Bundesverfassungsgericht Kammerbeschluss, 11. Sept. 2018 - 1 BvR 2176/17

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2018:rk20180911.1bvr217617
11.09.2018

Tenor

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der Erstattung seiner notwendigen Auslagen wird abgelehnt.

Gründe

1

Über die Verfassungsbeschwerde ist infolge der Erledigungserklärung nicht mehr zu entscheiden (vgl. BVerfGE 85, 109 <113>). Gegenstand des Verfahrens ist nur noch die Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der Erstattung seiner notwendigen Auslagen, die ebenfalls der Kammer obliegt (§ 93d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Der Antrag hat keinen Erfolg.

2

Der Maßstab für die Anordnung der Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 3 BVerfGG. Danach ist über die Erstattung nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden und eine Gesamtwürdigung aller bekannten Umstände vorzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, juris, Rn. 2). Mit Blick auf die Funktion und die Tragweite verfassungsgerichtlicher Entscheidungen kommt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde regelmäßig nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 85, 109 <115>; 133, 37 <38 f. Rn. 2>). Eine Erstattung von Auslagen kommt allerdings dann in Frage, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde offensichtlich war und unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage geklärt ist (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>; 133, 37 <38 f. Rn. 2>).

3

Gemessen an diesen Grundsätzen scheidet eine Anordnung der Auslagenerstattung vorliegend aus.

4

Zwar kann dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen zugebilligt werden, wenn der verantwortliche Hoheitsträger die mit der Verfassungsbeschwerde gerügte Belastung beseitigt oder der Verfassungsbeschwerde auf andere Weise abgeholfen hat und diesem Verhalten entnommen werden kann, dass der Hoheitsträger selbst davon ausgeht, dass das Anliegen des Beschwerdeführers berechtigt war (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 f.>; 87, 394 <397>; 91, 146 <147>). Die Möglichkeit, die öffentliche Gewalt bei der Frage der Auslagenerstattung an ihrer Auffassung festzuhalten und den Erfolg der Verfassungsbeschwerde zu unterstellen, besteht aber nur dann, wenn die in der Abhilfe durch die öffentliche Gewalt zum Ausdruck gekommene Auffassung als Ergebnis einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht gedacht werden kann. Demgegenüber hat das Landgericht seine Abhilfeentscheidung allein auf einfachrechtliche Gesichtspunkte gestützt. Das kann eine Auslagenerstattung nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. November 2010 - 1 BvR 2643/10 -, juris, Rn. 4).

5

Auch im Übrigen erweist sich die Verfassungsbeschwerde nicht als offensichtlich begründet. Sie war bereits unzulässig, weil sie die gesetzlichen Begründungsanforderungen (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) nicht erfüllte. Eine Verletzung des Willkürverbots hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert dargelegt.

6

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93d


(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung. (2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsb

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 92


In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 23


(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben. (2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kom

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Bundesverfassungsgericht Beschluss, 09. Feb. 2017 - 1 BvR 309/11

bei uns veröffentlicht am 09.02.2017

Tenor Der Antrag der Beschwerdeführer auf Anordnung der Erstattung ihrer notwendigen Auslagen wird abgelehnt. Gründe 1

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(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

Tenor

Der Antrag der Beschwerdeführer auf Anordnung der Erstattung ihrer notwendigen Auslagen wird abgelehnt.

Gründe

1

Über die Verfassungsbeschwerde ist aufgrund der Erledigungserklärung der Beschwerdeführer vom 30. Januar 2017 nicht mehr zu entscheiden (vgl. BVerfGE 85, 109 <113>). Verfahrensgegenstand ist nur noch die Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführer auf Erstattung ihrer notwendigen Auslagen, die ebenfalls der Kammer obliegt (vgl. BVerfGE 72, 34 <38 f.>). Dieser Antrag hat keinen Erfolg.

2

1. Nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde ist über die Erstattung der den Beschwerdeführern entstandenen Auslagen nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden, § 34a Abs. 3 BVerfGG. Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller bekannten Umstände vorzunehmen. Mit Blick auf die Funktion und die Tragweite verfassungsgerichtlicher Entscheidungen kommt, insbesondere wenn es um die Gültigkeit eine Gesetzes geht, eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde regelmäßig nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 85, 109 <115>; 87, 394 <398>). Eine Erstattung von Auslagen kommt allerdings dann in Frage, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde offensichtlich war und unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage geklärt worden ist (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>). Vor allem dann, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft und davon ausgegangen werden kann, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt gehalten hat, kann es billig sein, dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen zuzubilligen (vgl. BVerfGE 87, 394 <397>).

3

2. Gemessen an diesen Grundsätzen scheidet eine Auslagenerstattung vorliegend aus.

4

Zwar hat der Gesetzgeber mit dem Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011 (BGBl I S. 1704; im Folgenden: 13. AtG-Novelle) die erst kurz zuvor durch das Elfte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl I S. 1814; im Folgenden: 11. AtG-Novelle) gewährte Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke zurückgenommen und damit den hier in erster Linie angegriffenen Gesetzesakt beseitigt. Jedoch erfolgte diese Rücknahme allein aufgrund einer Neubewertung der mit der Kernenergienutzung verbundenen Risiken durch den Gesetzgeber infolge des Reaktorunglücks in Fukushima (vgl. BVerfG, Urteil vom 06. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - Rn. 282 f.). Die Beseitigung der Laufzeitverlängerung geht deshalb nicht auf ein Einlenken des Gesetzgebers aufgrund der - maßgeblich auf die fehlende Zustimmung des Bundesrats zur 11. AtG-Novelle gegründeten - verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführer zurück, sondern war Ausdruck einer Neuorientierung von Bundesregierung und Gesetzgeber auf dem Gebiet der Kernenergie.

5

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.