Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 08. Juni 2015 - 1 BvR 1227/14

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2015:rk20150608.1bvr122714
bei uns veröffentlicht am08.06.2015

Tenor

1. Der Beschwerdeführerin wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt M… beigeordnet.

2. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg, weil die angegriffene Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach weder § 1763 Abs. 1 BGB noch § 1771 Satz 1 BGB die Aufhebung einer Minderjährigenadoption nach Eintritt der Volljährigkeit der angenommenen Person zulassen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Dies gilt auch für die Einschätzung des Bundesgerichtshofs, dass diese Rechtslage mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

2

Die Kammer verkennt nicht, dass die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten betroffen ist. Die familienrechtliche Zuordnung im Rahmen eines Eltern-Kind-Verhältnisses mag für das Verständnis und die Entfaltung der eigenen Individualität in bestimmten Situationen ähnliche Bedeutung gewinnen wie etwa die biologische Abstammung (vgl. BVerfGE 79, 256 <268 f.>), der Personenstand (vgl. BVerfGE 128, 109 <124 m.w.N.>) oder auch der rechtlich zugewiesene Name (vgl. BVerfGE 78, 38 <49>). Sofern mit der Unaufhebbarkeit der Annahme Belastungen für die Angenommenen verbunden sind, werden diese durch die Möglichkeit der Durchtrennung des namensrechtlichen Bandes (§ 3 NamÄndG) sowie der Abwehr unerwünschter unterhaltsrechtlicher (§ 1611 BGB) und erbrechtlicher (§ 2339 BGB) Folgen gemildert.

3

Dass der Gesetzgeber nicht darüber hinaus auch die Aufhebung der Adoption minderjährig Angenommener nach Eintritt der Volljährigkeit vorgesehen hat, liegt noch im Gestaltungsspielraum, welcher dem Gesetzgeber bei der rechtlichen Ausgestaltung der Familie zukommt (vgl. BVerfGE 133, 59 <84 f.>). Der Gesetzgeber hat bei dieser Ausgestaltung des Adoptionsrechts konsequent die verfassungsrechtlich legitime Zielsetzung verfolgt, die dauerhafte Integration angenommener Kinder in die aufnehmende Familie durch vollständige Angleichung des rechtlichen Status leiblicher und angenommener Kinder zu fördern (BTDrucks 7/3061, S. 1). Von einer Durchbrechung dieser Gleichstellung hat er auch hinsichtlich der Aufhebbarkeit des Eltern-Kind-Verhältnisses gezielt abgesehen (a.a.O., S. 27). Dass demgegenüber eine Volljährigenadoption aufgelöst werden kann, wenn sie nicht mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption erfolgte (§ 1771 Satz 1 BGB), ist konsequent, weil die oder der Angenommene hier wegen der schwachen Adoptionswirkungen von vornherein rechtlich nicht in gleichem Maße in die Familie aufgenommen wird wie bei der Minderjährigenadoption. Plausibel ist auch, dass die Adoption Minderjähriger in besonderen Situationen aufgelöst werden kann, solange die oder der Angenommene minderjährig ist (§ 1763 Abs. 1 BGB), weil angesichts der Unzulässigkeit einer sogenannten Kettenadoption (§ 1742 BGB) nur so die Möglichkeit besteht, dass das minderjährige Kind, das der elterlichen Pflege und Erziehung bedarf, durch erneute Adoption geeignete Eltern erhält.

4

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

5

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 08. Juni 2015 - 1 BvR 1227/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 08. Juni 2015 - 1 BvR 1227/14

Referenzen - Gesetze

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 08. Juni 2015 - 1 BvR 1227/14 zitiert 8 §§.

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93d


(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung. (2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsb

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93a


(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung. (2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen, a) soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,b) wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angez

Namensänderungsgesetz - NamÄndG | § 3


(1) Ein Familienname darf nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. (2) Die für die Entscheidung erheblichen Umstände sind von Amts wegen festzustellen; dabei sollen insbesondere außer den unmittelbar Beteiligten di

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1611 Beschränkung oder Wegfall der Verpflichtung


(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2339 Gründe für Erbunwürdigkeit


(1) Erbunwürdig ist:1.wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht oder in einen Zustand versetzt hat, infolge dessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig war, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder au

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1763 Aufhebung von Amts wegen


(1) Während der Minderjährigkeit des Kindes kann das Familiengericht das Annahmeverhältnis von Amts wegen aufheben, wenn dies aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist. (2) Ist das Kind von einem Ehepaar angenommen, so kann

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1742 Annahme nur als gemeinschaftliches Kind


Ein angenommenes Kind kann, solange das Annahmeverhältnis besteht, bei Lebzeiten eines Annehmenden nur von dessen Ehegatten angenommen werden.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1771 Aufhebung des Annahmeverhältnisses


Das Familiengericht kann das Annahmeverhältnis, das zu einem Volljährigen begründet worden ist, auf Antrag des Annehmenden und des Angenommenen aufheben, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Im Übrigen kann das Annahmeverhältnis nur in sinngemäßer Anwe

Referenzen

(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,

a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

(1) Während der Minderjährigkeit des Kindes kann das Familiengericht das Annahmeverhältnis von Amts wegen aufheben, wenn dies aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(2) Ist das Kind von einem Ehepaar angenommen, so kann auch das zwischen dem Kind und einem Ehegatten bestehende Annahmeverhältnis aufgehoben werden.

(3) Das Annahmeverhältnis darf nur aufgehoben werden,

a)
wenn in dem Falle des Absatzes 2 der andere Ehegatte oder wenn ein leiblicher Elternteil bereit ist, die Pflege und Erziehung des Kindes zu übernehmen, und wenn die Ausübung der elterlichen Sorge durch ihn dem Wohl des Kindes nicht widersprechen würde oder
b)
wenn die Aufhebung eine erneute Annahme des Kindes ermöglichen soll.

Das Familiengericht kann das Annahmeverhältnis, das zu einem Volljährigen begründet worden ist, auf Antrag des Annehmenden und des Angenommenen aufheben, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Im Übrigen kann das Annahmeverhältnis nur in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften des § 1760 Abs. 1 bis 5 aufgehoben werden. An die Stelle der Einwilligung des Kindes tritt der Antrag des Anzunehmenden.

(1) Ein Familienname darf nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt.

(2) Die für die Entscheidung erheblichen Umstände sind von Amts wegen festzustellen; dabei sollen insbesondere außer den unmittelbar Beteiligten die zuständige Ortspolizeibehörde und solche Personen gehört werden, deren Rechte durch die Namensänderung berührt werden.

(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.

(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.

(1) Erbunwürdig ist:

1.
wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht oder in einen Zustand versetzt hat, infolge dessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig war, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
2.
wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich verhindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
3.
wer den Erblasser durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
4.
wer sich in Ansehung einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen einer Straftat nach den §§ 267, 271 bis 274 des Strafgesetzbuchs schuldig gemacht hat.

(2) Die Erbunwürdigkeit tritt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3, 4 nicht ein, wenn vor dem Eintritt des Erbfalls die Verfügung, zu deren Errichtung der Erblasser bestimmt oder in Ansehung deren die Straftat begangen worden ist, unwirksam geworden ist, oder die Verfügung, zu deren Aufhebung er bestimmt worden ist, unwirksam geworden sein würde.

Das Familiengericht kann das Annahmeverhältnis, das zu einem Volljährigen begründet worden ist, auf Antrag des Annehmenden und des Angenommenen aufheben, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Im Übrigen kann das Annahmeverhältnis nur in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften des § 1760 Abs. 1 bis 5 aufgehoben werden. An die Stelle der Einwilligung des Kindes tritt der Antrag des Anzunehmenden.

(1) Während der Minderjährigkeit des Kindes kann das Familiengericht das Annahmeverhältnis von Amts wegen aufheben, wenn dies aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(2) Ist das Kind von einem Ehepaar angenommen, so kann auch das zwischen dem Kind und einem Ehegatten bestehende Annahmeverhältnis aufgehoben werden.

(3) Das Annahmeverhältnis darf nur aufgehoben werden,

a)
wenn in dem Falle des Absatzes 2 der andere Ehegatte oder wenn ein leiblicher Elternteil bereit ist, die Pflege und Erziehung des Kindes zu übernehmen, und wenn die Ausübung der elterlichen Sorge durch ihn dem Wohl des Kindes nicht widersprechen würde oder
b)
wenn die Aufhebung eine erneute Annahme des Kindes ermöglichen soll.

Ein angenommenes Kind kann, solange das Annahmeverhältnis besteht, bei Lebzeiten eines Annehmenden nur von dessen Ehegatten angenommen werden.

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.