Weise hergestellten Produkt nicht um Molke, sondern um Permeat. Dieses kann entweder aus Molke (Molkenpermeat) oder aus Milch (Milchpermeat) gewonnen werden. Handelt es sich um Molkenpermeat, kann das Produkt als modifizierte Molke in Unterposition 0404 10 HS eingereiht werden. Milchpermeat wird dagegen von dieser Unterposition nicht angesprochen und ist in Unterposition 0404 90 HS einzureihen. Da es sich bei „Milchpermeat Y um eine Ware der Position 0404 HS handelt, die nicht von Unterposition 0404 10 HS erfasst wird, ist das Produkt Unterposition 0404 90 HS zuzuweisen.
32 
Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Definition von Molke in den Erl(HS) 01.1 zu Position 0404 HS in ihrer Formulierung „die natürlichen Milchbestandteile, die nach dem Entzug des Fettes und des Caseins aus der Milch zurückbleiben,“ nicht ausdrücklich auf das Verfahren Bezug nimmt, mit dem das Fett und das Casein der Milch entzogen werden. Denn zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die Erl(HS) sowie die Erläuterungen der Kommission zur KN (Erl(KN)) zwar ein wichtiges Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen, jedoch nicht verbindlich sind (EuGH-Urteile vom 7. Februar 2002 Rs. C-276/00  – Turbon International –, Slg. 2002, I-1389 Rz. 22 sowie vom 4. März 2004 Rs. C-130/02  – Krings –, Slg. 2004, I-2121 Rn. 28). Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Erl(HS) 01.1 zu Position 0404 HS zu einem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem die Ultrafiltration von Milch noch kein gängiges Verfahren bei der Herstellung von Molkereiprodukten darstellte, mithin ein Entzug von Fett und Casein grundsätzlich durch Zugabe von Lab zur Milch (zum Ausfällen des Milcheiweißes bei der Käseherstellung) oder durch Zusatz von Milchsäurebakterien (zur Herstellung von Quark) und anschließendem Abseihen der Feststoffe erfolgte. Der für die Erarbeitung der Erl(HS) zuständige Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens verstand demnach unter der Formulierung „Entzug des Fettes und des Caseins aus der Milch“ den im Rahmen der klassischen Käseherstellung durch Zusatz von Lab oder Milchsäurebakterien erfolgenden Abscheidungsvorgang. Ultrafiltration von Milch ist erst seit Ende der 1990er Jahre in der Milchwirtschaft gebräuchlich, während sie davor hauptsächlich Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen war (vgl. z. B. die in der Klagebegründung vom 23. September 2013 auf Seite 3 aufgeführten Beispiele).
33 
(3) Für dieses Verständnis des Unterpositionswortlauts „Molke und modifizierte Molke“ spricht bereits der jeweilige Sprachgebrauch der Begriffe „Molke“, und zwar nicht nur im Deutschen sondern auch in den verbindlichen französischen und englischen Sprachfassungen („lactosérum“ und „whey“).
34 
Im Deutschen wird unter Molke die aus geronnener Milch nach dem Abscheiden des Fettes und des Kaseins ablaufende grünlich gelbe Flüssigkeit verstanden (Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, 20. Aufl., 1998). Dies entspricht den Angaben auf der aktuellen Homepage der Lieferantin der Klägerin, der L, wonach Molke ein flüssiges Produkt ist, das bei der Käseherstellung anfällt (http://www. [ ... ]/). Auch die Klägerin behauptet nicht, dass es sich bei dem von ihr eingeführten Produkt um Molke handelt, sie unterscheidet vielmehr ausdrücklich Molke von Permeat. Die von ihr vertretene Tarifauffassung stützt sie vielmehr darauf, dass es sich bei beiden Produkten um „Milchserum“ handele und der Wortlaut der Unterposition 0404 10 HS nicht Molke, sondern Milchserum und damit auch Permeat erfasse. Es ist schon fraglich, ob es sich bei dem Begriff „Milchserum“ tatsächlich  – wie die Klägerin vorträgt –  um einen Oberbegriff für Molke und Permeat handelt oder ob „Milchserum“ vielmehr ein Produkt ist, das aus Molke hergestellt wird, indem dieser die Molkenproteine entzogen werden. Der Senat konnte diese Frage offen lassen, da Unterposition 0404 10 HS seinem Wortlaut nach ausdrücklich Molke und modifizierte Molke umfasst. Milchserum ist dagegen weder im Positionswortlaut noch im Unterpositionswortlaut genannt.
35 
Anders als die Klägerin meint, ergibt sich auch aus den verbindlichen englischen und französischen Sprachfassungen nichts anderes. Unterposition 0404 10 HS umfasst nach dem französischen Wortlaut
36 
„Lactosérum, modifié ou non, même concentré ou additionné de sucre ou d'autres édulcorants.“
37 
Der Begriff „Lactosérum“ beschreibt dabei nicht etwa, wie der lateinische Wortstamm nahe legt und die Klägerin vorträgt, „Milchserum“, sondern „Molke“. Dies wird aus der eindeutigen französischen Definition des Begriffs „lactosérum“ deutlich:
38 
„lactosérum , subst. masc., „Liquide libéré au cours de l'égouttage du caillé de lait“
(Centre National de Ressources Textuelles et Lexicales)
„lactosérum, n. m.: Liquide jaune pâle séparé du caillé lors de la fabrication du fromage“ (Le Petit Larousse, Dictionaire, 2008)
39 
Entsprechendes gilt für die englische Fassung der Unterposition 0404 10 HS, die folgenden Wortlaut hat:
40 
„Whey and modified whey, whether or not concentrated or containing added sugar or other sweetening matter.“
41 
Auch die englische Definition von „whey“ stellt auf die bei der Käseherstellung entstehende Molke ab:
42 
„whey, n.: the watery part of milk that remains after curds have formed.“
(Oxford Dictionaries, 2001)
„whey: the watery part of milk separated from the curd (the thick part), especially in making cheese.“
(Cambridge Dictionaries)
43 
Gestützt wird dies durch die französische Fassung der Homepage der Lieferantin des einzureihenden Produktes, der L, die „Lactosérum“ ebenfalls als Produkt, das bei der Herstellung von Käse anfällt, definiert und mit dem Begriff „petit lait“ gleichsetzt:
44 
„Le lactosérum, ou plus connu sous la dénomination commune de "petit-lait", est un produit liquide provenant de la fabrication fromagère.“
45 
Die Begriffe „lactosérum“ und „whey“ sind demnach keine Synonyme für „Milchserum“, sondern für den deutschen Begriff „Molke“, wie er in der deutschen Fassung der Unterposition 0404 10 HS verwendet wird. Demnach hängt die Einreihung von Permeaten davon ab, ob sie aus Molke hergestellt sind oder nicht. Molkenpermeate sind als modifizierte Molke unter die Unterposition 0404 10 HS, Milchpermeate als Erzeugnisse, die aus natürlichen Milchbestandteilen bestehen, unter die Unterposition 0404 90 HS einzureihen.
46 
(4) Zwar weisen Milchpermeat und Molkenpermeat überwiegend dieselben Inhaltsstoffe auf; gleichwohl handelt es sich nicht um dieselben Waren. Dass die Produkte „Molkenpermeat“ und „Milchpermeat“ nicht identisch sind, hat einerseits der in der mündlichen Verhandlung anwesende Dr. Z vom BWZ bestätigt, andererseits geht dies aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2016/534 der Kommission vom 31. März 2016 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif (ABl. EU Nr. L 89/6 vom 6. April 2016, im Folgenden Durchführungsverordnung Nr. 2016/534), Erwägungsgrund 4, und aus der mit dieser Verordnung eingefügten zusätzlichen Anmerkung 4 hervor, auf die der Senat im Rahmen der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen hatte.
47 
Die weitgehende Übereinstimmung der Inhaltsstoffe führt nicht dazu, dass Molkenpermeat und Milchpermeat zolltariflich in dieselbe Unterposition einzureihen sind. Auch der von der Klägerin vorgetragene übereinstimmende Verwendungszweck der Erzeugnisse ist nur dann ein erhebliches Kriterium, wenn die Tarifierung nicht allein auf der Grundlage der objektiven Merkmale und Eigenschaften des Erzeugnisses erfolgen kann (EuGH-Urteil vom 16. Dezember 2010, Rs. C-339/09  – Skoma-Lux –  ECLI:EU:C:2010:781, Slg. 2010, I-13251).
48 
Dass dagegen  – was von der Klägerin beanstandet wird –  die Herstellung der Ware vorliegend für die Einreihung insofern eine Rolle spielt, als das HS auf den Entzug von Fett und Casein durch Zusatz von Lab oder Milchsäurebakterien mit anschließendem Abseihen abstellt, ist der Definition der Begriffe „Molke“, „whey“ und „lactosérum“ geschuldet, die jeweils auf deren Gewinnung im Rahmen der Herstellung von Käse und Quark beruht. Daher ist das von der Klägerin bemängelte Abstellen auf die Herstellung von Molke bzw. modifizierter Molke (durch Zusätze im Rahmen der Käse und Quarkproduktion und nicht durch Ultrafiltration) dem HS immanent. Ob die Molke durch Zusatz von Lab oder von Milchsäurebakterien gewonnen wird, spielt dagegen zolltariflich keine Rolle. Bei der Einreihung einer Ware unter den Begriff „modifizierte Molke“ stellt das HS letztlich wiederum auf die Herstellung ab. Zwar ist dabei nicht das Verfahren relevant, wohl aber der Ausgangsstoff (Molke, nicht Milch). Auch diese Berücksichtigung der Herstellung ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des HS („modifizierte Molke“).
49 
Die von der Klägerin angeführten Auszüge aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen dazu, dass es sich bei Permeat u. a. lebensmittelrechtlich um Milchserum handele, Milch- und Molkenpermeat über die gleichen Eigenschaften verfügten und demselben Verwendungszweck dienten und deshalb zolltariflich gleich zu behandeln seien, sind tarifrechtlich nur von untergeordneter Bedeutung. Zum einen knüpft das HS wie oben dargestellt nicht an den Begriff „Milchserum“, sondern den der „Molke“ an; zum anderen spielen die für die Milchwirtschaft wichtigen Eigenschaften der Permeate zolltariflich keine Rolle. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 2. August 1993 Rs. C-248/92 ausdrücklich festgehalten, dass technische Normen, die nur die Definitionen von Waren, unabhängig von ihrer zollrechtlichen Tarifierung betreffen, im Rahmen der Einreihung von Waren nicht herangezogen werden können (EuGH-Urteil vom 2. August 1993 Rs. C-248/92  – Jepsen Stahl –  ECLI:EU:C:1993:347, Slg. 1993, I-4721 Rn. 13). Das Gleiche muss für wissenschaftliche Ausführungen dazu gelten, dass zwei in ihrer Zusammensetzung unterscheidbare Produkte in ihrer Verwendung austauschbar seien. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die Milchwirtschaft bewusst zwischen Molken- und Milchpermeat unterscheidet. Der dem Molkenpermeat anhaftende Geruch und Geschmack nach gesäuerter Milch ist gerade nicht bei allen unter Zusatz von Permeat hergestellten Produkten gewollt.
50 
(5) Bestätigt wird die vom Senat vorgenommene Einreihung von „Milchpermeat Y in Unterposition 0404 90 HS durch die Tatsache, dass der Wortlaut der Position 0404 HS und der Unterpositionen 0404 10 und 0404 90 HS auch als die Herstellung von Permeat durch Ultrafiltration von Milch und Molke für die Milchwirtschaft eine immer wichtigere Rolle spielte und die zolltarifliche Einordnung der Ware aufgrund der erheblichen Unterschiede der Zollsätze bei den Unterpositionen 0404 10 HS (0,07 EUR pro kg) und 0404 90 HS (1,004 EUR pro kg) einen wesentlichen betriebswirtschaftlichen Faktor darstellte, nicht geändert wurde. Das Gleiche gilt im Hinblick auf die Beibehaltung der bestehenden Anmerkungen und Erläuterungen (vgl. dazu auch die Darstellung der Beratungen des Ausschusses für den Zollkodex [Agrar/Chemie] der Kommission im Jahr 2002 in den Stellungnahmen des BWZ vom 7. Dezember 2012, Behördenakten, Ordner 2, Blatt 1039, 1041 und vom 12. November 2013, Behördenakten, Ordner 2, Blatt 1027,1029 und im Erlass des BMF vom 10. April 2012, Behördenakten, Ordner 2, Blatt 1037).
51 
Das HS zur Bezeichnung und Codierung der Waren wurde unter der Schirmherrschaft der Weltzollorganisation (WZO) erarbeitet und durch das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossene Internationale Übereinkommen in Kraft gesetzt. Die offizielle Auslegung des HS, die für deren weltweit einheitliche Anwendung sorgt, erfolgt durch den HS-Ausschuss, der sich aus Vertretern der derzeit 138 Vertragsparteien zum HS-Übereinkommen zusammensetzt. Um eine Änderungen der Anwendung des HS zu erreichen, kann der HS-Ausschuss entweder nach Art. 16 des Übereinkommens über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren das Übereinkommen sowie dessen Nomenklatur abändern oder nach Art. 8 des Übereinkommens Entscheidungen treffen, die zur „Verwaltung oder Auslegung" desselben dienen (in der Regel in Form von Einreihungsentscheidungen, Erläuterungen oder Tarifavisen). Von dieser Möglichkeit hat der HS-Ausschuss im Hinblick auf die Position 0404, die Unterpositionen 0404 10 und 0404 90 HS keinen Gebrauch gemacht. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass nunmehr aufgrund der Entwicklung der Membrantechnik im Bereich der Milchwirtschaft auch Milchpermeate unter Unterposition 0404 10 HS eingereiht werden müssen, weil die Erl(HS) 01.1 zu Position 0404 HS nicht geändert wurden. Vielmehr ist aufgrund der Diskussionen im Ausschuss für den Zollkodex – Fachbereich zolltarifliche und statistische Nomenklatur, Unterbereich Landwirtschaft/Chemie – (vgl. die Protokolle über die einschlägige 135., 141., 145., 153. und 159. Sitzung des Ausschusses) und der mit Durchführungsverordnung Nr. 2016/534 eingefügten zusätzlichen Anmerkung 4 zu Kapitel 4 KN zu schließen, dass Unterposition 0404 10 HS trotz veränderter technischer Möglichkeiten zum Entzug von Casein und Fett ungeachtet der eher geringen Unterschiede von Milch- und Molkenpermeat Permeate nicht insgesamt erfassen, sondern auch weiterhin Produkten aus Molke („lactosérum“, „whey“) vorbehalten bleiben soll. Die mit der Durchführungsverordnung Nr. 2016/534 eingefügte zusätzliche Anmerkung 4 zu Kapitel 4 KN lautet:
52 
„Für die Zwecke der Unterpositionen 0404 10 und 0404 90 gilt Folgendes:
Milchpermeat und Molkenpermeat können analytisch durch das Vorhandensein von Stoffen (z. B. Milchsäure, Lactate und Glykomakropeptide), die mit der Molkenherstellung zusammenhängen, unterschieden werden.
Zu Unterposition 0404 10 gehört ‚Molkenpermeat‘, ein Erzeugnis mit in der Regel leicht säuerlichem Geruch, das durch Ultrafiltration oder sonstige Verarbeitungsverfahren aus Molke oder Mischungen natürlicher Molkenbestandteile gewonnen wird.
Das Vorhandensein von Stoffen, die mit der Herstellung von Molke zusammenhängen (z. B. Milchsäure, Lactate und Glykomakropeptide), ist eine Voraussetzung für die Einreihung von Molkenpermeaten in diese Unterposition.
Zu Unterposition 0404 90 gehört ‚Milchpermeat‘, ein in der Regel nach Milch riechendes Erzeugnis, das durch Ultrafiltration oder sonstige Verarbeitungsverfahren aus Milch gewonnen wird. Das mengenmäßig begrenzte Vorhandensein oder das Fehlen von Milchsäure und Lactaten (höchstens 0,1 GHT in pulverförmigen Milchpermeaten oder höchstens 0,015 GHT in flüssigen Milchpermeaten) sowie das Fehlen von Glykomakropeptiden sind Voraussetzungen für die Einreihung von Milchpermeaten in Unterposition 0404 90.
53 
….“
54 
Zwar kann diese nachträglich eingeführte zusätzliche Anmerkung keine unmittelbare rückwirkende Anwendung finden, sie kann jedoch als Indiz im Rahmen der Auslegung der betroffenen Unterpositionen herangezogen werden. Das gilt unabhängig davon, dass der Senat Zweifel an der Gültigkeit der zusätzlichen Anmerkung hat. Diese Zweifel betreffen nämlich nicht die tarifliche Unterscheidung von Molken- und Milchpermeat, sondern die Tatsache, dass die zusätzliche Anmerkung Merkmale für die Einreihung in Unterposition 0404 90 HS enthält, die dem Charakter des Unterpositionswortlauts „andere“ widersprechen und die auch nicht in der Erläuterung zum HS genannt werden (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 29. Oktober 2009 Rs. C-522/07, C-65/08, C-522/07, C-65/08  – Dinter und Europol Frost-Food – ECLI:EU:C:2009:663, Rn. 32, Slg. 2009, I-987).
55 
(6) Dagegen kann aus den von der Klägerin angeführten vZTAen kein Rückschluss auf die Einreihung in den Tarif erfolgen. Auf die Dritten erteilten vZTAe kann sich die Klägerin nicht berufen, da diese nur gegenüber dem Berechtigten Bindungswirkung entfalten (Art. 12 Abs. 2 ZK). Die vZTAe können aber auch deshalb nicht zur Auslegung herangezogen werden, da aus dem öffentlich zugänglichen Teil der vZTAe die genaue Beschreibung und Zusammensetzung der jeweils begutachteten Waren nicht ersichtlich sind. Damit können die im Rahmen der Erteilung der vZTAen begutachteten Waren auch nicht mit dem vorliegend einzureihenden „Milchpermeat Y verglichen werden. Nur bei Übereinstimmung aller Merkmale könnten aber  – wenn überhaupt –  Rückschlüsse auf die Tarifierung gezogen werden.
56 
(7) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das HZA habe die Untersuchungsergebnisse der erfolgten Probeziehungen unzulässigerweise auf andere eingeführte Waren übertragen. Der EuGH hat ausdrücklich entschieden, dass die Ergebnisse einer Teilbeschau der in einer Zollanmeldung bezeichneten Waren, die anhand von Proben durchgeführt wurde, die diesen Waren entnommen wurden, für in früheren Anmeldungen desselben Anmelders aufgeführte Waren  – die nicht Gegenstand einer Beschau waren und deren Beschau aufgrund ihrer erfolgten Überlassung nicht mehr möglich ist –  übernommen werden dürfen, sofern diese Waren identisch sind (EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 Rs. C-571/12  – Greencarrier Freight Services Latvia –, ECLI:EU:C:2014:102, ZfZ 2014, 97, HFR 2014, 478). Vorliegend bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei den anderen Einfuhren um die gleichen Waren gehandelt hat. Die Klägerin hat weder dargetan, dass sich die anderen als „Milchpermeat Y angemeldeten Waren  – trotz der gleichlautenden Warenbezeichnung –  von denen, bei denen Proben gezogen worden waren, in irgendeiner Weise unterschieden haben, noch Nachweise hierfür benannt. Sie beruft sich lediglich darauf, dass die Untersuchungsergebnisse nicht übertragbar seien. Der Anmelder hat zwar das Recht, einer solchen Übernahme entgegenzutreten; handelt es sich der Anmeldung zufolge jedoch um die gleiche Ware, muss er alle Beweise beibringen, die geeignet sind, dieses Vorbringen, mit dem die fehlende Identität der fraglichen Waren dargetan werden soll, zu stützen (vgl. EuGH-Urteil vom 27. Februar 2014 Rs. C-571/12  – Greencarrier Freight Services Latvia –, ECLI:EU:C:2014:102, ZfZ 2014, 97, HFR 2014, 478).
57 
b) Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK stand der Nacherhebung mit den fünf Bescheiden vom 3. und 11. April 2012 nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.
58 
(1) Vorliegend fehlt es schon an einem Irrtum der Zollbehörden. Ein den Vertrauensschutz des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b UAbs. 1 ZK auslösender Irrtum muss auf ein Handeln der zuständigen Behörden zurückzuführen sein. Denn das Vertrauen des Zollschuldners verdient nur dann den Schutz des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b UAbs. 1 ZK, wenn die zuständige Behörde selbst die Grundlage geschaffen hat, auf der dieses Vertrauen beruht (so schon EuGH-Urteil vom 27. Juni 1991 Rs. C-348/89  – Mecanarte –, ECLI:EU:C:1991:278, Slg 1991, I-3277, HFR 1993, 139; weitere Nachweise bei Deimel in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Art. 220 ZK, Rn. 84). Vorliegend haben die Zollbehörden die jeweiligen Zollanmeldungen lediglich ohne nähere Prüfung entgegengenommen. Damit wird der Vertrauensschutz jedoch nicht ausgelöst. Andere Umstände, die einen solchen Irrtum begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Zwar beruft sich die Klägerin auf die langjährige Praxis ihrer Lieferantin, ohne jedoch darzulegen, dass tatsächlich über einen längeren Zeitraum Einfuhren des „Milchpermeat Y unter Unterposition 0404 10 HS von den Zollbehörden akzeptiert wurden.
59 
(2) Selbst für den Fall, dass die Zollbehörden bei der ursprünglichen Abgabenerhebung einem Irrtum im Hinblick auf die zutreffende Tarifierung unterlegen hätten, wäre dieser Irrtum für die Klägerin erkennbar gewesen.
60 
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sind bei der Beantwortung der Frage, ob der Irrtum der Zollbehörde einem Wirtschaftsteilnehmer erkennbar war, namentlich die Art des Irrtums sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers zu berücksichtigen (siehe z. B. EuGH-Urteile vom 11. November 1999 C-48/98  - Söhl & Söhlke -  ECLI:EU:C:1999:548, Slg. 1999, I-7877, ZfZ 2000, 12 und vom 26. März 2015 C-7/14 P  – Wünsche Handelsgesellschaft International –, ECLI:EU:C:2015:205, Rn. 55 und 56, ZfZ 2015, 156; vgl. auch Deimel in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Art. 220 ZK, Rn. 93 mit weiteren Nachweisen der höchstrichterlichen Rechtsprechung).
61 
Die Zollbehörden haben sich  – einen Irrtum unterstellt –  lediglich über die zutreffende Tarifnummer geirrt. Aufgrund der Bezeichnung „Milchpermeat Y war für die Behörden nicht ohne weiteres erkennbar, ob es sich dabei um ein aus Molke hergestelltes Produkt der Unterposition 0404 10 HS handelt oder nicht. Zwar weist die Bezeichnung auf ein Milchprodukt hin; da es sich aber auch bei Molke um ein aus Milch hergestelltes Produkt handelt, konnte die Zollbehörde keine weiteren Schlüsse aus der Bezeichnung ziehen.
62 
Bei der Klägerin handelt es sich um eine erfahrene Wirtschaftsteilnehmerin. Anders als die Zollbehörden wusste sie, dass „Milchpermeat Y nicht aus Molke, sondern aus Milch hergestellt worden war. Sie hätte demnach zumindest erkennen können, dass die Einreihung in Unterposition 0404 10 HS zweifelhaft ist. Anstatt sich der Richtigkeit ihrer Angaben in der Zollanmeldung zu vergewissern, hat sie sich ausweislich der Akten jedoch keinerlei Gedanken über die Tarifierung der Ware gemacht, sondern sich ganz auf die Angaben der Codenummer der Waren auf den Rechnungen ihrer Lieferantin verlassen.  Sie durfte sich auch nicht auf die von ihr zitierte vZTA der französischen Zollbehörden berufen. Da diese „Permeat de lait“ gerade nicht einheitlich in Unterposition 0404 1048 KN eingereiht (so aber vZTA vom 16. Oktober 2007 FR-E-2007-002908-1), sondern auch Einreihungen in Unterposition 0404 9021 KN für zutreffend erachtet hatten (vZTA vom 14. Juli 2007 FR-E4-2007-002908) und diese früher ergangene vZTA trotz der parallel verlaufenden Gültigkeitsdauer nicht widerrufen worden war, bestanden erhebliche Zweifel an der zutreffenden Tarifierung und damit Anlass zur Überprüfung und ggf. zur Beantragung einer vZTA.
63 
Da die Klägerin als erfahrene Wirtschaftsteilnehmerin trotz der für sie erkennbaren Zweifel keinerlei Maßnahmen ergriffen hat, um die von ihrer Lieferantin angegebene Tarifposition zu überprüfen, kann sie sich nicht auf den Vertrauensschutz des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b UAbs. 1 ZK berufen.
64 
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erstattung der Einfuhrabgaben nach Art. 239 ZK. Nach dieser Vorschrift können Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben in anderen als den in den Art. 236, 237 und 238 ZK genannten Fällen erstattet oder erlassen werden; diese Fälle werden nach dem Ausschussverfahren festgelegt und ergeben sich aus Umständen, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind (Art. 239 Abs. 1 ZK). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
65 
Es mangelt bereits am Vorliegen eines besonderen Umstands. Darüber hinaus hat die Klägerin aber auch fahrlässig gehandelt.
66 
a) Besondere Umstände i.S. von Art. 239 Abs. 1 2. Anstrich ZK i.V.m. Art. 905 Abs. 1 UAbs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zum ZK  – ZKDVO –  liegen vor, wenn sich der Wirtschaftsteilnehmer im Verhältnis zu anderen Wirtschaftsteilnehmern in einer außergewöhnlichen Situation befindet (siehe statt vieler Deimel, Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Art. 239 ZK, Rn. 53 mit zahlreichen Nachweisen der Rechtsprechung). Die Klägerin beruft sich zur Begründung eines besonderen Umstands darauf, dass ihre Lieferantin, die L, auf eine einem Dritten erteilte vZTA vertraut habe, nach der „Permeat de lait“ in die Unterposition 0404 1048 KN eingereiht worden sei (Seiten 12 und 13 der Klagebegründungsschrift). Zu Recht weist sie gleichzeitig darauf hin, dass sich die Lieferantin nicht unmittelbar auf die Verbindlichkeit dieser Auskunft berufen könne. Aber auch das Vertrauen der Lieferantin auf diese vZTA stellt keinen besonderen Umstand im Sinne des Art. 239 ZK dar.
67 
Soweit sich die Klägerin zur Begründung eines solchen besonderen Umstands auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-250/91  – Hewlett Packard France –  noch zur alten Rechtslage des Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 über die Erstattung oder den Erlass von Eingangsabgaben oder Ausfuhrabgaben beruft (EuGH-Urteil vom 1. April 1993 ECLI:EU:C:1993:134, Slg. 1993, I-1819), ist schon der Sachverhalt nicht vergleichbar. Während in dem genannten Rechtsstreit der betroffene Wirtschaftsteilnehmer geltend gemacht hatte, er habe auf eine unrichtige Auskunft vertraut, die die zuständigen Zollbehörden eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, in dem sich die für die Erhebung zuständige Zollbehörde befindet, seiner Tochtergesellschaft für die identische Ware erteilt hatten, beruft sich die Klägerin vorliegend darauf, nicht sie selbst, sondern ihre Lieferantin habe auf eine Auskunft der Zollbehörden eines anderen Mitgliedstaats für eine vergleichbare Ware vertraut. Vorliegend stützt sich die Klägerin zudem lediglich darauf, dass einem unbekannten Dritten eine entsprechende vZTA erteilt worden sei. Ein solcher Sachverhalt stellt jedoch keinen besonderen Umstand dar. Vielmehr handelt es sich um die typische Situation eines Wirtschaftsteilnehmers, der eine Ware einführt, die anderen Waren gleicht, für die divergierende vZTAe erteilt wurden.
68 
b) Darüber hinaus hat die Klägerin aber auch offensichtlich fahrlässig gehandelt, indem sie bei Abgabe der Zollanmeldung auf die Angaben ihrer Lieferantin vertraut hat, ohne diese Angaben zu überprüfen.
69 
Was unter offensichtlicher Fahrlässigkeit zu verstehen ist, hat der Verordnungsgeber nicht geregelt. An welchen Kriterien das Vorliegen offensichtlich fahrlässigen Verhaltens zu messen ist, hat der EuGH in Urteil vom 11. November 1999, C-48/98  - Söhl & Söhlke -  (ECLI:EU:C:1999:548, Slg. 1999, I-7877, ZfZ 2000, 12) grundlegend entschieden. Danach müssen insbesondere die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld begründet, sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers berücksichtigt werden. Zugleich weist der EuGH allerdings darauf hin, dass der Begriff der offensichtlichen Fahrlässigkeit so auszulegen ist, dass die Anzahl der Fälle, in denen erstattet oder erlassen wird, begrenzt bleibt (EuGH-Urteilvom 11. November 1999 C-48/98  - Söhl & Söhlke -, ECLI:EU:C:1999:548, Slg. 1999, I-7877, ZfZ 2000, 12, Rz. 52). Im Übrigen sind bei der Beurteilung, ob einem Wirtschaftsteilnehmer „offensichtliche Fahrlässigkeit“ im Sinne von Art. 239 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich ZK vorzuwerfen ist, die im Rahmen von Art. 220 ZK für die Prüfung, ob der Irrtum der Zollbehörde einem Wirtschaftsteilnehmer erkennbar war, herangezogenen Kriterien entsprechend anzuwenden (vgl. EuGH-Urteile vom 11. November 1999 C-48/98  - Söhl & Söhlke -, ECLI:EU:C:1999:548, Slg. 1999, I-7877, ZfZ 2000, 12, Rn. 55 und 56, sowie vom 13. März 2003 Rs. C-156/00  – Niederlande/Kommission –, EU:C:2003:149, Rn. 92, Slg. 2003, I-2527, ZfZ 2003, 189 und vom 26. März 2015 C-7/14 P  – Wünsche Handelsgesellschaft International –, ECLI:EU:C:2015:205, Rn. 78, ZfZ 2015, 156).
70 
Ein gewichtiges Indiz für Komplexität liegt vor, wenn es angesichts der Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten über die Tarifierung einer Ware erforderlich war, eine Verordnung zu erlassen, die die Tarifposition, in die die Ware einzustufen ist, abschließend klärt (vgl. EuGH-Urteile vom 1. April 1993, Rs. C-250/91  – Hewlett Packard France –, Slg. 1993, I-1819, Rn. 23; und vom 20. November 2008 Rs. C-38/07  – Heuschen & Schrouff –, ECLI:EU:C:2008:641, Slg 2008, I-8599, ZfZ 2009, 43). Daher mag auch im vorliegenden Fall von einer gewissen Komplexität der Vorschriften auszugehen sein. Allerdings handelt es sich bei der Klägerin um eine erfahrene Wirtschaftsteilnehmerin. Ausschlaggebend für die Annahme offensichtlicher Fahrlässigkeit ist jedoch die mangelnde Sorgfalt der Klägerin bei der Angabe der einschlägigen Tarifposition in der Zollanmeldung. Sie selbst hat sich ausweislich der Akten nämlich keinerlei Gedanken über die Tarifierung der Ware gemacht, sondern sich ganz auf die Angaben ihrer Lieferantin verlassen (siehe oben unter 1 b). Dementsprechend stellt ihr gesamter Vortrag zum Vorliegen eines besonderen Umstands und zum Fehlen offensichtlicher Fahrlässigkeit auf das Verhalten ihrer Lieferantin ab. Maßgeblich ist jedoch die von ihr selbst angewendete Sorgfalt. Diese genügt den Voraussetzungen für eine Erstattung der Einfuhrabgaben nicht. Insbesondere durfte sie nicht auf die Angaben ihrer Lieferantin vertrauen, ohne diese zu überprüfen. Bereits daraus ergibt sich ein offensichtlich fahrlässiges Verhalten der Klägerin. Darüber hinaus bestand aufgrund der zum Teil divergierenden vZTAe zu  – der Bezeichnung nach –  möglicherweise ähnlichen Produkten Anlass zur Überprüfung und ggf. zur Beantragung einer vZTA (siehe oben unter 1 b).
71 
_____________.........._____________.........._____________
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1 und 143 Abs. 1 FGO.
73 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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(1) Die Einfuhrumsatzsteuer wird erstattet oder erlassen in den in den Artikeln 235 bis 242 Zollkodex bezeichneten Fällen in sinngemäßer Anwendung dieser Vorschriften und der Durchführungsvorschriften dazu. (2) Die Erstattung oder der Erlaß hängt da

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Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Einfuhrumsatzsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten die Vorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den passiven Veredelungsverkehr.

(2a) Abfertigungsplätze im Ausland, auf denen dazu befugte deutsche Zollbedienstete Amtshandlungen nach Absatz 2 vornehmen, gehören insoweit zum Inland. Das Gleiche gilt für ihre Verbindungswege mit dem Inland, soweit auf ihnen einzuführende Gegenstände befördert werden.

(3) Die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer kann ohne Sicherheitsleistung aufgeschoben werden, wenn die zu entrichtende Steuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in voller Höhe als Vorsteuer abgezogen werden kann.

(3a) Einfuhrumsatzsteuer, für die ein Zahlungsaufschub gemäß Artikel 110 Buchstabe b oder c der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Unionszollkodex) bewilligt ist, ist abweichend von den zollrechtlichen Vorschriften am 26. des zweiten auf den betreffenden Monat folgenden Kalendermonats fällig.

(4) Entsteht für den eingeführten Gegenstand nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer eine Zollschuld oder eine Verbrauchsteuer oder wird für den eingeführten Gegenstand nach diesem Zeitpunkt eine Verbrauchsteuer unbedingt, so entsteht gleichzeitig eine weitere Einfuhrumsatzsteuer. Das gilt auch, wenn der Gegenstand nach dem in Satz 1 bezeichneten Zeitpunkt bearbeitet oder verarbeitet worden ist. Bemessungsgrundlage ist die entstandene Zollschuld oder die entstandene oder unbedingt gewordene Verbrauchsteuer. Steuerschuldner ist, wer den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn derjenige, der den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat, hinsichtlich des eingeführten Gegenstands nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

(5) Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend für Gegenstände, die nicht Waren im Sinne des Zollrechts sind und für die keine Zollvorschriften bestehen.

(1) Die Einfuhrumsatzsteuer wird erstattet oder erlassen in den in den Artikeln 235 bis 242 Zollkodex bezeichneten Fällen in sinngemäßer Anwendung dieser Vorschriften und der Durchführungsvorschriften dazu.

(2) Die Erstattung oder der Erlaß hängt davon ab, daß der Antragsteller hinsichtlich der Gegenstände nicht oder nicht in vollem Umfang nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Satz 1 gilt nicht für die Fälle des Artikels 236 Zollkodex.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Einfuhrumsatzsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten die Vorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den passiven Veredelungsverkehr.

(2a) Abfertigungsplätze im Ausland, auf denen dazu befugte deutsche Zollbedienstete Amtshandlungen nach Absatz 2 vornehmen, gehören insoweit zum Inland. Das Gleiche gilt für ihre Verbindungswege mit dem Inland, soweit auf ihnen einzuführende Gegenstände befördert werden.

(3) Die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer kann ohne Sicherheitsleistung aufgeschoben werden, wenn die zu entrichtende Steuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in voller Höhe als Vorsteuer abgezogen werden kann.

(3a) Einfuhrumsatzsteuer, für die ein Zahlungsaufschub gemäß Artikel 110 Buchstabe b oder c der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Unionszollkodex) bewilligt ist, ist abweichend von den zollrechtlichen Vorschriften am 26. des zweiten auf den betreffenden Monat folgenden Kalendermonats fällig.

(4) Entsteht für den eingeführten Gegenstand nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer eine Zollschuld oder eine Verbrauchsteuer oder wird für den eingeführten Gegenstand nach diesem Zeitpunkt eine Verbrauchsteuer unbedingt, so entsteht gleichzeitig eine weitere Einfuhrumsatzsteuer. Das gilt auch, wenn der Gegenstand nach dem in Satz 1 bezeichneten Zeitpunkt bearbeitet oder verarbeitet worden ist. Bemessungsgrundlage ist die entstandene Zollschuld oder die entstandene oder unbedingt gewordene Verbrauchsteuer. Steuerschuldner ist, wer den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn derjenige, der den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat, hinsichtlich des eingeführten Gegenstands nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

(5) Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend für Gegenstände, die nicht Waren im Sinne des Zollrechts sind und für die keine Zollvorschriften bestehen.

(1) Die Einfuhrumsatzsteuer wird erstattet oder erlassen in den in den Artikeln 235 bis 242 Zollkodex bezeichneten Fällen in sinngemäßer Anwendung dieser Vorschriften und der Durchführungsvorschriften dazu.

(2) Die Erstattung oder der Erlaß hängt davon ab, daß der Antragsteller hinsichtlich der Gegenstände nicht oder nicht in vollem Umfang nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Satz 1 gilt nicht für die Fälle des Artikels 236 Zollkodex.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.