Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 27. Sept. 2011 - 2 BvR 1558/11

ECLI: ECLI:DE:BVerfG:2011:rk20110927.2bvr155811
published on 27/09/2011 00:00
Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 27. Sept. 2011 - 2 BvR 1558/11
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Gründe

A.

1

Die Beschwerdeführerin begehrt die Behandlung ihrer beim Deutschen Bundestag eingereichten Petitionen als "öffentliche Petitionen" entsprechend der auf Grundlage von § 110 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vom Petitionsausschuss beschlossenen "Grundsätze des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden (Verfahrensgrundsätze)" (vgl. BTDrucks 17/6250, S. 104 ff.). Dort heißt es in Nummer 2.2 Abs. 4:

2

"Öffentliche Petitionen sind Bitten oder Beschwerden von allgemeinem Interesse an den Deutschen Bundestag. Sie werden im Einvernehmen mit dem Petenten auf der Internetseite des Petitionsausschusses veröffentlicht. Mit der Veröffentlichung erhalten weitere Personen oder Personengruppen über das Internet die Gelegenheit zur Mitzeichnung der Petition oder zur Abgabe eines Diskussionsbeitrages hierzu."

3

Näheres regelt die "Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen" (vgl. BTDrucks 17/6250, S. 111 f.). Ein Rechtsanspruch auf Annahme einer Petition als "öffentliche Petition" besteht laut Nummer 1 Satz 3 der Richtlinie nicht.

4

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen Entscheidungen des Petitionsausschusses, mit denen dieser die Behandlung ihrer Eingaben als "öffentliche Petitionen" abgelehnt hatte. Sie rügt insbesondere die Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 17 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG. Im Juni 2011 sei die Eingabe eines anderen Petenten mit dem gleichen Inhalt wie eine ihrer Petitionen als "öffentliche Petition" zugelassen worden.

B.

5

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) nicht erfüllt sind. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist insbesondere deswegen unzulässig, weil die Beschwerdeführerin entgegen § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht erschöpft hat.

6

Um dem Gebot der Rechtswegerschöpfung zu genügen, müssen auch diejenigen Rechtsbehelfe ergriffen werden, deren Zulässigkeit zum Zeitpunkt der Einlegung der Verfassungsbeschwerde in der fachgerichtlichen Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt ist (vgl. BVerfGE 70, 180 <185 f.>). Unzumutbar ist die Einlegung eines Rechtsmittels erst dann, wenn dessen Zulässigkeit höchst zweifelhaft ist (vgl. BVerfGE 17, 252 <257>; 39, 302 <311 f.>; 60, 7 <13>; 60, 96 <99>; 64, 203 <206>).

7

Danach war es der Beschwerdeführerin zuzumuten, vor Erhebung ihrer Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zu beschreiten. Zwar finden sich - soweit ersichtlich - über die Möglichkeit sowie die Modalitäten der Erlangung fachgerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Ablehnung der Behandlung einer Petition als "öffentliche Petition" im Sinne der Verfahrensgrundsätze des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages keine veröffentlichten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen. Angesichts des Umstandes, dass gegen die rechtswidrige Behandlung einer Petition der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten beschritten werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 1988 - 1 BvR 644/88 -, juris, m.w.N.), erscheint es aber zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen, dass vor den Verwaltungsgerichten auch die rechtswidrige Ablehnung der Behandlung einer Petition als "öffentliche Petition" gerügt werden kann.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

6 Referenzen - Gesetze

moreResultsText

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung. (2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen, a) soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,b) wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angez

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwer

Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.

Annotations

(1) Der Petitionsausschuß hat Grundsätze über die Behandlung von Bitten und Beschwerden aufzustellen und diese Grundsätze zum Ausgangspunkt seiner Entscheidung im Einzelfall zu machen.

(2) Soweit Ersuchen um Aktenvorlage, Auskunft oder Zutritt zu Einrichtungen unmittelbar an Behörden des Bundes, bundesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gerichtet werden, ist das zuständige Mitglied der Bundesregierung zu verständigen.

(3) Von der Anhörung des Petenten, Zeugen oder Sachverständigen ist das zuständige Mitglied der Bundesregierung rechtzeitig zu unterrichten.

Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,

a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.