Bundesgerichtshof Urteil, 11. März 2004 - VII ZR 339/02

published on 11/03/2004 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 11. März 2004 - VII ZR 339/02
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VII ZR 339/02 Verkündet am:
11. März 2004
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Das Gericht darf Mängelbeseitigungskosten gemäß § 287 ZPO nur aufgrund greifbarer
Anhaltspunkte schätzen.
BGH, Versäumnisurteil vom 11. März 2004 - VII ZR 339/02 - KG
LG Berlin
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter
Hausmann, Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Teilurteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 31. Juli 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn aus einem mit dem Beklagten unter Einbeziehung der VOB/B geschlossenen Bauvertrag über die schlüsselfertige Erstellung einer Wohnanlage. Sie hat 724.039,57 DM und Zinsen eingeklagt. Der Beklagte hat sich u.a. auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln berufen. Das Landgericht hat der Klägerin 675.672,29 DM und Zinsen zugesprochen. Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 300.000 DM und Zinsen gerichtet hat. Dagegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Beurteilung richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß vorbehaltlich des Ergebnisses der noch durchzuführenden Beweisaufnahme 15 Baumängel vorliegen können. Es schätzt die Kosten für die Beseitigung auf Einzelbeträge zwischen 500 DM und 30.000 DM, insgesamt auf 112.000 DM. Unter Berücksichtigung eines Druckzuschlags könne dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 336.000 DM zustehen. Nur insoweit und außerdem noch wegen einer möglichen Reduzierung der Werklohnforderung um rund 28.000 DM könne die Berufung des Beklagten Erfolg haben. 675.672,29 DM seien noch im Streit. Jedenfalls in Höhe von 300.000 DM sei die Klage daher begründet.

II.

Dagegen wendet sich die Revision zu Recht. Die Schätzung der Mängelbeseitigungskosten ist verfahrensfehlerhaft. Ein Teilurteil durfte danach nicht erlassen werden. 1. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Schätzung der Höhe der Mängelbeseitigungskosten auf DM 112.000 ist unzulässig. Eine Schätzung
nach § 287 ZPO darf nur vorgenommen werden, wenn und soweit die festgestellten Umstände hierfür eine genügende Grundlage abgeben. Sie hat zu unterbleiben , wenn greifbare Anhaltspunkte fehlen (st. Rspr., z.B. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1987 - III ZR 197/86, NJW-RR 1988, 410). Das Berufungsgericht legt nicht dar, welche tatsächlichen Umstände es seiner Schätzung zugrunde legt. Es weist selbst darauf hin, daß sich weder aus den vom Beklagten vorgelegten Privatgutachten noch aus dem sonstigen Vortrag der Parteien Anhaltspunkte für die Höhe der Mängelbeseitigungskosten ergeben. Damit ist für eine Schätzung kein Raum. Vielmehr hat eine weitere Sachaufklärung zur Kostenhöhe zu erfolgen. Dabei ist es nicht Sache des Beklagten , der sich auf das Leistungsverweigerungsrecht stützt, seinerseits näher zur Höhe der Mängelbeseitigungskosten vorzutragen (BGH, Urteil vom 4. Juli 1996 – VII ZR 125/95, BauR 1997, 133). 2. Unter diesen Umständen durfte das Berufungsgericht auch kein Teilurteil erlassen, denn es besteht die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02, BauR 2003, 753, 754 = ZfBR 2003, 354, 355 = NZBau 2003, 278). Es ist zumindest nicht auszuschließen , daß die noch durchzuführende Beweisaufnahme höhere Kosten, als sie bisher vom Berufungsgericht angenommen wurden, ergibt und sich daher der vom Berufungsgericht zuerkannte Teilbetrag als zu hoch erweist. Unter diesen Umständen liegen auch die Voraussetzungen nicht vor, unter denen der Bundesgerichtshof (Urteil vom 23. Januar 1996 – VI ZR 387/94, NJW 1996, 1478) ausnahmsweise bei Schätzung eines Mindestschadens ein Teilurteil für zulässig erachtet hat.

III.

Das Berufungsurteil kann somit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben , die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird auch die weiteren Rügen der Revision, auf die es im Revisionsverfahren nicht mehr ankommt, zu bedenken haben.
Dressler Hausmann Wiebel Kniffka Bauner
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(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e
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Annotations

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.