Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 02. Aug. 2018 - 3 BN 1/18, 3 BN 1/18 (3 BN 1/17)
Gründe
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Die vom Antragsteller erhobene Anhörungsrüge ist unbegründet, weil die für eine Fortführung des Verfahrens erforderliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO) nicht vorliegt.
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Der in Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör verbürgt als "prozessuales Urrecht" den Beteiligten eines Gerichtsverfahrens, vor Erlass einer Entscheidung, die ihre Rechte betrifft, zu Wort kommen und mit ihren Ausführungen und Anträgen Einfluss auf das Verfahren nehmen zu können (vgl. BVerfG, Plenumsbeschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 [ECLI:DE:BVerfG:2003:up20030430.1pbvu000102] - BVerfGE 107, 395 <408 f.>). Diese Ausführungen hat das Gericht zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Einen entscheidungserheblichen Verstoß gegen diese Verpflichtung hat die Anhörungsrüge nicht aufgezeigt.
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Im Beschwerdeverfahren kann - und darf (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 2. März 2016 - 2 B 66.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:020316B2B66.15.0] - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 62 Rn. 5 m.w.N.) - das Revisionsgericht nur die von den Beteiligten dargelegten Gründe prüfen. Die vom Antragsteller mit der Anhörungsrüge nunmehr behaupteten tatsächlichen Wirkungen der Rechtsverordnung durch den Abschuss von Rabenkrähen während des anhängigen Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO sind im Rahmen des Beschwerdeverfahrens indes nicht vorgetragen worden. Hierzu hätte Anlass bestanden, weil der Antragsteller mit Schreiben des Berichterstatters vom 13. März 2018 darauf hingewiesen worden war, dass tatsächliche Anknüpfungspunkte für ein berechtigtes Feststellungsinteresse bislang weder dargetan noch sonst ersichtlich seien. In der daraufhin abgegebenen Stellungnahme ist zwar auf die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen für die allgemeine Tätigkeit des Antragstellers, auf die generelle Wiederholungsgefahr aufgrund der im Niedersächsischen Jagdgesetz enthaltenen Verordnungsermächtigung, auf Verordnungen anderer Landkreise, auf die kurze Geltungsdauer der streitigen Rechtsverordnung u.a. hingewiesen worden. Beeinträchtigungen durch die konkrete Rechtsverordnung hat der Antragsteller aber ebenso wenig vorgetragen wie Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner entgegen seiner Zusicherung eine entsprechende Verordnung erneut erlassen könnte.
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Dass das Oberverwaltungsgericht die Rechtsverordnung, mit der die Schonzeit für Rabenkrähen vom 1. bis zum 31. Juli 2013 aufgehoben wurde, erst am 9. Juli 2013 außer Vollzug gesetzt hat, die Verordnung also vom 1. bis 9. Juli 2013 in Geltung war, hat der Senat in Rn. 23 seines Beschlusses vom 14. Juni 2018 allerdings übersehen. Er hat den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör dadurch jedoch nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (vgl. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 188/09 [ECLI:DE:BVerfG:2009:rk20090224.1bvr018809] - NVwZ 2009, 580 Rn. 15). Allein die kurze Geltung der Verordnung kann ein Feststellungsinteresse nicht begründen; das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie für einige Tage gegolten und insoweit Rechtswirkungen entfaltet hat. Aus dem zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni 2001 - 6 CN 1.01 - (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 149 Rn. 10) folgt nichts anderes. Danach kann zwar ein Normenkontrollantrag auch gegen eine bereits aufgehobene Rechtsnorm zulässig sein, wenn in der Vergangenheit liegende Sachverhalte noch nach ihr zu entscheiden sind oder wenn während des Normenkontrollverfahrens eine auf kurzfristige Geltung angelegte Norm etwa wegen Zeitablaufs außer Kraft getreten ist; in einem solchen Fall konnte die Norm Wirkungen entfaltet haben, sodass ein Interesse an der Feststellung ihrer Ungültigkeit bestehen kann. Dass ein Fortsetzungsfeststellungsantrag im Normenkontrollverfahren gegen eine nach kurzer Geltung außer Kraft getretene Norm ohne ein Feststellungsinteresse - also allein wegen der Kürze ihrer Geltungsdauer - zulässig ist, folgt daraus nicht. Ein solches hat der Antragsteller aber nicht dargelegt. Die Ausführungen belegen eine konkrete Wiederholungsgefahr nicht. Die hiergegen gerichteten Erwägungen der Anhörungsrüge wenden sich gegen die rechtliche Würdigung im Beschluss vom 14. Juni 2018 und betreffen damit nicht den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
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Die vorliegende Konstellation ist auch nicht mit den in der Rechtsprechung anerkannten Fällen eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses bei tiefgreifenden Grundrechtseingriffen (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 538/06 u.a. [ECLI:DE:BVerfG:2007:rs20070227.1bvr053806] - BVerfGE 117, 244 Rn. 69 m.w.N.) - wie etwa der Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen - vergleichbar.
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Von einem "Komplettausfall der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG" kann schon deshalb keine Rede sein, weil der Antragsteller im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Außervollzugsetzung der Rechtsverordnung erreicht und der Antragsgegner zugesagt hat, eine entsprechende Rechtsverordnung künftig nicht mehr zu erlassen. Warum aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgen sollte, dass ohne konkrete Wiederholungsgefahr ein (Fortsetzungs-)Feststellungsverfahren gegen den Antragsgegner möglich sein muss, ist nicht ersichtlich. Das abstrakte Interesse des Antragstellers an der Klärung der für seine Arbeit grundsätzlich relevanten Rechtsfragen reicht hierfür nicht aus. Auch insoweit betrifft die Anhörungsrüge im Übrigen nicht die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern wendet sich gegen die im Beschluss vom 14. Juni 2018 enthaltene Rechtsauffassung des Senats. Die Anhörungsrüge stellt indes kein Verfahren für eine erneute Rechtmäßigkeitskontrolle zur Verfügung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).
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Referenzen - Gesetze
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 47
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152a
(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn
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ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.
(6) § 149 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit
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von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs - 2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.
(2a) (weggefallen)
(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.
(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.
(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.
(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn
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ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.
(6) § 149 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.