Bundessozialgericht Beschluss, 06. Feb. 2017 - B 8 SO 74/15 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:060217BB8SO7415B3
bei uns veröffentlicht am06.02.2017

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. März 2015 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.6.2010 bis 15.2.2013.

2

Der Beklagte lehnte solche Ansprüche ab, weil der Kläger über Einkommen verfüge, das seinen Bedarf übersteige; insbesondere Unterkunftskosten seien bei der Bedarfsberechnung nicht zu berücksichtigen, weil solche nicht nachgewiesen seien (Bescheid vom 26.7.2011; Widerspruchsbescheid vom 5.12.2011). Die Klage hat das Sozialgericht Würzburg abgewiesen (Urteil vom 31.1.2013). Nachdem der Kläger ins Burgenland/Österreich verzogen war, hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 26.3.2015). Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung hatte der Kläger sich nicht einverstanden erklärt und sein Erscheinen sowie die Aufbietung von Zeugen in einem Termin angekündigt. Das LSG hat für den 26.3.2015 einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Daraufhin hat sich die Hausverwaltung der Lebensgemeinschaft, in der der Kläger wohnt, gemeldet und mitgeteilt, der Kläger sei derzeit nicht unter der angegebenen Adresse erreichbar, sondern befinde sich wegen einer schweren Darmoperation seit dem 9.2.2015 im Krankenhaus; der mündlich von ihm mitgeteilte Wunsch sei die Vertagung der Verhandlung. Der Vorsitzende des LSG-Senats hat darauf geantwortet, ein wirksamer Vertagungsantrag sei mangels Bevollmächtigung der Hausverwaltung nicht erkennbar; zudem bedürfe es einer ärztlichen Bescheinigung, aus der die Erkrankung und die Dauer der voraussichtlichen Reiseunfähigkeit hervorgingen (Schreiben vom 17.3.2015). In der mündlichen Verhandlung am 26.3.2015 ist für den Kläger niemand erschienen.

3

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil macht der Kläger als Verfahrensfehler eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Zur Begründung trägt er vor, das LSG hätte den Termin verlegen müssen; es habe insoweit wegen einer notwendig gewordenen stationären Behandlung ein erheblicher Grund für die Terminverlegung vorgelegen. Dem Verlangen des Vorsitzenden nach weiteren Belegen habe er, der Kläger, nicht mehr rechtzeitig nachkommen und auch nicht mehr rechtzeitig für eine Vertretung sorgen können.

4

II. Die Beschwerde ist unzulässig; denn der Kläger hat den allein geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz) nicht in der gebotenen Weise bezeichnet (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 SGG entscheiden.

5

Wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs hat der Kläger geltend gemacht, die Ablehnung des Antrags auf Terminverlegung verletze den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, weil er aus erheblichen Gründen (vgl insoweit § 202 Satz 1 SGG iVm § 227 Zivilprozessordnung), einer Erkrankung, die stationär habe behandelt werden müssen, am Erscheinen gehindert gewesen sei. An seinem ursprünglichen Vortrag hat er indes nicht festgehalten. Wegen des behaupteten Krankenhausaufenthalts hat der Kläger nämlich auf Nachfrage des Senats Bescheinigungen unter dem Briefkopf der Burgenländischen Krankenanstalten GmbH vorgelegt (vom 18.7. und 9.9.2016). Diese hat auf Rückfrage des Senats mitgeteilt, die Bescheinigung vom 18.7.2016, in der eine Einlieferung am 9.2.2016 für einige Operationen bestätigt werde, sei nicht vom dort angegebenen Unterzeichner ausgestellt worden. Der Kläger hat daraufhin vorgetragen, die Bescheinigungen vom 18.7. und 9.9.2016 stammten nicht von der Burgenländischen Krankenanstalten GmbH; ein Mitarbeiter der Lebensgemeinschaft sei allein für "die Fälschungen" verantwortlich. Er habe sich jedoch am 26.3.2015 in ambulanter ärztlicher Behandlung befunden und sei nicht reisefähig gewesen. Damit hat er eingeräumt, dass die beiden vorgelegten Bescheinigungen zum Beleg des Krankenhausaufenthalts gefälscht worden sind. Auch wenn er sinngemäß vorträgt, er sei für diese Fälschungen nicht selbst verantwortlich, ist sein Vortrag nicht (mehr) schlüssig. Sein späterer (neuer) Vortrag, er habe sich zwar nicht im Krankenhaus, aber in ambulanter ärztlicher Behandlung befunden und sei deshalb nicht reise- und verhandlungsfähig gewesen, ist erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 160a Abs 2 Satz 1 SGG erfolgt und nicht zu berücksichtigen. Auch der weitere Vortrag, die Ladungsfrist von 2 Wochen (vgl § 110 Abs 1 Satz 1 SGG) habe für eine angemessene Prozessführung im vorliegenden Einzelfall wegen der Erkrankung nicht ausgereicht, ist damit nicht schlüssig dargelegt.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 169


Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 227 Terminsänderung


(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht1.das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 110


(1) Der Vorsitzende bestimmt Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung und teilt sie den Beteiligten in der Regel zwei Wochen vorher mit. Die Beteiligten sind darauf hinzuweisen, daß im Falle ihres Ausbleibens nach Lage der Akten entschieden werden kan

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Der Vorsitzende bestimmt Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung und teilt sie den Beteiligten in der Regel zwei Wochen vorher mit. Die Beteiligten sind darauf hinzuweisen, daß im Falle ihres Ausbleibens nach Lage der Akten entschieden werden kann.

(2) Das Gericht kann Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(3) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.