Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juni 2010 - VIII ZR 280/09

bei uns veröffentlicht am16.06.2010
vorgehend
Amtsgericht Lichtenberg, 3 C 39/08, 23.07.2008
Landgericht Berlin, 65 S 298/08, 22.09.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 280/09 Verkündet am:
16. Juni 2010
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 133 C, 157 Ge
Haben die Mietvertragsparteien vereinbart, dass der Mieter die anteiligen Kosten für
künftige Schönheitsreparaturen nach einem Kostenvoranschlag des Vermieters oder
eines Fachbetriebs zu zahlen hat, so schuldet der Mieter den Abgeltungsbetrag einschließlich
der Umsatzsteuer.
BGH, Urteil vom 16. Juni 2010 - VIII ZR 280/09 - LG Berlin
AG Berlin-Lichtenberg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball und den Richter
Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger sowie die Richter Dr. Achilles und
Dr. Schneider

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 22. September 2009 - auch im Kostenpunkt - aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Lichtenberg vom 23. Juli 2008 geändert, soweit die Klägerin auf die Widerklage verurteilt worden ist, an die Beklagten einen die Summe von 387,70 € nebst Zinsen übersteigenden Betrag zu zahlen. Im Umfang der Aufhebung wird die Widerklage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Klägerin 60 %, die Beklagten 40 % zu tragen. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagten.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten waren seit 1. Juli 2004 Mieter einer Wohnung der Klägerin in B. . Das Mietverhältnis endete aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten zum 31. Mai 2007. Am 14./20. Februar 2007 schlossen die Parteien eine Vereinbarung, in der unter anderem folgende Änderung des das Mietverhältnis begründenden Formularmietvertrages vom 18. Mai 2004 geregelt ist: " ... 2. Folgender § 11 wird Bestandteil des Mietvertrages: § 11 Schönheitsreparaturen 1. Die erforderlichen Schönheitsreparaturen während der Mietdauer übernimmt auf eigene Kosten der Mieter. ... 2. Die Schönheitsreparaturen werden im Allgemeinen nach Ablauf folgender Zeiträume erforderlich sein: in Küchen, Bädern und Duschen alle drei Jahre, ... in Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten alle fünf Jahre. ... 3. Endet das Mietverhältnis vor Fälligkeit der Schönheitsreparaturen, ist der Mieter verpflichtet, die anteiligen Kosten für die Schönheitsreparaturen entsprechend dem Kostenvoranschlag des Vermieters oder eines vom Vermieter eingeholten Kostenvoranschlags eines Fachbetriebes zu zahlen. Der Mieter ist berechtigt, ebenfalls einen Kostenvoranschlag eines Fachbetriebes vorzulegen, wobei dieser nur berücksichtigt wird, wenn er günstiger ist als der des Vermieters. Dem Mieter ist es unbenommen, seiner anteiligen Zahlungsverpflichtung dadurch zuvorzukommen, dass er vor dem Ende des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen in kostensparender Eigenarbeit fachgerecht ausführt oder ausführen lässt. ..."
2
Im Zuge der Rückgabe der Wohnung am 1. Juni 2007 entstand zwischen den Parteien Streit über von der Klägerin behauptete, von den Beklagten verursachte Beschädigungen der Mietsache, die nach dem Vortrag der Klägerin eine nahtlose Weitervermietung der Wohnung verhinderten.
3
Nach Verrechnung mit der von den Beklagten gestellten Kaution in Höhe von 1.219,50 € hat die Klägerin mit der vorliegenden Klage erstinstanzlich restlichen Schadensersatz in Höhe von 595,47 € sowie einen Mietausfallschaden in Höhe von 928 €, insgesamt 1.523,47 € geltend gemacht. Die Beklagten begehren mit ihrer Widerklage die Rückzahlung der Kaution in Höhe von 1.219,50 €. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagten 469,35 € zu bezahlen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihr auf 892,67 € reduziertes Klagebegehren sowie die Abweisung der Widerklage weiterverfolgt. Das Landgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagten unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels verurteilt, an die Klägerin 449,09 € zu bezahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Verurteilung der Klägerin auf die Widerklage hatte in der Berufungsinstanz Bestand. Beide Vorinstanzen haben der Klägerin hierbei einen Anspruch auf quotale Abgeltung bezüglich der bei Auszug noch nicht fälligen Schönheitsreparaturen in Höhe von 429,76 € (netto) zuerkannt, nicht jedoch die auf diesen Betrag entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 81,65 €.
4
Mit ihrer vom Berufungsgericht beschränkt zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Abweisung der Widerklage, soweit sie verurteilt worden ist, an die Beklagten einen die Summe von 387,70 € nebst Zinsen übersteigenden Betrag zu zahlen.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt:
7
Mehr als die erstinstanzlich bereits zuerkannte Summe, die das Amtsgericht aufgrund der individualvertraglich vereinbarten, wirksamen Quotenabgeltungsregelung ermittelt habe, könne die Klägerin von den Beklagten für die Anstricharbeiten nicht verlangen. Insbesondere schuldeten die Beklagten die Umsatzsteuer auf den im Übrigen zutreffend ermittelten Abgeltungsbetrag nicht. Dies folge aus dem Wesen der Abgeltungsklausel. Deren Grundlage sei die Zahlung eines Betrages für fiktiv ermittelte Kosten, die eine bestimmte eingetretene Abnutzung der Mietsache ausgleichen sollten. Der Betrag, der von dem Mieter für die wirksam auf ihn abgewälzten Schönheitsreparaturen zu zahlen sei, sei ein Teil des Entgelts für die Überlassung der Wohnung, der in die gesamte Mietkalkulation des Vermieters einfließe. Auch wenn der Anspruch auf die Abgeltung anteiliger Abnutzung im Rahmen einer wirksamen Quotenabgeltungsklausel keinen Schadensersatz darstelle, auf den sich die Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB unmittelbar beziehe, spreche hier der sich aus der genannten Regelung ergebende Rechtsgedanke gegen die Berücksichtigung tatsächlich nicht entstandener Umsatzsteuer. Auch wenn es sich um einen Erfüllungsanspruch handelte, stünde dem Vermieter Umsatzsteuer nur dann zu, wenn diese überhaupt anfiele. Das sei hier nicht der Fall. Auf die Wohnungsmiete sei Umsatzsteuer nicht zu zahlen. Als Teil des vom Mieter geschuldeten Entgelts für die Wohnungsnutzung falle damit auch für die quotale Abgeltung keine Umsatzsteuer an.

II.

8
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
1. Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen beruht die grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines auf ihre Mietzeit bezogenen quotalen Abgeltungsbetrages für die bei Ende des Mietverhältnisses noch nicht fälligen Schönheitsreparaturen auf der wirksamen Individualvereinbarung der Parteien vom 14./20. Februar 2007. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
10
2. Die Beklagten sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verpflichtet, auch die Umsatzsteuer in Höhe von 81,65 € auf den errechneten Abgeltungsbetrag zu zahlen. Dies ergibt die Auslegung der Individualvereinbarung vom 14./20. Februar 2007 (§§ 133, 157 BGB). Da das Berufungsgericht eine Auslegung der Vereinbarung unterlassen hat und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat diese selbst vornehmen (BGHZ 65, 107, 112; Senatsurteil vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 387/04, WuM 2007, 443, Tz. 10).
11
Nach dem Wortlaut der Vereinbarung hat der Mieter "die anteiligen Kosten für die Schönheitsreparaturen entsprechend dem Kostenvoranschlag des Vermieters oder eines vom Vermieter eingeholten Kostenvoranschlags eines Fachbetriebs zu zahlen". Die Vereinbarung sieht weiter vor, dass es dem Mieter unbenommen bleibt, einen günstigeren Kostenvoranschlag eines Fachbetriebs vorzulegen.
12
Aus diesem Wortlaut erschließt sich zweifelsfrei, dass ein Kostenvoranschlag auf Bruttobasis, also einschließlich der Umsatzsteuer, jedenfalls eine zulässige Grundlage der Berechnung des Abgeltungsbetrags sein sollte. Denn der Kostenvoranschlag eines Fachbetriebs weist regelmäßig, da es sich um einen Leistungsaustausch handelt, Umsatzsteuer aus. War damit nach dem Willen der Parteien eine Berechnung des Quotenabgeltungsbetrags auf Bruttobasis zulässig, kann dieses von den Parteien in vertragsautonomer Entscheidung getroffene Ergebnis entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit der Erwägung in Frage gestellt werden, dass die Abwälzung der Schönheitsreparaturen einen Teil des Mietentgelts für die Gebrauchsüberlassung der Mieträume darstelle und für die Miete keine Umsatzsteuer zu zahlen sei.
13
3. Das Berufungsurteil erweist sich, soweit es der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt, auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
14
Die Revisionserwiderung ist der Auffassung, dass das Amtsgericht - vom Berufungsgericht unbeanstandet - die von der Klägerin vorgelegte Kostenaufstellung nicht habe unkritisch als Kostenvoranschlag werten und "fortschreiben" dürfen, indem es dort aufgelistete von der Klägerin behauptete Schadensersatzforderungen bezüglich der Türzarge der Eingangstür in die quotale Abgeltung einbezogen habe. Die Revisionserwiderung lässt bei ihrer Betrachtung unberücksichtigt, dass beide Vorinstanzen die Stoßstellen an den Türen und Türzargen nicht als Beschädigungen, sondern als normale, durch vertragsgemäßen Gebrauch verursachte Abnutzung angesehen haben. Daraus folgt, dass die von der Klägerin als Schadensersatz geltend gemachten Lackierungskosten in den quotalen Abgeltungsbetrag einzubeziehen sind. Auch mit dem weiteren Einwand, die Klägerin habe keinen Kostenvoranschlag vorgelegt, sondern lediglich eine Kostenaufstellung, die auch schadensrechtliche Elemente enthalte, kann die Revisionserwiderung nicht durchdringen, denn der Kostenaufstellung vom 6. November 2007 können die für die Berechnung des quotalen Abgelttungsbetrags notwendigen Elemente wie Art und Umfang der auszuführenden Arbeiten, Einheitspreise, Anzahl der erforderlichen Arbeitsstunden und Umsatzsteuer entnommen werden.

III.

15
Das Berufungsurteil ist daher nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Da keine tatsächlichen Feststellungen mehr zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). In Höhe des der Klägerin zustehenden Umsatzsteuerbetrages ist die Widerklage abzuweisen. Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider
Vorinstanzen:
AG Berlin-Lichtenberg, Entscheidung vom 23.07.2008 - 3 C 39/08 -
LG Berlin, Entscheidung vom 22.09.2009 - 65 S 298/08 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juni 2010 - VIII ZR 280/09

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juni 2010 - VIII ZR 280/09

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juni 2010 - VIII ZR 280/09 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juni 2010 - VIII ZR 280/09 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juni 2010 - VIII ZR 280/09 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juni 2007 - VIII ZR 387/04

bei uns veröffentlicht am 13.06.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 387/04 Verkündet am: 13. Juni 2007 Ermel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juni 2010 - VIII ZR 280/09.

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Feb. 2017 - VIII ZR 59/16

bei uns veröffentlicht am 15.02.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 59/16 Verkündet am: 15. Februar 2017 Ermel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGH

Referenzen

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 387/04 Verkündet am:
13. Juni 2007
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Vereinbaren die Parteien eines Mietvertrages, dass der Mieter an der Mietsache
Veränderungen vornehmen darf, die ausschließlich in seinem eigenen Interesse liegen
, kann von einem stillschweigenden Einverständnis der Parteien auszugehen
sein, dass der Mieter hierfür keinen Aufwendungsersatz beanspruchen kann.
BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 387/04 - LG Görlitz
AG Görlitz
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen
, die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger und den Richter Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landgerichts Görlitz - 2. Zivilkammer - vom 22. September 2004 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Görlitz vom 24. Februar 2004 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Mit Mietvertrag vom 1. Oktober 1982 hatten die Kläger von der Beklagten ein Einfamilienhaus in Görlitz gemietet. Das Mietverhältnis war für die Zeit der Beschäftigung des Klägers zu 2 bei dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus geschlossen und endete mit der Pensionierung des Klägers zu 2 zum 31. März 2003. Die zum Gebäude gehörenden Freiflächen - die zu Beginn des Mietverhältnisses unbepflanzt waren - durften die Kläger gemäß § 2 Nr. 3 des Mietvertrages nach individuellen Wünschen und in Abstimmung mit den Grundstücksnachbarn gestalten.
2
Die Kläger nehmen die Beklagten wegen der von ihnen während der Mietzeit auf den Freiflächen gepflanzten Bäume und Sträucher, die aufgrund ihres Alters oder ihrer Größe nicht mehr umgepflanzt werden können, auf Zahlung von 2.623,55 € nebst Zinsen in Anspruch.
3
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.

I.

5
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
6
Bei den von den Klägern auf dem Grundstück der Beklagten gepflanzten und nicht mehr umpflanzbaren Bäumen und Sträuchern handele es sich um Aufwendungen auf die Mietsache, deren Wert im Sinne des derzeitigen Verkehrswertes von 2.623,55 € die Beklagte nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 539 Abs. 1, § 670, § 683 Satz 1 BGB) zu ersetzen habe. Die Bepflanzung der Freifläche sei jedenfalls auch im Sinne der Beklagten erfolgt, da die Begrünung von zu einem Einfamilienhaus gehörenden Freiflächen immer auch eine Wertsteigerung bedeute und im Regelfall kein Vermieter ein Interesse daran haben könne, dass das zu seinem Haus gehörende Grundstück verwildere.

II.

7
Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8
Die Kläger können von der Beklagten wegen der von ihnen während der Mietzeit angepflanzten und zum Ende der Mietzeit nicht mehr umpflanzbaren Bäume und Sträucher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keinen Aufwendungsersatz beanspruchen.
9
1. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht nicht danach unterschieden hat, ob die Bäume und Sträucher vor oder nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 gepflanzt worden sind. Nur wenn die Bäume und Sträucher nach dem Beitritt gepflanzt worden sind, ist die Frage der Ersatzpflicht - wie das Berufungsgericht angenommen hat - nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu beurteilen. Sind die Bäume und Sträucher hingegen vor dem Beitritt gepflanzt worden, bestimmt sich die Ersatzpflicht nach dem Zivilgesetzbuch (vgl. BGHZ 134, 170, 175; BGH, Urteil vom 17. März 1999 - XII ZR 101/97, WM 1999, 1136, unter 3). Darauf kommt es letztlich aber nicht an.
10
2. Die danach in Betracht kommenden Ansprüche aus § 539 Abs. 1, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. aus § 30 Abs. 1 Satz 3, § 112 Abs. 3 Satz 1 ZGB sind schon deshalb nicht begründet, weil eine Auslegung des Mietvertrages ergibt, dass die Parteien Ansprüche auf Aufwendungsersatz für die Gestaltung der Freiflächen abbedungen haben (vgl. Senatsurteil vom 13. Oktober 1959 - VIII ZR 193/58, WM 1959, 1369, unter I 2). Der Senat kann den Mietvertrag selbst auslegen, da das Berufungsgericht dies unterlassen hat und weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind (vgl. BGHZ 65, 107, 112; BGH, Urteil vom 12. Februar 1997 - V ZR 250/96, WM 1998, 626, unter II 3).
11
Der Mietvertrag regelt in § 2 Nr. 3 nur, dass der Mieter die zum Gebäude gehörenden Freiflächen nach individuellen Wünschen und in Abstimmung mit den Grundstücksnachbarn gestalten darf. Er sieht aber nicht vor, dass der Mieter den Ersatz von Aufwendungen für die Gestaltung der Freiflächen verlangen kann. Lediglich hinsichtlich baulicher Veränderungen durch die Mieter bestimmt § 5 Nr. 1 Satz 3 des Mietvertrages, dass der Mieter die Anlagen bei Auszug dem Vermieter oder dem nachfolgenden Mieter gegen angemessene Werterstattung übergibt oder sie aus der Mietsache entfernt. Bei den Anpflanzungen auf den Freiflächen handelt es sich nicht um bauliche Veränderungen im Sinne dieser Regelung. Denn darunter sind - ebenso wie bei den Bestimmungen der §§ 111 und 112 ZGB über bauliche Veränderungen durch den Mieter, deren Wortgebrauch die Regelung in § 5 Nr. 1 des Mietvertrages übernimmt - nur Veränderungen am Baukörper der Wohnung zu verstehen (vgl. Kommentar zum ZGB [1985], § 111 ZGB Anm. 1; Zivilrecht, Lehrbuch [1981], S. 305).
12
Dass der Mietvertrag dem Mieter die Gestaltung der Freiflächen nach seinen individuellen Wünschen gestattet, insoweit aber - im Gegensatz zu baulichen Veränderungen - keinen Anspruch des Mieters auf Aufwendungsersatz vorsieht, lässt bei einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. BGHZ 152, 153, 156; BGHZ 131, 136, 138) auf den Willen der Parteien schließen, dass die Kläger die Kosten für die Gestaltung der Freiflächen selbst tragen und Ansprüche der Kläger auf den Ersatz von Aufwendungen insoweit ausgeschlossen sein sollen. Denn es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Vermieter, der dem Mieter erlaubt, die Mietsache nach dessen individuellen Wünschen und in dessen eigenem Interesse zu verändern, auch noch verpflichtet sein soll, dem Mieter die Aufwendungen hierfür zu ersetzen.
13
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann daraus, dass - wie das Berufungsgericht meint - die Begrünung von zu einem Einfamilienhaus gehörenden Freiflächen immer auch eine Wertsteigerung bedeute und im Regelfall kein Vermieter ein Interesse an der Verwilderung des zu seinem Haus gehörenden Grundstücks haben könne, nicht geschlossen werden, dass die Bepflanzung der Freiflächen durch die Kläger jedenfalls auch "im Sinne" der Beklagten erfolgte. Die Revision macht zutreffend geltend, dass dieser Gedanke schon deshalb nicht tragfähig ist, weil das Fehlen einer Bepflanzung nicht mit einer Verwilderung eines Grundstücks gleichgesetzt werden kann und weil nicht jede Begrünung den Grundstückswert steigert, da die von dem einen Nutzer als schön empfundene und damit als wertvoll angesehene Pflanzung von dem anderen Nutzer als unansehnlich und damit wertlos oder sogar den Wert des Grundstücks mindernd angesehen werden kann.

III.

14
Das angefochtene Urteil kann demnach keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist zur Endentscheidung reif, da es weiterer tatsächlicher Feststel- lungen nicht bedarf. Auf die Revision der Beklagten ist daher das Berufungsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Ball Dr. Frellesen Hermanns Dr. Milger Dr. Koch
Vorinstanzen:
AG Görlitz, Entscheidung vom 24.02.2004 - 1 C 858/03 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 22.09.2004 - 2 S 39/04 -

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.