Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2012 - X ZR 161/11

bei uns veröffentlicht am05.06.2012
vorgehend
Landgericht München I, 37 O 17734/09, 31.03.2010
Oberlandesgericht München, U (K) 2872/10, 11.11.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 161/11 Verkündet am:
5. Juni 2012
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Einem (potenziellen) Bieter steht gegen den öffentlichen Auftraggeber kein aus bürgerlich
-rechtlichen Vorschriften herzuleitender Anspruch darauf zu, die Verwendung
bestimmter als vergaberechtswidrig erachteter Vergabebedingungen in etwaigen zukünftigen
Vergabeverfahren zu unterlassen (Fortführung von BGH, Urteil vom
11. September 2008 - I ZR 74/06, BGHZ 178, 63 - bundesligakarten.de).
BGH, Urteil vom 5. Juni 2012 - X ZR 161/11 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juni 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die
Richter Gröning, Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 11. November 2010 verkündete Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin verlangt Schadensersatz und Unterlassung im Zusammenhang mit der Nichtberücksichtigung ihres Angebots in einer Jahresausschreibung der Beklagten zur Lieferung von StVO-Hinweisschildern und Zubehörteilen sowie Demontage, Montage und Änderung von Transparenten, Großschildern und Aufstellvorrichtungen zur Unterhaltung und Erneuerung auf den Betriebsstrecken einer Dienststelle der Autobahndirektion Südbayern. Zu den Vergabeunterlagen gehörte die Klausel 32 "Fachpersonal", die, soweit hier von Interesse, lautet: "Die Bieter müssen als Herstellerfirma gelten und der Güteschutzgemeinschaft Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen e.V. angehören …"
2
Das Angebot der Klägerin war zwar das wirtschaftlich günstigste, wurde von der Beklagten aber von der Wertung ausgeschlossen, weil die Klägerin die Fachpersonalklausel nicht erfüllt. Diese hat daraufhin begehrt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr den aus der Nichtberücksichtigung ihres Angebots entstandenen Schaden, die im Falle der Auftragsdurchführung erzielten Deckungsbeiträge für allgemeine Geschäftskosten und den erzielten Gewinn , zu erstatten. Des Weiteren hat sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zukünftig zu unterlassen, bei öffentlichen Ausschreibungen von Beschilderungsarbeiten nach der VOB/A als zwingende Bieterqualifikation vorzugeben, dass die Bieter Herstellerunternehmen sein und der Güteschutzgemeinschaft Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtung e.V. angehören müssten. Dazu hat sie vorgetragen, die Ausschreibung habe sich in ihrem Schwerpunkt an Bauunternehmen gerichtet, die Beschilderungsarbeiten durchführten und typischerweise nicht zugleich Hersteller von Verkehrsschildern und dementsprechend auch nicht Mitglieder der Gütegemeinschaft Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtung seien. Hersteller und Lieferanten von Verkehrsschildern seien - da keine Bauunternehmen im Sinne der VOB/A - gar nicht in der Lage, die ausgeschriebenen Bauleistungen auszuführen. Die Klausel 32 der Baubeschreibung verstoße insoweit gegen das aus § 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/A 2006 herzuleitende Selbstausführungsgebot. Demgemäß erweise sich die Forderung, dass die Bieter jener Gütergemeinschaft angehören müssten, als ein nicht sachgerechtes Ausschreibungskriterium, das die Bauunternehmen, die für die Erbringung der den Kernbereich der Ausschreibung bildenden Bauarbeiten qualifiziert seien, auf unbillige Weise von der Auftragsvergabe ausschließe. Den Belangen der Beklagten hätte angemessen durch Einbeziehung von qualifizierten Herstellerunternehmen als Subunternehmen für die Lieferung der Schilder und Erbringung bestimmter Leistungen (Verarbeitung von Reflexfolien) entsprochen werden können.
3
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das Landgericht hat ihr stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen und die Revision zugelassen.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
5
I. Das Berufungsgericht hat kartellrechtliche Ansprüche der Klägerin mit der Begründung verneint, die Beklagte sei auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht als Normadressat von § 20 Abs. 1 GWB anzusehen. Wie Art. 102 AEUV (vormals Art. 82 EG) sei die Vorschrift im Interesse eines einheitlichen kartellrechtlichen Unternehmensbegriffs auf die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand nicht anzuwenden, wenn die erworbenen Güter - wie hier - im Rahmen der Erledigung des öffentlichen Auftrags Verwendung fänden.
6
Einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses hat das Berufungsgericht mit der Begründung verneint, die Klägerin habe nicht in schutzwürdiger Weise auf die Vergaberechtskonformität des Vorgehens der Beklagten vertraut. Die Klägerin müsse sich der im Rechtsstreit geltend gemachten Vergaberechtswidrigkeit der Verwendung von Klausel 32 bereits im Vergabeverfahren bewusst gewesen sein. Da sie es gleichwohl unterlassen habe, die Vergabestelle hierauf hinzuweisen, fehle es im Streitfall an einem die Haftung der Beklagten begründenden Vertrauenstatbestand. Erkenne der Bieter oder habe er - wovon im Streitfall jedenfalls auszugehen sei - erkennen müssen , dass die Leistung nicht ordnungsgemäß ausgeschrieben worden sei, handele er bei der Abgabe seines Angebots nicht im Vertrauen darauf, dass das Vergabeverfahren insoweit nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts abgewickelt wird, und sei deshalb nicht schutzwürdig.
7
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung trägt die ausgesprochene Abweisung der Klage nicht. Die Verneinung eines durch einen Vergaberechtsverstoß der Beklagten
8
ausgelösten Schadensersatzanspruchs der Klägerin wegen fehlenden Vertrauens in die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens ist mit der neueren, allerdings erst nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vereinbar. Danach ist der auf Verstöße des öffentlichen Auftraggebers gegen Vergabevorschriften gestützte Schadensersatzanspruch des Bieters nicht daran geknüpft, dass der klagende Bieter auf die Einhaltung dieser Regelungen durch den Auftraggeber vertraut hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Auftraggeber durch Missachtung von Vergabevorschriften seine Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Bieter und potenziellen Bieter verletzt und einem durch diese Vorschriften geschützten Unternehmen hierdurch Schaden zugefügt hat (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - X ZR 143/10, BGHZ 190, 89 - Rettungsdienstleistungen II). Dies hat das Berufungsgericht - nach seinem Ausgangspunkt folgerichtig - nicht geprüft. III. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat man9 gels tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts, die eine Beurteilung der Zulässigkeit der Fachpersonalklausel erlaubten, verwehrt. Der Rechtsstreit ist vielmehr unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. 1. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsrechtszug
10
zu prüfen haben, ob es als eine Verletzung ihrer Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB anzusehen ist, wenn die Beklagte die Angebote von Bietern, die nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. April 2008 - X ZR 129/06, VergabeR 2008, 641 Rn. 11 - Sporthallenbau) für die Ausführung des als Bauleistung ausgeschriebenen Auftrags geeignet wären und nur die Voraussetzungen der Fachpersonalklausel nicht erfüllen, unter Berufung auf diese Bedingung aus der Wertung nimmt. Dabei wird das Berufungsgericht zu bedenken haben, dass der sparsa11 me Einsatz der Haushaltsmittel, dessen Verwirklichung das Vergaberecht infolge seiner herkömmlich haushaltsrechtlichen Prägung verpflichtet ist, durch eine wettbewerbsbetonte Gestaltung der Vergabeverfahren gefördert werden soll. Für den Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge oberhalb der vom Sekundärrecht der Europäischen Union vorgegebenen Schwellenwerte ergibt sich die Verpflichtung zur Beschaffung von Waren sowie Bau- und Dienstleistungen im Wettbewerb aus § 97 Abs. 1 GWB. Aber auch außerhalb des Geltungsbereichs dieser Norm sind öffentliche Auftraggeber bei der Auftragsvergabe dem Wettbewerbsprinzip verpflichtet (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2011 - X ZR 92/09, VergabeR 2011, 709 - Ortbetonschacht). In § 2 Nr. 1 Satz 2 der im Streitfall anzuwendenden Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Ausgabe 2006 (VOB/A 2006) ist für die Vergabe öffentlicher Aufträge bestimmt, dass der Wettbewerb die Regel sein soll. Das erlegt den Vergabestellen die Verpflichtung auf, die Auftragsvergabe nach Möglichkeit wettbewerbsintensiv auszugestalten. Außerdem hat die Beklagte ihren Bedarf als Bauauftrag ausgeschrieben , womit bei öffentlicher Ausschreibung grundsätzlich einhergeht, dass sich alle Unternehmen bewerben können, die sich gewerbsmäßig mit der Ausführung von Leistungen der ausgeschriebenen Art befassen und die erforderliche Eignung aufweisen (§ 8 Nr. 1 Abs. 1, Nr. 3 VOB/A 2006). Das Vergabeverfahren ist zwar im Streitfall in der an sich wettbewerbs12 freundlichen Vergabeart der öffentlichen Ausschreibung (§ Nr. 1 Abs. 1 VOB/A 2006) durchgeführt worden, die Beklagte hat den Wettbewerb jedoch durch die eine zusätzliche Anforderung an die Eignung der Bewerber beinhaltende Fachpersonalklausel von vornherein in einer Weise beschränkt, die auf die Durchführung einer beschränkten Ausschreibung (§ 3 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A 2006) hinausläuft. Insoweit wird das Berufungsgericht zu erwägen haben, ob eine den Belangen der Vergabestelle genügende Ausführung auch zu gewährleisten war, indem Bauunternehmen sich als Bieter beteiligen, welche die Schilder und gegebenenfalls bestimmte Spezialarbeiten über qualifizierte Herstellerunternehmen als Nachunternehmer beschaffen. Ob in der Beschränkung des Wettbewerbs auf Unternehmen im Sinne der Fachpersonalklausel eine Verletzung von Rücksichtnahmepflichten gegenüber Unternehmen liegt, die nicht in dieser Weise qualifiziert sind, hängt danach maßgeblich davon ab, ob für die Beschränkung auf qualifizierte Herstellerunternehmen Gründe vorlagen, die denen vergleichbar sind, unter denen eine beschränkte Ausschreibung zulässig ist (vgl. § 3 Nr. 3 VOB/A 2006) oder die die Verengung des Wettbewerbs sonst als rechtmäßig erscheinen lassen. Diese Abwägung vorzunehmen obliegt grundsätzlich dem Tatrichter. 2. Sollte das Berufungsgericht infolge der vorgenannten Abwägung ei13 ne Verletzung der Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB gegenüber der Klägerin bejahen, so steht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der auf das positive Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch einem bei der Zuschlagserteilung übergangenen Bieter unter Kausalitätsgesichtspunkten zu, wenn ihm bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens der Auftrag hätte erteilt werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2010 - X ZR 86/08, VergabeR 2010, 855 Rn. 16 - Abfallentsorgung). Diese Anforderung ist nicht dahin zu verstehen, dass die Vergabestelle sich in Fällen wie dem vorliegenden gegenüber dem übergangenen Bieter darauf berufen könnte, ihm hätte wegen der vergaberechtswidrigen Ausgestaltung der Vergabeunterlagen der Zuschlag in einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren gar nicht erteilt werden können. Bei dieser Sichtweise wäre der öffentliche Auftraggeber von jeglicher Haftung für die Verwendung vergaberechtswidriger Vergabeunterlagen freigestellt. Mit dem Vorbehalt, dass dem übergangenen Bieter bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre, soll vielmehr in erster Linie verhindert werden, dass ein Bieter, dessen Angebot selbst nicht ausschreibungskonform ist und dem deshalb der Auftrag nicht hätte erteilt werden dürfen, Schadensersatz erhält (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2006 - X ZR 115/04, VergabeR 2007, 73 Rn. 11). Ob ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch trotz Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter im Einzelfall deshalb ausscheidet, weil bei Wegfall einer in den Vergabeunterlagen enthaltenen vergaberechtswidrigen Klausel eine vergaberechtskonforme Auftragsvergabe nicht mehr möglich erscheint , bedarf hier nicht der Entscheidung. Denn die Nichtberücksichtigung der Fachpersonalklausel bedeutet lediglich, dass die Eignungsprüfung unter An- wendung der allgemeinen Eignungskriterien (§ 2 Nr. 1 Satz 1, § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A 2006) vorzunehmen ist. 3. Hingegen kann, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen
14
hat, der geltend gemachte vorbeugende Unterlassungsanspruch nicht aus § 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB hergeleitet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann aus § 280
15
Abs. 1 BGB aus einem durch Vertrag begründeten Schuldverhältnis zwar neben dem Schadensersatzanspruch grundsätzlich auch ein Unterlassungsanspruch abgeleitet werden. Das gilt aber nur, solange eine Verletzungshandlung im konkreten Vertragsverhältnis noch andauert. Hingegen begründet eine solche Pflichtverletzung keinen Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Verletzung künftiger, noch nicht geschlossener Verträge (BGH, Urteil vom 11. September 2008 - I ZR 74/06, BGHZ 178, 63 Rn. 17 - bundesligakarten.de), wie ihn die Klägerin hier geltend macht. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen, wenn nicht Ansprüche aus ei16 nem vertraglichen Schuldverhältnis in Rede stehen, sondern es sich, wie hier, um ein durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen - als die eine vergaberechtliche Ausschreibung einzuordnen ist (BGHZ 190, 89 Rn. 11 - Rettungsdienstleistungen II) - begründetes Schuldverhältnis handelt. Ein Bieter kann - worum es hier nicht geht - zur Vermeidung einer Verletzung von Rücksichtnahmepflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB innerhalb des konkreten Vergabeverfahrens Unterlassung vergaberechtswidriger Ausschreibungsbedingungen verlangen. Wenn aber schon beim geschlossenen Vertrag ein entsprechender Anspruch nicht über die noch andauernde Verletzung hinaus besteht, kann aus § 280 in Verbindung mit § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB erst recht kein Anspruch darauf hergeleitet werden, bestimmte Handlungen in etwaigen künftigen Vertragsverhandlungen (Ausschreibungen) zu unterlassen. 4. Eine - dem Kartellsenat des Bundesgerichtshofs vorbehaltene - Stel17 lungnahme zu der Frage, ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auf § 33 Abs. 1 GWB gestützt werden kann oder ob dem entgegensteht, dass die Beklagte, auch wenn ihr auf dem relevanten sachlichen und räumlichen Markt eine marktbeherrschende Stellung zukommen sollte, gleichwohl nicht Normadressatin des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots ist, ist beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht veranlasst. Unabhängig hiervon dürfte, sollte sich die Verwendung der Fachpersonalklausel als vergaberechtskonform erweisen (oben III 1), für einen kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch von vornherein nur Raum sein, wenn die Benutzung der Klausel allein durch den Umstand, dass sich ein Normadressat des Diskriminierungsverbots (§ 20 Abs. 1 und 2 GWB) ihrer bedient, in einem anderen Licht erschiene als bei einem nicht marktbeherrschenden oder marktstarken öffentlichen Auftraggeber. Stellt sich die Anwendung der Fachpersonalklausel umgekehrt als vergaberechtswidrig dar, dürfte darin zugleich eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne von § 20 Abs. 1 und 2 GWB zu sehen sein. Meier-Beck Gröning Bacher Richter am Bundesgerichtshof Hoffmann kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben. Meier-Beck Schuster
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 31.03.2010 - 37 O 17734/09 -
OLG München, Entscheidung vom 11.11.2010 - U (K) 2872/10 -

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

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(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

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Tenor I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. April 2016 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln (88 O (Kart) 61/15) wird zurückgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. III. Diese

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.

(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.

(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 143/10 Verkündet am:
9. Juni 2011
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Rettungsdienstleistungen II
Der auf Verstöße des öffentlichen Auftraggebers gegen Vergabevorschriften gestützte
Schadensersatzanspruch des Bieters ist nach der Kodifikation der gewohnheitsrechtlichen
Rechtsfigur der culpa in contrahendo durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz
nicht mehr daran geknüpft, dass der klagende Bieter auf die Einhaltung
dieser Regelungen durch den Auftraggeber vertraut hat, sondern es ist dafür auf die
Verletzung von Rücksichtnahmepflichten durch Missachtung von Vergabevorschriften
abzustellen (Weiterentwicklung von BGH, Urteil vom 8. September 1998
- X ZR 99/96, BGHZ 139, 280, 283; Urteil vom 27. November 2007 - X ZR 18/07,
VergabeR 2008, 219 Leitsatz e).
BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - X ZR 143/10 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 9. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann sowie
die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das am 28. Oktober 2010 verkündete Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin macht aufgewendete Rechtsanwaltskosten als Schadensersatz geltend, nachdem ein vom Beklagten durchgeführtes Vergabeverfahren, an dem sie sich beteiligt hatte, wegen Verwendung vergaberechtswidriger Wertungskriterien aufgehoben wurde.
2
Der Beklagte schrieb im offenen Verfahren Rettungsdienstleistungen für den Zeitraum von Anfang Juli 2009 bis Ende Juni 2015 losweise aus. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erteilt werden. Die Vergabeunterlagen sahen folgende Wirtschaftlichkeitskriterien mit jeweils zugeordneter Gewichtung vor: 1. Preis. Gewichtung 40 2. Mitarbeit bei Großschadenslagen und Massenanfall von Verletzten. Gewichtung 35 3. Erfahrung im Rettungsdienst. Gewichtung 10 4. Qualitätsmanagement. Gewichtung 5 5. Qualifikation des Personals. Gewichtung 5 6. Arbeitszeit des Personals. Gewichtung 5
3
Nachdem die Klägerin die Vergabeunterlagen angefordert hatte, übermittelte sie diese ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Bitte um Überprüfung (Schreiben vom 7. Juli 2008). Durch sein Schreiben vom 10. Juli 2008 rügte die Klägerin, in dem Bewertungsschema für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit würden vergaberechtswidrig Eignungs- und Wirtschaftlichkeitskriterien miteinander vermischt. Ihren kurz darauf gestellten (ersten) Nachprüfungsantrag nahm die Klägerin zurück, nachdem die Vergabekammer ihn als unzulässig eingeschätzt hatte. Nach Ablauf der Angebotsfrist reichte die Klägerin ein Angebot für ein Los des ausgeschriebenen Auftrags ein und stellte erneut einen Nachprüfungsantrag, der in der Beschwerdeinstanz Erfolg hatte. Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg sprach in seinem Beschluss vom 3. September 2009 (VergabeR 2009, 933) aus, dass der inzwischen mit einem anderen Anbieter geschlossene Vertrag über die ausgeschriebenen Leistungen nichtig sei, und verpflichtete den Beklagten, das Vergabeverfahren aufzuheben. Diese Maßnahmen begründete der Vergabesenat im Wesentlichen mit einem Verstoß gegen die vergaberechtlich gebotene Trennung von Eignungs - und Wirtschaftlichkeitskriterien. Zumindest die Zuschlagskriterien zu Nr. 2, 3, 5 und 6 seien bieterbezogen, das Kriterium zu Nummer 4 sei intransparent , die Auswahl des günstigsten Angebots hänge somit zu mindestens 55 % nicht von dessen Inhalt, sondern von der Person des Bieters ab. Den Kos- tenstreitwert des Nachprüfungsverfahrens setzte das Oberlandesgericht auf bis zu 800.000 € fest.
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Nach Aufhebung des Vergabeverfahrens verlangte die Klägerin vom Beklagten die Erstattung einer 2,3-fachen Gebühren nach Nr. 2300 VV-RVG (10.687,15 €) für die Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten mit der Überprüfung der Vergabeunterlagen vor Einleitung des ersten Nachprüfungsverfahrens. Nachdem der Beklagte die Zahlung ablehnte, hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie diese Summe zuzüglich eines Betrags von 962,71 € für die vorprozessuale Geltendmachung dieses Schadensersatzanspruchs (beide Gebühren zuzüglich Umsatzsteuer) verlangt hat.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht ihr stattgegeben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


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Die Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung sinngemäß wie folgt begründet. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo zu. Danach könnten einem Bieter Ansprüche auf Erstattung von Kosten zustehen, wenn er sich ohne Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens nicht oder nicht wie geschehen daran beteiligt hätte. Nicht schutzwürdig sei ein Bieter lediglich dann, wenn er sich in Kenntnis eines Vergabeverstoßes taktierend am Verfahren beteilige. So verhalte es sich hier aber nicht. Die Klägerin habe sich nicht auf das als vergaberechtswidrig erkannte Vergabeverfahren eingelassen, sondern ein Angebot erst gar nicht und am Ende nur deshalb abgegeben, um den Status eines Bieters zu erhalten und dadurch die vergaberechtliche Antragsbefugnis sicherzustellen. Sie habe aber von vornherein die von ihr als vergaberechtswidrig erkannten Fehler gerügt. Der entsprechende prozessuale Prüfungsauftrag habe somit entgegen der Ansicht des Beklagten nicht der "Torpedierung" des Vergabeverfahrens gedient. Der geltend gemachte Gebührentatbestand sei auch nicht bereits anderweitig kostenrechtlich erfasst. Nach der Kostenentscheidung des Vergabesenats im Nachprüfungsverfahren könne die Klägerin zwar die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erstattet verlangen. Dass der Prüfungsauftrag vom 7. August 2008 bereits die Vertretung im Nachprüfungsverfahren umfasst habe, sei aber weder dessen Wortlaut zu entnehmen noch naheliegend. Eine Verbindung mit anderen Gebührentatbeständen lasse sich somit nicht feststellen.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe sind nicht begründet.
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1. Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1 und § 280 Abs. 1 BGB zu.
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a) Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg hat im Nachprüfungsverfahren rechtskräftig entschieden, dass die Beklagte vergaberechtswidrige Wertungskriterien für die Zuschlagsentscheidung vorgesehen hatte. Diese Beurteilung ist für die ordentlichen Gerichte im Schadensersatzprozess bindend (§ 124 Abs. 1 GWB). Infolge der festgestellten Vergaberechtsverstöße musste das Vergabeverfahren aufgehoben werden. Die Aufhebung aus einem solchen Grund ist von der einschlägigen Vergabe- und Vertragsordnung nicht vorgese- hen (vgl. § 26 Nr. 1 und 2 VOL/A 2006, § 17 Abs. 1 VOL/A 2009) und deshalb nicht von vornherein sanktionsfrei.
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b) Mit der Aufstellung von Wertungskriterien, die eine vergaberechtskonforme Angebotswertung nicht zuließen und die deshalb die Aufhebung des Vergabeverfahrens nach sich ziehen musste, hat der Beklagte gegen seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen. Danach kann ein Schuldverhältnis einen Teil zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Ein solches Schuldverhältnis entsteht auch durch Aufnahme von Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB), und darum handelt es sich - in je nach Verfahrensart mehr oder minder stark formalisierter Form - bei der Durchführung eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Mit der in der mündlichen Verhandlung weiter verfochtenen Ansicht, zur Klägerin habe ein solches vorvertragliches Schuldverhältnis nicht bestanden, weil dieser nur an der Unterminierung des Vergabeverfahrens gelegen gewesen sei, unternimmt die Revision den ihr verschlossenen Versuch, die Sachverhaltswürdigung des Berufungsgerichts durch die eigene zu ersetzen.
12
c) Werden die auf diese Weise formalisierten Vertragsverhandlungen auf der Grundlage der vom Auftraggeber ausgearbeiteten und den Bietern zur Teilnahme überlassenen Vergabeunterlagen geführt, wie es für das Vergabeverfahren typisch ist, trifft den öffentlichen Auftraggeber aus § 241 Abs. 2 BGB die Verpflichtung, diese Unterlagen vergaberechtskonform so auszuarbeiten, dass keine Wirtschaftlichkeitskriterien aufgestellt werden, die eine ordnungsgemäße Wertung der Angebote nicht zulassen und deshalb bei Beanstandung eine Aufhebung des Vergabeverfahrens unausweichlich machen. Durch die Aufhebung wird der je nach Auftragsgegenstand unter Umständen ganz beträchtliche Ausschreibungsaufwand der Bieter zunichte gemacht anstatt, seinem eigentlichen Zweck entsprechend, für den Wettbewerb um den ausgeschriebenen Auftrag eingesetzt zu werden. Die Bieter und Bewerber haben aber - in den Grenzen der von den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannten Tatbestände - ein von § 241 Abs. 2 BGB geschütztes Interesse daran, dass der öffentliche Auftraggeber das Verfahren so anlegt und durchführt, dass die genannten Aufwendungen der Bieter dem Wettbewerbszweck entsprechend tatsächlich verwendet werden können.
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d) Infolge seines Verstoßes gegen die ihn treffenden Rücksichtnahmepflichten ist der Beklagte verpflichtet, der Klägerin den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Verpflichtung trifft den Schuldner im Allgemeinen nur dann nicht, wenn er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Dazu haben die Instanzgerichte keine Feststellungen getroffen und die Revision macht nicht geltend, dass insoweit erheblicher Vortrag des Beklagten unberücksichtigt geblieben wäre. Daher bedarf an dieser Stelle die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union keiner Erörterung, wonach die Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 in der durch die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 geänderten Fassung dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes eines öffentlichen Auftraggebers gegen Vergaberecht von der Schuldhaftigkeit des Verstoßes abhängig macht (EuGH, VergabeR 2011, 71).
14
e) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats setzt der aus Verschulden bei Vertragsanbahnung hergeleitete Schadensersatzanspruch ein zusätzliches Vertrauenselement aufseiten des Schadensersatz verlangenden Bieters voraus (vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 99/96, BGHZ 139, 280, 283). Schadensersatz nach Aufhebung eines Vergabeverfahrens, für die, wie hier, kein vergaberechtlich anerkannter Grund (§ 17 VOL/A 2009, § 20 VOL/A-EG 2009, § 17 VOB/A 2009) vorlag, konnte ein Bieter nur dann verlangen , wenn er sich ohne Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens daran entweder gar nicht oder nicht so wie geschehen beteiligt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2007 - X ZR 18/07, VergabeR 2008, 219 Rn. 39). Diese Rechtsprechung knüpfte daran an, dass die auf die gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsfigur der culpa in contrahendo gestützte Haftung im Allgemeinen die Gewährung von in Anspruch genommenem Vertrauen voraussetzte (vgl. Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 276 BGB aF Rn. 65 f.). An dem tatbestandlichen Erfordernis eines solchen zusätzlichen Vertrauenselements hält der Senat für Schadensersatzansprüche, die auf ein vergaberechtliches Fehlverhalten des öffentlichen Auftraggebers vor Vertragsschluss gestützt sind, nicht fest.
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Der aus § 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 und § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB hergeleitete Schadensersatzanspruch knüpft nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung an die Verletzung einer aus dem Schuldverhältnis herrührenden Rücksichtnahmepflicht der Beteiligten an. Dafür, dass dem Gläubiger nur dann Schadensersatz zustehen soll, wenn er bei Verletzung einer solchen Rücksichtnahmepflicht zusätzlich gewährtes Vertrauen in Anspruch genommen hat, ist der gesetzlichen Regelung nichts zu entnehmen. Für das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe besteht auch kein Bedürfnis dafür, das Vertrauen des Bieters etwa als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal weiter zu fordern. Denn dieses Gebiet ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Ablauf der Vertragsverhandlungen und die dem Auftraggeber dabei auferlegten Verhaltenspflichten eingehend geregelt sind. Oberhalb der gemäß § 2 VgV vorgesehenen Schwellenwerte gelten die Bestimmungen des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, der Vergabeverordnung sowie der Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen und Leistungen und der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen, und für Vergabeverfahren unterhalb dieser Werte sind die Vorschriften der Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen und Leistungen einschlägig, sofern der Auftraggeber - was allgemein üblich ist - ankündigt, die Vergabe auf der Grundlage dieser Vorschriften durchzuführen. Im Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, der für das Vergabeverfahren einschlägig ist, auf das sich der Streitfall bezieht, haben die Unternehmen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält (§ 97 Abs. 7 GWB). An die daraus resultierenden Verhaltenspflichten knüpfen die Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB an. Der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens als eines Tatbestands, an dessen Erfüllung die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsanbahnung überhaupt erst festgemacht werden könnte, bedarf es deshalb nicht. Inwieweit der für Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo nach altem Recht vorausgesetzte Vertrauenstatbestand für andere Fallgruppen, die im Rahmen dieser Rechtsfigur entwickelt worden sind, weiterhin Bedeutung hat, bedarf im Streitfall keiner Klärung. Entsprechendes gilt nach den Umständen des Streitfalls auch für die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich der klagende Bieter ein Mitverschulden (§ 254 BGB) entgegenhalten lassen muss.
16
f) Dass die Klägerin den ausgeschriebenen Auftrag nicht hätte erhalten können, weil sie nicht innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot eingereicht hat, steht ihrem Anspruch auf Schadensersatz nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt gerade auch in Fällen der ungerechtfertigten Aufhebung des Vergabeverfahrens eine Ausnahme von dem Grundsatz in Betracht, dass nicht nur der auf das Erfüllungsinteresse, sondern auch der auf das negative Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch nur dem Bieter zusteht, der bei regulärem Verlauf des Vergabeverfahrens den Zuschlag hätte erteilt bekommen müssen (BGH, VergabeR 2008, 219 Rn. 37 f.; vgl. insoweit auch Scharen in Kompaktkommentar Vergaberecht, 13. Los Rdn. 54).
17
g) Die Gebührenforderung, die durch den von der Klägerin erteilten Auftrag zur Prüfung der Vergabeunterlagen und der Rüge ihrer Vergaberechtswidrigkeit gegenüber dem Beklagten ausgelöst worden ist, ist nach dem Schutzzweck der einschlägigen Norm (§ 241 Abs. 2 BGB) als Schaden erstattungsfähig. Mit den sich daraus für den öffentlichen Auftraggeber ergebenden Rücksichtnahmepflichten ist es, wie ausgeführt (oben II 1 b) unvereinbar, in die Wirtschaftlichkeitsprüfung Eignungskriterien einfließen zu lassen (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 99/96, BGHZ 139, 280, 283; Urteil vom 15. April 2008 - X ZR 129/06, VergabeR 2008, 641 - Sporthallenbau). Zieht der mit solchen Wertungskriterien konfrontierte Bieter deshalb einen Rechtsanwalt zurate, sind die aus dessen Beauftragung resultierenden Kosten ein durch den Pflichtenverstoß adäquat kausal herbeigeführter Schaden. Dafür ist unerheblich, dass der Bieter sich der Vergaberechtswidrigkeit der Vergabeunterlagen bei Beauftragung des Rechtsanwalts regelmäßig nicht sicher sein wird, sondern diesbezüglich erfahrungsgemäß allenfalls Zweifel hegen wird. Entscheidend ist, dass er aufgrund der objektiv gegebenen Vergaberechtswidrigkeit der Vergabeunterlagen Anlass hat, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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h) Der Anspruch setzt im Streitfall nach dem der Regelung in § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken keine Mahnung des Gläubigers voraus. Vorvertragliche Rücksichtnahmepflichten, wie sie hier in Rede stehen, sind aus in der Natur der Sache liegenden Gründen sofort zu erfüllen. Jedenfalls dann, wenn die Frage, ob die Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht vorliegt, nur aufgrund vertiefter Kenntnisse auf dem Gebiet des Vergaberechts beantwortet werden kann, ist es, auch mit Blick auf die regelmäßig engen zeitlichen Dispositionsmöglichkeiten im laufenden Vergabeverfahren, nicht interessengerecht, den am Auftrag interessierten Unternehmen abzuverlangen , den vermeintlichen Mangel zunächst selbst gegenüber dem Auftraggeber zu rügen, bevor sie einen Rechtsanwalt in erstattungsfähiger Weise mit der weiteren Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen können. Ob das Gleiche in allen denkbaren Fallgestaltungen, insbesondere auch bei Verstößen gilt, die im Sinne von § 107 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB erkennbar (vgl. dazu etwa MünchKomm.BeihVgR /Jaeger, § 107 Rn. 54) sind, ist hier nicht zu entscheiden.
19
i) Der Beklagte kann sich gegenüber der Gebührenersatzforderung nicht mit Erfolg darauf berufen, die fraglichen Kosten wären der Klägerin auch entstanden , wenn er, der Beklagte, sich vergaberechtskonform verhalten hätte. Auf den darin zu sehenden Einwand, der geltend gemachte Schaden wäre auch bei rechtmäßigem Verhalten des Schädigers entstanden, kann dieser sich ausnahmsweise dann nicht berufen, wenn dies mit dem Schutzzweck der verletzten Norm nicht vereinbar wäre (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1986 - IX ZR 91/84, BGHZ 96, 157 ff.). So verhält es sich hier. Dem hier durchgeführten Vergabeverfahren, bei dem ein vergaberechtswidriges Wertungsschema verwendet worden ist, kann nicht im Wege einer fiktiven Alternativbetrachtung ein solches mit vergaberechtlich unbedenklichen Wertungskriterien gegenübergestellt und die hypothetische Prüfung daran angeschlossen werden, ob die Klägerin auch in einem solchen als korrekt fingierten Fall ihren Prozessbevollmächtigten mit der Prüfung der Vergabeunterlagen beauftragt hätte. Der Schutz des § 241 Abs. 2 BGB greift schon dann ein, wenn die Vergabeunterlagen, wie hier, in der Weise fehlerhaft sind, dass eine vergaberechtskonforme Angebotswertung nicht mehr möglich ist. Im Übrigen hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, aufgrund deren die Haftung des Beklagten unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens fraglich erscheinen könnte , und die Revision zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht insoweit konkreten Vortrag des Beklagten, der nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungsund Beweislast für den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens trägt (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03, NJW 2005, 1718), übergangen hätte.
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2. a) Ohne Erfolg wendet die Revision sich dagegen, dass das Berufungsgericht die Berechnung der geltend gemachten Gebühr nach einem Wert von 800.000 € gebilligt hat. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts, denen die Revision nicht entgegentritt, entspricht dieser Betrag dem für Beschwerdeverfahren nach § 116 GWB gesetzlich vorgegebenen Streitwert von 5 % der Bruttoauftragssumme (§ 50 Abs. 2 GKG). Diesem Streitwert entspricht der Gegenstandswert für die anwaltliche Vertretung des Bieters im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer (vgl. Kulartz/Kus/Portz Komm. zum GWB-Vergaberecht, 2. Aufl., § 128 Rn. 41; Hardraht in Kompaktkommentar Vergaberecht, 14. Los § 50 Abs. 2 GKG Rn. 2). Da der Bieter das Vergabeverfahren mit einer gegenüber dem Auftraggeber nach § 107 Abs. 3 GWB erhobenen Rüge im Interesse seiner Chance auf den Auftrag in gleicher Weise in korrekte Bahnen lenken will, wie mit einem Nachprüfungsantrag nach § 107 Abs. 1 GWB, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, diesen Wert auch für die Gebühr nach Nr. 2300 VV-RVG heranzuziehen.
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b) Dass das Berufungsgericht die Erstattung einer 2,3-fachen Gebühr nach Nr. 2300 VV-RVG zugesprochen hat, greift die Revision nicht mit stichhaltigen Rügen an. Dass die außergerichtliche Tätigkeit schon am 16. Juli 2008 endete, muss nicht auf einen spürbar geringen Umfang oder Schwierigkeitsgrad der Sache hindeuten. Das gesamte Vergabeverfahren ist vom vergaberechtli- chen Beschleunigungsgrundsatz beherrscht, der den Bietern unter anderem auferlegt, erkannte Vergabeverstöße unverzüglich zu rügen (§ 107 Abs. 3 GWB) und der es dem für den Bieter tätigen Rechtsanwalt nahelegt, den ihm unterbreiteten Sachverhalt, zu dem häufig umfangreiche Vergabeunterlagen gehören, rasch auf Vergabeverstöße hin zu prüfen und Rügen gegebenenfalls umgehend zu erheben, insbesondere auch dann, wenn, was hier ersichtlich der Fall war, der Ablauf der Angebotsfrist bevorstand.
22
Ob es, wie das Berufungsgericht meint, regelmäßig angemessen ist, in Vergabeverfahren eine überdurchschnittliche Schwierigkeit für die anwaltliche Tätigkeit anzunehmen, die regelmäßig eine deutliche höhere Gebühr als die Mittelgebühr rechtfertigt, kann allerdings in dieser Pauschalität zweifelhaft sein. Es kann insoweit nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch vergaberechtliche Streitigkeiten in der Gesamtschau hinsichtlich ihres Umfangs und Schwierigkeitsgrads ganz unterschiedlich gelagert sind und es nicht angemessen erscheint , diesen Fällen pauschal einen Schwierigkeitsgrad beizumessen, dem regelmäßig eine Gebühr im oberen oder obersten Bereich der einschlägigen Rahmengebühr zu entsprechen hat. Das gilt umso mehr, als das Angebot anwaltlicher Dienstleistungen in inzwischen fast allen Lebensbereichen und Rechtsmaterien durch eine Spezialisierung gekennzeichnet ist, die im eigenen wettbewerblichen Interesse erfolgt und die deshalb berechtigterweise bei der Bewertung des Schwierigkeitsgrads nicht ganz außer Betracht bleiben kann. Zweifelhaft kann ferner sein, den Aufwand bei der Vertretung im Vergabeverfahren generell auch daran zu messen, welche Probleme sich im anschließenden Nachprüfungsverfahren ergeben haben, weil die Auseinandersetzung hinsichtlich des Umfangs und Schwierigkeitsgrads dynamisch verlaufen sein kann. Dass das Berufungsgericht im Streitfall diesbezügliches oder in die gleiche Richtung weisendes Vorbringen des Beklagten übergangen hätte, zeigt die Revision indes nicht auf.
23
c) Soweit die Revision die Versäumung der Anrechnung dieser Gebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG beanstandet, ist nicht die im anschließenden Nachprüfungsverfahren entstandene Gebühr auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG anzurechnen, sondern, nach dem eindeutigen Wortlaut von Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG, die Geschäftsgebühr auf die später entstandene (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 23. September 2008 - X ZB 19/07, VergabeR 2009, 39 - Geschäftsgebühr im Nachprüfungsverfahren ). Dass die Zuerkennung der 2,3-fachen Gebühr für die Vertretung im Vergabeverfahren mit Blick auf die Kostenerstattung im (zweiten) Nachprüfungsverfahren zu einer Überzahlung geführt hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. März 2011 - VI ZR 63/10), macht die Revision nicht geltend.
24
3. Ohne Erfolg wendet die Revision sich dagegen, dass das Berufungsgericht der Klägerin auch die auf die Gebühren entfallende Umsatzsteuer zuerkannt hat. Ausweislich des vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Tatbestands des landgerichtlichen Urteils hat die Klägerin beide klageweise geltend gemachten Gebühren einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer verlangt. Streitiges Vorbringen dokumentieren weder die Entscheidung des Landgerichts noch das Berufungsurteil. Das entspricht, wie die Revisionserwiderung aufzeigt, dem Sach- und Streitstand schon bei Beendigung der ersten Instanz, nachdem die Klägerin dort nämlich erklärt hatte, sie sei nach dem Gegenstand der von ihr erbrachten Leistungen gemäß § 4 Nr. 17b UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Das Berufungsgericht hat demgegenüber keinen Sachverhalt festgestellt, aus dem sich die Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin ergäbe. Dass das Berufungsgericht hierzu Vortrag des Beklagten übergangen hätte, macht die Revision ebenfalls nicht geltend.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Grabinski
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 02.06.2010 - 36 O 25/10 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 28.10.2010 - 1 U 52/10 (Hs) -

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

16
Als auf Ersatz des Erfüllungsinteresses gerichteter Schadensersatzanspruch kann das Begehren jedenfalls aus Kausalitätsgründen nach der Rechtsprechung des Senats nur gerechtfertigt sein, wenn davon auszugehen ist, dass der Kläger bei in jeder Hinsicht ordnungsgemäßem Vergabeverfahren den Auftrag hätte erhalten müssen (Sen.Urt. v. 18.9.2007 - X ZR 89/04, Tz. 8, VergabeR 2008, 69 m.w.N.).
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II. Das Berufungsurteil kann keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass das Angebot der Klägerin von den Vorgaben der Ausschreibung abweichen kann und nach ständiger Rechtsprechung des Senats gegebenenfalls hätte ausgeschlossen werden müssen. Das Berufungsgericht hätte der Klägerin nicht dem Grunde nach positives Interesse zusprechen dürfen, ohne zuvor die Ausschreibungskonformität ihres Angebots zu prüfen. Anlass zu dieser Prüfung bestand nach dem für die Revision maßgeblichen Sachverhalt unter zwei Aspekten, die jeder für sich gegebenenfalls zu einem Ausschluss des Angebots der Klägerin und zur Abweisung ihrer Schadensersatzklage führen können.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.

(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

17
Aus dieser Vertragsverletzung folgt jedoch kein Unterlassungsanspruch des Klägers hinsichtlich künftiger Kartenkäufe. § 280 Abs. 1 BGB kann zwar neben dem Anspruch auf Schadensersatz grundsätzlich auch einen Unterlassungsanspruch begründen. Ein solcher Anspruch kommt in Betracht, solange die Verletzungshandlung im konkreten Vertragsverhältnis noch andauert bzw. der daraus resultierende Schaden noch nicht irreparabel ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.1995 - III ZR 136/93, NJW 1995, 1284, 1285; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 280 Rdn. 33; Erman/H.P. Westermann, BGB, 12. Aufl., § 280 Rdn. 25; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 53). Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch kann dem Kläger danach im vorliegenden Fall aber jeweils nur hinsichtlich des Weiterverkaufs konkreter Eintrittskarten zustehen, welche die Beklagten bereits gekauft, aber noch nicht weiterverkauft haben. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erwerben die Beklagten die Karten stets auf der Grundlage gesonderter Verträge. Der Kläger begehrt aber allgemein Unterlassung im Hinblick auf die Verletzung künftiger noch nicht geschlossener Verträge. Dafür gibt es im Vertragsrecht keine Grundlage. § 280 Abs. 1 BGB setzt das Bestehen eines Schuldverhältnisses voraus.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.

(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.

(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von

1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn
a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und
b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in
a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder
b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.