Bundesgerichtshof Beschluss, 12. März 2015 - V ZB 187/14
Gericht
Tenor
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Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 10. Oktober 2014 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
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Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe
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I.
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Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen, einen afghanischen Staatsangehörigen, mit Beschluss vom 17. September 2014 Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 14. Oktober 2014 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene nach seiner Abschiebung die Feststellung erreichen, durch die Haftanordnung und die Beschwerdeentscheidung in seinen Rechten verletzt zu sein.
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II.
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Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Haftanordnung zwar unter Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf rechtliches Gehör ergangen, da ihm der Haftantrag nur in Auszügen übersetzt worden sei. Dies führe aber nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung, da nicht zu erkennen sei, dass das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Wie sich aus den in dem amtsgerichtlichen Anhörungsprotokoll festgehaltenen Erklärungen des Betroffenen ergebe, habe er sich, da ihm zumindest die Haftgründe übersetzt worden seien, zu dem in dem Haftantrag niedergelegten Sachverhalt und den Haftgründen äußern können.
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III.
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Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass die Haftanordnung deshalb rechtswidrig sei, weil dem Betroffenen vor seiner Anhörung durch den Haftrichter der Haftantrag nicht vollständig übersetzt worden sei.
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1. Das Vorgehen des Haftrichters verletzte allerdings den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Haftrichter darf sich nicht darauf beschränken, einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Betroffenen nur Teile des Haftantrags mündlich übersetzen zu lassen. Vielmehr muss diesem der vollständige Haftantrag übersetzt und damit der gesamte Antragsinhalt bekannt gegeben werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich der Betroffene zu sämtlichen (tatsächlichen und rechtlichen) Angaben der die Haft beantragenden Behörde äußern und gegenüber dem Haftantrag verteidigen kann (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257 Rn. 8; Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 8).
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2. Die Verletzung von Verteidigungsrechten des Betroffenen, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör, hat aber nicht ohne weiteres die Rechtswidrigkeit einer angeordneten Abschiebungshaft zur Folge (vgl. EuGH, Urteil vom 10. September 2013, C - 383/13 - PPU, BayVBl 2014, 140 ff.). Für die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags hat der Senat entschieden, dass ein solcher Verfahrensfehler nur dann zu einer Aufhebung der Haftanordnung (bzw. nach einer Erledigung der Hauptsache zur Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit) führt, wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, Rn. 9 ff., aaO). Ebenso verhält es sich, wenn der Verfahrensfehler in der nicht vollständigen Übersetzung des Haftantrags liegt. Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde zwar darauf hin, dass ein Betroffener nach Art. 5 Abs. 2 EMRK verlangen kann, dass ihm die Gründe für seine Verhaftung in einer ihm verständlichen Sprache mitgeteilt werden. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt eine auf der Grundlage eines nicht vollständig übersetzten Haftantrags erfolgte Anhörung eines Betroffenen aber nicht einer Nichtanhörung gleich, die als Verletzung einer grundlegenden Verfahrensgarantie zu qualifizieren ist und einer gleichwohl angeordneten Haft ohne weiteres den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung aufdrückt (vgl. BVerfG, InfAuslR 1996, 198, 201). Entscheidend ist, ob der Betroffene auf Grund der Übersetzung in der Lage ist, den Haftgrund zu verstehen und seine Rechte zu wahren (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 17). Daher ist bei einer nicht vollständigen mündlichen Übersetzung des Haftantrags nicht ohne Weiteres die Annahme gerechtfertigt, dass der Betroffene tatsächlich gehindert war, sich in einem solchen Maße besser zu verteidigen, dass das Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Davon kann vielmehr nur dann ausgegangen werden, wenn der Betroffene aufzeigt, dass ihm der Haftantrag nicht wenigstens in den wesentlichen Grundzügen sinngemäß mündlich übersetzt wurde, ihm insbesondere die Haftgründe nicht mitgeteilt wurden, und ihm dadurch die Möglichkeit genommen wurde, der Anordnung von Haft entgegenstehende tatsächliche oder rechtliche Umstände vorzutragen.
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Solche Anhaltspunkte werden von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und sind auch angesichts der Feststellung des Beschwerdegerichts, dass sich der Betroffene zu dem im Haftantrag niedergelegten Sachverhalt und zu den Haftgründen äußern konnte und dass er ausweislich des amtsgerichtlichen Protokolls hiervon auch Gebrauch gemacht hat, nicht ersichtlich.
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3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
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Stresemann Roth Brückner
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Weinland Kazele
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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.