Bundessozialgericht Beschluss, 25. Feb. 2010 - B 11 AL 114/09 B

bei uns veröffentlicht am25.02.2010

Gründe

1

Die Beschwerde ist nicht zulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (Verfahrensmängel, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) sind nicht in der gebotenen Weise bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz).

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1. Soweit der Beschwerdeführer als Verfahrensmängel Verletzungen der Grundsätze des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs sowie Verstöße gegen das Grundgesetz (GG) und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unter dem Gesichtspunkt einer überlangen Verfahrensdauer rügt, kann dahinstehen, ob insoweit Verfahrensfehler des Landessozialgerichts (LSG) schlüssig bezeichnet sind. Denn selbst wenn von einer fehlerhaften Vorgehensweise des LSG auszugehen ist, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung jedenfalls nicht, dass die angefochtene Entscheidung des LSG auf den behaupteten Mängeln beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG erster Halbsatz; zum Erfordernis einer Beeinflussung des angefochtenen Urteils auch bei Rüge einer überlangen Verfahrensdauer vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 18; BSG, Beschluss vom 19. Februar 2008, B 13 R 391/07 B). Denn in der Beschwerdebegründung ist nicht vorgetragen, wie das LSG im Urteil vom 3. März 2009 entschieden hat bzw hätte. Er hat lediglich mitgeteilt, dass das Sozialgericht (SG) im Gerichtsbescheid vom 11. Oktober 2000 die Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit abgewiesen und das LSG in sachlicher Hinsicht auf das von anderen Richtern erlassene Urteil vom 18. Dezember 2008 (L 8 AL 198/97) verwiesen habe.

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2. Keinen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, hat der Beschwerdeführer mit dem Vortrag bezeichnet, in dem Verfahren, in dem die streitige Leistungshöhe geprüft worden sei (L 8 AL 198/97), sei er nicht vertreten gewesen, womit sein Recht auf mündliche Verhandlung ausgehöhlt worden sei. Ein solcher Mangel lag auch nach den Ausführungen der Beschwerdebegründung jedenfalls nicht im hier zu beurteilenden Verfahren (LSG L 8 AL 269/08) vor, in dem der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 3. März 2009 durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war. Über (angebliche) Mängel eines anderen Verfahrens hat der Senat vorliegend nicht zu befinden.

4

3. Aus dem weiteren Vorbringen der Beschwerdebegründung, es sei "problematisch", ob das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter eingehalten sei, da die vom LSG vorgenommene Trennung bedenklich sei, ergibt sich ebenfalls nicht die schlüssige Bezeichnung eines Verfahrensmangels, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Denn in einer Verbindung oder einer Trennung (§ 113 SGG) kann nur dann ein Verfahrensmangel gesehen werden, wenn sie willkürlich und ohne sachlichen Grund beschlossen und ein Beteiligter dadurch in der Wahrnehmung seiner Rechte beeinträchtigt worden ist (BSG, Beschluss vom 29. Juli 2005, B 7a AL 162/05 B; Keller in Meyer-Ladewig ua, SGG, 9. Aufl, § 113 RdNr 3). Dass die genannten Voraussetzungen vorliegen könnten, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht.

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Entsprechendes gilt für den Vortrag, die lange Verfahrensdauer habe zu einer anderen Besetzung des LSG geführt.

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4. Auch die weitere Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht schlüssig. Der Beschwerdeführer beanstandet zwar, das LSG habe sich in seiner Entscheidung ausschließlich mit §§ 44 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) befasst, statt auf die Ausführungen in seiner Stellungnahme vom 17. Dezember 2008 einzugehen. Es wird jedoch in der Beschwerdebegründung nicht dargetan, dass und inwiefern es auf dieses Vorbringen nach der - für die Beurteilung eines Verfahrensmangels maßgeblichen - Rechtsauffassung des LSG angekommen sei. Im Gegenteil trägt er an anderer Stelle seiner Beschwerdebegründung selbst vor, das LSG habe in sachlicher Hinsicht auf das Urteil vom 18. Dezember 2008 verwiesen.

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5. Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die überlange Dauer des Verfahrens geltend macht, das LSG habe mit der Androhung einer Auferlegung von Kosten gemäß § 192 SGG auf ihn Druck ausüben wollen, um ihn davon abzuhalten, seine Rechte nach der EMRK zu verfolgen, ergibt sich auch hieraus kein Verfahrensmangel. Denn Art 34, 35 EMRK können die nationalen Gerichte nicht daran hindern, ihren (vorrangig) durch das Grundgesetz auferlegten Pflichten (hier zur Wahrung des rechtlichen Gehörs: Art 103 Abs 1 GG, s im Übrigen Art 6 EMRK) nachzukommen. Diese aber verpflichten das Gericht, vor Auferlegung von Missbrauchskosten dies vorher anzukündigen und den Beteiligten Wege zu ihrer Verhinderung aufzuzeigen. Die vom LSG getroffene Entscheidung, dem Kläger Gerichtsgebühren in Höhe von 225 Euro aufzuerlegen, ist im Übrigen nicht gesondert mit der Beschwerde anfechtbar (vgl BSG SozR Nr 2 zu § 192 SGG; Beschluss vom 13. Juli 2004, B 2 U 84/04 B); dem Senat ist deshalb eine Überprüfung der Anwendung des § 192 SGG durch das LSG verwehrt.

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6. Schließlich hat der Beschwerdeführer auch den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt (zu den Darlegungserfordernissen vgl ua BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Ein Klärungsbedarf im Zusammenhang mit der Frage der Behandlung einer überlangen Verfahrensdauer ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 18; Beschluss vom 19. Februar 2008, B 13 R 391/07 B, sowie weitere Entscheidungen, aus denen folgt, dass die in der Beschwerdebegründung angeführte Entscheidung SozR 4-1500 § 160a Nr 11 überholt ist). Zur aufgeworfenen Frage betreffend die "Einschränkung des Beschwerderechts durch die Androhung von Mutwillenskosten" fehlt es aus den unter 5. bereits genannten Gründen jedenfalls an hinreichenden Ausführungen zur Klärungsfähigkeit.

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7. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 SGG abgesehen.

10

Die unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 Satz 1, 169 SGG).

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 192


(1) Das Gericht kann im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass 1. durch Verschulden des Beteiligten die Vertagung einer mün

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 113


(1) Das Gericht kann durch Beschluß mehrere bei ihm anhängige Rechtsstreitigkeiten derselben Beteiligten oder verschiedener Beteiligter zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Rechtsstreit

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht kann durch Beschluß mehrere bei ihm anhängige Rechtsstreitigkeiten derselben Beteiligten oder verschiedener Beteiligter zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Rechtsstreitigkeiten bilden, in Zusammenhang stehen oder von vornherein in einer Klage hätten geltend gemacht werden können.

(2) Die Verbindung kann, wenn es zweckmäßig ist, auf Antrag oder von Amts wegen wieder aufgehoben werden.

(1) Das Gericht kann im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass

1.
durch Verschulden des Beteiligten die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig geworden ist oder
2.
der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist.
Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 für die jeweilige Instanz.

(2) (weggefallen)

(3) Die Entscheidung nach Absatz 1 wird in ihrem Bestand nicht durch die Rücknahme der Klage berührt. Sie kann nur durch eine zu begründende Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden.

(4) Das Gericht kann der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden. Die Entscheidung ergeht durch gesonderten Beschluss.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.