Bundesgerichtshof Urteil, 15. Nov. 2016 - XI ZR 32/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:151116UXIZR32.16.0
bei uns veröffentlicht am15.11.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 24. September 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als ihre Berufung gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 23. Januar 2015 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und die durch die Wiedereinsetzung entstandenen Kosten, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Inanspruchnahme aus einer Mithaftungserklärung für die Rückzahlung eines Darlehens und aus einem notariellen Schuldanerkenntnis sowie gegen die Vollstreckung aus einer notariellen Unterwerfungserklärung.

2

Die Klägerin und ihr am 4. Juni 2012 verstorbener Ehemann waren je zur Hälfte Miteigentümer eines Einfamilienhauses in K           . Der Ehemann besaß außerdem als Alleineigentümer ein Mehrfamilienhaus in L.       und ein Grundstück in G.         . Zur Finanzierung des von ihm geplanten Bauvorhabens auf dem Grundstück in G.        , eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohneinheiten, beantragte der Ehemann der Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) Ende November 1993 eine Förderung im Rahmen des Wohnungsbauprogramms Sachsen-Anhalt, die die Beklagte mit Bescheid vom 5. Juli 1994 bewilligte. Die Förderung bestand in der Gewährung des streitgegenständlichen Darlehens über 560.300 DM, das mit jährlich 1% zu tilgen, jedoch erst ab August 2010 in Höhe von 8% p.a. zu verzinsen war, und eines (verlorenen) Aufwendungszuschusses in Höhe von 213.940,80 DM. Ferner hatte der Ehemann der Klägerin Eigenmittel über 197.700 DM zu investieren. Zudem nahm er bei der Sparkasse L.      , der damaligen Arbeitgeberin der Klägerin, zur Baufinanzierung des Objekts ein weiteres Darlehen über 515.000 DM auf, so dass die gesamten Investitionskosten ca. 1,5 Mio. DM betrugen.

3

Der Darlehensvertrag zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Beklagten wurde am 20. Dezember 1994/17. Januar 1995 unterzeichnet. Vor Auszahlung der ersten Darlehensrate legte der Ehemann der Klägerin gegenüber der Beklagten seine Vermögensverhältnisse und diejenigen der Klägerin offen. Nach Auszahlung der ersten Darlehensrate unterzeichnete auf Verlangen der Beklagten auch die Klägerin den Darlehensvertrag. Mit Schreiben vom 17. Mai 1995 teilte die Beklagte dem Ehemann der Klägerin mit, die erste Darlehensrate nur ausnahmsweise ausgezahlt zu haben, obwohl die Auszahlungsvoraussetzungen noch nicht vorgelegen hätten. Zugleich forderte sie ein notariell beurkundetes Schuldanerkenntnis der Klägerin, das diese am 15. Juni 1995 über einen Betrag von 560.300 DM abgab. Daneben wurde an dem Grundstück in G.        in Abteilung III des Grundbuchs unter Nummer 2 zugunsten der Beklagten eine Grundschuld über 560.300 DM nebst Zinsen eingetragen, die einer zugunsten der Sparkasse L.       bewilligten Grundschuld über 515.000 DM nebst Zinsen nachrangig war. Im August 2006 vereinbarte der Ehemann der Klägerin mit der Beklagten eine Herabsetzung des für das Baudarlehen zu zahlenden Zinssatzes bis Ende des Jahres 2015 auf 2,5% p.a. Zum Zeitpunkt des Todes des Ehemanns der Klägerin valutierte das Darlehen der Beklagten noch mit 239.000 €.

4

Nach dem Tod ihres Ehemanns schlugen die Klägerin und die gemeinschaftlichen Kinder die Erbschaft aus, weshalb ein Nachlasspfleger bestellt wurde, der infolge Überschuldung des Nachlasses Insolvenzantrag stellte. Mit Schreiben vom 19. März 2013 kündigte die Beklagte das Darlehen und forderte die Klägerin zur Zahlung von 248.652,34 € auf. Zugleich kündigte sie für den Fall der Nichtzahlung die Zwangsvollstreckung an. Die Insolvenzverwalterin veräußerte das Einfamilienhaus und das Haus in L.       . Dabei wurde das Einfamilienhaus zu einem Preis von 245.000 € verkauft, wovon die noch bestehenden Belastungen in Höhe von 110.000 € abgelöst wurden. Mit dem übrigen Erlös wurden teilweise Verbindlichkeiten des Ehemanns gegenüber der Sparkasse L.       getilgt. Für das Mehrfamilienhaus in G.        ergaben sich zunächst Verwertungsschwierigkeiten; es wurde im Juli 2013 im Einvernehmen mit der Beklagten zu einem Kaufpreis von 158.000 € veräußert.

5

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Beklagten gegen sie weder aus dem Darlehensvertrag vom 20. Dezember 1994/17. Januar 1995 noch aus dem Schuldanerkenntnis vom 15. Juni 1995 Ansprüche zustehen würden und dass die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 15. Juni 1995 unzulässig sei. Sie macht unter anderem geltend, dass Darlehensvertrag und Schuldanerkenntnis wegen finanzieller Überforderung sittenwidrig und nichtig seien. Hierzu trägt die am 23. März 1951 geborene Klägerin vor, im Jahr 1994 ein monatliches Nettoeinkommen von 2.430 DM erzielt und im Übrigen über kein ausreichendes Vermögen zur Abdeckung des Darlehens verfügt zu haben.

6

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage lediglich insoweit stattgegeben, als es die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 15. Juni 1995 für unzulässig erklärt hat, soweit sie 231.300 € übersteigt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist begründet. Sie führt, soweit das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hat, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

9

Die Klage sei im Wesentlichen unbegründet, weil der Beklagten gegen die Klägerin ein Anspruch auf Zahlung der noch offenen Darlehensvaluta zustehe. Die Klägerin sei zwar nicht - neben ihrem Ehemann - Mitdarlehensnehmerin, sondern lediglich Mithaftende gewesen, weil sie kein eigenes Interesse an der Kreditaufnahme gehabt habe. Auch habe die Klägerin die Mithaftung nach den Maßgaben der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs finanziell krass überfordert, so dass die Voraussetzungen des § 138 BGB in objektiver Hinsicht vorliegen würden; denn der Klägerin sei es mit ihrem auf das Jahr 2011 zu prognostizierenden monatlichen Nettoeinkommen von 1.602,08 € nicht möglich gewesen, die Zinslast für das dann mit 8% p.a. zu verzinsende Darlehen, das in diesem Jahr planmäßig noch mit 243.505,29 € valutiert gewesen wäre, zu erbringen. Sie hätte auch mit ihrem Vermögen, das sich auf maximal 187.644,12 € belaufen habe, die jährliche Zinslast von 19.485,24 € nicht erbringen können.

10

Der Beklagten sei es aber gelungen, die aus der krassen finanziellen Überforderung herrührende Vermutung, die Beklagte habe die emotionale Verbundenheit der Klägerin zu ihrem Ehemann ausgenutzt, zu widerlegen. Nach den Feststellungen des Landgerichts habe die Beklagte im Zeitpunkt der Abgabe der Mithaftungserklärung davon ausgehen dürfen, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin gegeben gewesen sei. Diese habe nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten entsprechend den Angaben ihres Ehemanns über eigene Vermögenswerte von 30.000 DM verfügt und weitere Geldanlagen von deutlich über 200.000 DM zuzüglich des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Einfamilienhaus in K.           besessen. Ernstliche Zweifel daran bestünden nicht. Darüber hinaus habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass sie im Hinblick auf die Gesamtinvestitionssumme von 1,5 Mio. DM durch die auf dem Grundstück in G.        eingetragene zweitrangige Grundschuld hinreichend gesichert sei. Aufgrund dessen würde bereits damit eine krasse finanzielle Überforderung der Klägerin ausscheiden. Zumindest habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin nur in geringem Maße in Anspruch genommen werden würde.

11

Davon abgesehen stehe fest, dass die Beklagte nicht davon ausgegangen sei, die Klägerin unterzeichne den Darlehensvertrag aus emotionaler Verbundenheit. Vielmehr habe sie annehmen dürfen, dass die Klägerin die Auszahlung der ihrem Ehemann zugesagten Subventionen habe erreichen wollen, die im wirtschaftlichen Ergebnis auch ihr zugutegekommen wären. Die Auszahlung der Fördermittel sei nach den Förderbedingungen von ihrer Mithaftung abhängig gewesen. Schließlich habe die Beklagte die Vermutung auch deshalb widerlegt, weil die auf das Darlehen zu leistenden Zinsen bei Eingehung der Mithaftung noch nicht endgültig festgestanden hätten. Die Beklagte sei nämlich nach Maßgabe des öffentlichen Rechts verpflichtet gewesen, die Zinsen den Marktbedingungen anzupassen. Dies sei vorliegend im August 2006 auch erfolgt, indem der Zinssatz auf 2,5% p.a. abgesenkt und damit die monatliche Zinslast auf 507,30 € vermindert worden sei.

12

Die Klage sei lediglich in Bezug auf die Vollstreckungsgegenklage zu einem kleinen Teil begründet, soweit nämlich die Vollstreckung über einen Betrag von 231.300 € hinausgehe. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass das Darlehen nur noch mit 239.000 € valutiert gewesen sei und sich die Beklagte darauf einen Veräußerungserlös von 7.700 € anrechnen lassen müsse. Insoweit müsse sich diese an ihrem wechselnden Vorbringen in erster und zweiter Instanz festhalten lassen.

II.

13

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

14

1. Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht allerdings zutreffend angenommen, dass die Klägerin keine echte Mitdarlehensnehmerin, sondern Mithaftende ist.

15

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hängt die rechtliche Qualifizierung der von dem Ehepartner oder Angehörigen des Darlehensnehmers übernommenen Verpflichtung als eigene Darlehensschuld oder als reine Mithaftung davon ab, ob der Ehepartner oder Angehörige nach dem maßgeblichen Willen der Beteiligten als gleichberechtigter Vertragspartner neben dem Darlehensnehmer einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta haben und im Gegenzug gleichgründig zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sein oder aber ob er ausschließlich zu Sicherungszwecken mithaften und damit eine ihn einseitig belastende Verpflichtung übernehmen sollte. Zu den bei der Ermittlung des wirklichen Parteiwillens zu beachtenden Auslegungsgrundsätzen gehören insbesondere die Maßgeblichkeit des Vertragswortlauts als Ausgangspunkt jeder Auslegung und die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner (vgl. nur Senatsurteile vom 25. Januar 2005 - XI ZR 325/03, WM 2005, 418, 419 und vom 16. Juni 2009 - XI ZR 539/07, WM 2009, 1460 Rn. 14 mwN).

16

b) Der Wortlaut des vorformulierten Darlehensvertrages spricht zwar dafür, dass die Klägerin echte Mitdarlehensnehmerin ist. Die Bezeichnung als "Darlehensnehmerin" deutet für sich genommen darauf hin, dass der Darlehensvertrag mit ihr und ihrem verstorbenen Ehemann gemeinsam geschlossen wurde. Dem Wortlaut ist aber angesichts der Stärke der Verhandlungsposition der kreditgewährenden Bank und der allgemein üblichen Verwendung von Vertragsformularen grundsätzlich weniger Bedeutung beizumessen als sonst (Senatsurteile vom 25. Januar 2005 - XI ZR 325/03, WM 2005, 418, 419 und vom 16. Juni 2009 - XI ZR 539/07, WM 2009, 1460 Rn. 15 mwN). Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats ist als Mitdarlehensnehmer daher ungeachtet der konkreten Vertragsbezeichnung in aller Regel nur derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes sachliches und/oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hat sowie im Wesentlichen gleichberechtigt über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta bzw. bestimmter Teile davon mitentscheiden darf (Senatsurteile aaO).

17

Ein solches Interesse an der Kreditaufnahme hatte die Klägerin nicht. Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsschließenden diente das Darlehen über 560.300 DM ausschließlich zur Finanzierung des Bauvorhabens auf dem im Alleineigentum des Ehemanns der Klägerin stehenden Grundstück in G.        und ist ausschließlich dazu verwandt worden. Dass die Klägerin gleichwohl über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta oder Teilen davon als im Wesentlichen gleichberechtigte Vertragspartei mitbestimmen durfte und von einem solchen Recht ganz oder teilweise Gebrauch gemacht hat, ist nicht ersichtlich. Der Verwendungszweck, d.h. die Finanzierung des Bauvorhabens des Ehemanns der Klägerin, war bereits im Darlehensvertrag festgelegt. Zwar mag die Errichtung des Mehrfamilienhauses in G.         auch der Erzielung von Mieteinkünften und steuerlichen Vorteilen sowie der privaten Altersvorsorge gedient haben. Anders als die Revisionserwiderung mit ihrer Gegenrüge geltend macht, spricht dies aber nicht für eine gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerschaft, sondern allenfalls für einen mittelbaren Vorteil der Klägerin aus der Kreditaufnahme (vgl. Senatsurteile vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1650 f. und vom 16. Juni 2009 - XI ZR 539/07, WM 2009, 1460 Rn. 16).

18

2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts überforderte die Mithaftungsübernahme die Klägerin von Anfang an finanziell in krasser Weise. Dies ist von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen worden, so dass davon für das Revisionsverfahren auszugehen ist.

19

3. Dagegen hält die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die tatsächliche Vermutung, dass die Klägerin die ruinöse Mithaftung aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen und die Beklagte dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, widerlegt, den Angriffen der Revision nicht stand.

20

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist - was das Berufungsgericht im Ausgangspunkt auch nicht verkannt hat - bei Vorliegen einer krassen finanziellen Überforderung des Mitverpflichteten ohne Hinzutreten weiterer Umstände im Wege einer tatsächlichen Vermutung von der Sittenwidrigkeit der Mithaftungserklärung auszugehen, wenn der Hauptschuldner dem Mithaftenden persönlich besonders nahe steht, wie dies im Verhältnis zwischen Ehegatten und damit auch hier der Fall ist. Dann kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass der Mithaftende die ihn vielleicht bis an das Lebensende übermäßig finanziell belastende Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gestellt und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (vgl. nur Senatsurteile vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302, 307, vom 25. Januar 2005 - XI ZR 28/04, WM 2005, 421, 422 und vom 25. April 2006 - XI ZR 330/05, FamRZ 2006, 1024, 1025). Es handelt sich hierbei um eine tatsächliche Vermutung, die der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Gläubiger zu widerlegen hat (vgl. nur Senatsurteil vom 24. November 2009 - XI ZR 332/08, WM 2010, 32 Rn. 20 mwN).

21

b) Nach diesen Maßgaben hält die angefochtene Entscheidung der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Begründung des Berufungsgerichts ist in mehrfacher Hinsicht von Rechtsfehlern beeinflusst.

22

aa) Mit Erfolg beanstandet die Revision die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte durfte davon ausgehen, dass eine Inanspruchnahme der Klägerin im Hinblick auf die zu Gunsten der Beklagten auf dem Grundstück in G.        lastende zweitrangige Grundschuld allenfalls zu einem solch geringen Teil erfolgen würde, dass damit deren finanzielle Leistungsfähigkeit nicht überfordert würde.

23

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind anderweitige Sicherheitsleistungen des Kreditnehmers - vor allem dingliche Sicherheiten - im Rahmen der Wirksamkeitsprüfung finanziell übermäßig belastender Bürgschaften oder Schuldbeitritte zu berücksichtigen, wenn sie das Haftungsrisiko des Betroffenen in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränken. Nach dem Willen verständiger Parteien darf den finanziell krass überforderten Bürgen oder Mithaftenden jedoch mit Rücksicht auf die weitere Sicherheit allenfalls eine seine finanzielle Leistungsfähigkeit nicht übersteigende und damit von § 138 Abs. 1 BGB nicht erfasste "Ausfallhaftung" treffen (vgl. nur Senatsurteile vom 14. November 2000 - XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37, 44 und vom 16. Juni 2009 - XI ZR 539/07, WM 2009, 1460 Rn. 21 mwN). Dazu muss gewährleistet sein, dass der Kreditgeber ihn erst nach einer ordnungsgemäßen Verwertung der anderen Sicherheit in Anspruch nimmt. Dies ist vorliegend nach den vertraglichen Regelungen nicht der Fall. Davon abgesehen wird die krasse finanzielle Überforderung der Klägerin durch die Grundschuld hier zudem deshalb nicht beseitigt, weil die Grundschuld - was das Berufungsgericht übersehen hat - nach § 10 Abs. 1 des Darlehensvertrags vom 20. Dezember 1994/17. Januar 1995 nicht nur zur Sicherung des streitgegenständlichen Darlehens, sondern auch aller gegenwärtigen und künftigen Ansprüche der Beklagten gegen den Ehemann der Klägerin diente (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 539/07, aaO Rn. 22 mwN).

24

Diese Umstände waren der Beklagten bekannt, so dass unter diesen Gesichtspunkten - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - eine Widerlegung der tatsächlichen Vermutung nicht in Betracht kommt. Aufgrund dessen kommt es auf die Werthaltigkeit der Grundschuld nicht mehr an. Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang allerdings von der Summe der Investitionen von ca. 1,5 Mio. DM auf einen nämlichen Grundstückswert schließt, ist dies ohne konkrete Feststellungen zum Wert nicht haltbar.

25

bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durfte die Beklagte im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse der Klägerin auch nicht ohne Weiteres darauf vertrauen, dass diese über die in dem Schreiben ihres Ehemanns vom 30. März 1995 angegebenen Vermögenswerte verfügte. Für eine solche Annahme fehlt es - wie die Revision zu Recht rügt - an entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats wird die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Gläubigers nicht ohne weiteres dadurch widerlegt, dass Wertangaben des Bürgen oder Mithaftenden in einer in zeitlichem Zusammenhang mit dem Abschluss des Bürgschaftsvertrags bzw. der Mithaftungserklärung erteilten Selbstauskunft seine objektiv krasse finanzielle Überforderung nicht erkennen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 1. April 2014 - XI ZR 276/13, WM 2014, 989 Rn. 21 mwN). Den (subjektiven) Vorwurf der Sittenwidrigkeit räumen sie nur aus, wenn sie einer sorgfältigen Überprüfung des Gläubigers standhalten (Senatsbeschluss aaO). Für Angaben durch einen Dritten gilt dies erst recht.

27

Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Beklagte die Angaben des Ehemanns der Klägerin der gebotenen sorgfältigen Überprüfung unterzogen hat. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Ehemann der Klägerin in der Selbstauskunft vom 21. Oktober 1993 die Guthaben der Klägerin bei Kreditinstituten und Bausparkassen nur mit insgesamt 30.000 DM beziffert hat, während er in dem Schreiben vom 30. März 1995 für die Klägerin und sich noch "weitere Geldanlagen, wie z.B. Wertpapiere ca. TDM 38, Bausparguthaben TDM 13, Wertpapieranteile TDM 20, Rückkaufwerte aus Lebensversicherungen TDM 153 und einige Kleinsparverträge" aufgeführt hat.

28

cc) Soweit das Berufungsgericht die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung für die Übernahme der Mithaftung aufgrund einer emotionalen Verbundenheit der Klägerin mit ihrem Ehemann und für das Ausnutzen dieser Lage durch die Beklagte ferner darauf gestützt hat, dass die Klägerin aus der Sicht der Beklagten den Darlehensvertrag nicht aus emotionaler Verbundenheit, sondern zwecks Auszahlung der Subvention an ihren Ehemann unterzeichnet habe, trägt dies - wie die Revision zu Recht rügt - die angefochtene Entscheidung ebenfalls nicht.

29

Nach der Rechtsprechung des Senats kann zwar ein auf einen freien Willensentschluss hindeutendes und ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit widerlegendes Eigeninteresse des finanziell krass überforderten Ehepartners an der Darlehensgewährung grundsätzlich zu bejahen sein, wenn er zusammen mit dem Ehepartner ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hat oder ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile erwachsen (Senatsurteil vom 14. November 2000 - XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37, 45; BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 283/99, WM 2003, 1563, 1565). In einem solchen Fall ist dann auch die tatsächliche Vermutung widerlegt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 283/99, aaO).

30

Ein solcher unmittelbarer Vorteil, wie insbesondere das Miteigentum an dem finanzierten Objekt, liegt hier aber bei der Klägerin nicht vor. Nur mittelbare Vorteile, wie etwa eine Verbesserung des Lebensstandards oder der Wohnverhältnisse oder die Aussicht auf eine spätere Mitarbeit im Betrieb, ändern an der Sittenwidrigkeit nichts (vgl. Senatsurteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649,1650 f.). Ihnen kommt daher auch für die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung keine Bedeutung zu.

31

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gilt nichts anderes, wenn für den Ehepartner mit der Darlehensgewährung die Erzielung eines verlorenen Zuschusses verbunden ist und das Darlehen in den ersten 15 Jahren zinsfrei ist. Denn auch dabei handelt es sich im Verhältnis zur Klägerin allenfalls um mittelbare geldwerte Vorteile (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2005 - XI ZR 28/04, WM 2005, 421, 423 [staatlich gefördertes Existenzgründungsdarlehen]). Ansonsten würde dem mithaftenden Ehepartner nur wegen der Gewährung von Eigenkapitalhilfen die Mitverantwortung für das Scheitern der Investitionspläne des anderen aufgebürdet, damit der eheliche Frieden gefährdet und der betroffene Partner allein damit einem erheblichen psychologischen Druck ausgesetzt. Dies spricht indes gerade gegen die Berücksichtigung eines verlorenen Zuschusses oder einer Zinsvergünstigung im Rahmen der Widerlegung der tatsächlichen Vermutung. Es versteht sich von selbst, dass staatliche Fördermaßnahmen nicht davon abhängig gemacht werden dürfen, ob ein Dritter finanzielle Verpflichtungen übernimmt, die er nicht erfüllen kann, die ihn andererseits aber für den Rest seines Lebens auf den pfändungsfreien Betrag seiner Einkünfte beschränken, falls er nicht die Voraussetzungen für etwaige künftige gesetzliche Entschuldungsmodelle erfüllt (vgl. Senatsurteil vom 11. März 1997 - XI ZR 50/96, BGHZ 135, 66, 71).

32

dd) Schließlich rügt die Revision zu Recht, dass es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung ohne Belang ist, dass die auf das Darlehen zu leistenden Zinsen bei Eingehung der Mithaftung noch nicht endgültig festgestanden haben. Dies gestaltet zwar zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. Senatsurteile vom 14. November 2000 - XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37, 42 f. und vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, BKR 2003, 288, 289) die Prognose schwieriger, ob die Klägerin im Zeitpunkt des Zinsbeginns die Zinslast aus ihrem Einkommen aufbringen konnte, enthebt das Berufungsgericht aber nicht von entsprechenden Feststellungen, ob die Beklagte eine solche - belastbare - Prognose angestellt hat, die im Ergebnis dazu geführt hat, dass aus Sicht der Beklagten eine krasse finanzielle Überforderung der Klägerin zu verneinen gewesen wäre. Daran fehlt es hier.

33

In diesem Zusammenhang rügt die Revision auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei der Berechnung der jährlichen Zinsbelastung der Klägerin die nach § 3 Abs. 3 des Darlehensvertrags vom 20. Dezember 1994/17. Januar 1995 anfallenden jährlichen Verwaltungskosten übersehen und bei den Einkommensverhältnissen der Klägerin deren Eintritt in das (Vor-)Ruhestandsalter nicht berücksichtigt hat.

34

4. Ohne Erfolg bleibt die Revision dagegen, soweit sie sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts wendet, das von der Beklagten vorformulierte abstrakte Schuldversprechen der Klägerin halte einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand.

35

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Übernahme der persönlichen Haftung ein abstraktes Schuldversprechen gemäß § 780 BGB dar. Auch wenn es vorformuliert in eine Grundschuldbestellungsurkunde aufgenommen ist, hält ein solches Schuldversprechen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand, sofern es - wie hier in der Zweckerklärung festgelegt - nicht der Sicherung fremder, sondern eigener Verbindlichkeiten des Schuldners dienen soll (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1991 - XI ZR 75/90, BGHZ 114, 9, 13 und vom 10. Dezember 1991 - XI ZR 48/91, WM 1992, 132). Dagegen bringt die Revision nichts Erhebliches vor.

III.

36

Das angefochtene Urteil ist daher im erkannten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache insoweit nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Einwänden der Parteien - insbesondere zum Vorliegen der krassen finanziellen Überforderung der Klägerin und der insoweit von der Revisionserwiderung im Schriftsatz vom 10. Mai 2016 erhobenen Gegenrüge - zu befassen.

Ellenberger        

       

Grüneberg        

       

Maihold

       

Menges        

       

Derstadt        

       

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Bundesgerichtshof Urteil, 25. Jan. 2005 - XI ZR 28/04

bei uns veröffentlicht am 25.01.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 28/04 Verkündet am: 25. Januar 2005 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ____

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Okt. 2003 - XI ZR 121/02

bei uns veröffentlicht am 14.10.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 121/02 Verkündet am: 14. Oktober 2003 Weber, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja ____________

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Apr. 2014 - XI ZR 276/13

bei uns veröffentlicht am 01.04.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X I Z R 2 7 6 / 1 3 vom 1. April 2014 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 765, 138 Abs. 1 Bc Zur Sittenwidrigkeit einer aus emotionaler Verbundenheit erteilten Bürgschaft
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 15. Nov. 2016 - XI ZR 32/16.

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Sept. 2018 - XI ZR 380/16

bei uns veröffentlicht am 11.09.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 380/16 Verkündet am: 11. September 2018 Weber Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 138 A

Referenzen

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 325/03 Verkündet am:
25. Januar 2005
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Zur Abgrenzung zwischen echter Mitdarlehensnehmerschaft und einseitig verpflichtender
Mithaftungsübernahme.
BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 - XI ZR 325/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe,
die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin
Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des Einzelrichters des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. August 2003 aufgehoben und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 27. Juni 2001 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Dar lehensvertrages und früherer Bürgschaften. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Ehemann der Beklagten, einer 1954 geborenen Ve rkäuferin, war zusammen mit zwei weiteren Gesellschaftern an der V.
GmbH (nachfolgend: GmbH) beteili gt und deren Geschäftsführer. Die Klägerin gewährte der GmbH mehrere Geschäftskredite, für die ihre Gesellschafter und die Beklagte seit 1986 selbstschuldnerische Bürgschaften über insgesamt 357.038 DM übernahmen. Die Darlehensforderungen der Klägerin waren außerdem durch eine Grundschuld von 350.000 DM an dem Hausgrundstück der Schwiegereltern der Beklagten gesichert. Nachdem über das Vermögen der GmbH das Liquidationsverfahren eröffnet worden war, machte die Klägerin eine Restforderung über 350.000 DM geltend und kündigte die Verwertung ihrer Grundschuld an.
Am 1. März 1993 schlossen die Beklagte und ihr Ehe mann mit der Klägerin einen "Kreditvertrag" über 350.000 DM zu 8% p.a. und einer monatlichen Zins- und Tilgungsrate von 2.250 DM ab. Nach dem Vertragsinhalt diente die Kreditaufnahme ausschließlich zur Ablösung der noch bestehenden Gesellschaftsschulden. Die Rückführung des Darlehens sollte über ein von der Klägerin für die Beklagte geführtes Kontokorrentkonto erfolgen. Das Darlehen wurde in der Folgezeit ordnungsgemäß bedient. Nach Ablauf der Festzinsperiode vereinbarte die Klägerin mit der Beklagten für den offenen Darlehensrestbetrag von 269.800 DM am 27. Oktober 1998 eine Ermäßigung des Zinssatzes auf 5% p.a. und der monatlichen Annuitätenrate auf 1.500 DM. Als Anfang des Jahres 2000 keine Zahlungen mehr erfolgten, kündigte die Klägerin die Geschäftsverbindung am 12. Juli 2000 fristlos und forderte einen Gesamtbetrag von 283.552,72 DM.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus dem Darlehensv ertrag im Wege der Teilklage auf Zahlung von 100.000 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch. Die Beklagte meint, der Darlehensvertrag entspreche seinem
Sinn nach den von ihr im Auftrag der GmbH übernommenen Bürgschaften und sei wie diese wegen krasser finanzieller Überforderung sittenwidrig.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Be rufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Ent scheidung im wesentlichen ausgeführt:
Der Darlehensvertrag der Parteien sei wirksam. Ein e etwaige Nichtigkeit der von der Beklagten zur Sicherung der Gesellschaftsdarlehen gestellten Bürgschaften wegen sittenwidriger finanzieller Überforderung setze sich in dem neuen Rechtsgeschäft nicht fort. Die zur Fortwirkung der Sittenwidrigkeit bei interner Umschuldung entwickelten Grundsätze seien nicht anwendbar. Die verbürgten Darlehensforderungen der Klägerin hätten tatsächlich bestanden und seien wirksam. Lediglich die zwischenzeitlich weggefallenen Bürgschaften der Beklagten verstießen möglicherweise gegen die guten Sitten und seien infolgedessen nichtig.
Die Beklagte habe aber an deren Stelle die darlehensvertragliche Haftung für neue und noch bestehende Zahlungsansprüche übernommen.
Eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagte n lasse sich nicht feststellen. Selbst nach ihren Angaben in der Berufungsbegründungsschrift habe ihr laufendes Einkommen bei Abschluß des Darlehensvertrages ausgereicht, um die vereinbarten Annuitäten ordnungsgemäß zu bedienen. Dabei sei freilich auch auf die Einkünfte ihres Ehemannes abzustellen, weil die Eheleute den Vertrag gemeinsam geschlossen und auch die Zins- und Tilgungsraten gemeinsam gezahlt hätten. Davon, daß der Darlehensvertrag auf seiten der Beklagten einer Bürgschaft entspreche, könne demnach keine Rede sein.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte, wie die Revision zu Recht rügt, unter Mißachtung der Interessenlage und damit in rechtlich unvertretbarer Weise für eine echte Darlehensnehmerin gehalten.

a) Die Qualifizierung der von der Beklagten mit Ve rtrag vom 1. März 1993 übernommenen Verpflichtung als Darlehensschuld oder als Beitrittsschuld ist davon abhängig, ob die Beklagte als gleichberechtigte Vertragspartnerin neben ihrem Ehemann einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta haben und deshalb gleichgründig zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sein sollte, oder ob sie aus dem Darlehens-
vertrag keine Rechte erwerben, sondern der Klägerin nur zu Sicherungszwecken in Höhe der noch offenen Darlehensschuld der GmbH haften sollte. Maßgebend für die Abgrenzung zwischen der Begründung einer echten Mitdarlehensnehmerschaft und einer Mithaftungsübernahme des Kreditgebers ist die von den Vertragsparteien tatsächlich gewollte Rechtsfolge (Madaus WM 2003, 1705, 1706 f.). Die Privatautonomie schließt - in den Grenzen der §§ 134 und 138 BGB - die Freiheit der Wahl der Rechtsfolgen und damit des vereinbarten Vertragstyps ein, umfaßt allerdings nicht die Freiheit zu dessen beliebiger rechtlicher Qualifikation (Senatsurteil vom 23. März 2004 - XI ZR 114/03, WM 2004, 1083, 1084). Die kreditgebende Bank hat es deshalb nicht in der Hand, durch eine im Darlehensvertrag einseitig gewählte Formulierung wie "Mitdarlehensnehmer" , "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder dergleichen einen materiell-rechtlich bloß Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den weitreichenden Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen (Senatsurteile vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224, vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1650 und vom 23. März 2004, aaO S. 1084). Maßgeblich ist vielmehr der wirkliche Parteiwille bei Abschluß des Darlehensvertrages.
Dieser ist in Streitfällen im Wege der Vertragsaus legung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Zu den vom Bundesgerichtshof anerkannten Auslegungssätzen gehören die Maßgeblichkeit des Vertragswortlauts als Ausgangspunkt jeder Auslegung (st.Rspr., siehe z.B. BGHZ 121, 13, 16; BGH, Urteil vom 11. September 2000 - II ZR 34/99, WM 2000, 2371, 2372) und die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner (st.Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 10. Juli 1998 - V ZR 360/96, WM 1998,
1883, 1886 und vom 27. Juni 2001 - VIII ZR 235/00, WM 2001, 1863, 1864). Dem trägt das Berufungsgericht keine Rechnung.

b) Zwar spricht der Wortlaut des Darlehensvertrage s der Parteien vom 1. März 1993 für eine echte Mitvertragspartnerschaft der Beklagten. Sie ist im "Kreditvertrag" ebenso wie ihr Ehemann als "Kreditnehmer" bezeichnet. Eine Vertragsauslegung kann aber zu einem vom Wortlaut abweichenden Ergebnis gelangen, wenn sich ein dies rechtfertigender übereinstimmender Wille der Vertragspartner feststellen läßt (§ 133 BGB). Überdies ist dem Wortlaut angesichts der Stärke der Verhandlungsposition der kreditgebenden Bank (vgl. Schimansky WM 2002, 2437, 2438 f.) und der Verwendung von Vertragsformularen in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich weniger Bedeutung beizumessen als sonst. Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats ist als echter Mitdarlehensnehmer daher ungeachtet der Vertragsbezeichnung in aller Regel nur derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse an der Kreditaufnahme hat sowie als im wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (Senat BGHZ 146, 37, 41; Senatsurteile vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224 und vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1650; vgl. auch Senatsurteil vom 23. März 2004, aaO S. 1084). Dazu hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft keine Feststellungen getroffen.

c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung li egen keine Umstände oder Verhältnisse vor, die die Beklagte trotz ihrer fehlenden Beteiligung an der liquidierten GmbH nach dem Willen verständiger und
redlicher Vertragsparteien als gleichgestellte Mitdarlehensnehmerin neben ihrem Ehemann als deren ehemaligen Gesellschafter/Geschäftsführer erscheinen lassen.
Nach dem Inhalt des Darlehensvertrages dient die K reditaufnahme der "Übernahme der Verbindlichkeiten der ... GmbH i.L." in Höhe von 350.000 DM. Damit war für die Beklagte nicht einmal ein bloßes mittelbares wirtschaftliches oder persönliches Eigeninteresse verbunden. Während sie nämlich von einer mit den verbürgten Geschäftskrediten zusammenhängenden Verbesserung der Ertragslage des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens und einer daraus resultierenden Wertsteigerung der Beteiligung ihres Ehemannes oder von Gewinnausschüttungen bzw. einer Erhöhung seines Geschäftsführergehalts immerhin indirekt profitieren konnte, ist selbst diese äußerst vage Erwerbschance mit der Geschäftsaufgabe entfallen. Ebenso unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, daß die Beklagte weder als Bürgin noch als angebliche Darlehensnehmerin über die Auszahlung bzw. Verwendung der ausgereichten Kredite mitentschieden hat oder dazu berechtigt gewesen wäre.
Anders als die Revisionserwiderung meint, ist das mit der Ablösung der noch bestehenden Gesellschaftsverbindlichkeiten verbundene Erlöschen der früheren Bürgschaften der Beklagten kein geeignetes Beweisanzeichen dafür, daß der Klägerin von Anfang an zwei gleichberechtigte Darlehensnehmer gegenüberstanden. Denn abgesehen davon, daß dies die Wirksamkeit der im Auftrag der GmbH übernommenen Bürgschaften voraussetzt, stellt der Austausch einer auf den Eintritt des Sicherungsfalles beschränkten Bürgenhaftung durch eine darlehensver-
tragliche Primärhaftung jedenfalls unter den vorliegenden Umständen und Verhältnissen keinen Vorteil, sondern eher einen Nachteil dar.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung zeigt sich die Stellung der Beklagten als gleichberechtigte Kreditnehmerin auch nicht daran , daß die Zins- und Tilgungsleistungen entsprechend der darlehensvertraglichen Vereinbarung ihrem Konto belastet wurden. Zwar kann in der vertragsgemäßen Bedienung des aufgenommenen Darlehens durch einen Vertragsteil durchaus eine für die Vertragsauslegung bedeutsame Indiztatsache liegen (vgl. Senatsurteil vom 23. März 2004, aaO). Dies setzt aber grundsätzlich voraus, daß aus der maßgebenden Sicht eines rational handelnden Kreditgebers bereits konkrete Anhaltspunkte für ein unmittelbares Eigeninteresse des Betroffenen an der Kreditgewährung bestehen. Andernfalls ist das Beweisanzeichen nicht stark genug, um im Wege der Vertragsauslegung auf eine echte Mitgläubigerschaft zu schließen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die den darlehensvertraglichen Zinssatz und die monatliche Rückzahlungsrate ändernde Vereinbarung der Parteien vom 27. Oktober 1993 nur von der Beklagten und nicht von den Eheleuten gemeinsam unterzeichnet worden ist. Denn abgesehen davon, daß es hierfür verschiedene Gründe gibt, ist von der Klägerin in den Vorinstanzen nichts vorgetragen worden, was für ein auslegungsrelevantes nachvertragliches Verhalten der Beklagten sprechen könnte.
Schließlich ist auch in der vorläufigen Abwendung der Zwangsversteigerung des beliehenen Hausgrundstücks der Schwiegereltern der Beklagten kein geeignetes Beweisanzeichen zu sehen. Sollte darin auf seiten der Beklagten ein Motiv für den Abschluß des Darlehensvertrages
gelegen haben, so würde dies die Klägerin nicht entlasten, sondern nur den Blick auf ihre wirtschaftliche Überlegenheit richten.
2. Die von der Klägerin in Wirklichkeit verlangte Mithaftungsübernahme der Beklagten über 350.000 DM verstößt gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) und ist daher nichtig.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesger ichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- und Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 136, 347, 351; 146, 37, 42; 151, 34, 36 f.; zuletzt Senatsurteil vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, ZIP 2003, 796, 797 und Senat BGHZ 156, 302, 307 m.w.Nachw.). Zwar reicht selbst der Umstand, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines laufenden Einkommens und/oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft allein tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Fall krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten , daß er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteil vom 11. Februar 2003, aaO m.w.Nachw. und Senat BGHZ 156, aaO).


b) Die weitgehend vermögenslose Beklagte war von A nfang an voraussichtlich nicht in der Lage, die im Darlehensvertrag über 350.000 DM festgeschriebenen Zinsen von 8% p.a. aus eigenem Arbeitsverdienst dauerhaft allein aufzubringen.
aa) Wie sich aus der von der Klägerin selbst überr eichten Gehaltsabrechnung für Dezember 1997 ergibt, verdiente die Beklagte als kaufmännische Angestellte monatlich 2.054,84 DM netto, wovon nach Abzug der für die Direktversicherung und Vermögensbildung abzuführenden Beträge 1.684,80 DM ausgezahlt wurden. Dieses nicht einmal in Höhe von 100 DM monatlich pfändbare Einkommen der Beklagten, die gegenüber ihrem 1985 geborenen Sohn unterhaltspflichtig ist, reichte bei weitem nicht aus, um die jährliche Zinslast aus dem Darlehensvertrag in Höhe von 28.000 DM dauerhaft allein zu tragen. Dafür, daß die Prozeßparteien bei Vertragsschluß im März 1993 auf realistischer Grundlage von einem wesentlich höheren Gehalt der Beklagten ausgegangen sind oder eine erhebliche einkommenserhöhende Änderung in Betracht gezogen haben, ist nichts festgestellt bzw. vorgetragen.
bb) Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leist ungsfähigkeit der Beklagten ist - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - lediglich das eigene, nicht aber auch das laufende Einkommen des Ehemannes zu berücksichtigen. Zwar liegt bei Darlehensnehmern, die ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung haben und sich demgemäß als Gesamtschuldner verpflichten, eine krasse finanzielle Überforderung nur vor, wenn die pfändbaren Einkommen aller Mitdarlehensnehmer zusammen nicht ausreichen, um die laufenden Zinsen des Kre-
dits aufzubringen (Senatsurteile vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, WM 1998, 2366, 2367 und vom 23. März 2004, aaO S. 1085). Dies betrifft aber nicht die Beklagte als einseitig verpflichtete Mithaftende. Andernfalls bliebe nämlich unberücksichtigt, daß der oder die Hauptschuldner bei Eintritt des Sicherungsfalles gewöhnlich zahlungsunfähig sind oder vergleichbare Leistungshindernisse vorliegen (st.Rspr., siehe Senat BGHZ 146, 37, 43 und Senatsurteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1651, jeweils m.w.Nachw.). Der Umstand, daß die Zinsund Tilgungsraten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von den Eheleuten jahrelang aus den gemeinsamen Einnahmen und Vermögen geleistet worden sind, schließt daher eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten nicht aus.

c) Die danach bestehende tatsächliche Vermutung, d aß die Beklagte die ruinöse Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, ist von der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin nicht widerlegt oder entkräftet worden.
Es besteht vielmehr kein vernünftiger Zweifel dara n, daß die Beklagte schon ihre Bürgschaften über 357.038 DM für Darlehensschulden der GmbH, an der ihr Ehemann als geschäftsführender Gesellschafter maßgeblich beteiligt war, nicht aufgrund einer im wesentlichen freien und autonomen Willensentscheidung, sondern allein oder hauptsächlich aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen hat. Nichts spricht dafür, daß die Beklagte als Mutter eines Kleinkindes bei Übernahme der Bürgschaften in den Jahren 1986 und 1988 in Höhe etwa der späteren Darlehenssumme nicht kraß finanziell überfordert war. Ebenso
war es mangels entstehender Anhaltspunkte vor allem die emotionale Verbundenheit mit ihrem Ehemann, die die Klägerin in die Lage versetzte , die Beklagte dazu zu bewegen, sich als Nichtgesellschafterin und auch sonst in keiner Weise für die GmbH verantwortliche Dritte an der Entschuldung der Gesellschaft zu beteiligen und dabei eine ruinöse Verpflichtung einzugehen.
Die Klägerin entlastende Umstände liegen nicht vor . Nach der Wertung des § 138 BGB ist es den Kreditinstituten grundsätzlich untersagt , eine erkennbar finanziell überforderte Person über eine Bürgschaft oder Mithaftungsabrede mit dem unternehmerischen Risiko ihres Ehepartners oder nichtehelichen Lebensgefährten zu belasten und sie damit möglicherweise bis zum Lebensende wirtschaftlich zu ruinieren. Daß es noch anstößiger ist, wenn der Darlehensgeber - wie hier - versucht, bei Liquidation der kreditnehmenden zahlungsunfähigen GmbH den finanzschwachen Ehepartner des ehemaligen Gesellschafters/Geschäftsführers ohne jede Gegenleistung mit dem verbliebenen Debet zu belasten, liegt auf der Hand.

III.


Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 56 2 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Klage abweisen.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 205/01 Verkündet am:
28. Mai 2002
Weber
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Zur Abgrenzung zwischen Mitdarlehensnehmerschaft und einseitig verpflichtender
Mithaftung eines einkommens- und vermögenslosen Ehepartners.
BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Siol, Dr. Müller, Dr. Joeres und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1) wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. Mai 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als das Versäumnisurteil vom 8. Dezember 2000 gegen die Beklagte zu 1) aufrechterhalten und ihre Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 28. März 2000 zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 28. März 2000 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als die Beklagte zu 1) zur Zahlung von 597.255,45 DM nebst 6% Zinsen aus 596.370,72 DM seit dem 16. Juni 1999 verurteilt worden ist.
Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten erster Instanz sind wie folgt zu verteilen: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen sie selbst 60%, die Beklagte zu 1) 1% und der Beklagte zu 2) 39%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu 99% und diejenigen des Beklagten zu 2) zu 22% zu erstatten. Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten selbst.
Von den Kosten zweiter Instanz haben die Beklagten die durch ihre Säumnis veranlaßten Kosten als Gesamtschuldner vorab zu tragen. Für die übrigen entstandenen Kosten gilt: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen sie selbst 49%, die Beklagte zu 1) 2% und der Beklagte zu 2) 49%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu 98% zu erstatten. Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten selbst.
Die im Revisionsverfahren entstandenen Kosten sind wie folgt zu verteilen: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen sie selbst 72% und der Beklagte zu 2) 28%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu erstatten. Der Be- klagte zu 2) trägt seine auûergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten vor allem noch über die Wirksamkeit einer Mitverpflichtung der Beklagten aus einem Darlehensvertrag. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 15. Juli 1994 gewährte die klagende Sparkasse dem Beklagten zu 2), einem Immobilienmakler, ein variabel verzinsliches Darlehen über 800.000 DM zu einem Zinssatz von zunächst 6,75% p.a., rückzahlbar in monatlichen Zins- und Tilgungsraten von anfänglich 5.170 DM. Der Vertrag wurde von der Beklagten zu 1) (nachfolgend: Beklagte), seiner Ehefrau , mitunterzeichnet. Nach dem Willen der Vertragsparteien sollte mit dem Kredit das von ihrem Ehemann am 19. April 1994 allein erworbene Hausgrundstück finanziert werden. Gesichert wurden das Darlehen sowie alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Klägerin gegen die Darlehensnehmer durch eine Grundschuld über 1,07 Millionen DM an dem vom Ehemann der Beklagten erworbenen Grundstück.
Nachdem mehrere Zins- und Tilgungsraten nicht geleistet worden waren, kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag mit Schreiben vom
24. Mai 1996 fristlos. In der Folgezeit betrieb sie die Zwangsversteigerung der belasteten Immobilie und verrechnete den ihr zugeflossenen Erlös von 730.101,86 DM vorrangig mit anderen Forderungen gegen den Ehemann der Beklagten, so daû nur noch ein Betrag von 161.392,68 DM auf das ausgereichte Darlehen entfiel.
Die vermögenslose Beklagte, die nach ihren Angaben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im sechsten Monat schwanger und deshalb nicht mehr in der Lage war, ihrer mit maximal 1.200 DM brutto monatlich vergüteten Halbtagstätigkeit im Büro ihres Ehemannes nachzugehen, ist der Auffassung: Die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages stelle eine sie finanziell kraû überfordernde und überdies wegen besonders belastender Umstände sittenwidrige Schuldmitübernahme dar.
Das Landgericht hat der Klage zum groûen Teil stattgegeben und die beklagten Eheleute wegen des geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruchs als Gesamtschuldner zur Zahlung von 597.255,45 DM zuzüglich Zinsen verurteilt. Ihre Berufungen sind erfolglos geblieben. Von den beiden Revisionen ist nur die der Beklagten angenommen worden.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt bezüglich des ihr gegenüber geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruchs zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages durch die Beklagte für eine wirksame Mithaftungserklärung gehalten und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die von der Beklagten übernommene Mithaftung überfordere sie trotz fehlenden eigenen Einkommens und Vermögens nicht in krasser Weise. Eine andere Betrachtungsweise lasse die Besonderheit auûer acht, daû das Darlehen nicht für lange Zeit habe aufgenommen werden müssen, sondern nur deshalb, weil der Kaufpreis von 3,3 Millionen DM für die von ihrem Ehemann veräuûerte Gesellschaftsbeteiligung noch nicht bezahlt worden sei. Daû die Kaufpreisforderung schon bei der Kreditaufnahme endgültig uneinbringlich gewesen sei, sei von der Beklagten nicht schlüssig vorgetragen. Vor allem stehe der Annahme einer krassen finanziellen Überforderung entgegen, daû sie aufgrund der mit ihrem Ehemann getroffenen Vereinbarungen über die Mithaftungsübernahme im Innenverhältnis einen gleich hohen Aufwendungserstattungs- oder Ausgleichsanspruch erworben habe. Diese Ansprüche seien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses durchaus realisierbar gewesen, weil die Eheleute damals noch die Kaufpreiszahlung für die veräuûerten Geschäftsanteile erwartet hätten. Auûerdem sei nicht schlüssig vorgetragen , daû die Beklagte nicht bereits bei Abgabe der Mithaftungserklärung mit der finanziellen Unterstützung ihrer Schwiegereltern habe rechnen können. Dagegen sprächen zumindest die erheblichen Geldbeträge über rund 800.000 DM, die diese ihr ab Dezember 1995, also schon vor der Inanspruchnahme durch die Klägerin hätten zukommen lassen. Den Be-
weis, daû die Mithaftungsübernahme nach einer verharmlosenden Erklärung der Klägerin nur "pro forma" habe erfolgen sollen oder von ihr erzwungen worden sei, sei die Beklagte schuldig geblieben.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
Die durch die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages über 800.000 DM übernommene Mithaftung der Beklagten verstöût, wie die Revision zutreffend rügt, gemäû § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sitten und ist damit nichtig. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die einkommens - und vermögenslose Beklagte sei nicht finanziell kraû überfordert , ist unhaltbar.
1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts , daû die Beklagte durch die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages nach dem Willen aller Beteiligten keine gleichberechtigte Kreditnehmerin, sondern bloûe Mithaftende werden sollte.

a) Echter Mitdarlehensnehmer ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur, wer ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse an der Kreditaufnahme hat und als im wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung sowie die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (BGHZ 146, 37, 41; Senatsurteile vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, WM 1998, 2366 f.
und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224). Ob diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, beurteilt sich ausschlieûlich nach den für die finanzierende Bank erkennbaren Verhältnissen auf seiten der Mitdarlehensnehmer. Die kreditgebende Bank hat es daher nicht in der Hand, etwa durch eine im Darlehensvertrag gewählte Formulierung wie z.B. "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder dergleichen einen bloû Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, aaO S. 224 m.w.Nachw.). Danach durfte das Berufungsgericht die Willenserklärung der Beklagten bei wertender Betrachtung gemäû §§ 133, 157 BGB durchaus als Schuldmitübernahme deuten. Zwar hat es seine Auffassung nicht einmal ansatzweise begründet, sondern eine Mitgläubiger- und gleichgründige Gesamtschuldnerschaft der Eheleute offenbar erst gar nicht in Betracht gezogen. Da in dieser Frage weiterer Sachvortrag der Prozeûparteien nicht zu erwarten ist, kann der erkennende Senat aber die gebotene Vertragsauslegung selbst vornehmen (vgl. etwa BGHZ 124, 39, 45).

b) Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragschlieûenden diente die Kreditaufnahme über 800.000 DM ausschlieûlich zur Finanzierung des Kaufpreises für das nur vom Ehemann der Beklagten bereits vor Abschluû des Darlehensvertrags erworbene Hausgrundstück. Dafür, daû die Beklagte gleichwohl über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta als im wesentlichen gleichberechtigte Vertragspartei mitbestimmen durfte und von einem solchen Recht ganz oder teilweise Gebrauch gemacht hat, ist nichts ersichtlich. Nach ihrer unwiderlegten
Darstellung ist vielmehr davon auszugehen, daû sie, die mit dem Kauf der "Jugendstilvilla" nicht einverstanden war, aufgrund der mit ihrem Ehemann getroffenen Vereinbarung lediglich die Mithaftung für das Darlehen übernehmen sollte. Der Umstand, daû die zu finanzierende Immobilie bis zur Zwangsversteigerung durch die Klägerin von der ganzen Familie der Beklagten bewohnt wurde, deutet entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keineswegs darauf hin, daû die Beklagte gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin sein sollte, sondern lenkt nur den Blick auf einen regelmäûig nicht einmal zuverlässig feststellbaren und häufig nur flüchtigen mittelbaren Vorteil der Beklagten aus der Kreditaufnahme.
2. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, überforderte die Mithaftungsübernahme die Beklagte von Anfang an finanziell in krasser Weise, ohne daû sich für die Klägerin entlastende Momente finden lassen.

a) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs liegt eine solche Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalls dauerhaft tragen kann. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daû der dem Hauptschuldner persönlich nahestehende Bürge oder Mithaftende die für ihn ruinöse Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit
dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGHZ 136, 346, 351; 146, 37, 47; BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126, vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224 und vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, Umdruck S. 6 und - XI ZR 81/01, Umdruck S. 6, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).

b) So ist es hier. Nach dem unwidersprochenen Sachvortrag der Beklagten war sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im sechsten Monat schwanger, nicht mehr halbtags in dem Betrieb ihres Ehemannes als Bürokraft tätig und infolgedessen ohne eigenes Einkommen. Da eine ganztätige Berufsausübung mit einem erheblich höheren Monatsgehalt als die vorher bezogenen 1.200 DM brutto in absehbarer Zeit nicht realistisch erschien und ein eigenes nennenswertes Vermögen nicht vorhanden war, konnte sie aus der maûgebenden Sicht eines rational handelnden Kreditgebers voraussichtlich auch zukünftig nicht einmal die im Darlehensvertrag vereinbarten Zinsen von mehr als 4.000 DM monatlich allein aufbringen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen auch keine besonderen Umstände vor, die es rechtfertigen, eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten zu verneinen.
aa) Darauf, ob der gesamte Kredit nach dem Willen der Vertragsschlieûenden schon nach kurzer Zeit mit dem Erlös aus dem Verkauf der Gesellschaftsbeteiligung des Ehemannes der Beklagten wieder zurückgezahlt werden sollte, kommt es - wie die Revision zu Recht geltend macht - nicht entscheidend an. Wenn das Berufungsgericht von der Beklagten den Nachweis verlangt, daû die Kaufpreisforderung über
3,3 Millionen DM bereits bei Abgabe der sonst ruinösen Mithaftung endgültig uneinbringlich gewesen sei, verkennt es, daû bei der Beurteilung der finanziellen Überforderung allein auf die Leistungsfähigkeit des Mithaftenden abzustellen ist (BGHZ 146, 37, 43; BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 412) und die Mithaftungserklärung gerade dann zum Tragen kommen soll, wenn der Hauptschuldner (unvorhergesehen) seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Im übrigen enthält der Darlehensvertrag, der die Zinsanpassung für einen Zeitraum von 10 Jahren regelt, keinerlei Hinweis darauf, daû es sich nach dem ursprünglichen Willen der Vertragsparteien nur um eine kurzfristige Zwischenfinanzierung handeln sollte.
bb) Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten habe als bloûe Mithaftende jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Innenverhältnis ein die krasse finanzielle Überforderung voll ausgleichender Aufwendungsersatz- oder Ausgleichsanspruch gegen ihren primär haftenden Ehemann zugestanden, trägt die getroffene Entscheidung nicht. Eine Bürgschaft oder Mithaftung wird, wie dargelegt , von dem Betroffenen regelmäûig für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners oder anderer vergleichbarer Leistungshindernisse übernommen. Nach gefestigter Rechtsprechung sowohl des IX. als auch des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (siehe z.B. Senat BGHZ 146, 37, 43 m.w. Nachw.) ist bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Personalsicherheit daher die bei Vertragsabschluû vielleicht noch vorhandene Finanzkraft des Darlehensnehmers grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, sondern nur das pfändbare Einkommen und Vermögen des Sicherungsgebers. Davon ausgehend ist von vornherein ausgeschlossen , daû schuldrechtliche Befreiungs- oder Regreûansprüche des
Bürgen oder Mithaftenden gegen den Hauptschuldner, zumal wenn sie - wie hier - völlig ungesichert sind, bei der Prüfung der Wirksamkeit der Bürgschaft oder Mithaftung eine Rolle spielen.
cc) Rechtsfehlerhaft ist auch die Berücksichtigung von Zuwendungen der Schwiegereltern bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beklagten. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand keine hinreichend gesicherte Aussicht der Beklagten auf eine gegenüber der Darlehenssumme ins Gewicht fallende finanzielle Unterstützung durch ihre Schwiegereltern. Denn abgesehen davon, daû die Gelder nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag erst ab Dezember 1995, also nach der bereits im Sommer 1994 abgegebenen Mithaftungserklärung geflossen sind, handelt es sich durchweg um Leistungen, auf die sie keinen Anspruch hatte und die auch nicht, wie es grundsätzlich erforderlich gewesen wäre (vgl. BGHZ 132, 328, 336), zum Gegenstand von Verhandlungen über ihre künftig zu erwartende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemacht worden sind.
dd) An der krassen finanziellen Überforderung der Beklagten ändert schlieûlich auch die von ihrem Ehemann bestellte Grundschuld über 1,07 Millionen DM nichts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind anderweitige Sicherheitsleistungen des Kreditnehmers - vor allem dingliche Sicherheiten - grundsätzlich nur dann zu berücksichtigen , wenn sie das Mithaftungsrisiko des Betroffenen in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maû beschränken (vgl. etwa BGHZ 136, 347, 352 f.; Senat BGHZ 146, 37, 44 m.w.Nachw.). Diese engen Voraussetzungen erfüllt die Grundschuld, die - insoweit rechtlich unbedenklich - nicht nur das Darlehen über 800.000 DM, sondern auch
alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen der Klägerin gegen den Ehemann der Beklagten sichern sollte, nicht (vgl. Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 10).

c) Nach der zitierten ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe z.B. Senat BGHZ 146, 37, 45; Urteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, aaO S. 225) lag es demnach bei der Klägerin, im einzelnen darzulegen und notfalls zu beweisen, daû die Beklagte die ruinöse Mithaftung entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung nicht aus emotionaler Bindung an ihren Ehemann, sondern aufgrund eines im wesentlichen autonomen und eigenverantwortlichen Entschlusses übernommen hat. Dafür ist jedoch nichts vorgetragen oder den Umständen zu entnehmen.

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) und die Klage gegen die Beklagte abweisen, soweit sie sich auf Rückzahlung des restlichen Darlehens richtet.
Nobbe Siol Müller
Joeres Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 121/02 Verkündet am:
14. Oktober 2003
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
_____________________
Eine von einem Arbeitnehmer mit mäßigem Einkommen aus Sorge um den Erhalt
seines Arbeitsplatzes für einen Bankkredit des Arbeitgebers übernommene Bürgschaft
ist sittenwidrig, wenn sie den Arbeitnehmer finanziell kraß überfordert und
sich der Arbeitgeber in einer wirtschaftlichen Notlage befindet.
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 121/02 - OLG Rostock
LG Rostock
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 14. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Wassermann und Dr. Appl

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 21. März 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 20. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beklagte war seit dem 1. Januar 1991 bei der neu gegründeten H. Baugesellschaft mbH i.G. (nachfolgend: H. GmbH)
in M. als Bauleiter angestellt. Sein monatliches Nettoeinkommen, von dem er 356 DM Unterhalt für seine Tochter zu lei- sten hatte, betrug ab 1. Mai 1991 2.222,70 DM. Nachdem die Gesellschaft Ende 1991 in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, verhandelte ihr Geschäftsführer mit der klagenden Sparkasse über die Gewährung eines kurzfristigen Kontokorrentkredits von 200.000 DM. Die Klägerin erklärte sich dazu nur unter der Voraussetzung bereit, daß die Gesellschaft hinreichende Sicherheiten stellt. Nach einem Gespräch mit der Klägerin über die Stellung von Arbeitnehmerbürgschaften am 17. Dezember 1991 übernahmen der Beklagte und zwei andere Arbeitnehmer am 6. Januar 1992 je eine selbstschuldnerische Bürgschaft mit weiter Sicherungszweckerklärung bis zum Höchstbetrag von 200.000 DM. Die formularmäßige Bürgschaft umfaßt nach ihrer Nr. 2 die auf die Bürgschaftssumme entfallenden Zinsen, Provisionen und Kosten auch dann, wenn dadurch der Höchstbetrag überschritten wird. Die Einrede der Aufrechenbarkeit und § 776 BGB sind ausgeschlossen.
Kurze Zeit später gab die H. GmbH das von ihr betriebene Baugeschäft auf und stellte im April 1992 einen Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens, der mangels Masse abgelehnt wurde. Am 5. Mai 1992 kündigte die Klägerin das Darlehen, für das sie 17% Zinsen berechnete, fristlos. Nach ihrer Darstellung betrugen die Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin zu diesem Zeitpunkt 121.831,92 DM.
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus dem Bürgschaftsvertrag auf Zahlung eines Teilbetrages von 70.000 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch. Der Beklagte, der nach eigenen Angaben über kein Vermögen verfügt, erachtet die Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforde-
rung und anderer Umstände für sittenwidrig. Die Bürgschaft habe er allein aus Sorge um den Erhalt seines Arbeitsplatzes bei der Hauptschuldnerin übernommen. Außerdem sei er durch schönende Angaben der Klägerin , die die Bürgschaft als bloße Formsache verharmlost habe, über die wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Ertragsaussichten der sanierungsbedürftigen Hauptschuldnerin getäuscht worden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.


Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Der Bürgschaftsvertrag über 200.000 DM sei nicht sittenwidrig. Zwar werde der Beklagte durch die Bürgschaft finanziell kraß überfordert. Von seinem Monatseinkommen sei nur ein Betrag von 564 DM pfändbar. Dieser reiche zur Zahlung der darlehensvertraglichen Zinsen nicht aus. Die finanzielle Überforderung des Beklagten könne eine Sit-
tenwidrigkeit der Bürgschaft grundsätzlich aber nur dann begründen, wenn zusätzlich erschwerende, dem Gläubiger zurechenbare Umstände hinzukämen. Der Grundsatz, daß eine krasse finanzielle Überforderung des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen ein gewichtiges Indiz dafür sei, daß er sich entgegen seinen eigenen Interessen nur aus einer - durch die emotionale Verbundenheit mit dem Hauptschuldner bedingten - unterlegenen Position heraus auf das Geschäft eingelassen und der Gläubiger dies in verwerflicher Weise ausgenutzt habe, komme hier nicht zum Tragen. Die vom Beklagten gegenüber der Klägerin bei den Vertragsverhandlungen nicht einmal offengelegte Sorge um den Erhalt seines Arbeitsplatzes stelle keinen erschwerenden Umstand dar, der die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft begründe.
Aus der Entscheidung des Kammergerichts vom 25. April 1997 (MDR 1998, 234) zur Sittenwidrigkeit einer Arbeitnehmerbürgschaft ergebe sich nichts anderes. Sie betreffe einen besonders gelagerten Ausnahmefall , in dem die verbürgte Verbindlichkeit so hoch sei, daß bereits bei Vertragsschluß feststehe, der Bürge werde, wenn sich das Risiko verwirkliche, auch bei günstigster Prognose mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Forderung des Gläubigers nicht einmal zu großen Teilen tilgen können. Davon sei hier aber nicht auszugehen. Vielmehr habe der Beklagte sich nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin aufgrund seines Einsatzes eine baldige wirtschaftliche Gesundung der Hauptschuldnerin und höhere Bezüge versprochen. Außerdem habe bei den Vertragsverhandlungen eine Gesellschaftsbeteiligung des Beklagten und eine damit verbundene Einflußnahme auf die Unternehmensführung zur Diskussion gestanden. Für die Klägerin sei deshalb nicht auszuschließen gewesen, daß der Beklagte in Zukunft ein deutlich
höheres Einkommen erziele und die laufenden Zinsen des verbürgten Kredits tragen könne.
Besondere Umstände, die die Bürgschaft als sittenwidrig erscheinen lassen könnten, lägen nicht vor. Für die Behauptung, durch verharmlosende Erklärungen der Klägerin und/oder eine ihr anzulastende Überrumpelung zum Vertragsschluß veranlaßt worden zu sein, sei der Beklagte beweisfällig geblieben.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
Der Bürgschaftsvertrag über 200.000 DM ist, wie die Revision zutreffend rügt, wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
1. Zutreffend ist allerdings die auch von der Klägerin nicht ernsthaft in Zweifel gezogene Ansicht des Berufungsgerichts, die Höchstbetragsbürgschaft über 200.000 DM überfordere den Beklagten finanziell in krasser Weise.
Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs liegt eine solche Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er voraussichtlich nicht einmal die
von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalls dauerhaft tragen kann (siehe etwa Senatsurteile vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1651 und vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, ZIP 2003, 796, 797, jeweils m.w.Nachw.). Ob die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit der Restschuldbefreiung, wie sie die seit dem 1. Januar 1999 geltenden §§ 286 ff. InsO vorsehen, Anlaß geben kann, die Grenze für eine finanzielle Überforderung anders festzulegen , kann offenbleiben. Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen (siehe etwa BGHZ 125, 206, 209; 140, 395, 399). Der Darlehensvertrag wurde indes bereits im Januar 1992, also vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung , geschlossen. Schon deshalb ist es nicht möglich, das in ihr normierte Verfahren zur Restschuldbefreiung zu berücksichtigen (siehe bereits Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 225).
Bei Übernahme der Bürgschaft im Januar 1992 verdiente der Beklagte als Bauleiter bei der H. GmbH 2.222,70 DM netto im Monat. Der unter Berücksichtigung seiner Unterhaltspflicht pfändbare Teil von 564 DM reichte bei weitem nicht aus, die von der Klägerin berechneten laufenden Zinsen des verbürgten Geschäftskredits von 17% bis zum Vertragsende allein zu tragen. Hinzu kommt, daß sein Gehalt von dem finanziellen Leistungsvermögen der Hauptschuldnerin abhängig und davon auszugehen war, daß sie bei Eintritt des Sicherungsfalles entweder zahlungsunfähig oder überschuldet sein würde. Dies wird bei der vom Berufungsgericht in anderem Zusammenhang ohne ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte erwogenen Möglichkeit, der Beklagte werde bei
der Hauptschuldnerin künftig deutlich mehr verdienen und könne in der Lage sein, die laufenden Zinsen des verbürgten Kredits zu tragen, außer acht gelassen. Daß der Beklagte aufgrund seiner Ausbildung als Bauleiter oder in ähnlicher Stellung bei einem anderen Bauunternehmen in absehbarer Zeit wesentlich mehr verdienen könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Zutreffend ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, dem Beklagten komme ohne Hinzutreten weiterer belastender Umstände nicht die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 136, 347, 351; 146, 37, 42; 151, 34, 37; BGH, Urteile vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2328, vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1651, vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, ZIP 2003, 796, 797 und vom 27. Juli 2003 - IX ZR 283/99, ZIP 2003, 1596, 1598) anerkannte widerlegliche Vermutung zugute, daß ein kraß finanziell überforderter, dem Hauptschuldner persönlich nahestehender Bürge die Bürgschaft nur aus einer durch die emotionale Verbundenheit mit dem Hauptschuldner bedingten unterlegenen Position heraus übernommen und der Gläubiger dies in verwerflicher Weise ausgenutzt habe. Die Vermutung beruht auf der Lebenserfahrung, daß sich ein Bürge bei Übernahme einer ruinösen Bürgschaft für einen Ehe- oder Lebenspartner , einen engen Verwandten oder Freund vor allem von Emotionen hat leiten lassen und der Kreditgeber diese ausgenutzt hat.
Zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer besteht in aller Regel kein von Emotionen geprägtes, einer Ehe, einer eheähnlichen Partnerschaft oder einer engen Verwandtschaft oder Freundschaft vergleichbares persönliches Näheverhältnis. Das gilt besonders, wenn der
Arbeitnehmer - wie hier der Beklagte - einer von etwa 20 und bei Über- nahme der Bürgschaft für den Arbeitgeber erst seit etwa einem Jahr tätig war. Bei einem Arbeitsverhältnis stehen nicht Emotionen, die die Fähigkeit zu rationalem Handeln erheblich beeinträchtigen, sondern die beiderseitigen , häufig gegensätzlichen Interessen der Arbeitsvertragsparteien im Vordergrund. Besondere Umstände, die hier eine andere Beurteilung nahelegen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
3. Dem Berufungsgericht kann aber nicht gefolgt werden, soweit es meint, die Bürgschaft sei wirksam, weil die Klägerin nicht in unzulässiger Weise auf die Entschließung des Beklagten durch die Tragweite der Haftung verharmlosende bzw. verschleiernde Erklärungen oder durch schönende Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse und Aussichten der Hauptschuldnerin eingewirkt habe. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sich auch im Bereich der Arbeitnehmerbürgschaften eine tatsächliche widerlegliche Vermutung für ein weitgehend fremdbestimmtes Handeln des Betroffenen ergibt. Jedenfalls liegen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hinreichende Umstände vor, die den Beklagten auch ohne derartige verbotene Handlungen der Klägerin an einer freien und eigenverantwortlichen Entscheidung hinderten und von ihr in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt wurden.

a) Bei der zu beurteilenden ruinösen Bürgschaft des Beklagten handelt es sich um eine Arbeitnehmerbürgschaft für Bankverbindlichkeiten der Arbeitgeberin, einer finanzschwachen GmbH. Diese hatte erst Anfang 1991 mit Hilfe erheblicher Kredite ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen und befand sich bei Aufnahme des verbürgten Kredits von
200.000 DM Ende 1991/Anfang 1992 in ernsten Liquiditätsschwierigkei- ten. Diese waren so akut, daß die Arbeitgeberin den Geschäftsbetrieb trotz des gewährten Kredits bereits drei Monate später einstellen und Antrag auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung stellen mußte, der mangels Masse abgelehnt wurde. Der Beklagte stand damit bei Übernahme der Bürgschaft vor der Alternative, entweder dem über die Arbeitgeberin an ihn herangetragenen Sicherungsbegehren der Klägerin zusammen mit zwei anderen Arbeitskollegen nachzugeben oder den sofortigen Verlust seines Arbeitsplatzes in Kauf zu nehmen.
Ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse an der Gewährung des verbürgten Kredits hatte der Beklagte für die Klägerin erkennbar nicht. An der GmbH war er nicht beteiligt, von Gewinnen und Wertsteigerungen der GmbH profitierte er deshalb nicht. Der Vorschlag der Klägerin im Rahmen der Verhandlungen über den Bürgschaftsvertrag , er solle möglichst in naher Zukunft Gesellschafter werden, wurde vom alleinigen Gesellschafter der GmbH nicht aufgegriffen, die Übernahme der risikoreichen Bürgschaft von einer wesentlichen und werthaltigen Beteiligung an der Hauptschuldnerin nicht abhängig gemacht. Eine etwaige Vorstellung des Beklagten, von einer Sanierung der Hauptschuldnerin mit Hilfe des verbürgten Kredits künftig durch ein höheres Gehalt zu profitieren, war ersichtlich nichts weiter als eine vage Hoffnung.
Durch die Übernahme der Bürgschaft über 200.000 DM wurde der Beklagte, der mit 2.222,70 DM monatlich nur über ein mäßiges Nettoeinkommen verfügte, ohne Gewinnbeteiligung und ohne irgendeine Gegenleistung in einem Umfang mit dem wirtschaftlichen Risiko der Arbeitgebe-
rin und dem Kreditrisiko belastet, der geeignet war, ihn für den Rest seines Lebens wirtschaftlich zu ruinieren. Wenn der Beklagte die ihn kraß überfordernde Bürgschaft dennoch übernahm, so geschah dies allein aus Angst um seinen Arbeitsplatz bei der Hauptschuldnerin und den Verlust seines Einkommens, mit dem er seinen Lebensunterhalt bestritt. Dafür besteht in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, wie sie seit längerer Zeit vor allem auch in den neuen Bundesländern herrscht, eine tatsächliche, widerlegliche Vermutung (vgl. KG MDR 1998, 234, 235). Diese Angst, die sich der mit den dortigen Arbeitsmarktverhältnissen vertrauten Klägerin als Grund für die ersichtlich unüberlegte Übernahme der für ihn ruinösen Bürgschaft durch den Beklagten aufdrängte, hat den Beklagten daran gehindert, das Risiko der ruinösen, ohne jeden Ausgleich übernommenen Bürgschaft realistisch abzuschätzen, sich zu vergegenwärtigen, daß die Verpflichtung aus der Bürgschaft nicht mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Hauptschuldnerin endet, und eine vernünftige Entscheidung zu treffen.
Das hat die dem Beklagten strukturell weit überlegene Klägerin ausgenutzt, um das mit der Ausreichung des Geschäftskredits über 200.000 DM verbundene Risiko (auch) dem Beklagten sowie zwei anderen Arbeitnehmern der nahezu illiquiden Hauptschuldnerin aufzubürden, obwohl sich die Fragwürdigkeit der Arbeitnehmerbürgschaften für sie aufdrängen mußte. Sie hat damit versucht, von der aufgezeigten Zwangslage des Beklagten und seiner Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes zu profitieren. Dies gibt, wie das Bundesarbeitsgericht (NJW 1991, 860, 861) für eine Vereinbarung über die Belastung eines am Gewinn nicht beteiligten Arbeitnehmers mit dem Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers entschieden hat, dem Bürgschaftsvertrag nach seinem aus
der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu beurtei- lenden Gesamtcharakter das Gepräge der Sittenwidrigkeit.

b) Hier kommt noch erschwerend hinzu, daß der formularmäßige Bürgschaftsvertrag mehrere den Bürgen unangemessen belastende Klauseln enthält. Die weite Sicherungszweckerklärung, die die Bürgschaft auf alle bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung erweitert, verstößt nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegen §§ 3 und 9 AGBG (BGHZ 126, 174, 177; 130, 19, 24 ff.; 137, 153, 155 f.; 142, 213, 215 f.; 143, 95, 96 f.; 151, 374, 377; BGH, Urteile vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01, WM 2002, 436, 438 und vom 16. Januar 2003 - IX ZR 171/00, WM 2003, 669, 670, für BGHZ vorgesehen ). Die vorgesehene Erstreckung der Höchstbetragsbürgschaft auf Nebenforderungen über den Höchstbetrag hinaus ist mit § 9 AGBG unvereinbar (BGHZ 151, 374, 381 ff.). Der formularmäßige Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit benachteiligt den Beklagten ebenfalls unangemessen (§ 9 AGBG), wenn er - wie hier - auch für den Fall gilt, daß die Gegenforderung des Hauptschuldners unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist (BGH, Urteil vom 16. Januar 2003 - IX ZR 171/00, WM 2003, 669, 671, für BGHZ vorgesehen). Der Ausschluß des § 776 BGB verstößt ebenfalls gegen § 9 AGBG (BGHZ 144, 52, 55 ff.; BGH, Urteil vom 6. April 2000 - IX ZR 2/98, WM 2000, 1141, 1144). Daß diese unangemessenen Klauseln, die bei der nach § 138 Abs. 1 BGB erforderlichen Gesamtbetrachtung einen Verstoß des Bürgschaftsvertrages gegen die guten Sitten allein nicht zu begründen vermöchten, unwirksam sind, kommt der Klägerin nach dem Schutzzweck des AGB-Gesetzes bei
der Beurteilung der Sittenwidrigkeit nicht zugute (BGHZ 80, 153, 172; 98, 174, 177; 136, 347, 355 f.).

III.


Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben und das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Nobbe Bungeroth Müller
Wassermann Appl

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 28/04 Verkündet am:
25. Januar 2005
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Verbürgt sich der finanziell kraß überforderte Ehepartner für ein staatlich gefördertes
Existenzgründungsdarlehen des anderen, so genügt es zur Widerlegung der
Vermutung eines Handelns aus emotionaler Verbundenheiten nicht, daß der Bürge
in dem künftigen Gewerbebetrieb an verantwortlicher Stelle mitarbeiten soll.
BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 - XI ZR 28/04 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Müller, Dr. Wassermann, Dr. Appl und
Dr. Ellenberger

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Mai 2003 aufgehoben und das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 22. November 2001 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Bür gschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beklagte und ihr Ehemann waren über viele Jahr e im Transportgewerbe tätig. Im Jahre 1997 verdienten die Eheleute zusammen mehr als 200.000 DM brutto, wovon rund 70.000 DM auf die als Prokuristin tätige Beklagte entfielen. Als beide ihren Arbeitsplatz verloren hatten , wandte sich der Ehemann der Beklagten im September 1998 an die klagende Sparkasse, um staatlich geförderte Existenzgründungsdarlehen und weitere Kredite über insgesamt ca. 1,2 Millionen DM für die von ihm beabsichtigte Gründung einer Einzelfirma zu erhalten. Nach dem vorgelegten Gründungskonzept sollte der Betrieb auf dem Gebiet des Transportwesens tätig werden. Ferner war vorgesehen, daß die Beklagte die Büroleitung zusammen mit der Auftragsbearbeitung übernimmt und ab März 1999 ein steigerungsfähiges Jahresgehalt von 75.000 DM brutto bezieht. Mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 1998 gründeten die Eheleute eine GmbH, die später das Unternehmen des Ehemannes der Beklagten übernehmen und fortführen sollte, aber den Geschäftsbetrieb nie aufgenommen hat.
Am 26. Februar 1999 bewilligte die Klägerin die be antragten Kredite zu unterschiedlichen Zinssätzen. Die damals 51 Jahre alte arbeitslose Beklagte übernahm dafür am selben Tag eine Höchstbetragsbürgschaft über 300.000 DM. Außerdem bestellte sie mit notarieller Urkunde vom 6. April 2000 an ihrem Wohnungseigentum eine wertausschöpfende Grundschuld von 400.000 DM. Ab Juli 1999 bezog sie als Angestellte im Unternehmen ihres Ehemannes ein Monatsgehalt von 2.365 DM netto.
Die Existenzgründung ihres Ehemannes scheiterte. N ach Einstellung des Gewerbebetriebes wurde im November 2000 über sein Vermö-
gen das Insolvenzverfahren eröffnet. Die ausgereichten Geschäftskredite wurden deshalb von der Klägerin fristlos gekündigt.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus der Höchstbetr agsbürgschaft auf Zahlung von 300.000 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch. Die Beklagte hält die Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig.
Beide Vorinstanzen haben dem Zahlungsbegehren der Klägerin antragsgemäß stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat die Höchstbetragsbürgscha ft der Beklagten über 300.000 DM für wirksam erachtet und zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft verstoße nicht gegen die guten Sitt en. Eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten lasse sich trotz ihrer Arbeitslosigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht feststellen. Vor dem beruflichen Hintergrund der Beklagten habe die Klägerin nämlich darauf
vertrauen dürfen, daß die Planung ihres Ehemannes aufgehen und sie schon alsbald als Büroleiterin seines Betriebes jährlich 75.000 DM brutto verdienen werde. Das sogar noch für steigerungsfähig gehaltene Gehalt der Beklagten habe ausgereicht, um die nach ihren Angaben auf die verbürgten Existenzgründungsdarlehen entfallende Zinslast von höchstens 4,58% p.a. aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens dauerhaft allein zu tragen. Daß die Sicherheit der Einkünfte von dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig gewesen sei, rechtfertige keine andere rechtliche Beurteilung, da die Klägerin ein Scheitern der überzeugenden Geschäftsidee nicht habe ernsthaft in Betracht ziehen müssen.
Darüber hinaus habe die Beklagte an der Kreditaufn ahme ersichtlich ein eigenes wirtschaftliches Interesse gehabt. Dieses ergebe sich daraus, daß sie in dem Betrieb als leitende Angestellte mitarbeiten und Jahreseinkünfte von 75.000 DM erhalten sollte. Da die Beklagte bei Abgabe der Bürgschaftserklärung arbeitslos gewesen sei und sich nach ihrem Vortrag bei der Arbeitssuche vermutlich Schwierigkeiten ergeben hätten, sei die Existenzgründung ihres seinerzeit ebenfalls erwerbslosen Ehemannes für sie beide eine gute Lösung gewesen.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Entgegen der Ansicht der Revision ist das Beruf ungsurteil allerdings nicht bereits deshalb aufzuheben, weil die Darstellung des Tatbestands nicht den Anforderungen des § 543 Abs. 2 ZPO a.F. entspreche.
Der Senat hat die entsprechende Rüge der Revision geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts v erstößt die Höchstbetragsbürgschaft der Beklagten gemäß § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sitten und ist daher nichtig.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesger ichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 136, 347, 351; 146, 37, 42; 151, 34, 36 f.; zuletzt Senatsurteil vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, ZIP 2003, 796, 797 und Senat BGHZ 156, 302, 307 m.w.Nachw.). Zwar reicht selbst der Umstand, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines laufenden Einkommens und/oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Fall krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daß er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteil vom 11. Februar 2003 aaO, m.w.Nachw. und BGHZ 156, aaO).


b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft über 300.000 DM im Februar 1999 kraß finanziell überfordert, weil sie die Zinsen von 4,58% für das verbürgte Existenzgründungsdarlehen über 230.000 DM und von 10% variabel für den Kontokorrentkredit über 100.000 DM aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen auf Dauer allein nicht aufbringen konnte.
aa) Da die Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft a rbeitslos war, konnte sie zunächst nicht das Geringste zur vertragsgemäßen Erfüllung der Zinsansprüche der Klägerin aus dem verbürgten Existenzgründungsdarlehen und dem Kontokorrentkredit ihres Ehemannes beitragen. Daß die den Wert ihrer Eigentumswohnung unstreitig ausschöpfende Grundschuld über 400.000 DM erst im April 2000, also weit nach Vertragsschluß bestellt wurde, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Die Bestellung der Grundschuld ist bereits in den Darlehensverträgen vom 26. Februar 1999 vorgesehen.
bb) Aus der maßgebenden Sicht eines seriösen und v ernünftigen Kreditgebers war auch nicht mit einer die krasse finanzielle Überforderung der Beklagten beseitigenden Verbesserung ihres finanziellen Leistungsvermögens bis zum ungewissen Zeitpunkt der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu rechnen.
(1) Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkenn enden Senats sind bei der gebotenen Prognose grundsätzlich alle erwerbsrelevanten Umstände und Verhältnisse - wie z.B. Alter, Schul- und Berufsausbildung sowie etwaige besondere familiäre oder vergleichbare Belastungen - des
erkennbar finanzschwachen Bürgen oder Mithaftenden zu berücksichtigen (vgl. z.B. Senat BGHZ 146, 37, 43; Senatsurteile vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024, vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126 und vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, ZIP 2003, 796, 797). Erst wenn danach bei lebensnaher Betrachtung feststeht, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegten Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines eigenen Einkommens und/oder Vermögens bis zum Vertragsende allein aufbringen kann, ist eine krasse finanzielle Überforderung zu bejahen.
(2) So ist es hier. Die Klägerin durfte die damals 51-jährige Beklagte - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - nicht im Vertrauen auf die Realisierbarkeit des Gründungskonzepts ihres Ehemannes in die von den staatlichen Förderstellen vorgeschriebene Bürgenhaftung für das ausgereichte Existenzgründungsdarlehen und den Kontokorrentkredit nehmen. Zwar sollte sie danach als leitende Angestellte des Gewerbebetriebes ab dem 1. März 1999 im Jahr 75.000 DM brutto und in absehbarer Zeit sogar noch mehr verdienen. Dieser Plan beruhte aber auf einer unrealistischen Marktanalyse und Überschätzung der künftigen Ertragskraft des tatsächlich nur bis zum Herbst 2000 werbend tätigen Unternehmens. In Wirklichkeit hat die Beklagte denn auch unstreitig nie das vorgesehene Gehalt bezogen, sondern seit dem 1. Juli 1999 lediglich im Monat 2.365 DM netto verdient. Außerdem läßt das Berufungsgericht unberücksichtigt, daß das weitgehend fremdfinanzierte und offenbar von vornherein nicht lebensfähige Unternehmen bei Eintritt des Sicherungsfalles entweder zahlungsunfähig oder überschuldet sein würde, das vorgesehene Gehalt der Beklagten also nicht von der Insolvenz des
Hauptschuldners unabhängig war. Daß die Klägerin diesen wichtigen und nach der allgemeinen Lebenserfahrung gerade bei besonders risikohaften Existenzgründungen häufig eintretenden Umstand nach dem Schutzzweck des § 138 Abs. 1 BGB berücksichtigen mußte, versteht sich von selbst (Nobbe/Kirchhof BKR 2002, 5, 9; Schimansky WM 2002, 2437, 2440).
(3) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderun g bestand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch keine hinreichend gesicherte Aussicht, daß die Beklagte aufgrund ihrer Ausbildung und langjährigen Berufserfahrung in absehbarer Zeit bei einem Konkurrenzunternehmen oder anderswo eine Anstellung mit einem dem vorgesehenen vergleichbaren Gehalt findet. Dazu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - keine näheren Feststellungen getroffen, sondern lediglich auf die sich für die Beklagte bei der Arbeitssuche vermutlich ergebenden Schwierigkeiten hingewiesen. Der Einwand der Revisionserwiderung , daß die Beklagte von 1984 bis 1998 zu relativ hohen Bezügen gearbeitet habe und sogar Prokuristin gewesen sei, greift nicht. Denn abgesehen davon, daß ihr Ehemann das Unternehmen der früheren Arbeitgeberin leitete, darf in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, wie sie bei Vertragsschluß herrschten, nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Beklagte damals bereits 51 Jahre alt war und nach der Lebenserfahrung ältere Arbeitnehmer große Probleme haben, einen ihrer Qualifikation entsprechenden Arbeitsplatz zu finden.
(4) Bei Übernahme der Bürgschaft über 300.000 DM d urch die damals arbeitslose Beklagte war aus der maßgebenden Sicht eines vernünftigen und seriösen Kreditgebers nicht damit zu rechnen, daß die Be-
klagte bei Eintritt des Sicherungsfalles die laufenden Zinsen der verbürgten Kredite mit Hilfe des pfändbaren Teils ihres Einkommens werde aufbringen können. Die Zinsen beliefen sich auf 10.000 DM jährlich für den verbürgten Kontokorrentkredit über 100.000 DM zu 10% Zinsen variabel sowie ausgehend von 200.000 DM auf 9.160 DM für das verbürgte staatlich geförderte Existenzgründungsdarlehen zu 4,58% Zinsen. Um die insgesamt 19.160 DM jährlich, d.h. 1.596,67 DM monatlich betragenden Zinsen aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens tragen zu können, hätte die niemandem unterhaltspflichtige Beklagte nach der im Jahre 1999 geltenden Pfändungstabelle ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens 3.500 DM erzielen müssen. Ein solches Einkommen hat die Beklagte nach Übernahme der Bürgschaft unstreitig nie erhalten und es bestand angesichts des Alters der Beklagten von damals 51 Jahren auch keine realistische Aussicht, daß sie ein solches Gehalt außerhalb des Unternehmens ihres Ehemannes erzielen konnte. Eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten ist danach gegeben.

c) Der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB stehen entge gen der Auffassung des Berufungsgerichts auch keine anderen Hinderungsgründe entgegen. Die tatsächliche Vermutung, daß die Beklagte die ruinöse Bürgschaft aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, ist nicht widerlegt bzw. entkräftet.
aa) Daß das Einzelunternehmen des Ehemannes der Be klagten bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages die Existenzgrundlage der ganzen Familie bilden sollte, ist - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - nicht von wesentlicher Bedeutung. Der Erwerb eines blo-
ßen mittelbaren geldwerten Vorteils aus der Unternehmensfinanzierung - wie etwa eine häufig nur schwer feststellbare und flüchtige Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards oder die Aussicht auf einen Arbeitsplatz - wiegt nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats das bei Betriebsmittelkrediten und erst recht bei Existenzgründungsdarlehen erfahrungsgemäß ganz besonders große Bürgschaftsbzw. Mithaftungsrisiko bei weitem nicht auf. Vielmehr wird der erkennbar nicht hinreichend solvente Ehepartner durch die Bindung der Fördermaßnahme an seine Bürgschafts- oder Mithaftungserklärung in eine wirtschaftlich sinnlose Garantenstellung für den ungewissen wirtschaftlichen Erfolg einer Berufsentscheidung des anderen gedrängt und möglicherweise bis zum Lebensende finanziell unzumutbar belastet (Senat BGHZ 135, 66, 71 f.). Zudem würde der gegenteilige Standpunkt zu einer erheblichen und sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Ehepartner selbständiger Unternehmer oder Gesellschafter führen (Senat BGHZ 146, 37, 45 f. und Senatsurteil vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, ZIP 2003, 796, 798).
bb) Allerdings ergibt sich in aller Regel eine and ere rechtliche Beurteilung , wenn der ersichtlich finanziell kraß überforderte Bürge oder Mitverpflichtete aufgrund konkreter und rechtlich hinreichend gesicherter Vereinbarungen mit dem Kreditnehmer an dem finanzierten Objekt in einem nennenswerten Umfang beteiligt werden soll. Da der Betroffene hier freiwillig das unternehmerische Risiko eingehen will und sich seine Rechtsstellung bei wertender Betrachtung häufig nicht wesentlich von der eines echten Mitdarlehensnehmers unterscheidet, ist es der kreditgebenden Bank grundsätzlich gestattet, ihn ohne Rücksicht auf eine geringe finanzielle Leistungsfähigkeit in die darlehensvertragliche Haftung
einzubinden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 283/99, WM 2003, 1563, 1565). Hierfür spricht ferner, daß Gesellschafter einer kreditsuchenden GmbH gewöhnlich ohne weiteres in die Mithaftung genommen werden können (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteil vom 10. Dezember 2002 - XI ZR 82/02, WM 2003, 275, 276 m.w.Nachw.) und hierfür unter Umständen auch ein unmittelbar bevorstehender Erwerb einer bedeutsamen Beteiligung an der Hauptschuldnerin ausreichen kann.
So ist es hier aber nicht. Zwar war geplant, daß d ie von den Eheleuten mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 1998 gegründete und der Beklagten zu 25,1% gehörende GmbH zu einem noch nicht festgelegten Zeitpunkt das kreditfinanzierte Einzelunternehmen ihres Ehemannes mit allen Aktiva sowie Passiva übernimmt und weiterführt. Diese in dem Gründungskonzept dargelegte und der Klägerin bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages bekannte Absicht der Eheleute reicht aber, wie auch die Revisionserwiderung nicht in Zweifel zieht, für sich genommen nicht aus, um von einer rechtlich oder wirtschaftlich hinreichend gesicherten Beteiligung der Beklagten an dem Einzelunternehmen ihres Ehemannes auszugehen.

III.


Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 56 2 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Klage abweisen.
Nobbe Müller Wassermann
Appl Ellenberger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 330/05 Verkündet am:
25. April 2006
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, den
Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger
und Prof. Dr. Schmitt

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 24. August 1999 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung der beklagten Bank aus einer titulierten Bürgschaftsforderung und aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss.
2
Am 4. Januar 1988 übernahm die damals 33 Jahre alte, einkommenslose Klägerin, die sich ausschließlich der Haushaltsführung und der Erziehung ihrer damals drei Jahre alten Tochter widmete und kein nennenswertes Vermögen besaß, nach Aufforderung durch die Beklagte eine formularmäßige Höchstbetragsbürgschaft von 200.000 DM zur Absicherung gewerblicher Kredite ihres damaligen Ehemannes in Höhe von ca. 180.000 DM. Anfang des Jahres 1991 kündigte die Beklagte die Geschäftsverbindung zum Hauptschuldner wegen Zahlungsverzuges und stellte eine Gesamtforderung von 201.497,66 DM fällig. Nach Verwertung anderer Sicherheiten nahm sie die Klägerin in Höhe einer Restforderung von 70.882,06 DM zuzüglich Zinsen gerichtlich aus der Bürgschaft in Anspruch und erwirkte, nachdem ein Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin zurückgewiesen worden war, am 14. Oktober 1992 ein rechtskräftig gewordenes Versäumnisurteil sowie am 2. Dezember 1992 einen Kostenfestsetzungsbeschluss über 3.464,04 DM zuzüglich Zinsen. Die Ehe der Klägerin wurde durch ein seit dem 26. Oktober 1992 rechtskräftiges Urteil geschieden.
3
Die Klägerin erstrebt die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil und dem Kostenfestsetzungsbeschluss, hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Vollstreckung und zur Herausgabe der Titel. Sie ist der Auffassung, die Bürgschaft sei sittenwidrig. Dem Versäumnisurteil liege eine Auslegung des § 138 Abs. 1 BGB zugrunde, die das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214) für verfassungswidrig erklärt habe. Daher sei die weitere Vollstreckung aus den Titeln gemäß § 79 Abs. 2 BVerfGG unzulässig. Jedenfalls stelle die weitere Ausnutzung der Titel eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung dar.

4
Landgericht Das hat dem Hauptantrag der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht (ZIP 1999, 1707) hat die Klage abgewiesen. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGHZ 151, 316) hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht (WM 2006, 23) auf die Verfassungsbeschwerde der Klägerin aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Die Klägerin begehrt mit ihrer Revision weiterhin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


5
Revision Die ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten.

I.


6
Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage im Wesentlichen wie folgt begründet:
7
Der Hauptantrag sei unbegründet. § 767 ZPO sei nicht gemäß § 79 Abs. 2 BVerfGG anwendbar. Das Bundesverfassungsgericht habe durch den Beschluss vom 19. Oktober 1993 keine gesetzliche Vorschrift für verfassungswidrig erklärt, sondern lediglich Vorgaben für die Auslegung einer gesetzlichen Generalklausel im Lichte der grundrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie gemacht. Auf diesen Fall sei § 79 Abs. 2 BVerfGG weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Im Hinblick auf § 767 Abs. 2 ZPO könne die Klägerin sich auch nicht darauf berufen, durch die Scheidung ihrer Ehe sei die Geschäftsgrundlage der Bürgschaft weggefallen.
8
DerHilfsantraghabe in der Sache ebenfalls keinen Erfolg. Ob die Bürgschaft im Lichte der neueren Rechtsprechung gegen § 138 Abs. 1 BGB verstoße, könne unentschieden bleiben. Jedenfalls lägen keine zusätzlichen Umstände vor, die die Zwangsvollstreckung sittenwidrig erscheinen ließen.

II.


9
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Hauptantrag der Klage abgewiesen hat, ist rechtsfehlerhaft. Die Klägerin kann in entsprechender Anwendung des § 767 ZPO gegen die Zwangsvollstreckung der Beklagten Einwendungen erheben, die auf dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214) über die Aufhebung des Urteils des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 16. März 1989 (IX ZR 171/88, WM 1989, 667) gründen. Dies folgt aus der analogen Anwendung des § 79 Abs. 2 Satz 3 BVerfGG.
10
Das Bundesverfassungsgericht hat durch Beschluss vom 6. Dezember 2005 (WM 2006, 23, 26), durch den das Urteil des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 11. Juli 2002 (BGHZ 151, 316 ff.) über die Zurückweisung der Revision der Klägerin aufgehoben worden worden ist, entschieden, dass § 79 Abs. 2 Satz 3 BVerfGG auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts analoge Anwendung finde, durch die die Zivilgerichte angehalten werden, bei der Auslegung und Anwendung von Generalklauseln und sonstigen auslegungsbedürftigen Regelungstatbeständen des bürgerlichen Rechts die einschlägigen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen. Das gelte allerdings nur, wenn das Bundesverfassungsgericht, wie seiner Ansicht nach in seinem Beschluss vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214) geschehen , nicht nur die Verfehlung verfassungsrechtlicher Vorgaben bei der rechtlichen Subsumtion im Einzelfall beanstande, sondern für die Auslegung des bürgerlichen Rechts über den Einzelfall hinausreichende Maßstäbe setze, an die die Zivilgerichte bei ihrer künftigen Rechtsprechung in gleich gelagerten Fällen ebenso gebunden seien, wie wenn das Bundesverfassungsgericht eine Rechtsvorschrift verfassungskonform in der Weise auslege, dass es die verfassungswidrige Interpretationsmöglichkeit ausschließe. An die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 ist der erkennende Senat, der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs nunmehr für Rechtsstreitigkeiten aus Bürgschaften zuständig ist, nach § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden. Die Klägerin kann daher gegen die Vollstreckungstitel aus dem Jahre 1992 Einwendungen, die auf dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214) gründen, entsprechend § 767 Abs. 1 und 2 ZPO geltend machen (BVerfG WM 2006, 23, 27).

III.


11
Das Berufungsurteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Das Landgericht hat die Zwangsvollstreckung zu Recht für unzulässig erklärt.
12
Dies 1. gilt zunächst für die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 14. Oktober 1992. Nach den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214) entwickelt hat, ist die Bürgschaft der Klägerin vom 4. Januar 1988, wie bereits der IX. Zivilsenat im ersten Revisionsurteil (BGHZ 151, 316, 318 ff.) ausgeführt hat, gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
13
Nach a) dieser Rechtsprechung (BGHZ 136, 347, 351; Senat BGHZ 146, 37, 42; Urteil vom 25. Januar 2005 - XI ZR 28/04, WM 2005, 421, 422; Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 6 ff.; jeweils m.w.Nachw.) begründet eine krasse finanzielle Überforderung eines dem Hauptschuldner emotional verbundenen Bürgen die widerlegliche Vermutung der Sittenwidrigkeit der Bürgschaft. Eine krasse finanzielle Überforderung liegt vor, wenn eine auf den Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung abstellende , die Ausbildung, Fähigkeiten und familiären Belastungen berücksichtigende Prognose ergibt, dass der Bürge allein voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, auf Dauer die laufenden Zinsen der gesicherten Forderung mit Hilfe des pfändbaren Teils seines Einkommens und Vermögens aufzubringen. Diese Vermutung kann der Gläubiger nicht nur durch den Nachweis seiner Unkenntnis der krassen finanziellen Überforderung oder der emotionalen Verbundenheit, sondern auch durch den Nachweis eines eigenen persönlichen oder wirtschaftlichen Interesses des Bürgen an der Kreditaufnahme ausräumen (BGHZ 146, 37, 45 m.w.Nachw.). Das Interesse des Gläubigers, sich mit Hilfe der Bürgschaft vor etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen Ehegatten zu schützen, ist allein kein die Sittenwidrigkeit ausschließender Umstand (Senat, Urteil vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, BKR 2003, 288, 290, m.w.Nachw.).
14
b) Gemessen hieran ist die Bürgschaft vom 4. Januar 1988 wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
15
Die aa) Klägerin war, wie bereits im ersten Revisionsurteil (BGHZ 151, 316, 319) ausgeführt, durch die Übernahme einer Bürgschaft von 200.000 DM am 4. Januar 1988 finanziell krass überfordert. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war davon auszugehen, die einkommens - und vermögenslose Klägerin werde bei Eintritt des Bürgschaftsfalls nicht in der Lage sein, die Zinsen der Hauptforderung aufzubringen. Nicht einmal die Zinsen für den durch die übrigen Sicherheiten nicht gedeckten Teil der Hauptschuld konnte sie zahlen.
16
bb) Die somit begründete Vermutung der Sittenwidrigkeit hat die Beklagte nicht ausgeräumt. Die Revisionserwiderung beruft sich ohne Erfolg auf den Vortrag der Beklagten in den Tatsacheninstanzen, die Klägerin habe den Umfang der Kreditverbindlichkeiten des Hauptschuldners und die damit verbundenen Risiken gekannt und sei von der Beklagten auf das Risiko einer Bürgschaft und die rechtlichen Auswirkungen der Bürgschaftsverpflichtung hingewiesen worden. Diese Umstände allein sind nicht geeignet, die Vermutung auszuräumen, die Klägerin habe die Bürgschaft wegen ihrer emotionalen Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und die Beklagte habe diese Verbundenheit in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt. Dass sie die krasse finanzielle Überforderung der Klägerin oder deren emotionale Verbundenheit mit dem Hauptschuldner nicht gekannt habe, oder dass die Klägerin ein eigenes persönliches oder wirtschaftliches Interesse an der Kreditaufnahme gehabt habe, hat die Beklagte nicht geltend gemacht.
17
2. Auch die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Dezember 1992 ist vom Landgericht zu Recht für unzulässig erklärt worden. Dadurch, dass der Vollstreckungsabwehrklage gegen das Versäumnisurteil vom 14. Oktober 1992 stattgegeben wird, bleibt zwar die Kostenentscheidung dieses Urteils als Grundlage der Kostenfestsetzung unberührt (BGH, Urteil vom 20. September 1995 - XII ZR 220/94, WM 1995, 2120, 2121). Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Dezember 1992 gerichtete Vollstreckungsabwehrklage ist aber zulässig (vgl. BGHZ 5, 251, 252 f.; Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 104 Rdn. 21 Stichwort: Vollstreckungsgegenklage) und begründet , weil er, ebenso wie das Urteil vom 14. Oktober 1992, auf einer Auslegung des § 138 Abs. 1 BGB beruht (vgl. hierzu Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG § 79 Rdn. 65), die mit den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 89, 214 ff.) gesetzten Maßstäben nicht vereinbar ist. Bei Beachtung dieser Maßstäbe wäre die Klage im Urteil vom 14. Oktober 1992 abgewiesen worden und demzufolge keine Kostenentscheidung zum Nachteil der damaligen Beklagten und jetzigen Klägerin ergangen.

IV.


18
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und das landgerichtliche Urteil wieder herstellen.
Nobbe Joeres Mayen
Ellenberger Schmitt

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 10.02.1999 - 28 O 184/98 -
OLG Köln, Entscheidung vom 24.08.1999 - 15 U 52/99 -

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

21
Bei der Prüfung des § 138 Abs. 1 BGB wird zu bedenken sein, dass eine krasse finanzielle Überforderung ausscheidet, wenn die Bürgenschuld durch den Wert eines dem Bürgen gehörenden Grundstücks abgedeckt ist (BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, WM 2001, 1330, 1331 f.). Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist nur der im Einzelfall effektiv verfügbare Sicherungswert des Grundeigentums in Ansatz zu bringen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf dem Grundeigentum ruhende dingliche Belastungen sind wertmindernd zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, BGHZ 151, 34, 38 f.; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648 und vom 24. November 2009 - XI ZR 332/08, WM 2010, 32 Rn. 15; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 91 Rn. 98), wobei ausgehend von diesem Zeitpunkt der Umfang der dinglichen Belastung bei Eintritt des Sicherungsfalls zu prognostizieren ist (Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 2. Aufl., § 765 BGB Rn. 93). Darlegungs- und beweispflichtig dafür, die von ihr übernommene Bürgschaft habe bei Stellung der Personalsicherheit ihre Leistungsfähigkeit bei weitem überschritten, ist die Beklagte (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - IX ZR 93/93, BGHZ 125, 206, 217; Federlin in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht , 4. Aufl., Rn. 12.261; Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweis- last - BGB Schuldrecht BT II, 3. Aufl., § 765 Rn. 4; Senatsurteil vom 24. November 2009 - XI ZR 332/08, WM 2010, 32 Rn. 16 betrifft die Darlegungslast für eine voraussehbare nachträgliche Wertsteigerung). Wertangaben des Bürgen in einer in zeitlichem Zusammenhang mit dem Abschluss des Bürgschaftsvertrages erteilten Selbstauskunft, die seine objektiv krasse finanzielle Überforderung nicht erkennen lassen, widerlegen die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Gläubigers nicht ohne weiteres (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1988 - III ZR 30/87, BGHZ 104, 102, 108; Urteil vom 24. Februar 1994 - IX ZR 93/93, BGHZ 125, 207, 212 f., 217; Urteil vom 18. September 2001 - IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2158; Sack/Fischinger in Staudinger, BGB, Neubearb. 2011, § 138 Rn. 387; großzügiger MünchKommBGB /Habersack, 6. Aufl., § 765 Rn. 25 a.E.; Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 2. Aufl., § 765 BGB Rn. 98 mwN zur obergerichtlichen Rechtsprechung ; zur wahrheitswidrigen Selbstauskunft Hoffmann in Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2013, Kap. 29 Rn. 28 a.E.). Den (subjektiven) Vorwurf der Sittenwidrigkeit räumen sie nur aus, wenn sie einer sorgfältigen Überprüfung des Gläubigers standhalten (BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 aaO S. 217). Das bedarf für die Selbstauskunft vom 6. Oktober 2005 näherer Überprüfung, da sie mittels der Wendungen "gemeinsam" und "ca." auf exakte Angaben verzichtete und damit schon aus sich heraus zu Zweifeln an ihrer Verlässlichkeit Anlass gab.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 283/99
Verkündet am:
27. Mai 2003
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Vermag sich eine Partei an ein Geschehen nicht zu erinnern, kann sie dazu
gleichwohl eine ihr günstige Behauptung unter Zeugenbeweis stellen, wenn
sie hinreichende Anhaltspunkte dafür vorträgt, daß der Zeuge - anders als
sie selbst - das notwendige Wissen hat.
Zur Annahme eines auf einen freien Willensentschluß hindeutenden und ein
Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit widerlegenden Eigeninteresses
des finanziell kraß überforderten Bürgen an dem verbürgten Darlehen
seiner Lebensgefährtin genügt, daß eine rechtliche Beteiligung des Bürgen
an dem finanzierten Objekt konkret vorgesehen ist. Das trifft insbesondere
zu, wenn bei Übernahme der Bürgschaft der Entwurf eines notariellen Vertrags
vorliegt, durch den der Bürge hälftiges Miteigentum an dem Objekt erhalten
soll.
BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 283/99 - OLG Hamm
LG Hagen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Kirchhof, Dr. Fischer, Raebel und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. Mai 1999 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 8. September 1998 im Kostenpunkt aufgehoben und insoweit abgeändert, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 250.000 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 1. September 1997 verurteilt worden ist. Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewiesen.
Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsinstanz - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft in Anspruch. Sie gewährte der Lebensgefährtin des Beklagten, Frau M. L. (im folgenden auch: Hauptschuldnerin) am 30. August 1994 ein ERP-Existenzgründungsdarlehen über 585.000 DM und am 6. Oktober 1994 zwei Hausbankdarlehen über 120.000 DM und 15.000 DM. Weiterhin räumte sie Frau L. am 6. Oktober 1994 einen Kontokorrentkredit über 100.000 DM ein. Die Kredite dienten gemeinsam mit einem Frau L. am 1. Juli/30. August 1994 durch die D. A. bank gewährten EKH-Eigenkapitalhilfedarlehen in Höhe von 380.000 DM dem Kauf und der Modernisierung des Hotels "W. " in St. (S. ), das Frau L. betreiben wollte.
Der Beklagte übernahm unter dem 26. September 1994 zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 1.145.000 DM. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte, der seine ursprüngliche Arbeitsstelle aufgegeben hatte, bereits für den Hotelbetrieb von Frau L. tätig. Der Beklagte und Frau L. beabsichtigten, das Hotel gemeinsam zu führen. Es war geplant, den Beklagten "eigentumsmäßig" zur Hälfte zu beteiligen ; ein entsprechender notarieller Vertrag lag im Entwurf vor. Wegen eines Gebührenstreits mit dem Amtsgericht kam es im folgenden nicht zu einer Übereignung. Als die Aufgabe des Hotelbetriebs abzusehen war, wurde der Vertrag annulliert.
Mit Schreiben vom 7. August 1997 kündigte die Klägerin der Hauptschuldnerin wegen der Aufgabe des Hotelbetriebs die von ihr gewährten Darlehen sowie namens und in Vollmacht der D. A. bank auch das EKH-Darlehen. Die Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin gegenüber der
Klägerin beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf 689.579,78 DM. Ebenfalls mit Schreiben vom 7. August 1997 nahm die Klägerin den Beklagten aus dessen Bürgschaft in Anspruch und forderte ihn auf, den offenen Debet-Saldo mit Einschluß des EKH-Darlehens in Höhe von insgesamt 1.069.579,78 DM bis zum 31. August 1997 auszugleichen.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin einen Teilbetrag von 350.000 DM nebst Zinsen geltend gemacht. Nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils einigte sich die Klägerin am 16. Dezember 1998 mit der Hauptschuldnerin und dem Beklagten , daß diese gesamtschuldnerisch nur noch für einen Betrag von 250.000 DM nebst Zinsen aus dem im Obligo stehenden Kreditengagement der Klägerin haften. Von dieser Vereinbarung blieb das EKH-Darlehen in Höhe von 380.000 DM ausdrücklich ausgenommen.
Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und wegen des 250.000 DM nebst Zinsen übersteigenden Betrages (EKH-Darlehen) zur Klageabweisung, im übrigen zur Zurückverweisung.

I.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von dem Beklagten übernommene Bürgschaft sei wirksam. Insbesondere habe es sich nicht um eine gegen das Schriftformgebot verstoßende sogenannte Blankobürgschaft gehandelt. Der Bürgschaftsvertrag sei trotz der Höhe des Bürgschaftsbetrages auch nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Zwar dürfte ein Mißverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Beklagten bestehen. Beide Lebensgefährten hätten in ihrer Selbstauskunft vom 20. September 1994 ein "sonstiges Vermögen" (Guthaben, Wertpapiere) in Höhe von 30.000 DM und 70.000 DM angegeben. Diese für sich genommen nicht unbedeutende Summe falle gegenüber dem Höchstbetragsrahmen der Bürgschaft von 1.145.000 DM nicht ins Gewicht. Auch das in der Selbstauskunft des Beklagten angegebene monatliche "Fixum + Provision in Höhe von 1.500,00 DM" habe für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beklagten keine Bedeutung. Indessen hätten der Beklagte und die Hauptschuldnerin vorgehabt, das Hotel "W. " gemeinsam zu betreiben. Der Durchführung dieses Vorhabens hätten nicht nur die Kredite der Hauptschuldnerin, sondern auch die Bürgschaft des Beklagten gedient. Diese sei deshalb für ihn ein wirtschaftlich sinnvolles Geschäft gewesen, das maßgeblich von unabhängigen, eigenverantwortlichen Erwägungen des Beklagten gesteuert worden sei, die ihre Ursache außerhalb seiner persönlichen Beziehung zu der Hauptschuldnerin gehabt hätten. Soweit der Beklagte behaupte, die Zeugin Str. - Zweigstellenleiterin der Klägerin - habe vor Unterzeichnung der Bürgschaft ausdrücklich erklärt, daß sie diese nur "pro-forma" benötige, sei dem wegen des Vorhabens, das Hotel "W. " gemeinsam mit der Hauptschuldnerin zu betreiben, keine Bedeutung beizumessen.
Die Klägerin sei auch berechtigt, den Beklagten über den aus dem Gesamtobligo verbleibenden Betrag von 250.000 DM hinaus in Höhe von weiteren 100.000 DM aus dem EKH-Darlehen der D. A. bank in Anspruch zu nehmen. Aus Sinn und Zweck des Darlehensvertrages zwischen der Hauptschuldnerin und der D. A. bank folge, daß die darin mit der Verwaltung des Darlehens betraute Klägerin rechtlich die Stellung einer mittelbaren Stellvertreterin wahrnehmen sollte. Nach den Vertragsbestimmungen sei vorrangig die Klägerin Ansprechpartnerin der Hauptschuldnerin und des Beklagten gewesen, die durch die Weiterleitung der ihr als Hausbank zur Verfügung gestellten Darlehensvaluta jedenfalls im eigenen Namen berechtigt und verpflichtet werden sollte.

II.


Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft die Voraussetzungen einer Blankobürgschaft verneint, greift durch.
Fehlt in der Bürgschaftsurkunde mindestens eines der zur Wahrung der Schriftform unabdingbaren Merkmale und hat der Bürge einen anderen mündlich ermächtigt, die fehlenden Angaben zu ergänzen, handelt es sich um eine unwirksame Bürgschaft (BGHZ 132, 119, 122 f). Danach ist die Schriftform nur gewahrt, wenn die Urkunde außer dem Willen, für fremde Schuld einzustehen, auch die Bezeichnung des Gläubigers, des Hauptschuldners und der verbürg-
ten Forderung enthält (BGHZ 76, 187, 189; BGH, Urt. v. 3. Dezember 1992 - IX ZR 29/92, NJW 1993, 724, 725; v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886 f).
Der Beklagte hat behauptet, er habe die Bürgschaftsurkunde unterzeichnet , als weder die Person des Bürgen noch die Höhe von Darlehens- und Bürgschaftsverpflichtung eingetragen gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der gemäß § 141 ZPO angehörte Beklagte allerdings erklärt, er wisse nicht mehr, ob das Bürgschaftsformular blanko von ihm unterzeichnet worden sei. Er könne sich weder auf die eine noch auf die andere Richtung festlegen.
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht von einer Beweisaufnahme abgesehen. Der Beklagte hat in der Berufungsbegründung substantiiert ausgeführt, das Bürgschaftsformular sei bei der Unterzeichnung durch ihn nicht ausgefüllt gewesen. Einer Partei darf nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Sie kann deshalb genötigt sein, eine von ihr nur vermutete Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen (BGH, Urt. v. 25. März 1987 - IVa ZR 224/85, NJW 1988, 60, 63 m.w.N.; v. 20. Juni 2002 - IX ZR 177/99, ZIP 2002, 1408, 1410). Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen erst dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (BGH, Urt. v. 4. März 1991 - II ZR 90/90, NJW-RR 1991, 888, 891 m.w.N.; v. 23. April 1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; v. 25. Februar 1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967, 1968; v. 25. April 1995 - VI ZR 178/94, NJW 1995, 2111,
2112; v. 17. September 1998 - III ZR 174/97, NJW-RR 1999, 361). Bei der An- nahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (vgl. BGH, Urt. v. 23. April 1991, aaO; v. 25. Februar 1992, aaO; v. 25. April 1995, aaO; v. 17. September 1998, aaO).
Hier hat der Beklagte für die Richtigkeit seiner Behauptungen die Zeuginnen L. und Str. benannt und zugleich hinreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß diese Zeuginnen - anders als er selbst - wissen und bekunden können, die Bürgschaftsurkunde habe nicht den zu einer formwirksamen Bürgschaft nötigen Inhalt gehabt, als er sie unterschrieb.
2. Ein weiterer Verfahrensverstoß ist dem Berufungsgericht bei der Verneinung der tatsächlichen Voraussetzungen für eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft unterlaufen.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft allein wegen krasser Überforderung des Beklagten und seiner emotionalen Verbindung zur Hauptschuldnerin abgelehnt.
aa) Zwar wird der Beklagte - wie das Berufungsgericht richtig ausführt - durch die Bürgschaft wirtschaftlich kraß überfordert. Es bestand auch eine emotionale Verbundenheit zur Hauptschuldnerin, weil der Beklagte mit ihr in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenlebte; insofern sind Lebensgefährten und Ehepartner gleich zu behandeln (BGH, Urt. v. 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, NJW 2002, 744, 745 m.w.N.). Unter diesen Umständen wird widerleglich vermutet, daß die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus
emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen wurde und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (BGH, Urt. v. 4. Dezember 2001, aaO; v. 26. April 2001 - IX ZR 337/98, NJW 2001, 2466, 2467 m.w.N.; v. 13. November 2001 - XI ZR 82/01, NJW 2002, 746).
bb) Diese tatsächliche Vermutung ist jedoch widerlegt. Der Beklagte hat sich bei der Übernahme der Bürgschaft von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos leiten lassen.
Ein auf einen freien Willensentschluß hindeutendes und ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit widerlegendes Eigeninteresse des finanziell kraß überforderten Partners an der Darlehensgewährung ist grundsätzlich zu bejahen, wenn er zusammen mit dem Lebensgefährten ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hat oder ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile erwachsen sind (BGHZ 146, 37, 42, 45; BGH, Urt. v. 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, NJW 2000, 1182, 1184; Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 12). Bei wirtschaftlicher Betrachtung besteht dann kein wesentlicher Unterschied zu den Fällen, in denen die Lebensgefährten den Kredit als gleichberechtigte Vertragspartner aufgenommen und verwandt haben. Als eigener geldwerter Vorteil kommt auch der Erwerb von Miteigentum an den mit den Krediten finanzierten Gegenständen in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 27. Januar 2000, aaO S. 1184).
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Beklagte zusammen mit der Hauptschuldnerin ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hatte. Der von der Klägerin finanzierte Hotel- und Restaurantbetrieb sei als Investitionsmodell für die Zukunft beider Lebenspartner gedacht
gewesen. Der Beklagte habe mit seiner Lebensgefährtin eine neue Existenz in den neuen Bundesländern aufbauen wollen. Deshalb hat das Berufungsgericht die Bürgschaft als Investition zum Aufbau einer Existenz und den beabsichtigten Betrieb des Hotels als "joint venture" beider Lebenspartner gewertet. Der Beklagte habe selbst erklärt, von ihm und der Hauptschuldnerin sei beabsichtigt gewesen, das Hotel gemeinsam zu führen. Es sei geplant gewesen, ihn später eigentumsmäßig zur Hälfte zu beteiligen. Ein entsprechender notarieller Vertrag sei bereits entworfen worden. Zu einer Übereignung sei es aber wegen eines langwierigen Gebührenstreits mit dem Amtsgericht nicht gekommen. Es sei dann auch die Aufgabe des Hotelbetriebs abzusehen gewesen, so daß der Vertrag annulliert worden sei. Unbestritten hat der Beklagte zudem etwa 120.000 DM in das Objekt investiert.
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Interesse des Beklagten an dem Vorhaben der Hauptschuldnerin habe sich auf Hoffnungen und Erwartungen beschränkt. Der Beklagte sei zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung weder rechtlich noch wirtschaftlich an dem Projekt der Hauptschuldnerin beteiligt gewesen. Anders als die Revision meint, kommt es nicht darauf an, ob die Erwartungen des Bürgen, am Erfolg des Unternehmens beteiligt zu werden, rechtlich abgesichert sind. Ob ein wirtschaftliches Eigeninteresse vorliegt, ist in erster Linie eine tatsächliche Frage. Daher genügt es für ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Bürgen, wenn für ihn bei Abgabe seiner Bürgschaftserklärung eine realistische Aussicht besteht, unmittelbar von der Kreditgewährung zu profitieren. Hier lag bereits der Entwurf eines notariellen Vertrages vor, mit dem der Beklagte hälftiges Eigentum am Hotel erhalten sollte. Daß sich diese Aussichten nach der Bürgschaftserklärung aus Gründen zerschlugen, die die Klägerin nicht zu vertreten hat, beseitigt das bei der Bürgschaftserklärung be-
stehende wirtschaftliche Eigeninteresse des Beklagten nicht. Daher genügt es, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen der - nach der Planung der Lebensgefährten - auch dem Beklagten unmittelbar zugute kommenden Verwendung des Darlehens und der Bürgschaft nicht zu leugnen ist (vgl. BGH, Urt. v. 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, NJW 1999, 135 zur Umschuldung bei Krediten , die ein Ehegatte aufgenommen hat). So liegt der Fall hier.
cc) Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Klägerin die Bürgschaft auch oder allein deshalb verlangt hat, weil sie die Nachteile möglicher Vermögensverschiebungen ausgleichen wollte. Da die Bürgschaft angesichts des von wirtschaftlich vernünftigen Erwägungen geleiteten Eigeninteresses des Beklagten von der Klägerin nicht in sittenwidriger Weise erlangt ist, führt es nicht zur Sittenwidrigkeit, wenn die von der Gläubigerin verfolgten (anderen) Motive für die Bürgschaftsbestellung nicht vorliegen oder ein Schutz vor Vermögensverschiebungen rechtlich nicht erheblich sein sollte (so nunmehr BGH, Urt. v. 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, NJW 2002, 2228 ff; v. 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01, NJW 2002, 2230 ff). Daher kann dahinstehen, ob die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Schlüssigkeit der entsprechenden Einwendungen des Beklagten zutreffen.

b) Eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft ist jedoch zu bejahen, wenn die Behauptung des Beklagten zutreffen sollte, die Zweigstellenleiterin der Klägerin habe vor Unterzeichnung der Bürgschaft erklärt, die Bürgschaft sei eine Formsache, sie benötige diese nur pro forma.
Wirkt das Kreditinstitut selbst in unzulässiger Weise auf die Entschließung des finanziell überforderten Bürgen ein, indem es durch Angestellte die
Tragweite der Bürgschaft verharmlost oder verschleiert, insbesondere die Unterschrift als reine Formalität darstellt, kann dies die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft begründen (vgl. BGHZ 120, 272, 277; BGH, Urt. v. 24. Februar 1994 - IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341, 1343; v. 8. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, NJW 1999, 135, 136). Dabei kommt es jedoch auf die Gesamtumstände an. So fehlt es an einer sittenwidrigen Beeinträchtigung der Willensfreiheit, wenn es sich für die Beteiligten erkennbar nur um eine allgemeine Redensart ohne inhaltliche Aussage über Umfang und Bedeutung des Risikos handelt (BGH, Urt. v. 5. Januar 1955 - IV ZR 112/54, WM 1955, 375, 376; v. 24. Februar 1994, aaO S. 1344; vgl. auch BGH, Urt. v. 15. April 1997 - IX ZR 112/96, NJW 1997, 3230, 3231).
Im Streitfall liegt eine unzulässige Einflußnahme der Klägerin auf den Beklagten vor, wenn sich die Richtigkeit seiner Behauptungen beweisen sollte. In der Klageerwiderung des Beklagten heißt es insoweit:
"Der Beklagte wies darauf hin, daß er nach Kündigung seines Anstellungsvertrages bei seiner Arbeitgeberin zunächst über kein Einkommen verfügte und hoffte, zukünftig ein angemessenes Einkommen in dem geplanten Hotelbetrieb seiner Lebensgefährtin erarbeiten zu können. Gerade für den Fall, daß das Hotel nicht rentabel betrieben werden konnte und infolgedessen Kredite notleidend werden könnten, hätte ja auch der Beklagte kein Einkommen mehr, so daß die Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung genau für den Fall, daß die Bürgschaft in Anspruch genommen werden müßte, mangels eines Einkommens des Beklagten gar nicht erfüllt werden könnte (und zwar unabhängig von der Höhe der Bürgschaft). Die Zweigstellenleiterin der Klägerin erklärte daraufhin, daß sie die Bürgschaft nur pro forma benötige, woraufhin der Beklagte das Bürgschaftsformular schließlich unterschrieb."

Zum Beweis für dieses Vorbringen hat der Beklagte sich auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin berufen. In der Berufungsbegründung hat der Beklagte ausgeführt:
"Ein weiterer besonderer Umstand, welcher die Bürgschaft als Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden erscheinen läßt, liegt darin begründet, daß die Zeugin Str. vor Unterzeichnung des Vertrages ausdrücklich erklärt hat, daß sie die Bürgschaft nur 'pro forma' benötige."
Zum Beweis für diese Behauptung hat sich der Beklagte wiederum auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin und zusätzlich auf das von H. Str. , der Zweigstellenleiterin der Klägerin, berufen. Schließlich hat der Beklagte in der Berufungsinstanz im Schriftsatz vom 12. April 1999 vorgetragen:
"Bei der Bürgschaftsübernahme erbat deren [d.h. der Klägerin] Mitarbeiterin Str. vom Beklagten eine Einkommensbescheinigung seines Arbeitgebers. Der Beklagte erklärte dazu, daß er ohnehin früher als freier Handelsvertreter tätig gewesen sei und zudem diese Tätigkeit schon lange nicht mehr ausübe. ... Als Reaktion darauf erklärte die klägerische Mitarbeiterin Str. , daß es dann auch so gehe, weil die Bürgschaft ja ohnehin nur eine Formsache sei."
Zum Beweis für dieses Vorbringen hat der Beklagte sich erneut auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin und von H. Str. berufen.
Erweisen sich diese Behauptungen als richtig, wurde insbesondere die Erklärung des Beklagten, er könne im Bürgschaftsfall gar nicht zahlen, mit dem
Hinweis beantwortet, die Klägerin benötige die Bürgschaft nur pro forma, konnte der Beklagte dem entnehmen, er werde unter den von ihm geschilderten Umständen im Bürgschaftsfall nicht in Anspruch genommen werden. Wenn er im Vertrauen darauf die Bürgschaftsurkunde unterschrieb, handelt die Klägerin anstößig, wenn sie den durch die Bürgschaft finanziell kraß überforderten Beklagten gleichwohl an seiner Erklärung festhält; der Bürgschaftsvertrag ist dann wegen Sittenwidrigkeit nichtig.

III.


Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben.
1. Soweit die Klägerin 250.000 DM nebst Zinsen wegen der Verbürgung für die von ihr ausgelegten Kredite begehrt, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die für die Behauptungen des Beklagten zur "Blanko-" und zur "pro-forma-Bürgschaft" angetretenen Beweise erheben kann.
2. Soweit die Klage auf eine Verbürgung des EKH-Darlehens gestützt wird, ist die Sache zur Endentscheidung reif. In diesem Umfang ist die Klage abzuweisen, weil dieses Darlehen von der Bürgschaft nicht umfaßt wird.

a) Der Grund dafür ist freilich nicht in der Unwirksamkeit der formularmäßig weiten Zweckerklärung zu suchen (vgl. insoweit § 9 Abs. 1 AGBG [jetzt § 307 Abs. 1 BGB n.F.]; BGHZ 130, 19, 32 f). Die von der Klägerin geltend gemachten Kredite sind sämtlich Anlaßkredite für die Bürgschaft gewesen. Maß-
geblich ist der objektive Anlaß, der sich nach dem aktuellen Sicherungsbedürfnis des Gläubigers und der Wahrung des Verbots der Fremddisposition richtet (BGHZ 130, 19, 33 f). Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung waren den Beteiligten unstreitig alle beantragten Kreditmittel bekannt, zu deren Sicherung die Bürgschaft dienen sollte, insbesondere standen Kreditbeträge und Kreditgeber bereits fest. Daß die Hauptschuldnerin einzelne Kreditverträge erst kurze Zeit nach der Bürgschaftserklärung rechtsverbindlich unterzeichnete, steht daher der Einordnung als Anlaßkredit nicht im Wege.

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sichert die Bürgschaft jedoch nicht das EKH-Darlehen. Die D. A. bank ist nicht Gläubigerin der Bürgschaft; die Bürgschaftsurkunde bezeichnet allein die Klägerin als Gläubigerin.
Bei dem EKH-Darlehen handelt es sich auch nicht um Ansprüche der Klägerin, die von der Bürgschaft umfaßt sein könnten. Der Darlehensvertrag wurde zwischen der Hauptschuldnerin und der D. A. bank abgeschlossen. Die Hauptschuldnerin beantragte die Gewährung dieses Darlehens unmittelbar bei der D. A. bank. Die Klägerin sollte das Darlehen zwar verwalten, jedoch im Namen der D. A. bank. Hierzu erklärte sich die Klägerin im Begleitschreiben zum Darlehensantrag der Hauptschuldnerin ausdrücklich bereit. Dementsprechend ist die Klägerin verfahren ; soweit ersichtlich, hat sie Erklärungen bezüglich des Darlehens der D. A. bank immer in deren Namen abgegeben. Dies gilt insbesondere auch für die Kündigung der Kredite. Das EKH-Darlehen hat die Klägerin gesondert und ausdrücklich "namens und in Vollmacht der D. A. bank handelnd" gekündigt. Bei der Angabe der Gesamtverbindlichkeiten
in dem an die Hauptschuldnerin gerichteten Kündigungsschreiben bezog die Klägerin das EKH-Darlehen nicht ein. Danach besteht - wie die Revision zutreffend rügt - kein Anhaltspunkt für die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe im Hinblick auf das EKH-Darlehen die Stellung einer mittelbaren Stellvertreterin wahrnehmen sollen. Dazu hätte die Klägerin zumindest im eigenen Namen handeln müssen. Dies hat sie an keiner Stelle getan; auch das Berufungsgericht zeigt ein solches Handeln der Klägerin in bezug auf das EKH-Darlehen nicht auf. Bei der Vereinbarung vom 16. Dezember 1998 hat die Klägerin das EKH-Darlehen ausdrücklich ausgenommen und ausgeführt, daß dieses "neben der Forderung der Klägerin besteht und im Obligo der D. A. bank in B. steht". Damit hat die Klägerin selbst klar zu erkennen gegeben, daß auch sie bezüglich des EKH-Darlehens nicht von einer eigenen Forderung gegen die Hauptschuldnerin ausging. Daß die D. A. bank nach der Auffassung des Berufungsgerichts "möglichst weit außen vorgehalten werden sollte", mag zwar als Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse zutreffen, enthält jedoch keinen Anknüpfungspunkt für die allein nach rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilende Frage, ob die Klägerin Ansprüche aus dem EKH-Darlehen im eigenen Namen geltend machen durfte. Auch die Klägerin hat hierzu im Prozeß nichts vorgetragen. Vielmehr hat sie erklärt, daß das EKH-Darlehen "von der D. A. bank über die Klägerin als eingeschaltete Primärbank gewährt worden" sei. Dies genügt nicht, um die Forderung aus dem EKH-Darlehen zu einer eigenen Forderung der Klägerin zu machen, die durch die Bürgschaft gesichert wird.
Kreft Kirchhof Fischer Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bergmann ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen
Raebel Kreft

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 205/01 Verkündet am:
28. Mai 2002
Weber
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Zur Abgrenzung zwischen Mitdarlehensnehmerschaft und einseitig verpflichtender
Mithaftung eines einkommens- und vermögenslosen Ehepartners.
BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Siol, Dr. Müller, Dr. Joeres und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1) wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. Mai 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als das Versäumnisurteil vom 8. Dezember 2000 gegen die Beklagte zu 1) aufrechterhalten und ihre Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 28. März 2000 zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 28. März 2000 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als die Beklagte zu 1) zur Zahlung von 597.255,45 DM nebst 6% Zinsen aus 596.370,72 DM seit dem 16. Juni 1999 verurteilt worden ist.
Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten erster Instanz sind wie folgt zu verteilen: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen sie selbst 60%, die Beklagte zu 1) 1% und der Beklagte zu 2) 39%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu 99% und diejenigen des Beklagten zu 2) zu 22% zu erstatten. Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten selbst.
Von den Kosten zweiter Instanz haben die Beklagten die durch ihre Säumnis veranlaßten Kosten als Gesamtschuldner vorab zu tragen. Für die übrigen entstandenen Kosten gilt: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen sie selbst 49%, die Beklagte zu 1) 2% und der Beklagte zu 2) 49%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu 98% zu erstatten. Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten selbst.
Die im Revisionsverfahren entstandenen Kosten sind wie folgt zu verteilen: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen sie selbst 72% und der Beklagte zu 2) 28%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu erstatten. Der Be- klagte zu 2) trägt seine auûergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten vor allem noch über die Wirksamkeit einer Mitverpflichtung der Beklagten aus einem Darlehensvertrag. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 15. Juli 1994 gewährte die klagende Sparkasse dem Beklagten zu 2), einem Immobilienmakler, ein variabel verzinsliches Darlehen über 800.000 DM zu einem Zinssatz von zunächst 6,75% p.a., rückzahlbar in monatlichen Zins- und Tilgungsraten von anfänglich 5.170 DM. Der Vertrag wurde von der Beklagten zu 1) (nachfolgend: Beklagte), seiner Ehefrau , mitunterzeichnet. Nach dem Willen der Vertragsparteien sollte mit dem Kredit das von ihrem Ehemann am 19. April 1994 allein erworbene Hausgrundstück finanziert werden. Gesichert wurden das Darlehen sowie alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Klägerin gegen die Darlehensnehmer durch eine Grundschuld über 1,07 Millionen DM an dem vom Ehemann der Beklagten erworbenen Grundstück.
Nachdem mehrere Zins- und Tilgungsraten nicht geleistet worden waren, kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag mit Schreiben vom
24. Mai 1996 fristlos. In der Folgezeit betrieb sie die Zwangsversteigerung der belasteten Immobilie und verrechnete den ihr zugeflossenen Erlös von 730.101,86 DM vorrangig mit anderen Forderungen gegen den Ehemann der Beklagten, so daû nur noch ein Betrag von 161.392,68 DM auf das ausgereichte Darlehen entfiel.
Die vermögenslose Beklagte, die nach ihren Angaben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im sechsten Monat schwanger und deshalb nicht mehr in der Lage war, ihrer mit maximal 1.200 DM brutto monatlich vergüteten Halbtagstätigkeit im Büro ihres Ehemannes nachzugehen, ist der Auffassung: Die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages stelle eine sie finanziell kraû überfordernde und überdies wegen besonders belastender Umstände sittenwidrige Schuldmitübernahme dar.
Das Landgericht hat der Klage zum groûen Teil stattgegeben und die beklagten Eheleute wegen des geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruchs als Gesamtschuldner zur Zahlung von 597.255,45 DM zuzüglich Zinsen verurteilt. Ihre Berufungen sind erfolglos geblieben. Von den beiden Revisionen ist nur die der Beklagten angenommen worden.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt bezüglich des ihr gegenüber geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruchs zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages durch die Beklagte für eine wirksame Mithaftungserklärung gehalten und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die von der Beklagten übernommene Mithaftung überfordere sie trotz fehlenden eigenen Einkommens und Vermögens nicht in krasser Weise. Eine andere Betrachtungsweise lasse die Besonderheit auûer acht, daû das Darlehen nicht für lange Zeit habe aufgenommen werden müssen, sondern nur deshalb, weil der Kaufpreis von 3,3 Millionen DM für die von ihrem Ehemann veräuûerte Gesellschaftsbeteiligung noch nicht bezahlt worden sei. Daû die Kaufpreisforderung schon bei der Kreditaufnahme endgültig uneinbringlich gewesen sei, sei von der Beklagten nicht schlüssig vorgetragen. Vor allem stehe der Annahme einer krassen finanziellen Überforderung entgegen, daû sie aufgrund der mit ihrem Ehemann getroffenen Vereinbarungen über die Mithaftungsübernahme im Innenverhältnis einen gleich hohen Aufwendungserstattungs- oder Ausgleichsanspruch erworben habe. Diese Ansprüche seien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses durchaus realisierbar gewesen, weil die Eheleute damals noch die Kaufpreiszahlung für die veräuûerten Geschäftsanteile erwartet hätten. Auûerdem sei nicht schlüssig vorgetragen , daû die Beklagte nicht bereits bei Abgabe der Mithaftungserklärung mit der finanziellen Unterstützung ihrer Schwiegereltern habe rechnen können. Dagegen sprächen zumindest die erheblichen Geldbeträge über rund 800.000 DM, die diese ihr ab Dezember 1995, also schon vor der Inanspruchnahme durch die Klägerin hätten zukommen lassen. Den Be-
weis, daû die Mithaftungsübernahme nach einer verharmlosenden Erklärung der Klägerin nur "pro forma" habe erfolgen sollen oder von ihr erzwungen worden sei, sei die Beklagte schuldig geblieben.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
Die durch die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages über 800.000 DM übernommene Mithaftung der Beklagten verstöût, wie die Revision zutreffend rügt, gemäû § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sitten und ist damit nichtig. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die einkommens - und vermögenslose Beklagte sei nicht finanziell kraû überfordert , ist unhaltbar.
1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts , daû die Beklagte durch die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages nach dem Willen aller Beteiligten keine gleichberechtigte Kreditnehmerin, sondern bloûe Mithaftende werden sollte.

a) Echter Mitdarlehensnehmer ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur, wer ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse an der Kreditaufnahme hat und als im wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung sowie die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (BGHZ 146, 37, 41; Senatsurteile vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, WM 1998, 2366 f.
und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224). Ob diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, beurteilt sich ausschlieûlich nach den für die finanzierende Bank erkennbaren Verhältnissen auf seiten der Mitdarlehensnehmer. Die kreditgebende Bank hat es daher nicht in der Hand, etwa durch eine im Darlehensvertrag gewählte Formulierung wie z.B. "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder dergleichen einen bloû Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, aaO S. 224 m.w.Nachw.). Danach durfte das Berufungsgericht die Willenserklärung der Beklagten bei wertender Betrachtung gemäû §§ 133, 157 BGB durchaus als Schuldmitübernahme deuten. Zwar hat es seine Auffassung nicht einmal ansatzweise begründet, sondern eine Mitgläubiger- und gleichgründige Gesamtschuldnerschaft der Eheleute offenbar erst gar nicht in Betracht gezogen. Da in dieser Frage weiterer Sachvortrag der Prozeûparteien nicht zu erwarten ist, kann der erkennende Senat aber die gebotene Vertragsauslegung selbst vornehmen (vgl. etwa BGHZ 124, 39, 45).

b) Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragschlieûenden diente die Kreditaufnahme über 800.000 DM ausschlieûlich zur Finanzierung des Kaufpreises für das nur vom Ehemann der Beklagten bereits vor Abschluû des Darlehensvertrags erworbene Hausgrundstück. Dafür, daû die Beklagte gleichwohl über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta als im wesentlichen gleichberechtigte Vertragspartei mitbestimmen durfte und von einem solchen Recht ganz oder teilweise Gebrauch gemacht hat, ist nichts ersichtlich. Nach ihrer unwiderlegten
Darstellung ist vielmehr davon auszugehen, daû sie, die mit dem Kauf der "Jugendstilvilla" nicht einverstanden war, aufgrund der mit ihrem Ehemann getroffenen Vereinbarung lediglich die Mithaftung für das Darlehen übernehmen sollte. Der Umstand, daû die zu finanzierende Immobilie bis zur Zwangsversteigerung durch die Klägerin von der ganzen Familie der Beklagten bewohnt wurde, deutet entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keineswegs darauf hin, daû die Beklagte gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin sein sollte, sondern lenkt nur den Blick auf einen regelmäûig nicht einmal zuverlässig feststellbaren und häufig nur flüchtigen mittelbaren Vorteil der Beklagten aus der Kreditaufnahme.
2. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, überforderte die Mithaftungsübernahme die Beklagte von Anfang an finanziell in krasser Weise, ohne daû sich für die Klägerin entlastende Momente finden lassen.

a) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs liegt eine solche Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalls dauerhaft tragen kann. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daû der dem Hauptschuldner persönlich nahestehende Bürge oder Mithaftende die für ihn ruinöse Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit
dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGHZ 136, 346, 351; 146, 37, 47; BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126, vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224 und vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, Umdruck S. 6 und - XI ZR 81/01, Umdruck S. 6, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).

b) So ist es hier. Nach dem unwidersprochenen Sachvortrag der Beklagten war sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im sechsten Monat schwanger, nicht mehr halbtags in dem Betrieb ihres Ehemannes als Bürokraft tätig und infolgedessen ohne eigenes Einkommen. Da eine ganztätige Berufsausübung mit einem erheblich höheren Monatsgehalt als die vorher bezogenen 1.200 DM brutto in absehbarer Zeit nicht realistisch erschien und ein eigenes nennenswertes Vermögen nicht vorhanden war, konnte sie aus der maûgebenden Sicht eines rational handelnden Kreditgebers voraussichtlich auch zukünftig nicht einmal die im Darlehensvertrag vereinbarten Zinsen von mehr als 4.000 DM monatlich allein aufbringen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen auch keine besonderen Umstände vor, die es rechtfertigen, eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten zu verneinen.
aa) Darauf, ob der gesamte Kredit nach dem Willen der Vertragsschlieûenden schon nach kurzer Zeit mit dem Erlös aus dem Verkauf der Gesellschaftsbeteiligung des Ehemannes der Beklagten wieder zurückgezahlt werden sollte, kommt es - wie die Revision zu Recht geltend macht - nicht entscheidend an. Wenn das Berufungsgericht von der Beklagten den Nachweis verlangt, daû die Kaufpreisforderung über
3,3 Millionen DM bereits bei Abgabe der sonst ruinösen Mithaftung endgültig uneinbringlich gewesen sei, verkennt es, daû bei der Beurteilung der finanziellen Überforderung allein auf die Leistungsfähigkeit des Mithaftenden abzustellen ist (BGHZ 146, 37, 43; BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 412) und die Mithaftungserklärung gerade dann zum Tragen kommen soll, wenn der Hauptschuldner (unvorhergesehen) seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Im übrigen enthält der Darlehensvertrag, der die Zinsanpassung für einen Zeitraum von 10 Jahren regelt, keinerlei Hinweis darauf, daû es sich nach dem ursprünglichen Willen der Vertragsparteien nur um eine kurzfristige Zwischenfinanzierung handeln sollte.
bb) Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten habe als bloûe Mithaftende jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Innenverhältnis ein die krasse finanzielle Überforderung voll ausgleichender Aufwendungsersatz- oder Ausgleichsanspruch gegen ihren primär haftenden Ehemann zugestanden, trägt die getroffene Entscheidung nicht. Eine Bürgschaft oder Mithaftung wird, wie dargelegt , von dem Betroffenen regelmäûig für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners oder anderer vergleichbarer Leistungshindernisse übernommen. Nach gefestigter Rechtsprechung sowohl des IX. als auch des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (siehe z.B. Senat BGHZ 146, 37, 43 m.w. Nachw.) ist bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Personalsicherheit daher die bei Vertragsabschluû vielleicht noch vorhandene Finanzkraft des Darlehensnehmers grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, sondern nur das pfändbare Einkommen und Vermögen des Sicherungsgebers. Davon ausgehend ist von vornherein ausgeschlossen , daû schuldrechtliche Befreiungs- oder Regreûansprüche des
Bürgen oder Mithaftenden gegen den Hauptschuldner, zumal wenn sie - wie hier - völlig ungesichert sind, bei der Prüfung der Wirksamkeit der Bürgschaft oder Mithaftung eine Rolle spielen.
cc) Rechtsfehlerhaft ist auch die Berücksichtigung von Zuwendungen der Schwiegereltern bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beklagten. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand keine hinreichend gesicherte Aussicht der Beklagten auf eine gegenüber der Darlehenssumme ins Gewicht fallende finanzielle Unterstützung durch ihre Schwiegereltern. Denn abgesehen davon, daû die Gelder nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag erst ab Dezember 1995, also nach der bereits im Sommer 1994 abgegebenen Mithaftungserklärung geflossen sind, handelt es sich durchweg um Leistungen, auf die sie keinen Anspruch hatte und die auch nicht, wie es grundsätzlich erforderlich gewesen wäre (vgl. BGHZ 132, 328, 336), zum Gegenstand von Verhandlungen über ihre künftig zu erwartende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemacht worden sind.
dd) An der krassen finanziellen Überforderung der Beklagten ändert schlieûlich auch die von ihrem Ehemann bestellte Grundschuld über 1,07 Millionen DM nichts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind anderweitige Sicherheitsleistungen des Kreditnehmers - vor allem dingliche Sicherheiten - grundsätzlich nur dann zu berücksichtigen , wenn sie das Mithaftungsrisiko des Betroffenen in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maû beschränken (vgl. etwa BGHZ 136, 347, 352 f.; Senat BGHZ 146, 37, 44 m.w.Nachw.). Diese engen Voraussetzungen erfüllt die Grundschuld, die - insoweit rechtlich unbedenklich - nicht nur das Darlehen über 800.000 DM, sondern auch
alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen der Klägerin gegen den Ehemann der Beklagten sichern sollte, nicht (vgl. Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 10).

c) Nach der zitierten ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe z.B. Senat BGHZ 146, 37, 45; Urteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, aaO S. 225) lag es demnach bei der Klägerin, im einzelnen darzulegen und notfalls zu beweisen, daû die Beklagte die ruinöse Mithaftung entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung nicht aus emotionaler Bindung an ihren Ehemann, sondern aufgrund eines im wesentlichen autonomen und eigenverantwortlichen Entschlusses übernommen hat. Dafür ist jedoch nichts vorgetragen oder den Umständen zu entnehmen.

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) und die Klage gegen die Beklagte abweisen, soweit sie sich auf Rückzahlung des restlichen Darlehens richtet.
Nobbe Siol Müller
Joeres Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 28/04 Verkündet am:
25. Januar 2005
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Verbürgt sich der finanziell kraß überforderte Ehepartner für ein staatlich gefördertes
Existenzgründungsdarlehen des anderen, so genügt es zur Widerlegung der
Vermutung eines Handelns aus emotionaler Verbundenheiten nicht, daß der Bürge
in dem künftigen Gewerbebetrieb an verantwortlicher Stelle mitarbeiten soll.
BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 - XI ZR 28/04 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Müller, Dr. Wassermann, Dr. Appl und
Dr. Ellenberger

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Mai 2003 aufgehoben und das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 22. November 2001 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Bür gschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beklagte und ihr Ehemann waren über viele Jahr e im Transportgewerbe tätig. Im Jahre 1997 verdienten die Eheleute zusammen mehr als 200.000 DM brutto, wovon rund 70.000 DM auf die als Prokuristin tätige Beklagte entfielen. Als beide ihren Arbeitsplatz verloren hatten , wandte sich der Ehemann der Beklagten im September 1998 an die klagende Sparkasse, um staatlich geförderte Existenzgründungsdarlehen und weitere Kredite über insgesamt ca. 1,2 Millionen DM für die von ihm beabsichtigte Gründung einer Einzelfirma zu erhalten. Nach dem vorgelegten Gründungskonzept sollte der Betrieb auf dem Gebiet des Transportwesens tätig werden. Ferner war vorgesehen, daß die Beklagte die Büroleitung zusammen mit der Auftragsbearbeitung übernimmt und ab März 1999 ein steigerungsfähiges Jahresgehalt von 75.000 DM brutto bezieht. Mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 1998 gründeten die Eheleute eine GmbH, die später das Unternehmen des Ehemannes der Beklagten übernehmen und fortführen sollte, aber den Geschäftsbetrieb nie aufgenommen hat.
Am 26. Februar 1999 bewilligte die Klägerin die be antragten Kredite zu unterschiedlichen Zinssätzen. Die damals 51 Jahre alte arbeitslose Beklagte übernahm dafür am selben Tag eine Höchstbetragsbürgschaft über 300.000 DM. Außerdem bestellte sie mit notarieller Urkunde vom 6. April 2000 an ihrem Wohnungseigentum eine wertausschöpfende Grundschuld von 400.000 DM. Ab Juli 1999 bezog sie als Angestellte im Unternehmen ihres Ehemannes ein Monatsgehalt von 2.365 DM netto.
Die Existenzgründung ihres Ehemannes scheiterte. N ach Einstellung des Gewerbebetriebes wurde im November 2000 über sein Vermö-
gen das Insolvenzverfahren eröffnet. Die ausgereichten Geschäftskredite wurden deshalb von der Klägerin fristlos gekündigt.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus der Höchstbetr agsbürgschaft auf Zahlung von 300.000 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch. Die Beklagte hält die Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig.
Beide Vorinstanzen haben dem Zahlungsbegehren der Klägerin antragsgemäß stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat die Höchstbetragsbürgscha ft der Beklagten über 300.000 DM für wirksam erachtet und zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft verstoße nicht gegen die guten Sitt en. Eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten lasse sich trotz ihrer Arbeitslosigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht feststellen. Vor dem beruflichen Hintergrund der Beklagten habe die Klägerin nämlich darauf
vertrauen dürfen, daß die Planung ihres Ehemannes aufgehen und sie schon alsbald als Büroleiterin seines Betriebes jährlich 75.000 DM brutto verdienen werde. Das sogar noch für steigerungsfähig gehaltene Gehalt der Beklagten habe ausgereicht, um die nach ihren Angaben auf die verbürgten Existenzgründungsdarlehen entfallende Zinslast von höchstens 4,58% p.a. aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens dauerhaft allein zu tragen. Daß die Sicherheit der Einkünfte von dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig gewesen sei, rechtfertige keine andere rechtliche Beurteilung, da die Klägerin ein Scheitern der überzeugenden Geschäftsidee nicht habe ernsthaft in Betracht ziehen müssen.
Darüber hinaus habe die Beklagte an der Kreditaufn ahme ersichtlich ein eigenes wirtschaftliches Interesse gehabt. Dieses ergebe sich daraus, daß sie in dem Betrieb als leitende Angestellte mitarbeiten und Jahreseinkünfte von 75.000 DM erhalten sollte. Da die Beklagte bei Abgabe der Bürgschaftserklärung arbeitslos gewesen sei und sich nach ihrem Vortrag bei der Arbeitssuche vermutlich Schwierigkeiten ergeben hätten, sei die Existenzgründung ihres seinerzeit ebenfalls erwerbslosen Ehemannes für sie beide eine gute Lösung gewesen.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Entgegen der Ansicht der Revision ist das Beruf ungsurteil allerdings nicht bereits deshalb aufzuheben, weil die Darstellung des Tatbestands nicht den Anforderungen des § 543 Abs. 2 ZPO a.F. entspreche.
Der Senat hat die entsprechende Rüge der Revision geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts v erstößt die Höchstbetragsbürgschaft der Beklagten gemäß § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sitten und ist daher nichtig.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesger ichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 136, 347, 351; 146, 37, 42; 151, 34, 36 f.; zuletzt Senatsurteil vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, ZIP 2003, 796, 797 und Senat BGHZ 156, 302, 307 m.w.Nachw.). Zwar reicht selbst der Umstand, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines laufenden Einkommens und/oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Fall krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daß er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteil vom 11. Februar 2003 aaO, m.w.Nachw. und BGHZ 156, aaO).


b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft über 300.000 DM im Februar 1999 kraß finanziell überfordert, weil sie die Zinsen von 4,58% für das verbürgte Existenzgründungsdarlehen über 230.000 DM und von 10% variabel für den Kontokorrentkredit über 100.000 DM aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen auf Dauer allein nicht aufbringen konnte.
aa) Da die Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft a rbeitslos war, konnte sie zunächst nicht das Geringste zur vertragsgemäßen Erfüllung der Zinsansprüche der Klägerin aus dem verbürgten Existenzgründungsdarlehen und dem Kontokorrentkredit ihres Ehemannes beitragen. Daß die den Wert ihrer Eigentumswohnung unstreitig ausschöpfende Grundschuld über 400.000 DM erst im April 2000, also weit nach Vertragsschluß bestellt wurde, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Die Bestellung der Grundschuld ist bereits in den Darlehensverträgen vom 26. Februar 1999 vorgesehen.
bb) Aus der maßgebenden Sicht eines seriösen und v ernünftigen Kreditgebers war auch nicht mit einer die krasse finanzielle Überforderung der Beklagten beseitigenden Verbesserung ihres finanziellen Leistungsvermögens bis zum ungewissen Zeitpunkt der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu rechnen.
(1) Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkenn enden Senats sind bei der gebotenen Prognose grundsätzlich alle erwerbsrelevanten Umstände und Verhältnisse - wie z.B. Alter, Schul- und Berufsausbildung sowie etwaige besondere familiäre oder vergleichbare Belastungen - des
erkennbar finanzschwachen Bürgen oder Mithaftenden zu berücksichtigen (vgl. z.B. Senat BGHZ 146, 37, 43; Senatsurteile vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024, vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126 und vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, ZIP 2003, 796, 797). Erst wenn danach bei lebensnaher Betrachtung feststeht, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegten Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines eigenen Einkommens und/oder Vermögens bis zum Vertragsende allein aufbringen kann, ist eine krasse finanzielle Überforderung zu bejahen.
(2) So ist es hier. Die Klägerin durfte die damals 51-jährige Beklagte - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - nicht im Vertrauen auf die Realisierbarkeit des Gründungskonzepts ihres Ehemannes in die von den staatlichen Förderstellen vorgeschriebene Bürgenhaftung für das ausgereichte Existenzgründungsdarlehen und den Kontokorrentkredit nehmen. Zwar sollte sie danach als leitende Angestellte des Gewerbebetriebes ab dem 1. März 1999 im Jahr 75.000 DM brutto und in absehbarer Zeit sogar noch mehr verdienen. Dieser Plan beruhte aber auf einer unrealistischen Marktanalyse und Überschätzung der künftigen Ertragskraft des tatsächlich nur bis zum Herbst 2000 werbend tätigen Unternehmens. In Wirklichkeit hat die Beklagte denn auch unstreitig nie das vorgesehene Gehalt bezogen, sondern seit dem 1. Juli 1999 lediglich im Monat 2.365 DM netto verdient. Außerdem läßt das Berufungsgericht unberücksichtigt, daß das weitgehend fremdfinanzierte und offenbar von vornherein nicht lebensfähige Unternehmen bei Eintritt des Sicherungsfalles entweder zahlungsunfähig oder überschuldet sein würde, das vorgesehene Gehalt der Beklagten also nicht von der Insolvenz des
Hauptschuldners unabhängig war. Daß die Klägerin diesen wichtigen und nach der allgemeinen Lebenserfahrung gerade bei besonders risikohaften Existenzgründungen häufig eintretenden Umstand nach dem Schutzzweck des § 138 Abs. 1 BGB berücksichtigen mußte, versteht sich von selbst (Nobbe/Kirchhof BKR 2002, 5, 9; Schimansky WM 2002, 2437, 2440).
(3) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderun g bestand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch keine hinreichend gesicherte Aussicht, daß die Beklagte aufgrund ihrer Ausbildung und langjährigen Berufserfahrung in absehbarer Zeit bei einem Konkurrenzunternehmen oder anderswo eine Anstellung mit einem dem vorgesehenen vergleichbaren Gehalt findet. Dazu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - keine näheren Feststellungen getroffen, sondern lediglich auf die sich für die Beklagte bei der Arbeitssuche vermutlich ergebenden Schwierigkeiten hingewiesen. Der Einwand der Revisionserwiderung , daß die Beklagte von 1984 bis 1998 zu relativ hohen Bezügen gearbeitet habe und sogar Prokuristin gewesen sei, greift nicht. Denn abgesehen davon, daß ihr Ehemann das Unternehmen der früheren Arbeitgeberin leitete, darf in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, wie sie bei Vertragsschluß herrschten, nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Beklagte damals bereits 51 Jahre alt war und nach der Lebenserfahrung ältere Arbeitnehmer große Probleme haben, einen ihrer Qualifikation entsprechenden Arbeitsplatz zu finden.
(4) Bei Übernahme der Bürgschaft über 300.000 DM d urch die damals arbeitslose Beklagte war aus der maßgebenden Sicht eines vernünftigen und seriösen Kreditgebers nicht damit zu rechnen, daß die Be-
klagte bei Eintritt des Sicherungsfalles die laufenden Zinsen der verbürgten Kredite mit Hilfe des pfändbaren Teils ihres Einkommens werde aufbringen können. Die Zinsen beliefen sich auf 10.000 DM jährlich für den verbürgten Kontokorrentkredit über 100.000 DM zu 10% Zinsen variabel sowie ausgehend von 200.000 DM auf 9.160 DM für das verbürgte staatlich geförderte Existenzgründungsdarlehen zu 4,58% Zinsen. Um die insgesamt 19.160 DM jährlich, d.h. 1.596,67 DM monatlich betragenden Zinsen aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens tragen zu können, hätte die niemandem unterhaltspflichtige Beklagte nach der im Jahre 1999 geltenden Pfändungstabelle ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens 3.500 DM erzielen müssen. Ein solches Einkommen hat die Beklagte nach Übernahme der Bürgschaft unstreitig nie erhalten und es bestand angesichts des Alters der Beklagten von damals 51 Jahren auch keine realistische Aussicht, daß sie ein solches Gehalt außerhalb des Unternehmens ihres Ehemannes erzielen konnte. Eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten ist danach gegeben.

c) Der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB stehen entge gen der Auffassung des Berufungsgerichts auch keine anderen Hinderungsgründe entgegen. Die tatsächliche Vermutung, daß die Beklagte die ruinöse Bürgschaft aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, ist nicht widerlegt bzw. entkräftet.
aa) Daß das Einzelunternehmen des Ehemannes der Be klagten bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages die Existenzgrundlage der ganzen Familie bilden sollte, ist - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - nicht von wesentlicher Bedeutung. Der Erwerb eines blo-
ßen mittelbaren geldwerten Vorteils aus der Unternehmensfinanzierung - wie etwa eine häufig nur schwer feststellbare und flüchtige Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards oder die Aussicht auf einen Arbeitsplatz - wiegt nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats das bei Betriebsmittelkrediten und erst recht bei Existenzgründungsdarlehen erfahrungsgemäß ganz besonders große Bürgschaftsbzw. Mithaftungsrisiko bei weitem nicht auf. Vielmehr wird der erkennbar nicht hinreichend solvente Ehepartner durch die Bindung der Fördermaßnahme an seine Bürgschafts- oder Mithaftungserklärung in eine wirtschaftlich sinnlose Garantenstellung für den ungewissen wirtschaftlichen Erfolg einer Berufsentscheidung des anderen gedrängt und möglicherweise bis zum Lebensende finanziell unzumutbar belastet (Senat BGHZ 135, 66, 71 f.). Zudem würde der gegenteilige Standpunkt zu einer erheblichen und sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Ehepartner selbständiger Unternehmer oder Gesellschafter führen (Senat BGHZ 146, 37, 45 f. und Senatsurteil vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, ZIP 2003, 796, 798).
bb) Allerdings ergibt sich in aller Regel eine and ere rechtliche Beurteilung , wenn der ersichtlich finanziell kraß überforderte Bürge oder Mitverpflichtete aufgrund konkreter und rechtlich hinreichend gesicherter Vereinbarungen mit dem Kreditnehmer an dem finanzierten Objekt in einem nennenswerten Umfang beteiligt werden soll. Da der Betroffene hier freiwillig das unternehmerische Risiko eingehen will und sich seine Rechtsstellung bei wertender Betrachtung häufig nicht wesentlich von der eines echten Mitdarlehensnehmers unterscheidet, ist es der kreditgebenden Bank grundsätzlich gestattet, ihn ohne Rücksicht auf eine geringe finanzielle Leistungsfähigkeit in die darlehensvertragliche Haftung
einzubinden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 283/99, WM 2003, 1563, 1565). Hierfür spricht ferner, daß Gesellschafter einer kreditsuchenden GmbH gewöhnlich ohne weiteres in die Mithaftung genommen werden können (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteil vom 10. Dezember 2002 - XI ZR 82/02, WM 2003, 275, 276 m.w.Nachw.) und hierfür unter Umständen auch ein unmittelbar bevorstehender Erwerb einer bedeutsamen Beteiligung an der Hauptschuldnerin ausreichen kann.
So ist es hier aber nicht. Zwar war geplant, daß d ie von den Eheleuten mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 1998 gegründete und der Beklagten zu 25,1% gehörende GmbH zu einem noch nicht festgelegten Zeitpunkt das kreditfinanzierte Einzelunternehmen ihres Ehemannes mit allen Aktiva sowie Passiva übernimmt und weiterführt. Diese in dem Gründungskonzept dargelegte und der Klägerin bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages bekannte Absicht der Eheleute reicht aber, wie auch die Revisionserwiderung nicht in Zweifel zieht, für sich genommen nicht aus, um von einer rechtlich oder wirtschaftlich hinreichend gesicherten Beteiligung der Beklagten an dem Einzelunternehmen ihres Ehemannes auszugehen.

III.


Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 56 2 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Klage abweisen.
Nobbe Müller Wassermann
Appl Ellenberger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 214/01 Verkündet am:
11. Februar 2003
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 11. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Wassermann und Dr. Appl

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. Mai 2001 aufgehoben und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 26. Oktober 2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Ehemann der Beklagten - Inhaber eines Schmuckhandelsgeschäfts - war Schuldner mehrerer von der klagenden Bank ausgereichter
Betriebsmittelkredite, darunter zwei Darlehen über 50.000 DM und 240.000 DM mit Zinssätzen von ursprünglich 10,25% sowie 7,75% p.a.. Für beide Kredite übernahm die Beklagte am 3. Januar 1998 eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM. Ferner dienten die Geschäftseinrichtung und das Warenlager des Gewerbebetriebes ihres Ehemannes sowie dessen Forderungen aus zwei Lebensversicherungen der Klägerin als Sicherheit.
Anfang 1999 gründete die Beklagte die A. Schmuckhandels GmbH und leitete in der Folgezeit das Unternehmen in den Geschäftsräumen ihres nicht mehr als Einzelkaufmann tätigen Ehemannes. Am 5. März 1999 kündigte die Klägerin die mit ihm bestehende Geschäftsverbindung wegen Verschlechterung der Vermögenslage und Aufgabe seines Unternehmens fristlos und stellte die Kredite fällig. Nach Verwertung der anderweitigen Sicherheiten geht sie gegen die Beklagte aus dem Bürgschaftsvertrag vom 3. Januar 1998 vor.
Die Beklagte hält die Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig. Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung habe sie als Aushilfsverkäuferin im Schmuckhandelsgeschäft ihres Ehemannes ein monatliches Nettogehalt von 466,36 DM erzielt und über kein eigenes Vermögen verfügt.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 257.414,57 DM nebst Zinsen gerichteten Klage in Höhe von 249.034,42 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat den Bürgschaftsvertrag der Parteien für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft sei nicht sittenwidrig. Die Beklagte werde durch die Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM nicht finanziell kraß überfordert. Zwar habe sie ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen und Steuerbescheide für das Jahr 1998 als Aushilfskraft im Betrieb ihres Ehemannes im Monat durchschnittlich nur rund 800 DM brutto verdient und demnach nicht einmal die laufenden Zinsen für die verbürgten Geschäftskredite allein aufbringen können. Die Klägerin habe aber bei Vertragsschluß im Januar 1998 mit einer erheblichen Ausweitung der beruflichen Tätigkeit der Beklagten rechnen können. Durch die Mitarbeit im Unternehmen ihres Ehemannes sei die Beklagte hinreichend geschäftserfahren und die Betreuung der damals schon 14 und 15 Jahre alten Kinder in naher Zukunft nicht mehr erforderlich gewesen. Dafür spreche auch, daß sie seit Februar 1999 als Geschäftsführerin-Gesellschafterin der A. Schmuckhandels GmbH ein eigenes Geschäft betreibe und ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnung im November desselben Jahres 2.557,66 DM netto verdient habe.

Im übrigen sei das Mithaftungsbegehren des Kreditgebers nach der gegenwärtigen Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs , der sich der Senat anschließe, in aller Regel rechtlich vertretbar , weil er sich so möglichst wirksam vor Vermögensverlagerungen vom Hauptschuldner auf den Ehepartner schützen könne. Die Bürgschaft der Beklagten sei deshalb selbst bei einer finanziellen Überforderung hinnehmbar , zumal die Haftung auf den Höchstbetrag von 320.000 DM begrenzt sei. Dem IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sei außerdem darin zu folgen, daß die bei Bürgschaften für Geschäftskredite des Ehegatten regelmäßig zu erwartenden höheren Unterhaltsleistungen im allgemeinen einen angemessenen Ausgleich darstellten, sofern der Vertragsschluß - wie hier - nicht mit unzulässigen Mitteln herbeigeführt worden sei.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in keinem wesentlichen Punkt stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt der Bürgschaftsvertrag der Parteien gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflich-
tungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125; vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, WM 2002, 1347, 1348, für BGHZ 151, 34 vorgesehen; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01, WM 2002, 1350, 1351; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1651 sowie vom 10. Dezember 2002 - XI ZR 82/02, WM 2003, 275 f.). Zwar reicht selbst der Umstand, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daß er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01 aaO S. 1348 und vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01 aaO, jeweils m.w.Nachw.).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte weder bei Vertragsschluß im Januar 1998 noch bei Eintritt des Sicherungsfalles in der Lage, die in den der Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM zugrunde liegenden Kreditverträgen vereinbarten Zinsen
aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen auf Dauer allein zu tragen.

a) Da das monatliche Bruttogehalt der Beklagten für ihre geringfügige Aushilfstätigkeit im Schmuckhandelsgeschäft ihres Ehemannes nur rund 800 DM betrug und eigenes nennenswertes Vermögen nicht vorhanden war, konnte sie bei Übernahme der Bürgschaft nicht das Geringste zur vertragsgemäßen Erfüllung auch nur der Zinsansprüche der Klägerin aus den verbürgten Darlehen beitragen.

b) Aus der maßgebenden Sicht eines seriösen und vernünftigen Kreditgebers war unter normalen Umständen auch nicht mit einer wesentlichen und nachhaltigen Verbesserung des finanziellen Leistungsvermögens der Beklagten bis zum ungewissen Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu rechnen.
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats sind bei der gebotenen Prognose grundsätzlich alle erwerbsrelevanten Umstände und Verhältnisse - wie z.B. Alter, Schul- und Berufsausbildung sowie etwaige besondere familiäre oder vergleichbare Belastungen - des erkennbar finanzschwachen Bürgen oder Mithaftenden zu berücksichtigen (vgl. z.B. Senat BGHZ 146, 37, 43; Senatsurteile vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024 und vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126). Erst wenn danach bei lebensnaher Betrachtung feststeht, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegten Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines eigenen Einkommens
und/oder Vermögens bis zum Vertragsende allein aufbringen kann, ist eine krasse finanzielle Überforderung zu bejahen.
bb) So ist es hier. Zwar mag es bei Übernahme der Bürgschaft aufgrund des Alters ihrer 1983 und 1984 geborenen Kinder nahegelegen haben, daß die damals 44 Jahre alte Beklagte alsbald deren Betreuung aufgeben und einer ganztägigen Berufstätigkeit nachgehen werde. Von der Klägerin ist aber nichts dafür vorgetragen, daß die Beklagte in ihrem erlernten Beruf als Arzthelferin oder aber als Verkäuferin unter normalen Umständen so viel verdienen konnte, daß sie die Zinsen aus den verbürgten Darlehen allein aufbringen konnte oder daß eine andere hinreichend gesicherte Aussicht auf eine wesentliche und nachhaltige Verbesserung der Einkommensverhältnisse bestand. Bei voller Valutierung der verbürgten Darlehen beliefen sich die Zinsen auf fast 2.000 DM monatlich. Um diese aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens tragen zu können, hätte die Beklagte selbst ohne Berücksichtigung von Unterhaltspflichten ein Einkommen von fast 4.000 DM netto im Monat erzielen müssen. Nichts spricht nach der Lebenserfahrung dafür, daß ihr dies als Arzthelferin oder als Verkäuferin möglich gewesen wäre.
Daß sie Anfang 1999 die A. Schmuckhandels GmbH gegründet und im November desselben Jahres als deren GeschäftsführerinGesellschafterin 2.557,66 DM netto verdient hat, rechtfertigt keine andere rechtliche Betrachtung. Nichts spricht dafür, daß die Beteiligten mit einer solchen ungewöhnlichen Entwicklung ernsthaft gerechnet und diese - wie es grundsätzlich erforderlich gewesen wäre (vgl. BGHZ 132, 328, 336) - zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht haben. Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, daß die Erträge der Beklagten aus
der noch jungen Gesellschaft sowie ihr Geschäftsführergehalt von 2.557,66 DM netto pro Monat ausreichen, um die von den Darlehensvertragsparteien festgelegten Zinsen aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens bis zum Vertragsende allein aufzubringen.
3. Anders als das Berufungsgericht unter ausdrücklicher Berufung auf die "gegenwärtige" Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs angenommen hat, stehen einer Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auch keine anderen Hinderungsgründe entgegen.

a) Die tatsächliche Vermutung, daß die Beklagte die ruinöse Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, hat die Klägerin nicht widerlegt oder entkräftet. Daß das Schmuckhandelsgeschäft des Ehemanns der Beklagten bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages die Existenzgrundlage der ganzen Familie bildete, ist insoweit nicht von wesentlicher Bedeutung. Der Erwerb eines bloßen mittelbaren geldwerten Vorteils aus der Aufnahme des verbürgten Darlehens - wie etwa eine häufig nur schwer feststellbare und flüchtige Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards oder die vorläufige Erhaltung des Arbeitsplatzes - wiegt nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats das bei Betriebsmittelkrediten regelmäßig ganz besonders große Bürgschaftsrisiko bei weitem nicht auf. Zudem würde der gegenteilige Standpunkt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Ehepartner selbständiger Unternehmer führen (Senat BGHZ 146, 37, 45 f. m.w.Nachw.). Dem hat sich der vormals für das Bürgschaftsrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs jedenfalls für die Fälle krasser finanzieller Überforderung des Bürgen in
seinem schon lange vor der angefochtenen Entscheidung ergangenen Urteil vom 27. Januar 2000 (IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 412, 413) ausdrücklich angeschlossen.

b) Des weiteren stellt das Interesse des Gläubigers, sich mit Hilfe von Bürgschaften oder Mithaftungsabreden möglichst wirksam vor etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, allein keinen die Sittenwidrigkeit ausschließenden Umstand dar.
Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats (siehe zuletzt Urteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, aaO S. 1349 f. und XI ZR 81/01, aaO S. 1351 f., jeweils m.w.Nachw.) rechtfertigt das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen den Eheleuten vorzubeugen, eine an sich wirtschaftlich sinnlose Bürgschaft oder Mithaftungsabrede nur dann, wenn es durch Vereinbarung der Parteien zum Vertragsinhalt gemacht wird. Ohne besondere, vom Kreditgeber darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daß eine kraß überfordernde Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Die gegenteilige Auffassung verstößt gegen allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze und das im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltende Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Dieser Standpunkt wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.). Soweit dies nicht für Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 gelten soll, weil für die Kreditinstitute damals noch nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie
ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloße Hereinnahme der Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern mußten, ist dem nicht zu folgen. Wie der erkennende Senat in den zitierten Urteilen vom 14. Mai 2002 (XI ZR 50/01, aaO und XI ZR 81/01, aaO) im einzelnen dargelegt hat, war es angesichts des Meinungsstreits beider Senate von vornherein ausgeschlossen, daß sich aus dem Blickwinkel eines rational handelnden Gläubigers ein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der höchstrichterlichen Rechtsprechung bilden konnte. Etwas anderes ist im übrigen auch von der Klägerin in den Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht worden.

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) und die Klage abweisen.
Nobbe Bungeroth Müller
Wassermann Appl

Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung in der Weise versprochen wird, dass das Versprechen die Verpflichtung selbständig begründen soll (Schuldversprechen), ist, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist, schriftliche Erteilung des Versprechens erforderlich. Die Erteilung des Versprechens in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.