Bundessozialgericht Beschluss, 27. Juni 2017 - B 2 U 27/17 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:270617BB2U2717B0
bei uns veröffentlicht am27.06.2017

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. September 2016 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Streitig sind die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Ziffer 1102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (, Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen) und der Ziffer 1302 BKV (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) sowie einer Wie-BK nach § 9 Abs 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Das SG Gelsenkirchen hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21.10.2011).

2

Im Berufungsverfahren hat der Senatsvorsitzende des LSG Termin zur mündlichen Verhandlung auf Mittwoch, den 14.9.2016, 10:00 Uhr bestimmt und das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet. Die Ladung ging diesem am 9.8.2016 zu. Bereits zuvor am 19.7.2016 hatte die Prozessbevollmächtigte des Klägers dem LSG angezeigt, dass sie das Mandat gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom selben Tag niedergelegt habe und eine Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung von ihrer Seite nicht erfolgen werde.

3

Der Kläger beantragte am 22.8.2016, den anberaumten Termin im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand um sechs Monate zu verlegen. Dies lehnte der Vorsitzende des Senats am LSG mit Schreiben vom 24.8.2016 ab und hob gleichzeitig die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers auf.

4

Daraufhin beantragte der Kläger am 8.9.2016 erneut, den Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.9.2016 aufzuheben, zugleich lehnte er den Vorsitzenden des Senats wegen "unfairer Verhandlungsführung" als befangen ab. Diesem Schreiben beigefügt war ein ärztliches Attest des Dr. A. K. M. vom 7.9.2016, in welchem dieser ausführt, dass aufgrund des sehr schlechten Gesundheitszustandes des Klägers er das LSG dringend bitte, den Verfahrenstermin am 14.9.2016 zu verschieben. Die Erkrankung werde es dem Kläger nicht ermöglichen, an dem Tag dem Verfahren beizuwohnen. Diesen Antrag beschied der Vorsitzende des Senats am LSG nicht mehr, nachdem das LSG am 12.9.2016 durch Beschluss den Befangenheitsantrag zurückgewiesen hatte. Das LSG hat vielmehr am 14.9.2016 in Abwesenheit des Klägers eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Durch Urteil vom selben Tag hat das LSG auf die mündliche Verhandlung hin die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückgewiesen sowie die Revision nicht zugelassen. In den Urteilsgründen hat es ausgeführt, dass der Senat an einer Entscheidung nicht gehindert gewesen sei, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen sei. Dieser und seine damalige Bevollmächtigte seien bereits mit der Ladung am 9.8.2016 ordnungsgemäß darauf hingewiesen worden, dass auch in ihrer Abwesenheit mündlich verhandelt werden könne. Dem Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung um mindestens sechs Monate habe der Senat nicht entsprochen. Eine kurzfristige Mandatskündigung der Bevollmächtigten, die unter Umständen eine Vertagung erfordern würde, habe nicht vorgelegen, weil diese bereits sieben Wochen vor dem Termin stattgefunden habe. Diese Zeitspanne erachte der Senat als ausreichend, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, der sich in die Sache hätte einarbeiten können. Dass der Gesundheitszustand dem Kläger nicht erlaubt habe, seine Angelegenheiten zumindest durch Beauftragung anderer zu regeln, sei nicht belegt. Bei einer chronischen Erkrankung sei in der Regel Vorsorge für eine geeignete Vertretung zu treffen, zumal im Verfahren schon mehrfach gesundheitsbedingt eine mehrmonatige Fristverlängerung erbeten worden sei. Der Kläger, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet gewesen sei, sei darauf hingewiesen worden, dass eine Vertretung zB auch durch seine Mutter, die bereits zuvor mehrfach in dem Verfahren für ihn aufgetreten sei, erfolgen könne. Die zulässige Berufung sei im Übrigen nicht begründet, weil die Anerkennungsvoraussetzungen der streitgegenständlichen BKen nicht vorlägen.

5

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Sein zweiter Verlegungsantrag sei verfahrensfehlerhaft abgelehnt worden. Er beruft sich dabei ua auf das Schreiben seines behandelnden Arztes vom 7.9.2016, der im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand um Vertagung des Verhandlungstermins gebeten habe.

6

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

7

Die Beschwerdebegründung genügt den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG. Sie bezeichnet die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensmangel einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) iVm dem Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG) und dem Grundsatz der Mündlichkeit (§ 124 Abs 1 SGG) ergibt. Die Beschwerdebegründung enthält auch hinreichende Ausführungen dazu, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruhen kann. Ob diese zur Kennzeichnung des Verfahrensmangels überhaupt notwendig waren (s zuletzt BSG Beschluss vom 26.6.2014 - B 2 U 75/14 B - Juris RdNr 8; vgl BSG Beschluss vom 26.6.2007 - B 2 U 55/07 B - SozR 4-1750 § 227 Nr 1 RdNr 7 mwN), kann daher offenbleiben.

8

Die Entscheidung des LSG beruht auf einem Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, weil der am 8.9.2016 vom Kläger gestellte (zweite) Aufhebungs- und Verlegungsantrag nicht vom insoweit allein zuständigen Vorsitzenden beschieden worden ist.

9

Das Gericht entscheidet nach § 124 Abs 1 SGG, soweit nichts anderes bestimmt ist, aufgrund mündlicher Verhandlung. Dieser Mündlichkeitsgrundsatz räumt den Beteiligten und ihren Prozessbevollmächtigten das Recht ein, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen und mit ihren Ausführungen gehört zu werden. Gerade die in Art 6 Abs 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention grundsätzlich vorgeschriebene mündliche Verhandlung bietet eine besondere Gewähr zur Wahrung des rechtlichen Gehörs. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in einer mündlichen Verhandlung umfasst auch das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten oder auf Vertagung eines bereits begonnenen Termins, wenn dies aus erheblichen Gründen geboten ist (§ 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 S 1 SGG). Über einen Aufhebungs- oder Verlegungsantrag hat der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 227 Abs 4 ZPO iVm § 202 S 1 SGG). Kommt er dieser Verpflichtung bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung nicht nach, leidet das Verfahren wegen der Versagung rechtlichen Gehörs an einem wesentlichen Mangel (vgl Senatsbeschluss vom 13.11.2012 - B 2 U 269/12 B - Juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 3.7.2013 - B 12 R 38/12 B - Juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 25.2.2010 - B 11 AL 113/09 B - Juris RdNr 9). Das ist hier der Fall. Der Vorsitzende des Senats am LSG hätte vor der mündlichen Verhandlung am 14.9.2016 Gelegenheit gehabt, über den Verlegungsantrag des Klägers vom 8.9.2016 zu entscheiden. Dies hat er nicht getan. Deshalb hat der Senat von dem ihm gemäß § 160a Abs 5 SGG eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht und das Urteil des LSG durch Beschluss aufgehoben und die Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

10

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

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(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit

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Tatbestand 1 Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) ab 20. Oktober 2003.

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(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Februar 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalles und die Gewährung einer Verletztenrente. Das SG Reutlingen hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 4.2.2013). Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt.

2

Im Berufungsverfahren hat der Vorsitzende des 8. Senats des LSG Termin zur mündlichen Verhandlung auf "Freitag, den 28.02.2014, 10:00 Uhr" bestimmt. Mit Schreiben vom 25.2.2014 hat die bevollmächtigte VdK Sozialrechtsschutz GmbH (VdK) beantragt, den Termin zu verlegen, weil der Sachbearbeiter wegen eines Trauerfalls in der Familie verhindert sei und die Klägerin die Vertretung durch einen anderen Bevollmächtigten nicht wünsche. Der Senatsvorsitzende hat daraufhin per Telefax vom 26.2.2014 den Verlegungsantrag abgelehnt, denn der Klägerin sei die Vertretung durch einen anderen Sozialrechtsreferenten der VdK zumutbar. Mit Schreiben vom 26.2.2014 entzog die Klägerin der VdK das Mandat. Da sie eine Falschauskunft erhalten habe und einige fachliche Fragen nicht hinreichend beantwortet worden seien, habe sie kein Vertrauen mehr. Mit weiterem Schreiben vom selben Tag beantragte die Klägerin unter Hinweis auf einen Vertrauensverlust erneut die Verlegung des Verhandlungstermins. Der Senatsvorsitzende lehnte mit Telefax vom 27.2.2014 auch diesen Antrag ab, weil sich dem Vorbringen der Klägerin ein Verlegungsgrund nicht entnehmen lasse. Auf das weitere Schreiben der Klägerin vom 27.2.2014, mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und wiederum die Verlegung beantragt worden war, hat das LSG am selben Tag mitgeteilt, dass über die Prozesskostenhilfe in der mündlichen Verhandlung entschieden werde und es bei der Ablehnung des Verlegungsantrags verbleibe.

3

Das LSG hat in Abwesenheit der Klägerin die mündliche Verhandlung durchgeführt und anschließend die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, die Kündigung eines Mandats einen Tag vor einem schon länger anberaumten Gerichtstermin könne nur ausnahmsweise eine Terminverlegung rechtfertigen. Ein irreparabler Vertrauensverlust sei nicht widerspruchsfrei dargelegt worden (Urteil vom 28.2.2014).

4

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt die Klägerin als Verfahrensfehler ua die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

5

Sie beantragt,

        

die Revision zuzulassen.

6

Die Beklagte hat sich nicht geäußert.

7

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

8

Die Beschwerdebegründung genügt den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Sie bezeichnet die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensmangel einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) iVm dem Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG) und dem Grundsatz der Mündlichkeit (§ 124 Abs 1 SGG) ergibt. Die Beschwerdebegründung enthält auch hinreichende Ausführungen dazu, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruhen kann. Ob diese zur Kennzeichnung des Verfahrensmangels überhaupt notwendig waren (vgl BSG vom 26.6.2007 - B 2 U 55/07 B - SozR 4-1750 § 227 Nr 1 RdNr 7 mwN), kann daher offenbleiben.

9

Der Entscheidung des LSG liegt ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zugrunde. Das Berufungsgericht hat das Grundrecht der Klägerin auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es das angegriffene Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung verkündet hat, obwohl sie weder daran teilgenommen hat noch ordnungsgemäß vertreten war. Daher ist die Entscheidung aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen (§ 160a Abs 5 SGG).

10

Das Gericht entscheidet nach § 124 Abs 1 SGG, soweit nichts anderes bestimmt ist, aufgrund mündlicher Verhandlung. Dieser Mündlichkeitsgrundsatz räumt den Beteiligten und ihren Prozessbevollmächtigten das Recht ein, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen und mit ihren Ausführungen gehört zu werden. Sowohl die in Art 6 Abs 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention als auch im Falle eines - wie hier - vom SG erlassenen Gerichtsbescheides nach § 153 Abs 1 und 4 SGG grundsätzlich vorgeschriebene mündliche Verhandlung bietet eine besondere Gewähr zur Wahrung des rechtlichen Gehörs. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (vgl BSG vom 13.10.1993 - 2 BU 79/93 - SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN; BVerfG vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen wird (BVerfG vom 19.7.1967 - 2 BvR 639/66 - BVerfGE 22, 267, 274 und vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216 f). Bei einem Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung und Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben oder nicht, Gelegenheit gegeben werden, sich zur Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung selbst zu äußern (BSG vom 26.6.2007 - B 2 U 55/07 B - SozR 4-1750 § 227 Nr 1 RdNr 8).

11

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in einer mündlichen Verhandlung umfasst auch das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten Termins, wenn dies aus erheblichen Gründen geboten ist (§ 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG). Liegt ein erheblicher Grund vor, ist das Gericht zur Terminverlegung verpflichtet, ein Ermessen ist ihm nicht eingeräumt. Das Recht auf rechtliches Gehör ist daher auch dann verletzt, wenn das Bestehen eines erheblichen Grundes zu Unrecht verneint wird (BSG vom 26.6.2007 - B 2 U 55/07 - SozR 4-1750 § 227 Nr 1 RdNr 8). Das ist hier der Fall. Die Klägerin hat Umstände glaubhaft dargetan, die dem LSG Anlass zur Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung geben mussten.

12

Ein erheblicher Grund für eine Terminänderung liegt zwar nicht schon dann vor, wenn ein Beteiligter wegen einer Mandatsentziehung in der mündlichen Verhandlung voraussichtlich nicht vertreten sein wird. Entscheidend ist vielmehr, ob die Beendigung der Prozessbevollmächtigung selbst auf einem erheblichen Grund beruht, weil es dem Beteiligten nicht mehr zugemutet werden konnte, sich von seinem früheren Bevollmächtigten auch weiterhin vertreten zu lassen (BVerwG vom 4.8.1998 - 7 B 127/98 - juris RdNr 3 mwN). Ein solcher Grund ist bei der Klägerin darin zu erblicken, dass nach ihrer Überzeugung das Vertrauen in eine angemessene Prozessvertretung durch die VdK erschüttert war. Die Klägerin hat mit ihrem Verlegungsantrag geltend gemacht, dass Mitarbeiter der VdK ihr eine Falschauskunft gerade wegen der Vertretungsrechte vor dem LSG erteilt hätten und nicht in der Lage gewesen seien, einige fachliche Fragen zu beantworten. Die wegen dieser Umstände von der Klägerin angenommene Einschätzung, es fehle an einem die Fortsetzung der Prozessvertretung tragenden Vertrauensverhältnis, erscheint jedenfalls nachvollziehbar und glaubhaft. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass zur Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) an die Beurteilung der Frage, ob der Beteiligte zumutbar auf seinen bisherigen Prozessbevollmächtigten verwiesen werden kann, keine übermäßig strengen Maßstäbe angelegt werden dürfen. Es kommt vielmehr darauf an, ob sich - wie hier - die Sachlage aus Sicht des Beteiligten (subjektiv) so darstellen konnte, dass das Vertrauensverhältnis zu seinem Bevollmächtigten erschüttert war, weil er sich nicht hinreichend sachgerecht vertreten fühlen durfte (BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 8/02 R - juris RdNr 25). Die zur Begründung ihrer Verlegungsanträge aufgezeigten Umstände lassen die Unzufriedenheit der Klägerin mit der Tätigkeit der VdK erkennen und rechtfertigen jedenfalls deren subjektive Annahme eines Vertrauensverlustes.

13

Der Senat verkennt nicht, dass die Prozessbevollmächtigung erst zwei Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung beendet worden ist. Allein aus diesem Verhalten kann aber nicht geschlossen werden, dass die Klägerin mit der Mandatsentziehung und den Verlegungsanträgen den Rechtsstreit rechtsmissbräuchlich hätte verzögern wollen. Auch sonstige Umstände, die Verzögerungstendenzen erkennen ließen, sind nicht ersichtlich.

14

Wird einem Beteiligten das rechtliche Gehör dadurch versagt, dass es ihm nicht ermöglicht wird, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, so ist davon auszugehen, dass dies für eine aufgrund dieser Verhandlung ergangene Entscheidung ursächlich geworden ist (BSG vom 26.6.2007 - B 2 U 55/07 B - SozR 4-1750 § 227 Nr 1 RdNr 7 mwN). Gründe, welche die Ursächlichkeit des gerügten Verfahrensmangels der Verletzung des rechtlichen Gehörs für das angefochtene Urteil ausschließen könnten, sind nicht ersichtlich.

15

Liegen - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vor, kann auf die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden(§ 160a Abs 5 SGG). Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

16

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. April 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten um die Feststellung der Berufskrankheit nach Nr 2301 der Anlage (ab 1.7.2009 Anlage 1) zur Berufskrankheiten-Verordnung (Bescheid vom 6.1.2006 und Widerspruchsbescheid vom 26.4.2006 der Beklagten). Das SG Hannover hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 7.9.2009). Hiergegen hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung zum LSG Niedersachsen-Bremen eingelegt.

2

Im Berufungsverfahren hat der Vorsitzende des 3. Senats des LSG Termin zur mündlichen Verhandlung auf "Mittwoch, den 25. April 2012, 12:30 Uhr" bestimmt. Mit Telefax vom 24.4.2012, beim LSG eingegangen um 16.14 Uhr, hat der in der Kanzlei des alleinigen Prozessbevollmächtigten des Klägers tätige Rechtsanwalt F. beantragt, den Termin aufzuheben und einen neuen Verhandlungstermin zu bestimmen. Der Prozessbevollmächtigte sei "heute kurzfristig an einer Magen-Darm-Krankheit erkrankt" und könne daher den Termin nicht wahrnehmen. Die Kollegen seien durch andere Termine verhindert. Der Senatsvorsitzende hat daraufhin per Telefax am 25.4.2012 um 8.59 Uhr "Gelegenheit gegeben, die vorgetragene Verhandlungsunfähigkeit durch ärztliches Attest glaubhaft zu machen, das per Fax bis 12:30 Uhr bei Gericht eingegangen sein" müsse. Mit um 10.18 Uhr beim LSG eingegangenem Telefax vom 25.4.2012 hat Rechtsanwalt F. mitgeteilt, dass der Prozessbevollmächtigte bemüht sei, ein ärztliches Attest nachzureichen, er aber unter Hinweis auf seine Standespflicht anwaltlich versichere, dass die Erkrankung seit dem gestrigen Tage bestehe und er aufgrund dessen nicht in der Lage sei, den Termin wahrzunehmen. Dies könne er auch an Eides statt versichern. Mit weiterem um 11.59 Uhr beim LSG eingegangenem Telefax hat Rechtsanwalt F. darauf hingewiesen, dass der Prozessbevollmächtigte nach ärztlicher Untersuchung über ein Attest verfüge und bis 27.4.2012 krankgeschrieben sei.

3

Das LSG hat in Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten die mündliche Verhandlung durchgeführt und anschließend die Berufung zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es unter Hinweis auf eine ständige Rechtsprechung "aller Bundesgerichte, vgl hierzu ua Bundesfinanzhof , Beschluss vom 23. Februar 2012 - VI B 114/11 - juris mwN" ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte habe einen erheblichen Grund für die "Vertagung" der mündlichen Verhandlung nicht in ausreichender Weise dargelegt bzw glaubhaft gemacht (Urteil vom 25.4.2012).

4

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger als Verfahrensfehler ua die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

5

Er beantragt,
die Revision zuzulassen.

6

Die Beklagte hat sich nicht geäußert.

7

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

8

Die Beschwerdebegründung genügt den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Sie bezeichnet die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensmangel einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) iVm dem Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG) und dem Grundsatz der Mündlichkeit (§ 124 Abs 1 SGG)ergibt. Die Beschwerdebegründung enthält auch hinreichende Ausführungen dazu, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruhen kann.

9

Das angegriffene Urteil des Berufungsgerichts ist schon deshalb verfahrensfehlerhaft ergangen, weil der am 24.4.2012 gestellte Aufhebungs- und Verlegungsantrag nicht beschieden worden ist.

10

Das Gericht entscheidet nach § 124 Abs 1 SGG, soweit nichts anderes bestimmt ist, aufgrund mündlicher Verhandlung. Dieser Mündlichkeitsgrundsatz räumt den Beteiligten und ihren Prozessbevollmächtigten das Recht ein, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen und mit ihren Ausführungen gehört zu werden. Gerade die in Art 6 Abs 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention grundsätzlich vorgeschriebene mündliche Verhandlung bietet eine besondere Gewähr zur Wahrung des rechtlichen Gehörs. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in einer mündlichen Verhandlung umfasst auch das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten oder auf Vertagung eines bereits begonnenen Termins, wenn dies aus erheblichen Gründen geboten ist (§ 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG). Über einen Aufhebungs- oder Verlegungsantrag hat der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 227 Abs 4 ZPO iVm § 202 SGG). Kommt er dieser Verpflichtung bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung nicht nach, leidet das Verfahren wegen der Versagung rechtlichen Gehörs an einem wesentlichen Mangel (vgl BSG vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - juris RdNr 8; vom 25.2.2010 - B 11 AL 113/09 B - juris RdNr 9). Das ist hier der Fall.

11

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat am Tag vor der mündlichen Verhandlung mit Telefax seiner Kanzlei vom 24.4.2012 die Aufhebung und Verlegung des anberaumten Termins wirksam beantragt. Über den spätestens aufgrund des beim LSG am 25.4.2012 um 11.59 Uhr eingegangenen weiteren Telefaxschreibens entscheidungsreifen Antrag hat der Senatsvorsitzende keine prozessleitende Entscheidung getroffen. Stattdessen hat der 3. Senat des LSG durch seine Mitglieder den Aufhebungs- und Verlegungsantrag als Antrag auf Vertagung der bereits begonnenen mündlichen Verhandlung behandelt, für den nicht der Vorsitzende allein, sondern der Senat in voller Besetzung der gesetzliche Richter ist, und ihn abgelehnt. Dadurch ist dem Kläger die Möglichkeit genommen worden, sich über seinen Prozessbevollmächtigten zur Sach- und Rechtslage zu äußern. Dass der Senatsvorsitzende den vom Prozessbevollmächtigten geltend gemachten erheblichen Grund ggf nicht als hinreichend substantiiert oder nicht glaubhaft gemacht angesehen haben könnte, ließ dessen Pflicht unberührt, über den Aufhebungs- und Verlegungsantrag noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung wirksam zu entscheiden.

12

Das angefochtene Urteil kann auf dem Verfahrensfehler beruhen. Da es an einer Entscheidung des gesetzlichen Richters über den Antrag fehlt, ist, weil sich später nur der Senat in voller Besetzung geäußert hat, nicht auszuschließen, dass es ohne den Verfahrensfehler zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre.

13

Im Hinblick darauf ist nur kurz darauf hinzuweisen, dass hier auch mit der Antragsablehnung durch den Senat der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden ist. Denn der Prozessbevollmächtigte hat alles ihm in der konkreten Situation Mögliche und Zumutbare getan, um einen erheblichen Aufhebungsgrund vorzutragen, glaubhaft zu machen und das LSG von der Notwendigkeit zu überzeugen, den Termin der mündlichen Verhandlung aufzuheben oder zu verlegen (vgl hierzu BSG vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - juris RdNr 18). Das LSG hat die Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer die Wahrnehmung des Verhandlungstermins ausschließenden Erkrankung im konkreten Fall überspannt. Die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten ist jedenfalls dann ein hinreichender Grund für die Aufhebung, Verlegung oder Vertagung eines Termins, wenn wegen einer unvorhergesehenen plötzlichen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten nicht mehr rechtzeitig für eine Vertretung gesorgt werden kann und der Prozessbevollmächtigte seine Bereitschaft bekundet, zur Glaubhaftmachung ein Attest vorzulegen (so wörtlich BVerfG vom 8.2.2001 - 2 BvR 266/99 - juris RdNr 2). Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte zum Zwecke der Glaubhaftmachung (§ 294 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG) nicht nur die Vorlage eines ärztlichen Attests in Aussicht gestellt, sondern auch sein krankheitsbedingtes Unvermögen, den Verhandlungstermin wahrzunehmen, anwaltlich versichert und eine Versicherung an Eides statt angeboten.

14

Liegen - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vor, kann das BSG auf die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen(§ 160a Abs 5 SGG). Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

15

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beigeladenen zu 2. und 3. gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob die Beigeladene zu 2. aufgrund ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen zu 3. der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.

2

Gegen das für sie in der Sache negative Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 9.10.2007 hatten - neben der Klägerin - die Beigeladene zu 2. und der Beigeladene zu 3. Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 12.5.2009 hatte der Vorsitzende des 1. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.6.2009, 12.00 Uhr, verfügt. Mit Ausnahme des für die Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. und 3. bestimmten Empfangsbekenntnisses waren die Empfangsbekenntnisse aller (übrigen) Beteiligten in der Folgezeit zur Gerichtsakte gelangt.

3

Mit Telefax vom 9.6.2009, beim LSG eingegangen um 11.40 Uhr, beantragte die sachbearbeitende Rechtsanwältin der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. und 3. die Verlegung des Termins. Sie wies darauf hin, dass sie die Ladung nicht erhalten habe, und zählte mehrere Gerichtstermine am 10.6.2009 bei anderen Gerichten in der Zeit von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr auf. In der Folgezeit kam es zu einem Telefonat einer Kanzleimitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten mit dem Richter am LSG , in dem über den Antrag auf Terminsverlegung gesprochen wurde. Mit Telefax vom 9.6.2009, beim LSG eingegangen um 15.59 Uhr, lehnte die Sachbearbeiterin der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. und 3. den Richter am LSG wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sie begründete ihr Gesuch und wies außerdem darauf hin, dass weder sie noch ihre Sozietätskollegen den Termin zur mündlichen Verhandlung am Folgetag wahrnehmen könnten. In diesem Zusammenhang legte sie einige bei den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. und 3. auch schon vor dem 12.5.2009 eingegangene Terminsladungen anderer Gerichte vor. Am 10.6.2009 wurde der sachbearbeitenden Rechtsanwältin die dienstliche Erklärung des Richters über die gegen ihn vorgebrachten Ablehnungsgründe übermittelt und eine Stellungnahmefrist bis spätestens um 11.30 Uhr eingeräumt. Mit Telefax vom 10.6.2009, beim LSG eingegangen um 11.20 Uhr, äußerte sich diese zu der dienstlichen Erklärung und wies noch einmal darauf hin, dass bis zu jenem Zeitpunkt über das Terminverlegungsgesuch nicht entschieden worden sei.

4

Am 10.6.2009 um 12.30 Uhr wiesen die Berufsrichter des 1. Senats des LSG das Befangenheitsgesuch außerhalb der mündlichen Verhandlung im Beschlusswege ohne Beteiligung des abgelehnten Richters zurück. Im Anschluss führte das LSG die mündliche Verhandlung (Beginn 12.30 Uhr) in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2. und 3. und ihrer Prozessbevollmächtigten durch und wies deren Berufung zurück. Der Vorsitzende hatte die mündliche Verhandlung eröffnet, ua darauf hingewiesen, dass noch über einen "Vertagungsantrag" zu entscheiden sei, und sodann die mündliche Verhandlung zwecks Zwischenberatung über den Antrag wieder geschlossen. Im Anschluss war der "Vertagungsantrag" in der mündlichen Verhandlung abgelehnt worden, ohne die Beigeladenen zu 2. und 3. bzw deren Prozessbevollmächtigte verhandelt und zu ihrem Nachteil entschieden worden.

5

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 10.6.2009 rügen die Beigeladenen zu 2. und 3. als Verfahrensfehler ua eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und ihres Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren.

6

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Beigeladenen zu 2. und 3. machen zu Recht einen Verfahrensmangel geltend, auf dem das angefochtene Urteil auch beruht (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das LSG hat gegen den Grundsatz der Mündlichkeit (§ 124 Abs 1 SGG), ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) und das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) schon deshalb verstoßen, weil es den am 9.6.2009 gestellten Antrag auf Verlegung des Termins bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung am 10.6.2009 nicht beschieden hat.

7

Der auch für das sozialgerichtliche Verfahren geltende Mündlichkeitsgrundsatz (§ 124 Abs 1 SGG) gewährt den Verfahrensbeteiligten grundsätzlich ein Recht darauf, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und mit ihren Ausführungen gehört zu werden (grundlegend BSG SozR Nr 16 zu § 62 SGG). Die Möglichkeit des Vortrags in der mündlichen Verhandlung ist die umfassendste Form der Gewährung des rechtlichen Gehörs. Bestandteil des Anspruchs der Beteiligten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) in der Form einer mündlichen Verhandlung ist auch das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten (oder auf Vertagung eines bereits begonnenen) Termins zur mündlichen Verhandlung, wenn dies aus erheblichen Gründen notwendig ist (§ 227 ZPO iVm § 202 SGG; BSG SozR Nr 16 zu § 62 SGG). Über einen Aufhebungs- oder Verlegungsantrag (oder Vertagungsantrag) des verhinderten Beteiligten hat der Vorsitzende (oder das Gericht) zu entscheiden (§ 227 Abs 4 ZPO iVm § 202 SGG). Entsprechende Anforderungen an die Verhaltensweise des Gerichts ergeben sich auch aus dem aus Art 2 Abs 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden allgemeinen Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (vgl hierzu etwa BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 1 RdNr 6, mwN aus der Rechtsprechung, auch des BVerfG).

8

Allein die Nichtbescheidung des Verlegungsgesuchs bis zum avisierten (12.00 Uhr) und auch tatsächlichen (12.30 Uhr) Beginn der mündlichen Verhandlung am 10.6.2009 stellt eine Versagung des rechtlichen Gehörs dar, die das Verfahren in einem wesentlichen Punkt fehlerhaft macht (vgl BSG SozR Nr 16 zu § 62 SGG; zur Nichtbescheidung auch Urteil vom 13.5.1980, 12 RK 74/79, USK 8086). Der Antrag war vor Beginn der mündlichen Verhandlung als Antrag auf Verlegung, jedenfalls Aufhebung des Termins gestellt worden. Die Entscheidung über einen solchen Antrag trifft der Vorsitzende durch prozessleitende Verfügung (§ 227 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 ZPO iVm § 202 SGG). Der Verlegungs- bzw Aufhebungsantrag war - in dem Antrag selbst und auch in dem sich anschließenden Befangenheitsgesuch - mit einer Begründung versehen und damit entscheidungsreif oder hätte, zumal er nicht "erst in letzter Minute", sondern einen Tag vor der mündlichen Verhandlung beim LSG eingegangen war, durch weitere mögliche und zumutbare Ermittlungen entscheidungsreif gemacht werden können mit der Folge, dass eine Vorsitzendenentscheidung vor Beginn der mündlichen Verhandlung möglich war. Tatsächlich hat der Vorsitzende, der entscheiden konnte, weil nicht er, sondern der beisitzende Richter am LSG als befangen abgelehnt worden war, über die Terminsverlegung bzw -aufhebung vor Beginn der mündlichen Verhandlung nicht entschieden, sondern hat das LSG diesen Antrag nach Beginn der mündlichen Verhandlung als Antrag der Beigeladenen zu 2. und 3. auf Vertagung der mündlichen Verhandlung behandelt und ihn dann in der hierfür erforderlichen Besetzung (§ 227 Abs 4 Satz 1 Halbs 2 ZPO iVm § 202 SGG) abgelehnt. Indem das LSG den Verlegungs- bzw Aufhebungsantrag übergangen und erst in der mündlichen Verhandlung als Vertagungsantrag abgelehnt hat, wurde den Beigeladenen zu 2. und 3., die auch ihren Willen zum Ausdruck gebracht hatten, durch ihre Prozessbevollmächtigten verhandeln zu wollen, die Möglichkeit genommen, ihre Auffassung in der mündlichen Verhandlung über ihre Prozessbevollmächtigten vorzutragen. Das Übergehen dieses Antrags hat vor allem ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) verletzt. Zwar hätten ihre Prozessbevollmächtigten ihrerseits, solange sie keine Antwort des Vorsitzenden auf ihre Bitte um Terminsverlegung bzw -aufhebung erhalten hatten, nicht darauf vertrauen dürfen, dass das Gericht ihrer Bitte entsprechen und den Termin aufheben würde. Denn solange der Termin nicht aufgehoben war, mussten sie mit seiner Durchführung rechnen und vorsorglich zum Termin erscheinen, um die Rechte der Beigeladenen zu 2. und 3. vertreten zu können. Mögliche Versäumnisse der Prozessbevollmächtigten in dieser Hinsicht ließen indessen die Pflicht des LSG unberührt, den mit einer Begründung versehenen, am Vortag gestellten Antrag auf Terminsverlegung bzw -aufhebung noch vor Beginn des Termins zur mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden zu entscheiden.

9

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass bei zunehmender Verfahrensdauer sich die mit dem Justizgewährleistungsanspruch verbundene Pflicht des Gerichts verdichtet, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen (vgl BVerfG, Kammerbeschluss vom 6.12.2004, 1 BvR 1977/04, NJW 2005, 739). Dies kann jedenfalls nicht demjenigen entgegengehalten werden, zu dessen Gunsten im sozialgerichtlichen Verfahren der Justizgewährleistungsanspruch besteht, im vorliegenden Fall also den Beigeladenen zu 2. und 3.

10

Obwohl die Verletzung des rechtlichen Gehörs in sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl § 202 SGG iVm § 547 ZPO), ist doch wegen der Bedeutung der mündlichen Verhandlung im Allgemeinen davon auszugehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Verfahrensbeteiligten - wie hier die Beigeladenen zu 2. und 3. bzw deren Prozessbevollmächtigte - daran gehindert hat, an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die daraufhin ergangene Gerichtsentscheidung insgesamt beeinflusst hat (vgl BSG SozR 4-1750 § 227 Nr 1 RdNr 7; BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2, mwN). Näherer Darlegungen dazu, inwiefern das Urteil auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen kann, sind daher nicht erforderlich. Insoweit braucht auch nicht geprüft zu werden, inwieweit solche den Begründungsanforderungen genügen.

11

Nach 160a Abs 5 SGG kann das Revisionsgericht in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen. Hiervon hat der Senat zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen Gebrauch gemacht.

12

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) ab 20. Oktober 2003.

2

Die Beklagte bewilligte und zahlte dem Kläger für die Zeit ab 20. Oktober 2003 Alg nach einem Bemessungsentgelt von 410 Euro in Höhe von 159,32 Euro bzw später 162,75 Euro wöchentlich (Bescheid vom 12. November 2003, Änderungsbescheid Januar 2004, Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2004). Mit der Klage machte der Kläger geltend, die Höhe des Alg stehe in keinem Verhältnis zu seinem früheren Arbeitsentgelt.

3

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 20. Mai 2008). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung dem Berichterstatter gemäß § 153 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) übertragen und nach mündlicher Verhandlung durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter die Berufung gegen den Gerichtsbescheid zurückgewiesen (Urteil vom 3. März 2009). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die Berufung sei zulässig, aber nicht begründet. Die Beklage habe Alg in der gesetzlichen Höhe geleistet (§§ 129, 130, 133, 135 Sozialgesetzbuch Drittes Buch idF des Arbeitsförderungsreformgesetzes). Da der Kläger in den letzten 52 Wochen vor Entstehung des Anspruchs Krankengeld und davor Alg bezogen habe, sei grundsätzlich das dem Krankengeld zugrunde liegende Entgelt maßgebend, mindestens aber das Entgelt, nach dem das Alg bemessen worden sei (410 Euro). Auf früheres Arbeitsentgelt des Klägers komme es nicht an.

4

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger Verfahrensmängel und macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Er trägt im Wesentlichen vor, er habe im Jahre 2004 Klage erhoben, woraufhin das SG bis Anfang 2008 untätig geblieben sei und dann mitgeteilt habe, es wolle durch Gerichtsbescheid entscheiden. Seine Anträge auf Überlassung von Anlagen zu Schriftsätzen der Beklagten und seine Ankündigung, er wolle sich nach Einholung einer Beratung zum Streitgegenstand äußern, seien nicht beschieden, vielmehr sei im Mai 2008 der Gerichtsbescheid ergangen. Im Berufungsverfahren habe er erneut Zusendung der Anlagen und Prozesskostenhilfe (PKH) mit Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Weil ihm keine Entscheidung über den PKH-Antrag mitgeteilt worden sei, habe er am 2. März 2009 Verlegung der auf 3. März 2009 anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt, worüber das LSG nicht entschieden habe. In der mündlichen Verhandlung am 3. März sei ihm der Beschluss des LSG vom 2. März 2009 über die Versagung von PKH ausgehändigt worden. In diesem Augenblick habe sich der im Gerichtssaal anwesende Rechtssekretär K., der ihn schon in einem anderen Verfahren vertreten habe, bereit erklärt, ihm zur Seite zu stehen. Er habe K. Prozessvollmacht erteilt und dieser habe Vertagung beantragt. Dennoch sei das Berufungsurteil verkündet worden.

Entscheidungsgründe

5

Die Beschwerde ist zulässig.

6

Zwar genügt die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, soweit sie die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage zur Auslegung des Art 13 der Europäischen Menschenrechtskommission (EMRK) geltend macht. Dagegen ist ein Verfahrensmangel in der Beschwerdebegründung in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet.

7

Die Beschwerde ist auch begründet.

8

Aus der Sitzungsniederschrift über den Termin vor dem LSG am 3. März 2009 geht hervor, dass der anwesende Rechtssekretär K. im Termin für diesen Rechtsstreit die Vertretung des Klägers übernommen und Vertagung beantragt hat, da er sich weitere Kenntnisse verschaffen wolle. Das LSG hat sich mit dem Vertagungsantrag nicht befasst, sondern nach Beratung das die Berufung zurückweisende Urteil verkündet.

9

Aus diesem Sachverhalt ergibt sich, dass das angefochtene Urteil unter Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs in Verbindung mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens ergangen ist. Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung beauftragte Prozessbevollmächtigte K. konnte aufgrund der Kurzfristigkeit seiner Beauftragung mit dem Sachverhalt noch nicht hinreichend vertraut sein. Dass der Prozessbevollmächtigte K. für den Kläger vor dem LSG ebenfalls am 3. März 2009 in einem anderen Rechtsstreit (L 8 AL 269/08; s B 11 AL 114/09 B) aufgetreten war, steht dem nicht entgegen. Denn es handelte sich um unterschiedliche Rechtsstreite. Damit hat der Prozessbevollmächtigte einen erheblichen Grund iS des § 227 Zivilprozessordnung (ZPO) geltend gemacht; das LSG war deshalb zur Terminsverlegung bzw zur Vertagung verpflichtet (vgl BSG SozR 4-1750 § 227 Nr 1). Denn das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs hat insbesondere zum Inhalt, dass die Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Abgabe sachgemäßer Erklärungen haben müssen; dies gilt auch und gerade für die mündliche Verhandlung (vgl BSG, Urteil vom 11. Dezember 2002, B 6 KA 8/02 R, USK 2002-149 mwN). Insoweit bedarf es keiner weiteren Vertiefung, dass die fehlende Bescheidung des Vertagungsantrages (vgl § 202 SGG iVm § 227 Abs 4 Satz 2 ZPO) einen zusätzlichen Verfahrensmangel darstellt (vgl BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 3; Stöber in Zöller, ZPO, 28. Aufl 2010, § 227 RdNr 26).

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Abgesehen davon, dass sich das LSG zur etwaigen Rechtsmissbräuchlichkeit des Vertagungsantrags nicht geäußert hat, ist er auch nicht deshalb unbeachtlich, weil der Kläger - was möglicherweise für die Vorgehensweise des LSG ausschlaggebend gewesen ist - seinen Antrag auf PKH spät gestellt (23. Februar 2009) und erst in der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2009 seinen Prozessbevollmächtigten beauftragt hat. Auch wenn dem Kläger dies vorzuhalten ist, so ist dennoch zu beachten, dass der Kläger bereits die Verfahrensweise des SG (Verweigerung der Übersendung von Anlagen, Entscheidung durch Gerichtsbescheid trotz Antrags auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung) gerügt und seine Auffassung, er benötige die Übersendung von Anlagen zur Einholung von Rechtsrat, auch dem LSG vorgetragen hatte, was von diesem gänzlich unbeachtet geblieben ist. Da bereits das SG vor Erlass des Gerichtsbescheides auf das ausdrückliche Ersuchen des Klägers bezüglich fehlender Anlagen nicht reagiert hatte, wäre es für das LSG nahe liegend gewesen, vor der Entscheidung über das PKH-Gesuch mit unmittelbar nachfolgender Entscheidung in der Hauptsache auf das Vorbringen des Klägers und dessen ersichtliches Bemühen um Einholung von Rechtsrat in irgendeiner Weise einzugehen. Die Vorgehensweise des LSG verletzt mithin den Kläger in seinem aus Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG abgeleiteten Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (vgl hierzu BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1; BSG, Urteile vom 5. Dezember 2001, B 7 AL 2/01 R, AP Nr 1 zu § 57 ArbGG 1979, und vom 25. März 2003, B 7 AL 76/02 R, juris). Das vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung entwickelte Prozessgrundrecht verlangt Rücksichtnahme auf die Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation (vgl etwa BVerfGE 38, 105, 111 ff; 78, 123, 126); insbesondere darf das Gericht nicht aus eigenen oder zurechenbaren Versäumnissen Verfahrensnachteile für Beteiligte ableiten (vgl BVerfGE 51, 188, 192; 60, 1, 6; 75, 183, 190). Unter den geschilderten Umständen liegt darin, dass sich das LSG ohne Eingehen auf das konkrete Vorbringen des Klägers über den gestellten Vertagungsantrag hinweggesetzt hat, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in Verbindung mit einem Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.

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Die angefochtene Entscheidung kann auf dem festgestellten Verfahrensmangel beruhen. Da der Kläger durch das Verhalten des LSG daran gehindert worden ist, sich in der mündlichen Verhandlung zu dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung durch seinen Prozessbevollmächtigten hinreichend zu äußern, ist unter Berücksichtigung der bereits erwähnten Rechtsprechung des BSG (ua BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1) von einer Beeinflussung der ergangenen Entscheidung auszugehen.

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Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Letzteres ist - wie ausgeführt - der Fall. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.