Bundesgerichtshof Urteil, 28. Jan. 2020 - VI ZR 92/19

bei uns veröffentlicht am28.01.2020
vorgehend
Amtsgericht Mitte, 15 C 161/17, 15.11.2017
Landgericht Berlin, 6 S 9/17, 07.02.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 92/19 Verkündet am:
28. Januar 2020
Olovcic
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Die in § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB kodifizierte Pflicht des Behandlers zur wirtschaftlichen
Information des Patienten soll den Patienten vor finanziellen
Überraschungen schützen und ihn in die Lage versetzen, die wirtschaftliche
Tragweite seiner Entscheidung zu überschauen. Sie zielt allerdings nicht auf
eine umfassende Aufklärung des Patienten über die wirtschaftlichen Folgen
einer Behandlung.

b) Der Arzt, der eine neue, noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode
anwendet, muss die Möglichkeit in den Blick nehmen, dass der private
Krankenversicherer die dafür erforderlichen Kosten nicht in vollem Umfang
erstattet.

c) Die Beweislast dafür, dass sich der Patient bei ordnungsgemäßer Information
über die voraussichtlichen Behandlungskosten gegen die in Rede stehende
medizinische Behandlung entschieden hätte, trägt nach allgemeinen
Grundsätzen der Patient. Eine Beweislastumkehr erfolgt nicht.
BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 - VI ZR 92/19 - LG Berlin
AG Berlin-Mitte
ECLI:DE:BGH:2020:280120UVIZR92.19.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2020 durch den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterinnen von Pentz, Dr. Oehler, Dr. Roloff und den Richter Dr. Klein
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 7. Februar 2019 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau die Rückzahlung des von ihr für eine Krampfadertherapie gezahlten ärztlichen Behandlungshonorars wegen Verletzung der Pflicht zur wirtschaftlichen Information.
2
Der Beklagte ist Chirurg. Er leitet ein ambulantes Venenzentrum, das auf die minimalinvasive Behandlung von Venenleiden spezialisiert ist. Am 10. Dezember 2013 ließ die Ehefrau des Klägers (nachfolgend: Patientin) beim Beklagten eine Behandlung ihrer Krampfadern nach dem "VenaSeal closure System" durchführen. Diese neu entwickelte Behandlungsmethode zielt auf einen dauerhaften Verschluss der erkrankten Venen durch die Einbringung von BioKlebstoff ab. Zu diesem Zweck wird über eine kleine Eintrittsstelle ein Katheter in die Vene eingeführt, über den der Klebstoff nach und nach abgegeben wird. Eine Narkose ist nicht erforderlich. Hautschnitte werden nicht vorgenommen, so dass keine Narben entstehen. Nach dem Eingriff ist auch das Tragen vom Kompressionsstrümpfen nicht notwendig.
3
Der Behandlung lag eine von der Patientin am 20. November 2013 unterzeichnete "Einverständniserklärung, Behandlungsvertrag für neue Therapieverfahren" zugrunde, in der es u.a. heißt: "Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient, vor Beginn der therapeutischen Behandlung bitten wir Sie, Ihr Einverständnis zu den unten genannten erweiterten Vertragsbestandteilen für nicht in der GOÄ gelistete Therapieverfahren zu geben. … Behandlungsvertrag Ich erkläre mich mit der Durchführung eines minimalinvasiven endovenösen Therapieverfahrens (zB VNUS, Radiallaser, RFITT, Duplex-Mikroschaum) einverstanden. Ich erkläre, zahlungswillig und zahlungsfähig zu sein. Ich wurde darüber aufgeklärt, dass die genannten Therapieverfahren in der gegenwärtig gültigen Fassung der GOÄ nicht gelistet sind und deshalb eine sogenannte Analogabrechnung, angelehnt an die GOÄ-Ziffern, durchgeführt wird. Ich wurde darüber aufgeklärt, dass die PKV unter Umständen nicht alle Gebührenziffern der analogen GOÄ-Rechnung anerkennen wird…. Ich wurde darüber informiert, dass die Rechnungslegung … sich eng an die GOÄ anlehnt, damit weitgehend ein Zahlungsausgleich durch die PKV erfolgen kann."
4
Die Patientin zahlte für die Behandlung einen Betrag in Höhe von 3.517,50 €. Der private Krankenversicherer der Patientin lehnte eine Kostenerstattung mit der Begründung ab, dass es sich bei der als alternative Methode zum Venenstripping und Venenlasern durchgeführten Behandlung um ein wissenschaftlich nicht etabliertes Verfahren handle und eine medizinische Notwendigkeit nicht erkennbar sei. Die Patientin nahm ihren privaten Krankenversicherer daraufhin in einem Vorprozess auf Kostenerstattung in Anspruch. Der Beklagte trat dem Rechtsstreit auf Seiten der Patientin bei. Mit rechtskräftigem Urteil vom 20. Januar 2017 wies das Amtsgericht die Klage mit der Begründung ab, die durchgeführte Behandlung sei zum Behandlungszeitpunkt von der Schulmedizin nicht überwiegend anerkannt gewesen. Die schulmedizinische Methode sei das Venenstripping oder Venenlasern. Es habe sich auch nicht um eine Behandlungsmethode gehandelt, die sich zum damaligen Zeitpunkt in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt habe.
5
Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger die (Rück-)Zahlung der Behandlungskosten. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Nach Auffassung des Landgerichts steht dem Kläger aus abgetretenem Recht der Patientin ein auf Rückzahlung des Behandlungshonorars gerichteter Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus § 280 Abs. 1, §§ 630c Abs. 3, 398 BGB zu. Der Beklagte habe die Patientin entgegen seiner Verpflich- tung aus § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB nicht vor Behandlungsbeginn über die voraussichtlichen Behandlungskosten informiert, obwohl er hinreichende Anhaltspunkte gehabt haben müsse, dass die Übernahme der Kosten durch den privaten Krankenversicherer nicht gesichert gewesen sei. Zwar hätte er nicht bereits deshalb Zweifel an der Kostenübernahme haben müssen, weil ihm bekannt gewesen sei, dass für die streitgegenständliche Behandlung eine sogenannte Analogabrechnung nach GOÄ stattfinde. Denn eine solche Abrechnung sei in § 6 Abs. 2 GOÄ ausdrücklich vorgesehen, um der ständigen Fortentwicklung der medizinischen Wissenschaft Rechnung zu tragen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch den privaten Krankenversicherer nicht gesichert gewesen sei, hätten sich jedoch daraus ergeben, dass die angewandte Behandlungsmethode von der Schulmedizin nicht überwiegend anerkannt gewesen sei und sich in der Praxis noch nicht als ebenso erfolgversprechend bewährt habe. Eine Leistungspflicht bestehe in solchen Fällen grundsätzlich weder in der gesetzlichen noch in der privaten Krankenversicherung (vgl. § 4 Abs. 6 MB/KK 2009).
7
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts in seinem die Klage auf Übernahme der Behandlungskosten abweisenden Urteil vom 20. Januar 2017 hätten zum Behandlungszeitpunkt in Bezug auf das "VenaSeal closure System" keine ausreichenden Langzeiterfahrungen vorgelegen, um eine zuverlässige Prognose über den Erfolg der Behandlung stellen zu können. Wegen der Interventionswirkung aufgrund des Streitbeitritts in dem Vorprozess zwischen der Patientin und ihrem Versicherer sei der Beklagte an diese Feststellung gebunden. Im Gegensatz zu der Patientin habe der Beklagte Kenntnis über den wissenschaftlichen Diskussionsstand hinsichtlich des von ihm angewandten neuen Therapieverfahrens und die zum Behandlungszeitpunkt noch fehlenden Langzeitergebnisse haben müssen. Diese Kenntnis ergebe sich zwanglos aus seinen Publikationen, die er im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Venenzent- rums veröffentlicht habe. Sie folge außerdem aus der von ihm im Juli 2014 publizierten Verlaufsstudie über die Behandlung von 388 Stammvenen in einem Zeitraum von 18 Monaten. Aus seiner Sicht habe eine Kostenübernahme deshalb zweifelhaft sein müssen.
8
Der Vortrag des Beklagten, es fehlten nicht nur hinreichende Anhaltspunkte , an der Erstattungsfähigkeit der Behandlungskosten zu zweifeln, er habe vielmehr Kenntnis von der Praxis des Krankenversicherers der Klägerin gehabt, solche Kosten zu ersetzen, verhelfe der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, dass der Beklagte für diese bestrittene Behauptung keinen Beweis angeboten habe, stehe sie in offensichtlichem Widerspruch zu seiner Einlassung im Schriftsatz vom 28. August 2017, wonach ihm die Erstattungspraxis erst im Jahr 2016 zur Kenntnis gelangt sei. Aber auch wenn der Beklagte darüber informiert gewesen sei, dass der Krankenversicherer die Behandlungskosten für das "VenaSeal closure System" bisher im Einzelfall übernommen habe, habe er zugleich davon ausgehen müssen, dass aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage allenfalls eine Regulierung auf Kulanz erfolge und eine Änderung der Erstattungspraxis jederzeit eintreten könne.
9
Die Pflichtverletzung des Beklagten habe auch einen Vermögensschaden der Patientin verursacht. Der Beklagte sei beweisbelastet für seine Behauptung , die Patientin hätte sich auch dann für die kostenträchtige Behandlung mittels des "VenaSeal closure Systems" entschieden, wenn sie zuvor über die voraussichtlichen Behandlungskosten informiert worden wäre. Zwar trage grundsätzlich der Anspruchsteller die Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen, so auch für die haftungsbegründende Kausalität. Auf die Verletzung der Pflicht zur wirtschaftlichen Information sei aber die vom XI. Zivilsenat entwickelte Rechtsprechung zur Beweislastumkehr in Kapitalanlagefällen zu übertragen mit der Folge, dass der Behandler beweispflichtig dafür sei, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtmäßig verhalten, der Patient Hinweise auf die Behandlungskosten also unbeachtet gelassen hätte. Es komme insbesondere nicht darauf an, ob für den Patienten vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative bestanden hätte. Der Zweck der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht, dem Ersatzberechtigten eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen, werde nur erreicht, wenn Unklarheiten, die durch eine Aufklärungspflichtverletzung bedingt seien, zu Lasten des Aufklärungspflichtigen gingen.

II.

10
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann ein Schadensersatzanspruch der Patientin aus § 280 Abs. 1, § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB, der gemäß § 398 BGB auf den Kläger übergegangen wäre, nicht bejaht werden.
11
1. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass zwischen der Patientin und dem Beklagten ein Behandlungsvertrag zustande gekommen ist, auf den die am 26. Februar 2013 in Kraft getretenen Bestimmungen der §§ 630a ff. BGB anwendbar sind.
12
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass der Beklagte seine Pflicht zur wirtschaftlichen Information der Patientin aus § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB verletzt hat.
13
a) Gemäß § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB muss der Behandelnde den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behand- lung in Textform informieren, wenn er weiß, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder sich hierfür nach den Umständen hinreichende Anhaltspunkte ergeben. Diese Bestimmung knüpft an die vom Senat entwickelte wirtschaftliche Aufklärungspflicht an (vgl. Senatsurteile vom 9. Mai 2000 - VI ZR 173/99, VersR 2000, 999, juris Rn. 33; vom 27. Oktober 1987 - VI ZR 288/86, BGHZ 102, 106, juris Rn. 17; vom 1. Februar 1983 - VI ZR 104/81, VersR 1983, 443, juris Rn. 8, 11; BT-Drucks. 17/10488, S. 9 li. Sp., S. 10 re. Sp., S. 22 li. Sp.). Die in § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB kodifizierte Pflicht zur wirtschaftlichen Information soll den Patienten vor finanziellen Überraschungen schützen und ihn in die Lage versetzen, die wirtschaftliche Tragweite seiner Entscheidung zu überschauen (vgl. BT-Drucks. 17/10488, S. 22 li. Sp.; Senatsurteile vom 9. Mai 2000 - VI ZR 173/99, VersR 2000, 999, juris Rn. 33; vom 1. Februar 1983 - VI ZR 104/81, VersR 1983, 443, juris Rn. 9; OLG Stuttgart, VersR 2013, 583, juris Rn. 5). Sie zielt allerdings nicht auf eine umfassende Aufklärung des Patienten über die wirtschaftlichen Folgen einer Behandlung (MünchKommBGB/Wagner, 8. Aufl., § 630c Rn. 57; vgl. BT-Drucks. 17/10488, S. 22 re. Sp.; BeckOK BGB/Katzenmeier, § 630c Rn. 19 [Stand: 1. November 2019]). Den Grund für die wirtschaftliche Informationspflicht sieht der Gesetzgeber dabei in einem Wissensvorsprung des Behandlers gegenüber dem Patienten (vgl. BT-Drucks. 17/10488, S. 22 li. Sp.).
14
b) Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB ist zwischen gesetzlich und privat versicherten Patienten zu differenzieren. Ein Vertragsarzt wird regelmäßig wissen, ob er für die eigenen Leistungen von der zuständigen Krankenkasse eine Vergütung erhält oder nicht. Denn er kennt die für den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung maßgeblichen Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses (§ 92 SGB V) aus seiner Abrechnungspraxis, da diese für die Leistungserbringer gemäß § 91 Abs. 6 SGB V verbindlich sind und gemäß § 94 Abs. 2 Satz 1 SGB V bekannt gemacht werden (vgl. BT-Drucks. 17/10488, S. 22 li. Sp.; MünchKommBGB/Wagner, 8. Aufl., § 630c Rn. 59; BeckOK BGB/Katzenmeier, § 630c Rn. 19 [Stand: 1. November 2019]; vgl. zur Bedeutung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG, Urteil vom 16. Dezember 2018 - B 1 KR 11/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 19, juris Rn. 14 ff.; vom 16. September 1997 - 1 RK 28795, BSGE 81, 54, juris Rn. 22 f.).
15
Demgegenüber stellt sich die Situation bei Patienten mit privater Krankenversicherung anders dar. Hier liegt die Kenntnis vom Umfang des Versicherungsschutzes grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Patienten. Der Deckungsschutz privat krankenversicherter Patienten ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Entscheidend sind vielmehr die Bedingungen des konkreten Versicherungsvertrags und die Regulierungspraxis des im Einzelfall zuständigen Versicherers , zu dem allein der Patient in einer vertraglichen Beziehung steht und bei dem dieser vorab eine vorherige Erstattungszusage einholen kann (BTDrucks. 17/10488, S. 22; MünchKommBGB/Wagner, 8. Aufl., § 630c Rn. 60). Gleiches gilt, soweit die Kosten von der Beihilfe getragen werden. Für sie sind je nach Anstellungskörperschaft (Bund, Länder) oder -anstalt unterschiedliche Vorschriften und Richtlinien maßgeblich. Deshalb ist bei der Annahme einer Informationspflicht in diesem Bereich grundsätzlich Zurückhaltung geboten (vgl. BT-Drucks. 17/10488, S. 22; BeckOK BGB/Katzenmeier, § 630c Rn. 18 f. [Stand: 1. November 2019]; MünchKommBGB/Wagner, 8. Aufl., § 630c Rn. 54 f., 60; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl., BGB § 630c Rn. 33).
16
c) Nach diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte verpflichtet war, die Patientin vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der von ihm angewandten "VenaSeal closure" Methode zu informieren.
17
aa) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , aus den Umständen des Streitfalles hätten sich für den Beklagten hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch den privaten Krankenversicherer der Patientin nicht gesichert gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht dem Beklagten dabei weder eine umfassende Kenntnis der Vertragsbedingungen der Patientin unterstellt noch die in § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB verankerte wirtschaftliche Informationspflicht zu einer Pflicht zur Rechtsdienstleistung durch den Behandler übersteigert. Zutreffend und von der Revision nicht beanstandet hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung aufgrund des Streitbeitritts des Beklagten im Vorprozess die dort getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt, wonach der Beklagte bei der Patientin ein nicht allgemein anerkanntes, den Korridor des medizinischen Standards verlassendes Behandlungskonzept angewandt hat. Das Verkleben der Venen nach der "VenaSeal Closure" Methode war im Behandlungszeitpunkt nicht überwiegend schulmedizinisch anerkannt und hatte sich mangels ausreichender Langzeiterfahrungen in der Praxis auch nicht als ebenso erfolgversprechend bewährt. Das Berufungsgericht hat weiter unangegriffen festgestellt, dass der Beklagte ausweislich der von ihm selbst im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des von ihm geleiteten Venenzentrums verfassten Publikationen und seiner im Juli 2014 veröffentlichten Fallstudie Kenntnis von dem wissenschaftlichen Diskussionsstand und den noch fehlenden Langzeitergebnissen hatte.
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Es begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage dieser tatsächlichen Feststellungen hinreichende Anhaltspunkte dafür angenommen hat, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch den privaten Krankenversicherer der Patientin nicht gesichert war. Denn der Arzt, der eine neue, noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode anwendet, muss die Möglichkeit in den Blick nehmen, dass der private Krankenversicherer die dafür erforderlichen Kosten nicht in vollem Umfang erstattet (vgl. auch MünchKommBGB/Wagner, 8. Aufl., § 630c Rn. 57 zur Kenntnis von Heilpraktikern und Homöopathen). Hierbei handelt es sich um eine rechtliche Würdigung und nicht - wie die Revision meint - um eine tatsächliche Frage, deren Beantwortung medizinischen Sachverstand voraussetzt. Dass der Beklagte diese Möglichkeit auch im Streitfall in Betracht gezogen hat, ergibt sich ohne weiteres aus der von der Klägerin am 20. November 2013 unterzeichneten formularmäßigen Einverständniserklärung, in der darauf hingewiesen wird, dass die private Krankenversicherung unter Umständen nicht alle Gebührenziffern der analogen GOÄ-Rechnung anerkennen werde und sich die Rechnungslegung eng an die GOÄ anlehne, damit ein Zahlungsausgleich durch die private Krankenversicherung weitgehend erfolgen könne.
19
Die Revision beanstandet in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht den Beklagten als beweisfällig für seine Behauptung angesehen hat, er habe im Aufklärungszeitpunkt Kenntnis von einer Praxis des Krankenversicherers der Patientin gehabt, die Kosten der streitgegenständlichen Behandlung zu erstatten. Der Senat hat die Verfahrensrüge geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
20
bb) Entgegen der Auffassung der Revision setzt die Informationspflicht des Behandelnden über den Wortlaut des § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB hinaus nicht die Feststellung voraus, dass der Patient keine Kenntnis von der Unsicherheit der Kostenübernahme hat und sich beim Krankenversicherer nicht bereits über dessen Erstattungsbereitschaft informiert hat. Wie sich aus der von der Revision zur Begründung ihrer Auffassung herangezogenen Passage der Gesetzesbegründung ergibt, handelt es sich bei der Kenntnis des Patienten vielmehr um einen Umstand, der die nach § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB an sich gegebene Informationspflicht gemäß § 630c Abs. 4 BGB ausnahmsweise ent- fallen lässt (vgl. BT-Drucks. 17/10488, S. 23 li. Sp. Abs. 1 a.E.; BeckOK BGB/ Katzenmeier, § 630c Rn. 22 [Stand: 1. November 2019]). Die Darlegungs- und Beweislast für einen solchen Umstand trägt aber der Behandelnde (BeckOK BGB/Katzenmeier, aaO). Die Revision zeigt keinen in den Tatsacheninstanzen übergangenen Sachvortrag auf, dem eine entsprechende Kenntnis der Patientin zu entnehmen wäre.
21
d) Die Information der Patientin war auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Verzichts gemäß § 630c Abs. 4 BGB ausnahmsweise entbehrlich. Entgegen der Auffassung der Revision ist der von der Patientin am 20. November 2013 unterzeichneten Einverständniserklärung, in der sie u.a. bestätigt hat, darüber aufgeklärt worden zu sein, dass die private Krankenversicherung unter Umständen nicht alle Gebührenziffern der analogen GOÄ-Rechnung anerkennen werde, kein Verzicht auf die ihr geschuldete Information über die voraussichtlichen Behandlungskosten zu entnehmen. Gemäß § 630c Abs. 4 BGB führt nur ein ausdrücklicher Verzicht zum Entfallen der Informationspflicht. Um eine Umgehung der Informationspflicht zu vermeiden, hat der Gesetzgeber einen stillschweigenden Verzicht nicht als ausreichend angesehen. Vielmehr sind an das Vorliegen eines Verzichts strenge Anforderungen zu stellen. Der Patient muss den Verzicht deutlich, klar und unmissverständlich geäußert haben (vgl. BT-Drucks. 17/10488, S. 22 f.; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl., BGB § 630c Rn. 44; BeckOK BGB/Katzenmeier, § 630c Rn. 22 [Stand: 1. November 2019]). Diesen Anforderungen genügt die von der Patientin am 20. November 2013 unterzeichnete Erklärung nicht.
22
e) Der Beklagte hat die ihm obliegende Pflicht zur wirtschaftlichen Information der Patientin verletzt. Er hat es unterlassen, ihr die voraussichtlichen Behandlungskosten in der gebotenen Form mitzuteilen.
23
3. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch einen Schaden der Patientin bejaht. Dieser liegt darin, dass die Kosten der ärztlichen Behandlung trotz der von der Patientin abgeschlossenen Krankenversicherung von ihr selbst zu tragen waren und nicht von ihrem Krankenversicherer übernommen wurden (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1983 - VI ZR 104/81, VersR 1983, 443 juris Rn. 9; vom 9. Mai 2000 - VI ZR 173/99, VersR 2000, 999, juris Rn. 33).
24
4. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Informationspflichtverletzung des Beklagten sei kausal für den Schaden der Patientin geworden. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten rechtsfehlerhaft die Beweislast auferlegt.
25
a) Besteht die Pflichtverletzung - wie im Streitfall - in einem Unterlassen, ist dieses für den Schaden nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte (Senatsurteil vom 7. Februar 2012 - VI ZR 63/11, BGHZ 192, 298 Ls. und Rn. 10; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Februar 1975 - VIII ZR 144/73, BGHZ 64, 46, juris Rn. 14). Die Beweislast hierfür trägt regelmäßig der Anspruchsteller (Senatsurteil vom 7. Februar 2012 - VI ZR 63/11, BGHZ 192, 298 Rn. 10). Denn nach allgemeinen Regeln ist es grundsätzlich seine Sache, die Entstehungsvoraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 280 Abs. 1 BGB - mithin auch den Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden - darzulegen und zu beweisen (BGH, Urteil vom 19. Februar 1975 - VIII ZR 144/73, BGHZ 64, 46, juris Rn. 14; MünchKommBGB/Wagner, 8. Aufl., § 630c Rn. 68, § 630h Rn. 7).
26
b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht insoweit eine Beweislastumkehr angenommen und den Beklagten als beweispflichtig dafür angesehen, dass die unterlassene Information für die Entscheidung der Patientin irrelevant war, dass sich die Patientin also auch bei ordnungsgemäßer Information nicht für eine der allgemein anerkannten Methoden zur Behandlung ihrer Krampfadern (Venenstripping , Venenlasern) entschieden, sondern dem "VenaSeal closure System" den Vorzug gegeben hätte.
27
aa) Zwar hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des I., II., VII. und VIII. Zivilsenats (BGH, Urteil vom 5. Juli 1973 - VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118, juris Rn. 23; vom 19. Februar 1975 - VIII ZR 144/73, BGHZ 64, 46, juris Rn. 14; vom 14. März 1988 - II ZR 302/87, NJW-RR 1988, 831, juris Rn. 5; vom 5. Mai 1988 - I ZR 151/86, NJW-RR 1988, 1066, juris Rn. 14) ausgesprochen, dass derjenige, der vertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, abweichend von den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass sich der Geschädigte bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht "aufklärungsrichtig" verhalten, den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte (Senatsurteile vom 28. März 1989 - VI ZR 157/88, VersR 1989, 700, juris Rn. 16; vom 22. November 1983 - VI ZR 85/82, BGHZ 89, 95, juris Rn. 17; vgl. auch Senatsurteile vom 10. November 1970 - VI ZR 83/69, VersR 1971, 227, juris Rn. 27; vom 2. Dezember 1980 - VI ZR 175/78, VersR 1981, 278, juris Rn. 24; vom 7. Juli 1987 - VI ZR 193/86, juris Rn. 13; vom 28. Januar 1986 - VI ZR 83/85, VersR 1986, 601, juris Rn. 11; vgl. auch OLG Koblenz, GesR 2010, 199 Rn. 18; OLG Köln, VersR 2013, 237 Rn. 35 - jeweils zur therapeutischen Aufklärungspflicht ). Der Senat hat die Beweislastumkehr aber von der Voraussetzung abhängig gemacht, dass es um einen auf eine bestimmte Verhaltensweise ausgerichteten Rat oder Hinweis ging und es für den anderen Teil vernünftigerweise nur eine bestimmte Möglichkeit gab, sich "aufklärungsrichtig" zu verhalten (Senatsurteil vom 28. März 1989 - VI ZR 157/88, VersR 1989, 700, juris Rn. 16; so früher auch der XI. Zivilsenat: Urteil vom 16. November 1993 - XI ZR 214/92, BGHZ 124, 151 Rn. 25 - aufgegeben durch Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159). Er hat eine Beweislastumkehr dagegen verneint , wenn es für den anderen Teil vernünftigerweise mehrere Möglichkeiten der Reaktion auf die erforderliche Aufklärung gegeben hätte (vgl. Senatsurteile vom 28. März 1989 - VI ZR 157/88, VersR 1989, 700 juris Rn. 16; vom 2. Dezember 1980 - VI ZR 175/78, VersR 1981, 278, juris Rn. 24; vgl. auch MünchKommBGB /Wagner, 8. Aufl., § 630h Rn. 57; Frahm/Walter, Arzthaftungsrecht, 6. Aufl., Rn. 170; Geigel/Wellner, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kapitel 14, Rn. 215 - jeweils zur therapeutischen Aufklärungspflicht).
28
bb) Nach diesen Grundsätzen kommt eine Beweislastumkehr bei der Verletzung der wirtschaftlichen Informationspflicht nicht in Betracht. Denn in diesem Fall gibt es kein "aufklärungsrichtiges" Verhalten des Patienten. Der Behandler schuldet hier nicht einen auf eine bestimmte Verhaltensweise ausgerichteten Rat, über den sich der Patient nur unvernünftigerweise hinwegsetzen kann, sondern eine Information über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung. Die Information hat den Zweck, den Patienten vor finanziellen Überraschungen zu schützen und ihn in die Lage zu versetzen, die wirtschaftliche Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken (vgl. BT-Drs. 17/10488, S. 22 li. Sp.; Senatsurteile vom 9. Mai 2000 - VI ZR 173/99, VersR 2000, 999, juris Rn. 33; vom 1. Februar 1983 - VI ZR 104/81, VersR 1983, 443, juris Rn. 9; OLG Stuttgart, VersR 2013, 583, juris Rn. 5). Sie ist aber nicht darauf gerichtet, den Patienten von einer beabsichtigten medizinischen Behandlung abzuhalten. Dementsprechend ist es nicht als unvernünftige Missachtung der geschuldeten Information anzusehen, wenn sich ein Patient durch die Mitteilung der voraussichtlichen Kosten nicht von der ihm vorgeschlagenen und von ihm ins Auge gefassten Behandlung abbringen lässt. Hierfür kann er abhängig von seinen persönlichen Vorstellungen und Prioritäten unterschiedliche Gründe haben (vgl. hierzu die Ausführungen unter cc) (2) sowie OLG Köln VersR 2009, 405; Geigel/Wellner, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kapitel 14, Rn. 215).
29
cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann von der Voraussetzung , dass der Aufzuklärende bei ordnungsgemäßer Information vernünftigerweise nur eine Reaktionsmöglichkeit gehabt hätte, nicht in Anlehnung an die neuere Rechtsprechung des XI. Zivilsenats in Kapitalanlagefällen abgesehen werden (offenlassend OLG Stuttgart, VersR 2013, 583, juris Rn. 19).
30
(1) In seiner Entscheidung vom 8. Mai 2012 hat der XI. Zivilsenat seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und entschieden, dass in Kapitalanlagefällen bereits bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung - unabhängig davon , ob es für den Anleger vernünftigerweise nur eine oder mehrere Handlungsalternativen gab - eine Beweislastumkehr eintritt ("Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens", vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 28, 30, 33 f.; vom 15. März 2016 - XI ZR 122/14, WM 2016, 780 Rn. 17; Beschluss vom 10. Januar 2017 - XI ZR 365/14, BKR 2017, 164 Rn. 10; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Juli 2016 - V ZR 168/15, BGHZ 211, 216 Rn. 20 f: allerdings offenlassend, ob es sich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises oder um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung handelt). Er hat dies mit dem besonderen Schutzzweck der Aufklärungspflicht gerechtfertigt, dem Anleger eine sachgerechte Entscheidung über den Abschluss bestimmter Anlagegeschäfte zu ermöglichen. Dieser werde nur erreicht, wenn Unklarheiten, die durch eine Aufklärungspflichtverletzung bedingt seien, zu Lasten des Aufklärungspflichtigen gingen, dieser die Nichtursächlichkeit seiner Pflichtverletzung also zu beweisen habe (BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 33 ff.; Beschluss vom 1. April 2014 - XI ZR 171/12, BKR 2014, 295 Rn. 9; aA BGH, Urteile vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 20; vom 14. April 2011 - III ZR 27/10, NJW-RR 2011, 1139 Rn. 13; vom 23. Juni 2016 - III ZR 308/15, NJW 2016, 3024 Rn. 22: tatsächliche Vermutung; BGH, Urteil vom 30. September 1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311, juris Rn. 15, 17 f.; Beschluss vom 15. Mai 2014 - IX ZR 267/12, VersR 2015, 69 Rn. 2, jeweils für die Rechts- und Steuerberaterhaftung: Anscheinsbeweis; BGH, Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 17 f. für fehlerhafte Prospektangaben: tatsächliche Vermutung).
31
(2) Diese Grundsätze können auf die Haftung des Behandlers wegen Verletzung der Pflicht zur wirtschaftlichen Information des Patienten nicht übertragen werden. Dabei kann offenbleiben, ob einer Ausdehnung der Beweislastumkehr in diesem Sinne bereits der Umstand entgegensteht, dass der Gesetzgeber die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Beweislastverteilung im Arzthaftungsprozess für das Vertragsrecht in § 630h BGB gesetzlich festgeschrieben und damit gewissermaßen "versteinert" hat (so unter Hinweis auf die gesetzgeberische Regelungstechnik - Enumerationsprinzip statt beispielhafter Aufzählung: Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl., BGB § 630h Rn. 3 f.; MünchKommBGB/Wagner, 8. Aufl., § 630h Rn. 6; BeckOK BGB/Katzenmeier, § 630h Rn. 6 [Stand 1. November 2019]; ders., NJW 2013, 817, 823; vgl. auch Frahm/Walter, Arzthaftungsrecht, 6. Aufl., Rn. 127; Hart, MedR 2013, 159, 165).
32
Denn in der vorliegenden Fallgestaltung ist eine andere Interessenlage gegeben, die mit derjenigen in Kapitalanlagefällen und ähnlichen vermögensrechtlich geprägten Fallgestaltungen nicht vergleichbar ist (so auch BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 31) und die es nicht rechtfertigt , dem Behandler abweichend von den allgemeinen Grundsätzen die Beweislast dafür aufzubürden, dass sich der Patient bei ordnungsgemäßer Information über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung nicht anders entschieden hätte. Die Entscheidung des Patienten zielt nicht auf die sachgerechte Investition verfügbarer Geldmittel ab, sondern bezieht sich auf die Durchführung einer medizinischen Behandlung, d.h. auf "Maßnahmen und Eingriffe am Körper eines Menschen, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Be- schwerden oder seelische Störungen nicht krankhafter Natur zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern" (BT-Drs. 17/10488, S. 17; vgl. in BeckOK BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 26 ff. [Stand: 1. November 2019]; MünchKommBGB /Wagner, 8. Aufl., § 630a Rn. 9). Bei dieser Entscheidung steht nicht die wirtschaftliche Disposition im Vordergrund, sondern die von einer Vielzahl von Faktoren abhängige und nur von jedem Patienten individuell unter Berücksichtigung seiner persönlichen Vorstellungen, Wünsche und Prioritäten zu beantwortende Frage, ob ihm die ins Auge gefasste Behandlung so viel wert ist, dass er sie trotz des Umstands in Anspruch nehmen möchte, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1983 - VI ZR 104/81, Rn. 9 "Abwägung des Für und Wider"). In diese Entscheidung fließen typischerweise auch medizinische Gesichtspunkte ein, wie beispielsweise die Dauer und Intensität des Leidensdrucks, die Ausschöpfung anderer Behandlungsmöglichkeiten ebenso wie verfügbare Behandlungsalternativen und die mit ihnen verbundenen Nachteile.
33
Angesichts dieser höchst individuellen Prägung der Entscheidung ist es dem Patienten - anders als in den Kapitalanlagefällen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 35 f.; s. auch BGH, Urteile vom 19. Februar 1975 - VIII ZR 144/73, BGHZ 64, 46, juris Rn. 14; vom 5. Juli 1973 - VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118, juris Rn. 19, 23) - nicht typischerweise unmöglich , darzulegen und zu beweisen, wie er auf die geschuldete Information reagiert hätte (vgl. OLG Stuttgart, VersR 2013, 583, juris Rn. 19).
34
Der Behandelnde ist auch nicht - anders als der vom Berufungsgericht herangezogene Versicherungsmakler (BGH, Urteil vom 22. Mai 1985 - IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356, juris Rn. 20) - Sachwalter der wirtschaftlichen Interessen des Patienten. Er ist insbesondere nicht dazu verpflichtet, den Patienten umfassend wirtschaftlich zu beraten (BT-Drs. 17/10488 S. 22 r. Sp; Senatsurteil vom 9. Mai 2000 - VI ZR 173/99, VersR 2000, 999, juris Rn. 32 f.; OLG Köln, VersR 2018, 744 Rn. 7; OLG Stuttgart, VersR 2013, 583, juris Rn. 5; Spickhoff /Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl., BGB § 630c Rn. 33). Ihn trifft die Pflicht zur wirtschaftlichen Information des Patienten nur als vertragliche Nebenpflicht.

III.

35
Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Seiters von Pentz Oehler Roloff Klein
Vorinstanzen:
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 15.11.2017 - 15 C 161/17 -
LG Berlin, Entscheidung vom 07.02.2019 - 6 S 9/17 -

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 92 Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses


(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erforder

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 398 Abtretung


Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 564 Keine Begründung der Entscheidung bei Rügen von Verfahrensmängeln


Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 91 Gemeinsamer Bundesausschuss


(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 94 Wirksamwerden der Richtlinien


(1) Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Richtlinien sind dem Bundesministerium für Gesundheit vorzulegen. Es kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden; bei Beschlüssen nach § 20i Absatz 1 und bei Beschlüssen nach § 35 Absatz 1 inn

Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ 1982 | § 6 Gebühren für andere Leistungen


(1) Erbringen Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, Hals-Nasen-Ohrenärzte oder Chirurgen Leistungen, die im Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen - Anlage zur Gebührenordnung für Zahnärzte vom 22. Oktober 1987 (BGBl. I S. 2316) - aufgeführt sind,

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 630h Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler


(1) Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 630c Mitwirkung der Vertragsparteien; Informationspflichten


(1) Behandelnder und Patient sollen zur Durchführung der Behandlung zusammenwirken. (2) Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die

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Tenor Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. März 2012 aufgehoben.

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(1) Behandelnder und Patient sollen zur Durchführung der Behandlung zusammenwirken.

(2) Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren. Ist dem Behandelnden oder einem seiner in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen ein Behandlungsfehler unterlaufen, darf die Information nach Satz 2 zu Beweiszwecken in einem gegen den Behandelnden oder gegen seinen Angehörigen geführten Straf- oder Bußgeldverfahren nur mit Zustimmung des Behandelnden verwendet werden.

(3) Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt.

(4) Der Information des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Behandlung unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Behandelnder und Patient sollen zur Durchführung der Behandlung zusammenwirken.

(2) Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren. Ist dem Behandelnden oder einem seiner in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen ein Behandlungsfehler unterlaufen, darf die Information nach Satz 2 zu Beweiszwecken in einem gegen den Behandelnden oder gegen seinen Angehörigen geführten Straf- oder Bußgeldverfahren nur mit Zustimmung des Behandelnden verwendet werden.

(3) Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt.

(4) Der Information des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Behandlung unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat.

(1) Erbringen Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, Hals-Nasen-Ohrenärzte oder Chirurgen Leistungen, die im Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen - Anlage zur Gebührenordnung für Zahnärzte vom 22. Oktober 1987 (BGBl. I S. 2316) - aufgeführt sind, sind die Vergütungen für diese Leistungen nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Zahnärzte in der jeweils geltenden Fassung zu berechnen.

(2) Selbständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, können entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Behandelnder und Patient sollen zur Durchführung der Behandlung zusammenwirken.

(2) Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren. Ist dem Behandelnden oder einem seiner in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen ein Behandlungsfehler unterlaufen, darf die Information nach Satz 2 zu Beweiszwecken in einem gegen den Behandelnden oder gegen seinen Angehörigen geführten Straf- oder Bußgeldverfahren nur mit Zustimmung des Behandelnden verwendet werden.

(3) Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt.

(4) Der Information des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Behandlung unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat.

Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

(1) Behandelnder und Patient sollen zur Durchführung der Behandlung zusammenwirken.

(2) Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren. Ist dem Behandelnden oder einem seiner in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen ein Behandlungsfehler unterlaufen, darf die Information nach Satz 2 zu Beweiszwecken in einem gegen den Behandelnden oder gegen seinen Angehörigen geführten Straf- oder Bußgeldverfahren nur mit Zustimmung des Behandelnden verwendet werden.

(3) Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt.

(4) Der Information des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Behandlung unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden des Beschlussgremiums gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

(2) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern, einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, jeweils zwei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft und fünf von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannten Mitgliedern. Für die Berufung des unparteiischen Vorsitzenden und der weiteren unparteiischen Mitglieder sowie jeweils zweier Stellvertreter einigen sich die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 jeweils auf einen Vorschlag und legen diese Vorschläge dem Bundesministerium für Gesundheit spätestens zwölf Monate vor Ablauf der Amtszeit vor. Als unparteiische Mitglieder und deren Stellvertreter können nur Personen benannt werden, die im vorangegangenen Jahr nicht bei den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1, bei deren Mitgliedern, bei Verbänden von deren Mitgliedern oder in einem Krankenhaus beschäftigt oder selbst als Vertragsarzt, Vertragszahnarzt oder Vertragspsychotherapeut tätig waren. Das Bundesministerium für Gesundheit übermittelt die Vorschläge an den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages. Der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages kann einem Vorschlag nach nichtöffentlicher Anhörung der jeweils vorgeschlagenen Person innerhalb von sechs Wochen mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder durch Beschluss widersprechen, sofern er die Unabhängigkeit oder die Unparteilichkeit der vorgeschlagenen Person als nicht gewährleistet ansieht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 legen innerhalb von sechs Wochen, nachdem das Bundesministerium für Gesundheit den Gemeinsamen Bundesausschuss über einen erfolgten Widerspruch unterrichtet hat, einen neuen Vorschlag vor. Widerspricht der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages nach Satz 5 auch dem neuen Vorschlag innerhalb von sechs Wochen oder haben die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 keinen neuen Vorschlag vorgelegt, erfolgt die Berufung durch das Bundesministerium für Gesundheit. Die Unparteiischen üben ihre Tätigkeit in der Regel hauptamtlich aus; eine ehrenamtliche Ausübung ist zulässig, soweit die Unparteiischen von ihren Arbeitgebern in dem für die Tätigkeit erforderlichen Umfang freigestellt werden. Die Stellvertreter der Unparteiischen sind ehrenamtlich tätig. Hauptamtliche Unparteiische stehen während ihrer Amtszeit in einem Dienstverhältnis zum Gemeinsamen Bundesausschuss. Zusätzlich zu ihren Aufgaben im Beschlussgremium übernehmen die einzelnen Unparteiischen den Vorsitz der Unterausschüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses. Der Vorsitzende nach Absatz 1 Satz 3 stellt übergreifend die Einhaltung aller dem Gemeinsamen Bundesausschuss auferlegten gesetzlichen Fristen sicher. Zur Erfüllung dieser Aufgabe nimmt er eine zeitliche Steuerungsverantwortung wahr und hat ein Antragsrecht an das Beschlussgremium nach Satz 1, er erstattet auch den nach Absatz 11 jährlich vorzulegenden Bericht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 schließen die Dienstvereinbarungen mit den hauptamtlichen Unparteiischen; § 35a Absatz 6 Satz 2 und Absatz 6a Satz 1 und 2 des Vierten Buches gilt entsprechend. Vergütungserhöhungen sind während der Dauer der Amtszeit der Unparteiischen unzulässig. Zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen kann eine über die zuletzt nach § 35a Absatz 6a Satz 1 des Vierten Buches gebilligte Vergütung der letzten Amtsperiode oder des Vorgängers im Amt hinausgehende höhere Vergütung nur durch einen Zuschlag auf die Grundvergütung nach Maßgabe der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes vereinbart werden. Die Aufsichtsbehörde kann zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen eine niedrigere Vergütung anordnen. Die Art und die Höhe finanzieller Zuwendungen, die den Unparteiischen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Unparteiische von Dritten gewährt werden, sind den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 mitzuteilen und auf die Vergütung der Unparteiischen anzurechnen oder an den Gemeinsamen Bundesausschuss abzuführen. Vereinbarungen der Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 für die Zukunftssicherung der Unparteiischen sind nur auf der Grundlage von beitragsorientierten Zusagen zulässig. Die von den Organisationen benannten sonstigen Mitglieder des Beschlussgremiums üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus; sie sind bei den Entscheidungen im Beschlussgremium an Weisungen nicht gebunden. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benennen für jedes von ihnen benannte Mitglied bis zu drei Stellvertreter. Die Amtszeit im Beschlussgremium beträgt ab der am 1. Juli 2012 beginnenden Amtszeit sechs Jahre.

(2a) Bei Beschlüssen, die allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 alle fünf Stimmen der Leistungserbringerseite anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von der betroffenen Leistungserbringerorganisation nach Absatz 1 Satz 1 benannt worden sind. Bei Beschlüssen, die allein zwei der drei Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 die Stimmen der von der nicht betroffenen Leistungserbringerorganisation benannten Mitglieder anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von den betroffenen Leistungserbringerorganisationen benannt worden sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seiner Geschäftsordnung erstmals bis zum 31. Januar 2012 fest, welche Richtlinien und Entscheidungen allein einen oder allein zwei der Leistungssektoren wesentlich betreffen. Bei Beschlüssen zur Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wird die Stimme des von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung benannten Mitglieds ab dem 1. Januar 2012 anteilig auf die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft benannten Mitglieder übertragen.

(3) Für die Tragung der Kosten des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Kosten der von den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benannten Mitglieder gilt § 139c entsprechend. Im Übrigen gilt § 90 Abs. 3 Satz 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass vor Erlass der Rechtsverordnung außerdem die Deutsche Krankenhausgesellschaft anzuhören ist.

(3a) Verletzen Mitglieder oder deren Stellvertreter, die von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen benannt oder berufen werden, in der ihnen insoweit übertragenen Amtsführung die ihnen einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, gilt § 42 Absatz 1 bis 3 des Vierten Buches mit der Maßgabe entsprechend, dass die Verantwortlichkeit den Gemeinsamen Bundesausschuss, nicht aber die in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen, trifft. Dies gilt auch im Falle einer Berufung der unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter durch das Bundesministerium für Gesundheit nach Absatz 2 Satz 7. Soweit von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen für die Vorbereitung von Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses Personen für die nach seiner Geschäftsordnung bestehenden Gremien benannt werden und diese Personen zur Wahrung der Vertraulichkeit der für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtigen, ihnen zugänglichen Unterlagen und Informationen verpflichtet werden, gilt Satz 1 entsprechend. Das Gleiche gilt für nach § 140f Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz benannte sachkundige Personen, denen zur Ausübung ihres Mitberatungsrechts für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtige Unterlagen und Informationen zugänglich gemacht werden, wenn sie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zur Wahrung der Vertraulichkeit dieser Unterlagen verpflichtet worden sind. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Geschäftsordnung.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt

1.
eine Verfahrensordnung, in der er insbesondere methodische Anforderungen an die wissenschaftliche sektorenübergreifende Bewertung des Nutzens, einschließlich Bewertungen nach den §§ 35a und 35b, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse sowie die Anforderungen an den Nachweis der fachlichen Unabhängigkeit von Sachverständigen und das Verfahren der Anhörung zu den jeweiligen Richtlinien, insbesondere die Feststellung der anzuhörenden Stellen, die Art und Weise der Anhörung und deren Auswertung, regelt,
2.
eine Geschäftsordnung, in der er Regelungen zur Arbeitsweise des Gemeinsamen Bundesausschusses insbesondere zur Geschäftsführung, zur Vorbereitung der Richtlinienbeschlüsse durch Einsetzung von in der Regel sektorenübergreifend gestalteten Unterausschüssen, zum Vorsitz der Unterausschüsse durch die Unparteiischen des Beschlussgremiums sowie zur Zusammenarbeit der Gremien und der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses trifft; in der Geschäftsordnung sind Regelungen zu treffen zur Gewährleistung des Mitberatungsrechts der von den Organisationen nach § 140f Abs. 2 entsandten sachkundigen Personen.
Die Verfahrensordnung und die Geschäftsordnung bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Vorlage des Beschlusses und der tragenden Gründe ganz oder teilweise versagt. Das Bundesministerium für Gesundheit kann im Rahmen der Genehmigungsprüfung vom Gemeinsamen Bundesausschuss zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist nach Satz 3 unterbrochen. Wird die Genehmigung ganz oder teilweise versagt, so kann das Bundesministerium für Gesundheit insbesondere zur Sicherstellung einer sach- und funktionsgerechten Ausgestaltung der Arbeitsweise und des Bewertungsverfahrens des Gemeinsamen Bundesausschusses erforderliche Änderungen bestimmen und anordnen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb einer bestimmten Frist die erforderlichen Änderungen vornimmt. Kommt der Gemeinsame Bundesausschuss der Anordnung innerhalb der Frist nicht nach, so kann das Bundesministerium für Gesundheit die erforderlichen Änderungen selbst vornehmen. Die Sätze 5 und 6 gelten entsprechend, wenn sich die Erforderlichkeit der Änderung einer bereits genehmigten Regelung der Verfahrensordnung oder der Geschäftsordnung erst nachträglich ergibt. Klagen gegen Anordnungen und Maßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit nach den Sätzen 3 bis 7 haben keine aufschiebende Wirkung.

(5) Bei Beschlüssen, deren Gegenstand die Berufsausübung der Ärzte, Psychotherapeuten oder Zahnärzte berührt, ist der jeweiligen Arbeitsgemeinschaft der Kammern dieser Berufe auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 136 Absatz 3 und § 136b Absatz 1 Satz 3 bleiben unberührt.

(5a) Bei Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses, die die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln oder voraussetzen, ist dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(6) Die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 136d sind für die Träger nach Absatz 1 Satz 1, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich.

(7) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 Satz 1 fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit seiner Mitglieder, sofern die Geschäftsordnung nichts anderes bestimmt. Beschlüsse zur Arzneimittelversorgung und zur Qualitätssicherung sind in der Regel sektorenübergreifend zu fassen. Beschlüsse, die nicht allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen und die zur Folge haben, dass eine bisher zulasten der Krankenkassen erbringbare Leistung zukünftig nicht mehr zu deren Lasten erbracht werden darf, bedürfen einer Mehrheit von neun Stimmen. Der unparteiische Vorsitzende und die weiteren unparteiischen Mitglieder können dem Beschlussgremium gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag zur Entscheidung vorlegen. Mit der Vorbereitung eines Beschlussvorschlags oder eines Antrags eines Unparteiischen nach § 135 Absatz 1 Satz 1 oder § 137c Absatz 1 Satz 1 können die Unparteiischen oder kann der Unparteiische die Geschäftsführung beauftragen. Die Sitzungen des Beschlussgremiums sind in der Regel öffentlich und werden zeitgleich als Live-Video-Übertragung im Internet angeboten sowie in einer Mediathek zum späteren Abruf verfügbar gehalten. Die nichtöffentlichen Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, insbesondere auch die Beratungen in den vorbereitenden Gremien, sind einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften vertraulich.

(8) (weggefallen)

(9) Jedem, der berechtigt ist, zu einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses Stellung zu nehmen und eine schriftliche oder elektronische Stellungnahme abgegeben hat, ist in der Regel auch Gelegenheit zu einer mündlichen Stellungnahme zu geben. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Verfahrensordnung vorzusehen, dass die Teilnahme jeweils eines Vertreters einer zu einem Beschlussgegenstand stellungnahmeberechtigten Organisation an den Beratungen zu diesem Gegenstand in dem zuständigen Unterausschuss zugelassen werden kann.

(10) Der Gemeinsame Bundesausschuss ermittelt spätestens ab dem 1. September 2012 die infolge seiner Beschlüsse zu erwartenden Bürokratiekosten im Sinne des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates und stellt diese Kosten in der Begründung des jeweiligen Beschlusses nachvollziehbar dar. Bei der Ermittlung der Bürokratiekosten ist die Methodik nach § 2 Absatz 3 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates anzuwenden. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 30. Juni 2012 in seiner Verfahrensordnung.

(11) Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages einmal jährlich zum 31. März über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über die Einhaltung der Fristen nach § 135 Absatz 1 Satz 4 und 5, § 136b Absatz 3 Satz 1, § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 vorzulegen, in dem im Falle von Überschreitungen der Fristen nach § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 auch die zur Straffung des Verfahrens unternommenen Maßnahmen und die besonderen Schwierigkeiten einer Bewertung, die zu einer Fristüberschreitung geführt haben können, im Einzelnen dargelegt werden müssen. Zudem sind in dem Bericht auch alle anderen Beratungsverfahren über Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses darzustellen, die seit förmlicher Einleitung des Beratungsverfahrens länger als drei Jahre andauern und in denen noch keine abschließende Beschlussfassung erfolgt ist.

(1) Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Richtlinien sind dem Bundesministerium für Gesundheit vorzulegen. Es kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden; bei Beschlüssen nach § 20i Absatz 1 und bei Beschlüssen nach § 35 Absatz 1 innerhalb von vier Wochen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann im Rahmen der Richtlinienprüfung vom Gemeinsamen Bundesausschuss zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist nach Satz 2 unterbrochen. Die Nichtbeanstandung einer Richtlinie kann vom Bundesministerium für Gesundheit mit Auflagen verbunden werden; das Bundesministerium für Gesundheit kann zur Erfüllung einer Auflage eine angemessene Frist setzen. Kommen die für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht oder nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Frist zustande oder werden die Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, erläßt das Bundesministerium für Gesundheit die Richtlinien.

(2) Die Richtlinien sind im Bundesanzeiger und deren tragende Gründe im Internet bekanntzumachen. Die Bekanntmachung der Richtlinien muss auch einen Hinweis auf die Fundstelle der Veröffentlichung der tragenden Gründe im Internet enthalten.

(3) Klagen gegen Maßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit nach Absatz 1 haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Behandelnder und Patient sollen zur Durchführung der Behandlung zusammenwirken.

(2) Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren. Ist dem Behandelnden oder einem seiner in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen ein Behandlungsfehler unterlaufen, darf die Information nach Satz 2 zu Beweiszwecken in einem gegen den Behandelnden oder gegen seinen Angehörigen geführten Straf- oder Bußgeldverfahren nur mit Zustimmung des Behandelnden verwendet werden.

(3) Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt.

(4) Der Information des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Behandlung unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

(1) Behandelnder und Patient sollen zur Durchführung der Behandlung zusammenwirken.

(2) Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren. Ist dem Behandelnden oder einem seiner in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen ein Behandlungsfehler unterlaufen, darf die Information nach Satz 2 zu Beweiszwecken in einem gegen den Behandelnden oder gegen seinen Angehörigen geführten Straf- oder Bußgeldverfahren nur mit Zustimmung des Behandelnden verwendet werden.

(3) Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt.

(4) Der Information des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Behandlung unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat.

10
aa) Nach gefestigten Rechtsprechungsgrundsätzen trifft in den Fällen, in denen aus einem Aufklärungsversäumnis des Arztes Schadensersatzansprüche hergeleitet werden, die Behauptungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Aufklärung den Arzt. Der Patient trägt hingegen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Schadensfolge, für die er Ersatz verlangt, auch wirklich durch den eigenmächtigen Eingriff des Arztes verursacht worden ist und nicht auf anderes zurückgeht (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1985 - VI ZR 19/84, VersR 1986, 183 und vom 13. Januar 1987 - VI ZR 82/86, VersR 1987, 667, 668; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Kap. C Rn. 147; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 11. Aufl., Rn. 702 mwN). Der Beweis, dass der ohne rechtswirksame Einwilligung vorgenommene ärztliche Eingriff bei dem Patienten auch zu einem Schaden geführt hat, ist ebenso wie im Fall des Behandlungsfehlers Sache des Patienten. Es besteht kein Sachgrund, bei Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht den Arzt insoweit beweismäßig schlechter zu stellen. Dieser Grundsatz gilt sowohl bei der Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht über die Risiken eines Eingriffs wie auch über bestehende Behandlungsalternativen (Selbstbestimmungsaufklärung). Der Patient hat nicht nur in den Fällen, in denen die rechtswidrige Behandlung in einem Eingriff, beispielsweise in einer Operation, liegt, sondern auch in den Fällen der rechtswidrigen Fortsetzung konservativer Behandlungsmethoden trotz Bestehens gleichwertiger Behandlungsalternativen zu beweisen, dass die bei ihm vorgenommene Behandlung ursächlich für den geltend gemachten Schaden geworden ist. Dies gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - Schadensersatzansprüche nicht aus der konservativen Behandlung hergeleitet werden, sondern daraus, dass weitergehende Behandlungsmaßnahmen unterblieben sind. Eine Unterlassung ist für den Schaden nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte (vgl. BGH, Urteile vom 30. Januar 1961 - III ZR 225/59, BGHZ 34, 206, 215; vom 5. Juli 1973 - VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118, 120 auch zur Umkehr der Beweislast im - hier nicht gegebenen Fall - eines groben Behandlungsfehlers; vom 19. Februar 1975 - VIII ZR 144/73, BGHZ 64, 46, 51; vom 22. März 1990 - IX ZR 128/89, WM 1990, 1161, 1163 und vom 17. Oktober 2002 - IX ZR 3/01, WM 2002, 2325, 2326 Rn. 11). Die bloße Möglichkeit , ebenso eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügt nach § 286 ZPO nicht.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

17
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese sogenannte "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 28 f. mwN, vom 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13, WM 2014, 1670 Rn. 26 und vom 23. September 2014 - XI ZR 215/13, BKR 2015, 339 Rn. 17). Die Beweislastumkehr greift bereits bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung ein, ohne dass es darauf ankommt, ob der Anleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte (Senatsurteile vom 8. Mai 2012, aaO, Rn. 30 ff. mwN, vom 15. Juli 2014, aaO, Rn. 26 und vom 23. September 2014, aaO, Rn. 17).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 365/14
vom
10. Januar 2017
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:100117BXIZR365.14.0

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2017 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Maihold und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Derstadt und Dr. Dauber
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 18. Juni 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens , an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 30.646,84 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger nimmt die beklagte Bank wegen Beratungspflichtverletzungen auf Rückabwicklung einer Beteiligung an einer Fondsgesellschaft in Anspruch.
2
Auf Empfehlung eines Mitarbeiters der Beklagten beteiligte sich der Kläger am 14. Dezember 2000 mit einem Betrag von 60.000 DM zuzüglich eines Agio von 3.000 DM an dem geschlossenen Immobilienfonds H… GmbH & Co. KG. Nach dem Fondsprospekt hatte die Beteiligungsgesellschaft einen Vertrag über die Einwerbung des Eigenkapitals mit der H. C… GmbH geschlossen, die für Vertriebsund Werbemaßnahmen eine Vergütung von 10.664.100 DM erhalten sollte. Die H. C. GmbH war ausweislich des Prospekts berechtigt, leistungsfähige Dritte mit der Erbringung einzelner Leistungen zu beauftragen, insbesondere Vertriebsvereinbarungen mit Banken, Sparkassen, privaten Anlageberatern und anderen Gesellschaften abzuschließen.
3
Die Beklagte erhielt für den Vertrieb der Anteile an den Kläger Provisionen in unbekannter Höhe. Zumindest die Höhe der Provisionen wurde dem Kläger im Beratungsgespräch nicht offengelegt.
4
Der Kläger, der Ausschüttungen in Höhe von 1.564,55 € erhielt, verlangt unter Berufung auf mehrere Beratungsfehler Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung Rückzahlung des eingesetzten Kapitals (32.211,39 €) abzüglich der erlangten Ausschüttungen sowie entgangene Anlagezinsen in Höhe von 14.173,01 € jeweils nebst Rechtshängigkeitszinsen. Außerdem begehrt er, den Annahmeverzug der Beklagten mit der Übertragung des Kommanditanteils festzustellen.
5
Das Landgericht hat die Klage nach informatorischer Anhörung des Klägers sowie Vernehmung der Anlageberater (Zeugen R. und W. ) abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage in Höhe von 30.646,84 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung stattgegeben, den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - soweit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Interesse - ausgeführt :
6
Durch die Beratung im Dezember 2000 sei zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte sei dem Kläger wegen schuldhafter Verletzung der aus dem Beratungsvertrag resultierenden Pflicht zur Aufklärung über die ihr zugeflossenen Rückvergütungen zum Schadensersatz verpflichtet. Für den Kläger streite die zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargetan, dass der Kläger die Kommanditbeteiligung entgegen seinem Vortrag auch dann erworben hätte, wenn ihm die Höhe der Rückvergütungen offenbart worden wäre. Sie habe nicht dargelegt, dass der Kläger die von ihm erhoffte Steuerersparnis ausschließlich mit der ihm empfohlenen Kommanditbeteiligung oder mit anderen Kapitalanlagen mit vergleichbaren Rückvergütungen hätte erzielen können. Selbst für den Fall, dass der Kläger bei der Zeichnung einer weiteren Kommanditbeteiligung sieben Jahre später im Jahr 2007 über die konkrete Höhe der dortigen Rückvergütungen aufgeklärt worden sein sollte, genüge dies nicht, um von der fehlenden Ursächlichkeit der im Jahr 2000 unterbliebenen Aufklärung über die konkrete Höhe der Rückvergütungen für die hier in Rede stehende Anlageentscheidung auszugehen. Der Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt. Es lasse sich nicht feststellen, dass die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) vor Ablauf des Jahres 2007 vorgelegen hätten, so dass die im Dezember 2011 eingereichte Klage die Verjährung rechtzeitig gehemmt habe.
7
Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten.

II.

8
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil das angefochtene Urteil, soweit es zu Lasten der Beklagten ergangen ist, deren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 139 f., vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 532/14, WM 2015, 2279 Rn. 9 und vom 15. März 2016 - XI ZR 208/15, juris Rn. 8).
9
1. Rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien stillschweigend ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet war, den Kläger über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen aufzuklären, und dass eine ordnungsgemäße Aufklärung des Klägers über diese Rückvergütungen weder mündlich noch durch eine Übergabe des Fondsprospekts erfolgt ist (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 15 ff. mwN). Auch hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbeschwerde unangegriffen insoweit ein Verschulden der Beklagten bejaht (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 24 f. mwN).
10
2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen , dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung trägt, der Kläger hätte die Beteiligung auch bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütungen erworben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hin- weis also unbeachtet gelassen hätte. Diese sogenannte "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 27 ff. und vom 15. März 2016 - XI ZR 122/14, WM 2016, 780 Rn. 17 mwN).
11
3. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt jedoch zu Recht, dass das angegriffene Urteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, weil es einen erheblichen Beweisantritt der Beklagten zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung unbeachtet gelassen hat.
12
a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 65, 293, 295 f.; 70, 288, 293; 83, 24, 35). Dazu gehört, erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen (BVerfGE 60, 247, 249; 65, 305, 307; 69, 141, 143 f.). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus. Im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (BVerfGE 79, 51, 61; 86, 133, 145 f.; 96, 205, 216 f.). Die Vorschrift gewährt allerdings keinen Schutz dagegen, dass das Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt (BVerfGE 51, 188, 191; 62, 249, 254; 96, 205, 216). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69, 141, 144).
13
b) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
14
aa) Die Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung (dort S. 45 f.) unter anderem vorgetragen, dass der Kläger aufgrund seiner hohen Einkommensteuerlast gerade diese steueroptimierte Beteiligung habe zeichnen wollen, so dass er sich auch bei Kenntnis der Höhe der an die Beklagten gezahlten Vertriebsprovisionen für die Beteiligung an dem streitgegenständlichen Fonds entschieden hätte. Dies hat sie unter Beweis gestellt durch die Vernehmung des Klägers als Partei. Diesen Beweisantritt hat die Beklagte in einem späteren Schriftsatz gegenüber dem Landgericht nochmals wiederholt (Schriftsatz vom 3. Dezember 2012, S. 18).
15
Einem Gehörsverstoß steht - anders als die Beschwerdeerwiderung meint - nicht entgegen, dass die Beklagte ihren Antrag auf Parteivernehmung des Klägers in der Berufungserwiderung nicht nochmals ausdrücklich aufgegriffen , sondern lediglich global darauf Bezug genommen hat, in erster Instanz "ein Bündel von Tatsachen und Indizien" vorgetragen zu haben, "die zur Widerlegung der Vermutung der haftungsbegründenden Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung insbesondere im Hinblick auf die Offenlegung von Rückvergütungen" geeignet sind, und "über die, sofern das Gericht dem Landgericht nicht folgen […] sollte, zwingend erneut Beweis zu erheben wäre." DemBerufungs- beklagten obliegt es gemäß § 521 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 277 ZPO nur, seine Verteidigungsmittel insoweit vorzubringen, als es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Danach darf er sein Ziel in erster Linie darin sehen, die zu seinen Gunsten ergangene Entscheidung zu verteidigen und neue Angriffsmittel des Berufungsklägers abzuwehren (BGH, Urteil vom 13. März 1981 - I ZR 65/79, NJW 1982, 581, 582; BVerfG, NJW 2000, 131). Die Nichtberücksichtigung eines nur in erster Instanz erfolgten Beweisantritts verletzt dann Art. 103 Abs. 1 GG, wenn das Erstgericht das Angriffsmittel für unerheblich gehalten hat, das unter Beweis gestellte Vorbringen nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichts jedoch erheblich wird (BVerfGE 70, 288, 295; BVerfG, NJW-RR 1993, 636, 637; BGH, Beschluss vom 11. März 2010 - V ZR 165/09, juris Rn.11). So verhält es sich hier. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es die Kausalitätsvermutung bereits aufgrund der von der Beklagten vorgebrachten und nach Vernehmung der Zeugen R. und W. als erwiesen erachteten Hilfstatsachen (Indizien) als widerlegt und die Klageforderung zudem als verjährt erachtet hat.
16
bb) Das Beweisangebot der Beklagten auf Parteivernehmung des Klägers ist erheblich. Die Beklagte hat eine für die Entscheidung wesentliche Tatsache - Fehlen der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden - unmittelbar selbst zum Gegenstand des Beweisantrags gemacht. Stellte sich der Sachvortrag in der Beweisaufnahme als richtig heraus, stünde die fehlende Kausalität der Pflichtverletzung fest. Weitere Einzelheiten oder Erläuterungen sind zur Substantiierung des Beweisantrags auf Vernehmung des Gegners als Partei grundsätzlich nicht erforderlich (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 39; Senatsbeschluss vom 24. Juni 2014 - XI ZR 219/13, juris Rn. 12).
17
cc) Ein unbeachtlicher, auf Ausforschung zielender Beweisermittlungsantrag , der auf der willkürlichen Behauptung einer bestimmten Motivationslage "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" gründete, ist nicht gegeben. Die Beklagte hat mit dem Verweis auf die Motivation des Klägers zur Steuerersparnis und dem Hinweis auf sein nachfolgendes Anlageverhalten Anhaltspunkte vorgetragen , die dafür sprechen, dass der Kläger auch in Kenntnis der Rückvergütung die Beteiligung gezeichnet hätte. Angesichts dessen kann eine Behauptung ins Blaue hinein nicht angenommen werden, zumal die Parteivernehmung nach § 445 Abs. 1 ZPO nicht die Wahrscheinlichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache voraussetzt (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 39; Senatsbeschluss vom 24. Juni 2014 - XI ZR 219/13, juris Rn. 13 mwN).
18
dd) Von der Vernehmung des Klägers als Partei konnte das Berufungsgericht nicht deshalb absehen, weil er vom Landgericht informatorisch angehört worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZR 220/10, juris Rn. 13; Senatsbeschluss vom 24. Juni 2014 - XI ZR 219/13, juris Rn. 18). Anders als die Beschwerdeerwiderung meint, hätte die Beklagte in erster Instanz auch nicht gemäß § 295 ZPO rügen müssen, dass der Kläger "nur" informatorisch angehört worden ist. Dem Landgericht ist kein Verfahrensfehler unterlaufen. Es hat den zu erbringenden Gegenbeweis bereits nach Würdigung der Indiztatsachen auf Grundlage der informatorischen Anhörung des Klägers und Vernehmung der Zeugen als geführt erachtet.
19
ee) Schließlich stand der Grundsatz der Subsidiarität der Parteivernehmung nach § 445 Abs. 1 ZPO der Beweiserhebung nicht entgegen. Für die unmittelbare Beweisführung zu der Behauptung, die Höhe der Rückvergütungen sei für die Anlageentscheidung des Klägers ohne Bedeutung gewesen, steht der Beklagten kein anderes Beweismittel zur Verfügung.
20
c) Das Berufungsurteil beruht auf der Gehörsverletzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (vgl. BVerfGE 60, 247, 250; 65, 305, 308; 89, 381, 392 f.). Dies ist der Fall, weil die Beklagte den Nachweis fehlender Kausalität der vom Berufungsgericht festgestellten Aufklärungspflichtverletzung mit dem von ihr angebotenen Beweismittel möglicherweise geführt hätte.
21
4. Unabhängig davon sind dem Berufungsgericht auch im Rahmen der Würdigung der von der Beklagten zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung vorgetragenen Indizien weitere Gehörsverstöße unterlaufen. Dies rügt die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten mit Recht.
22
a) Der Kläger investierte über die Beklagte in der Zeit von 1993 bis 2008 in insgesamt 14 geschlossene Fonds. Die Beklagte hat zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung unter anderem vorgetragen, der Kläger habe, nachdem er vom Berater W. im Jahr 2009 davon erfahren gehabt habe, dass die Beklagte bei sämtlichen Beteiligungen Rückvergütungen erlangt habe, nur bei den drei Fondsbeteiligungen eine Rückabwicklung verlangt, die sich wirtschaftlich nicht wie prognostiziert entwickelt hätten (Schriftsätze vom 3. Dezember 2012, Seite 16 f. und vom 20. Januar 2014, Seite 5 ff.). Dies liefert ein vom Tatgericht zu würdigendes Indiz für die Behauptung der Beklagten, der Kläger hätte auch bei korrekter Aufklärung die vorliegende Fondsbeteiligung gezeichnet (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 50 und vom 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13, WM 2014, 1670 Rn. 29). Das Berufungsgericht ist darauf in den Entscheidungsgründen nicht eingegangen.
23
Zwar verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht nicht dazu, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Vielmehr müssen besondere Umstände im Einzelfall deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfGE 86, 133, 145; 88, 366, 375 f. mwN). Solche Umstände sind hier aber gegeben. Das Berufungsgericht ist im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung auf alle anderen Indiztatsachen eingegangen, hat dieses zentrale Argument der Beklagten jedoch unbeantwortet gelassen, obwohl es in anderem Zusammenhang ausdrücklich zugrunde gelegt hat, dass der Kläger im Jahr 2009 Kenntnis von Rückvergütun- gen bei den bereits bestehenden Beteiligungen erlangt hat. Dies lässt sich nur damit erklären, dass es dieses Vorbringen übersehen hat. Dass es dem nachfolgenden Anlageverhalten unter anderem auch wegen des zeitlichen Abstands von sieben Jahren keine Bedeutung beigemessen hat, lässt - entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung - nicht den Schluss zu, es habe damit auch den Gesichtspunkt der selektiven Rückabwicklung verlustbringender Fonds abhandeln wollen.
24
Das Berufungsurteil beruht auch auf dieser Gehörsverletzung, weil nicht auszuschließen ist, dass sich das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieses Umstands - zumindest in der Gesamtwürdigung mit anderen Indiztatsachen - von der fehlenden Ursächlichkeit der festgestellten Aufklärungspflichtverletzung hätte überzeugen lassen.
25
b) Des Weiteren hat das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es nicht vorab darauf hingewiesen hat, ihrem Vortrag zur erstrebten Steuerersparnis als Indiztatsache keine Aussagekraft beimessen zu wollen, weil sie nicht zusätzlich dargetan habe, dass die erhoffte Steuerersparnis ausschließlich mit der dem Kläger empfohlenen Kommanditbeteiligung oder mit anderen Kapitalanlagen mit vergleichbaren Rückvergütungen hätte erzielt werden können (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 53).
26
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis nach § 139 ZPO zu erhalten, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will, insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH, Urteil vom 19. August 2010 - VII ZR 113/09, NJW 2010, 3089 Rn. 18; BGH, Beschlüsse vom 10. März 2011 - VII ZR 40/10, NJW-RR 2011, 742 Rn. 6 ff. und vom 10. Juli 2012 - II ZR 212/10, WM 2012, 1771 Rn. 6 mwN). Gerichtliche Hinweispflichten dienen der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisieren den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (BVerfGE 84, 188, 189 f.). Rechtliche Hinweise müssen danach den Parteien in ihrer konkreten Situation so erteilt werden, dass es diesen auch tatsächlich möglich ist, vor einer Entscheidung zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können, sie also nicht gehindert werden, rechtzeitig ihren Sachvortrag zu ergänzen (BVerfGE 84, 188, 189; 86, 133, 144).
27
Ein rechtlicher Hinweis ist hingegen regelmäßig nicht geboten, wenn eine Partei in erster Instanz obsiegt hat, die dem ihr günstigen Urteil zugrundeliegende Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts als zentraler Streitpunkt zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt wird und das Berufungsgericht sich sodann der Auffassung des Berufungsklägers anschließt. In diesem Fall muss die in erster Instanz erfolgreiche Partei von vornherein damit rechnen, dass das Berufungsgericht anderer Auffassung ist; seine dementsprechende Entscheidung kann im Grundsatz nicht überraschend sein. Das Berufungsgericht hat regelmäßig keinen Anlass zu der Annahme, trotz der in der Berufung zentral geführten Auseinandersetzung über den Streitpunkt bestehe noch Aufklärungsbedarf und müsse der Partei Gelegenheit zu weiterem Vortrag und Beweisantritt gegeben werden (BGH, Urteil vom 19. August 2010 - VII ZR 113/09, NJW 2010, 3089 Rn. 18; BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012 - II ZR 212/10, WM 2012, 1771 Rn. 7).
28
bb) Nach diesen Grundsätzen stellt es eine gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßende Überraschungsentscheidung dar, dass das Berufungsgericht ohne vorherigen Hinweis den Vortrag der Beklagten zur erstrebten Steuerersparnis als nicht ausreichend angesehen hat, um eine Indiztatsache schlüssig darzulegen.
29
Das Landgericht hatte dies anders bewertet, zum Motiv der Steuerersparnis Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen R. und in den Entscheidungsgründen maßgeblich auf diesen Umstand abgestellt. Der Kläger hat den (unzureichenden) Vortrag der Beklagten zu diesem Indiz auch nicht zu einem dahingehenden Berufungsangriff genutzt. In der Berufungsbegründung hat der Kläger zwar auch geltend gemacht, allein mit der Behauptung, er hätte den Fonds auch in Kenntnis der Rückvergütungen gezeichnet, weil es ihm auf die Erzielung von Steuervorteilen angekommen sei, lasse sich die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens "nach der ständigen Rechtsprechung" nicht widerlegen. Den für diese Auffassung in Bezug genommenen Urteilen (BGH, Urteile vom 22. März 2010 - II ZR 193/08, juris, vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, WM 2010, 1310 und vom 17. Mai 2011 - II ZR 202/09, AG 2011, 554; OLG Hamm, Urteil vom 2. April 2009 - 27 U 105/07, juris) lässt sich aber nichts dafür entnehmen, dass es für die Indizwirkung auf weiteren Vortrag, die erstrebte Steuerersparnis sei nur bei Kapitalanlagen mit vergleichbaren Rückvergütungen zu erzielen gewesen, ankommen könnte. Die Urteile haben sich allein damit befasst, ob bei einer werthaltigen Anlage, wie einem Immobilienfonds, angenommen werden kann, eine pflichtgemäße Aufklärung über wichtige, für die Werthaltigkeit der Anlage abträgliche Umstände hätte beim Anleger allein schon deshalb nur einen - die Kausalitätsvermutung ausschließenden - "Entscheidungskonflikt" begründet, weil mit erheblichen Steuervorteilen geworben worden sei. Damit hat die vom Berufungsgericht entschiedene Fallkonstellation nichts zu tun. Zum einen hat das Berufungsgericht keine Aufklärungspflichtverletzung über Umstände, die der Werthaltigkeit der Anlage abträglich sind, festgestellt. Zum anderen ist das Fehlen eines Entscheidungskonflikts als Voraussetzung der Kausalitätsvermutung bereits annährend zwei Jahre vor Abfassen der Berufungsbegründung mit Senatsurteil vom 8. Mai 2012 für alle Kapitalanlagefälle aufgegeben worden (XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 33). Die von der Berufungsbegründung angeführte Rechtsprechung war daher überholt.
30
cc) Auch dieser Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist entscheidungserheblich. Nach dem Vortrag der Nichtzulassungsbeschwerde hätte die Beklagte auf einen entsprechenden Hinweis beweisbewehrt vorgetragen, dass die beabsichtigte Steuerersparnis nur mit Fondsbeteiligungen zu erzielen gewesen wäre , bei denen ebenfalls Rückvergütungen in zumindest vergleichbarer Höhe angefallen wären. Möglicherweise hätte das Berufungsgericht auf Grundlage eines solchen Vorbringens zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung anders entschieden.

III.

31
Das angefochtene Urteil ist daher gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der gerade auch im Anwendungsbereich des § 544 Abs. 7 ZPO bestehenden Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht (Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 532/14, WM 2015, 2279 Rn. 9 mwN).
32
Das Berufungsgericht wird den Kläger als Partei (§ 445 Abs. 1 ZPO) zu der Behauptung der Beklagten zu vernehmen haben, die Rückvergütungen seien für seine Anlageentscheidung ohne Bedeutung gewesen. Die Aussage wird es zusammen mit den von der Beklagten benannten und - zum Teil - vom Landgericht festgestellten Indiztatsachen, soweit es diese seiner Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde legen will, zu würdigen haben. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass mehrere Hilfstatsachen, die für sich allein betrachtet keinen sicheren Rückschluss auf die Haupttatsache zulassen, vom Tatrichter auch darauf zu prüfen sind, ob sie in einer Gesamtschau geeignet sind, ihn von der beweisbedürftigen Behauptung zu überzeugen (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 45).
33
Soweit das Berufungsgericht den auf eine Aufklärungspflichtverletzung über Rückvergütungen gestützten Anspruch als nicht verjährt erachtet hat, weist die tatrichterliche Würdigung allerdings entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde keine durchgreifenden Rechts- oder Verfahrensfehler auf. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger vor Ablauf des Jahres 2007 positive Kenntnis von Rückvergütungen bei der hier in Rede stehenden Fondsbeteiligung hatte oder diese Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhte (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Insbesondere ist es zutreffend davon ausgegangen, dass die vom Landgericht aufgrund der Aussage des Zeugen R. getroffene Feststellung, dieser sei "die Kosten für die Vermittlung" in der Gesamtkostenaufstellung mit dem Kläger durchgegangen, keine Aufklärung darüber beinhaltet, die Beklagte vereinnahme Provisionen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 27 und vom 20. November 2012 - XI ZR 205/10, juris Rn. 21; Senatsurteil vom 4. Februar 2014 - XI ZR 398/12, BKR 2014, 200 Rn. 19). Die gegenteilige Einschätzung des Landgerichts, dies hätte dem Kläger auf Grundlage dieser Erörterungen "klar sein müssen", traf nicht zu.
Ellenberger Maihold Matthias Derstadt Dauber

Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 04.02.2014 - 9 O 1908/11 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 18.06.2014 - 5 U 58/14 -
20
cc) Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung geht der erkennende V. Zivilsenat nunmehr davon aus, dass die Vermutung der Ursächlichkeit eines Beratungsfehlers des Verkäufers für den Entschluss des Käufers zum Erwerb einer als Kapitalanlage angebotenen Immobilie (Kausalitätsvermutung) auch anzuwenden ist, wenn sich der Käufer bei richtiger Information in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. In diesem Fall ist es Sache des Verkäufers, darzutun, dass die dem Käufer erteilten Fehlinformationen für dessen Entscheidung zum Kauf irrelevant gewesen sind, der Käufer sich also auch bei richtiger Aufklärung zum Erwerb entschlossen hätte.

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. März 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an den 17. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Streitwert: bis 30.000 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus abgetretenem Recht ihres Sohnes A.        J.    auf Rückabwicklung einer Beteiligung an der              V.              4 GmbH & Co. KG (im Folgenden: V 4) in Anspruch.

2

Der Zedent zeichnete nach vorheriger Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten am 6. Mai 2004 eine Beteiligung an V 4 im Nennwert von 25.000 € zuzüglich Agio in Höhe von 1.250 €. Aus Eigenmitteln zahlte der Zedent 14.875 €, ein Anteil in Höhe von 45,5% der Beteiligungssumme an V 4 wurde durch ein endfälliges Darlehen der H.         finanziert.

3

Nach dem Inhalt des Verkaufsprospektes sollten 8,9% der Zeichnungssumme sowie das jeweilige Agio in Höhe von 5% zur Eigenkapitalvermittlung, Platzierungsgarantie und Finanzierungsvermittlung durch die V.              AG (im Folgenden: V. AG) verwendet werden. Die V. AG durfte ausweislich des Prospektes ihre Rechte und Pflichten aus der Vertriebsvereinbarung auf Dritte übertragen. Die Beklagte erhielt für den Vertrieb der Anteile Provisionen in Höhe von mindestens 8,25% der jeweiligen Zeichnungssumme, ohne dass dies dem Zedenten im Beratungsgespräch offengelegt wurde.

4

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage unter Berufung auf mehrere Aufklärungs- und Beratungsfehler Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligung die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals in Höhe von 14.875 € nebst Zinsen ab Zeichnung der Beteiligung, 552 € an das Finanzamt gezahlter Säumniszinsen nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit, Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des Betrages, der zur Ablösung des aufgenommenen Nettodarlehens über 11.375 € nebst Zinsen erforderlich ist, und zum Ersatz des durch den Erwerb der Beteiligung darüber hinaus noch entstehenden Schadens. Außerdem begehrt sie die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten mit der Rücknahme der Beteiligung und den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.277,90 € nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit.

5

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils der Klage bis auf einen Teil der begehrten Zinsen und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen und seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass zwischen dem Zedenten und der Beklagten konkludent ein Beratungsvertrag zustande gekommen sei, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Zedenten darauf hinzuweisen, dass sie von der V. AG aufklärungspflichtige Rückvergütungen erhalten habe. Diese Verpflichtung habe die Beklagte schuldhaft verletzt. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens habe die Beklagte nicht widerlegt.

II.

6

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da das angegriffene Urteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 139 f. und vom 18. Januar 2005 - XI ZR 340/03, BGH-Report 2005, 939 f.). Aus demselben Grunde ist das angefochtene Urteil gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der auch und gerade im Anwendungsbereich des § 544 Abs. 7 ZPO bestehenden Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

7

1. Rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass zwischen dem Zedenten und der Beklagten stillschweigend ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet war, den Zedenten über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen aufzuklären, und dass eine ordnungsgemäße Aufklärung des Zedenten über diese Rückvergütungen weder mündlich noch durch die Übergabe von Informationsmaterial erfolgt ist (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 15 ff. mwN). Auch hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbeschwerde unangegriffen insoweit ein Verschulden der Beklagten bejaht (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 24 f. mwN).

8

2. Gleichfalls rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung trägt, der Zedent hätte die Beteiligung auch bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütungen erworben.

9

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 27 ff. mwN; BVerfG, ZIP 2012, 164 Rn. 20). Auf die - vom Berufungsgericht verneinte - Frage, ob der Zedent sich bei gehöriger Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt zwischen mindestens zwei Handlungsalternativen befunden hätte, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr an. Wie der erkennende Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden und eingehend begründet hat, ist das Abstellen auf das Fehlen eines solchen Entscheidungskonfliktes mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr dafür, wie sich der Anleger bei gehöriger Aufklärung verhalten hätte, nicht zu vereinbaren, weshalb die Beweislastumkehr bereits bei einer - wie hier - feststehenden Aufklärungs-Pflichtverletzung eingreift (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 30 ff. mwN).

10

3. Das angegriffene Urteil verletzt jedoch den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG.

11

a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 60, 247, 249; 65, 293, 295 f.; 70, 288, 293; 83, 24, 35; BVerfG, NJW-RR 2001, 1006, 1007). Die Vorschrift gebietet außerdem die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge, gewährt allerdings keinen Schutz dagegen, dass das Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt (BVerfG, WM 2012, 492, 493 mwN). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus, das heißt, im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen der Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (BVerfGE 86, 133, 146; 96, 205, 216 f.; BVerfG, NJW 2000, 131; Senatsbeschluss vom 20. Januar 2009 - XI ZR 510/07, WM 2009, 405 Rn. 8).

12

b) Nach diesen Maßgaben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt.

13

aa) Die Beklagte hat mit ihrer Berufungserwiderung vom 30. Juni 2010 vorgetragen, dass für den Zedenten bei seinem Anlageentschluss allein die Steuerersparnis und allenfalls noch Renditechancen sowie das Sicherungskonzept der Schuldübernahme relevant, andere Aspekte jedoch bedeutungslos gewesen seien. Diese für die Anlageentscheidung maßgeblichen Umstände habe der Zedent dem Mitarbeiter der Beklagten im Vertriebsgespräch mitgeteilt. Zum Nachweis dieser Behauptungen hat sich die Beklagte auf das Zeugnis des Zedenten und ihres Mitarbeiters B.   berufen.

14

bb) Dieser Vortrag der Beklagten ist erheblich.

15

(1) Dem Beklagtenvortrag ist die Behauptung zu entnehmen, der Zedent hätte die Anlage auch bei Kenntnis von Rückvergütungen erworben. Damit wird die entscheidungserhebliche Tatsache - Fehlen der haftungsbegründenden Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden - unmittelbar selbst zum Gegenstand des Beweisantrags gemacht. Stellte sich der Sachvortrag in der Beweisaufnahme als richtig heraus, stünde die fehlende Kausalität der Pflichtverletzung fest. Weitere Einzelheiten oder Erläuterungen sind zur Substantiierung des Beweisantrags grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 39). Lediglich dann, wenn ein unzulässiger Ausforschungsbeweis vorliegt, also eine Prozesspartei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt, darf die beantragte Vernehmung des Anlegers unterbleiben (vgl. Senatsurteil aaO Rn. 40).

16

(a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte eine solche Behauptung "ins Blaue hinein" nicht aufgestellt. Die Beklagte hat behauptet, dass es dem Zedenten allein auf die Steuerersparnis und allenfalls noch Renditechancen und das Sicherungskonzept der Schuldübernahme angekommen sei. Damit hat sie ausreichende Anhaltspunkte vorgetragen, die nach ihrer Auffassung zumindest in der Gesamtschau dafür sprechen, dass der Ze-dent auch in Kenntnis der Rückvergütungen V 4 gezeichnet hätte (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 41). Dies reicht, um eine unzulässige Ausforschung zu verneinen. Das Berufungsgericht war daher grundsätzlich verpflichtet, den Zedenten zum Direktbeweis zu vernehmen.

17

(b) Das Berufungsgericht hat gehörswidrig die Vernehmung des Zedenten unter Verweis auf § 531 Abs. 2 ZPO abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO, nach dem erstmals in zweiter Instanz gehaltener Vortrag zurückgewiesen werden kann, liegen offensichtlich nicht vor. Die Beklagte hatte den Zedenten bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 5. November 2009 als Zeugen für die fehlende Kausalität benannt. Das Landgericht hat den Zedenten auch als Zeugen vernommen und aufgrund seiner Aussage die Klage wegen fehlender Kausalität abgewiesen. Der Beweisantrag war daher weder vom Landgericht zurückgewiesen worden noch war er neu. Das Berufungsgericht hätte daher den Zedenten als Zeugen vernehmen müssen. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte auf den vor der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz erteilten Hinweis des Berufungsgerichts vom 27. Januar 2012, dass es abweichend vom Landgericht der Auffassung sei, die Beklagte habe den ihr obliegenden Nachweis mangelnder Kausalität nicht geführt, an ihrem Beweisantritt festgehalten hat. Das ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts, nach denen sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2012 ausdrücklich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts gewandt hat, es könne die Aussage des Zedenten ausnahmsweise ohne dessen erneute Vernehmung anders würdigen als das Landgericht. Das Berufungsgericht war verpflichtet, den auf den Hinweis aufrechterhaltenen Beweisantritt bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2008 - V ZR 225/07, juris Rn. 7).

18

(c) Ebenfalls gehörswidrig hat das Berufungsgericht den erstinstanzlich vernommenen Zedenten entgegen § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 398 Abs. 1 ZPO nicht erneut vernommen, obwohl es seine Aussage anders gewürdigt hat als das Landgericht (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Mai 2013 - XI ZR 274/12, juris Rn. 12 ff. mwN.).

19

Das Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Rechtsmittelgericht, erstinstanzlich vernommene Zeugen erneut zu vernehmen, wenn es deren protokollierte Aussagen anders als die Vorinstanz verstehen oder würdigen will (Senatsbeschluss vom 14. Mai 2013 - XI ZR 274/12, juris Rn. 13 mwN). Die erneute Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht lediglich auf Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (Senatsbeschluss aaO Rn. 14 mwN). So liegt der Fall entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hier aber nicht. Das Landgericht hat der Aussage des Zedenten, für ihn sei die Anlage selbst sowie die Rendite, nicht aber das Agio von Bedeutung gewesen, einen Sinngehalt beigemessen, den das Berufungsgericht nicht teilt. Während das Landgericht der Aussage des Zeugen entnommen hat, dass die Aufklärung über die Provision der Beklagten seine Anlageentscheidung nicht beeinflusst hätte, hat das Berufungsgericht diesen Schluss nicht für gerechtfertigt gehalten. Es hätte daher den Zedenten zwecks Klärung dieser Frage erneut vernehmen müssen.

20

(2) Der weiter unter Beweis gestellte Vortrag der Beklagten zum Motiv des Zedenten, sich an V 4 zu beteiligen, betrifft eine erhebliche Hilfstatsache (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 42, 52 ff.). Dem Vortrag der Beklagten kann entnommen werden, dass sie behauptet, dem Zedenten sei es vordringlich um die konkret bei V 4 zu erzielende Steuerersparnis gegangen, die alternativ nur mit Produkten zu erzielen gewesen sei, bei denen vergleichbare Rückvergütungen gezahlt worden seien (vgl. Senatsurteil aaO Rn. 54). Trifft dieser Vortrag zu, kann er - gegebenenfalls in der Gesamtschau mit anderen Indizien - den Schluss darauf zulassen, dass der Zedent V 4 auch in Kenntnis der an die Beklagte geflossenen Rückvergütungen gezeichnet hätte. Das hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft verkannt, indem es die Vernehmung des angebotenen Zeugen B. entscheidend mit der Begründung verneint hat, die Beklagte habe keine konkreten Äußerungen des Zedenten gegenüber dem benannten Zeugen vorgetragen, die im Falle ihrer Bestätigung den Rückschluss auf die behauptete hypothetische Reaktion des Zedenten erlauben würde.

21

4. Die unterlassene Zeugenvernehmung verletzt den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise, denn das Berufungsurteil beruht auf dieser Verletzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (BVerfGE 7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 89, 381, 392 f.). Die Gehörsverletzung führt nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Zulassung der Revision, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 296 f.), und rechtfertigt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache.

22

5. Das Berufungsgericht wird die oben genannten Beweise zu erheben und zusammen mit den vorgetragenen Indizien (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 42 ff.) zu würdigen haben. Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung die Kausalitätsvermutung in Bezug auf verheimlichte Rückvergütungen als widerlegt ansehen, wird es sich auch mit den von der Klägerin behaupteten weiteren Verletzungen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen durch u.a. unrichtige Angaben des Anlageberaters der Beklagten über durch Kapitalgarantien verschiedener Banken sichergestellte 100%ige Geldrückflüsse auseinanderzusetzen haben (vgl. Henning, WM 2012, 153 ff.; auch Senatsbeschluss vom 19. Juli 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 13 ff.).

Wiechers                            Joeres                           Ellenberger

                    Matthias                        Menges

20
3. Die Kausalität des Beratungsfehlers des Beklagten für die Anlageentscheidung des Klägers und den ihm daraus erwachsenen Schaden hat das Berufungsgericht mit Recht bejaht. Diesen Punkt greift die Revision auch nicht an. Für den Ursachenzusammenhang zwischen einer fehlerhaften Beratung und der Anlageentscheidung spricht eine durch die Lebenserfahrung begründete tatsächliche Vermutung (s. etwa Senatsurteile vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05 - NJW-RR 2006, 685, 687 f Rn. 22 ff; vom 19. Juni 2008 aaO Rn. 8; vom 5. November 2009 aaO S. 351 Rn. 21 und vom 19. November 2009 aaO S. 121 Rn. 26 sowie Senatsbeschluss vom 9. April 2009 - III ZR 89/08 - BeckRS 2009, 11192 Rn. 8 m.w.N.). Diese Vermutung hat der Beklagte nicht zu entkräften vermocht.
13
4. Letztlich verkennt das Berufungsgericht auch die Rechtsprechung des Senats, wonach für einen Ursachenzusammenhang zwischen einer Beratungspflichtverletzung und der Anlageentscheidung und dafür, dass der Anlageinteressent bei richtiger Aufklärung von der Zeichnung der Anlage abgesehen hätte , eine durch die Lebenserfahrung begründete (tatsächliche) Vermutung streitet , die von dem Aufklärungspflichtigen durch konkreten Vortrag zu entkräften ist (vgl. z.B. Senatsurteile vom 22. Juli 2010, aaO, Rn. 20; vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, NJW 2010, 3292 Rn. 20 mwN; vom 19. Juni 2008, aaO Rn. 8 und vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, WM 2006, 668, 671). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist deshalb auch die Annahme im Berufungsurteil, die Angaben des Klägers in seiner mündlichen Anhörung ließen die Möglichkeit offen, dass er unabhängig von einer "Überredung" durch die Mitarbeiter der Beklagten aufgrund eigener Entscheidung und Prüfung bestehender Bedenken entschlossen gewesen sei, dem Fonds beizutreten, von Rechtsfehlern beeinflusst.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 308/15
Verkündet am:
23. Juni 2016
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Pflicht eines Anlagevermittlers oder Anlageberaters zur Aufklärung über
Innenprovisionen von mehr als 15 % besteht auch bei der Vermittlung einer
Kapitalanlage in Form einer Eigentumswohnung.

b) Die Aufklärungspflicht des Anlagevermittlers oder Anlageberaters besteht
unabhängig davon, ob die Kapitalanlage mittels eines Prospekts vertrieben
wird oder nicht.
BGH, Urteil vom 23. Juni 2016 - III ZR 308/15 - KG Berlin
LG Berlin
ECLI:DE:BGH:2016:230616UIIIZR308.15.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2016 durch die Richter Seiters, Hucke und Reiter sowie die Richterinnen Dr. Liebert und Pohl

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Kammergerichts vom 24. März 2015 im Kostenpunkt sowie im Umfang der Zulassung der Revision aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit einer Anlagevermittlung beziehungsweise Anlageberatung geltend. Er erwarb 1992 auf Empfehlung des für die Beklagte tätigen Vertriebsmitarbeiters F. eine Eigentumswohnung für 97.020 DM, die er entsprechend dem ihm erteilten Rat vollständig fremdfinanzierte. Nachdem die Mieteinnahmen nicht die prognostizierte Höhe erreichten, geriet der Kläger mit der Rückzahlung des Darlehens in Rückstand. 2004 kündigte die finanzierende Bank den Kredit. Die da- raufhin eingeleitete Zwangsversteigerung der Wohnung erbrachte lediglich einen Erlös von 7.000 €.
2
Mit Anwaltsschreiben vom 15. November 2004 forderte der Kläger die Beklagte zur Anerkennung ihrer Schadensersatzpflicht wegen der Vermittlung der streitgegenständlichen Wohnung auf. Hierin heißt es unter anderem: "Darüber hinaus konnte in Erfahrung gebracht werden, dass Sie als A. vom Verkäufer eine Innenprovision erhalten haben, die bei etwa 15 % des Kaufpreises lag. Auch auf diese Innenprovision wurde nicht hingewiesen. Hätte mein Auftraggeber gewusst, dass der Kaufpreis eine Innenprovision von rund 15.000 DM enthielt und somit die Immobilie an sich nur 82.000,00 DM wert war, anstatt der bezahlten 97.000,00 DM, hätte er die Wohnung ebenfalls nicht gekauft."
3
Den nach der Verwertung der Sicherheiten verbliebenen Schaden, den der Kläger mit 67.117,43 Euro beziffert, verlangt er von der Beklagten ersetzt. Er begehrt zudem die Freistellung von weiteren Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag, den er zur Finanzierung der Eigentumswohnung aufgenommen hat.
4
Der Kläger hat behauptet, der für die Beklagte tätige Vertriebsmitarbeiter habe mehrere unzutreffende Angaben über das Anlageobjekt gemacht und seine Aufklärungspflichten verletzt. Er hat unter anderem geltend gemacht, die Beklagte habe von den Verkäufern eine Provision von 20 % für die Vermittlung der streitgegenständlichen Eigentumswohnung erhalten. Hierüber sei er nicht aufgeklärt worden. Wäre er hierüber aufgeklärt worden, hätte er die Wohnung nicht erworben.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss vom 12. Februar 2013 gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen. Der Senat hat diese Entscheidung durch Beschluss vom 5. November 2014 - III ZR 559/13 - gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Kammergericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Berufung durch Urteil vom 24. März 2015 erneut zurückgewiesen. Der Senat hat auf die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers die Revision insoweit zugelassen, als die Klageforderung auf den Vorwurf einer unterlassenen Aufklärung über Innenprovisionen von 20 % des Kaufpreises für die Vermittlung der streitgegenständlichen Eigentumswohnung gestützt wird.
6
Mit der Revision erstrebt der Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und die Verurteilung der Beklagten entsprechend den Klageanträgen.

Entscheidungsgründe


7
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Zulassung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


8
Nach Auffassung des Kammergerichts ist die Behauptung des Klägers zu einer an die Beklagte bezahlten Provision von 20 % des Kaufpreises offensichtlich ins Blaue hinein aufgestellt worden, da für die Höhe der Provision jegliche tatsächlichen Anhaltspunkte fehlten. Daran ändere auch der Vortrag des Klägers, wonach der Zeuge F. dies anhand einer Rückrechnung der ihm persönlich zugeflossenen Provisionen bestätigt habe, nichts. Eine Vernehmung des Verkäufers als Zeugen verbiete sich, weil bislang jeglicher konkreter Vortrag dazu fehle, wie die Prozentzahl von 20 % ermittelt worden sein solle. Der Vortrag des Klägers zu verschwiegenen Innenprovisionen sei aber auch aus Rechtsgründen irrelevant. Eine Aufklärungspflicht über Provisionen bestehe nur bei Kapitalanlagen, insbesondere Fondsbeteiligungen, die mittels eines Prospekts vertrieben würden. Bei der schlichten Vermittlung einer (gebrauchten ) Immobilie bestehe keine Pflicht des Vermittlers, über eine Provision aufzuklären.

II.


9
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
10
1. Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, wonach eine Aufklärungspflicht eines Anlagevermittlers oder Anlageberaters über Innenprovisionen von über 15 % nur bei Kapitalanlagen, die mittels eines Prospekts vertrieben werden, nicht jedoch bei der Vermittlung einer (gebrauchten) Immobilie bestehe.
11
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat ein Anlagevermittler oder ein Anlageberater den Erwerber einer von ihm vermittelten Anlage unaufgefordert über Vertriebsprovisionen aufzuklären, wenn diese 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überschreiten. Dem liegt die Erwägung zugrunde , dass Vertriebsprovisionen solchen Umfangs Rückschlüsse auf eine geringere Werthaltigkeit und Rentabilität der Kapitalanlage eröffnen und dies wiederum einen für die Anlageentscheidung derart bedeutsamen Umstand darstellt , dass der Anlageinteressent hierüber informiert werden muss (vgl. Senat, Urteile vom 12. Februar 2004 - III ZR 359/02, BGHZ 158, 110, 116, 121; vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, NJW-RR 2006, 685 Rn. 5 und vom 3. März 2011 - III ZR 170/10, NJW-RR 2011, 913 Rn. 16, 22; Beschluss vom 29. Januar 2015 - III ZR 547/13, BeckRS 2015, 04824 Rn. 8).
12
Diese Rechtsprechung gilt unabhängig davon, welche Kapitalanlage vermittelt wird. Sie gilt insbesondere auch für die Vermittlung von Kapitalanlagen in Form einer Eigentumswohnung (vgl. Senat, Urteil vom 9. Februar2006 aaO und Beschluss vom 29. Januar 2015 aaO). Auch bei Eigentumswohnungen lassen Vertriebsprovisionen von über 15 % auf eine geringere Werthaltigkeit schließen, weshalb die Gewährung derartiger Provisionen einen für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstand darstellt, über den aufgeklärt werden muss.
13
b) Dies steht nicht im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Verkäufer einer Immobilie grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Interessenten über die Zahlung einer Innenprovision an den von ihm beauftragten Vertrieb aufzuklären, wenn das Objekt nicht mittels eines Prospekts vertrieben wird, sondern durch mündliche Beratung anhand eines konkreten Berechnungsbeispiels (vgl. BGH, Urteile vom 14. März 2003 - V ZR 308/02, NJW 2003, 1811 f; vom 8. Oktober 2004 - V ZR 18/04, NJW 2005, 820, 822; vom 13. Oktober 2006 - V ZR 66/06, NJW 2007, 1874 Rn. 7 und vom 10. November 2006 - V ZR 73/06, BeckRS 2007, 00583 Rn. 15). Diesen Entscheidungen liegt die Erwägung zu Grunde, dass der Käufer einer Immobilie grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Erwerb des Objekts zu dessen Verkehrswert hat, so dass für den Verkäufer selbst dann keine Pflicht zur Offenlegung über den Wert des Kaufobjekts besteht, wenn dieser erheblich unter dem geforderten Preis liegt (vgl. BGH, Urteile vom 14. März 2003 aaO und vom 13. Oktober 2006 aaO Rn. 8). Dementsprechend begründet der Umstand, dass bei dem Käufer eine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit des erworbenen Renditeobjekts entstehen kann, selbst dann noch keine Offenbarungspflicht, wenn die Höhe der Provisionen tatsächlich zu einem Kaufpreis führt, der den objektiven Wert der Immobilie übersteigt (vgl. Senat, Urteil vom 12. Februar 2004 - III ZR 359/02, BGHZ 158, 110, 119; BGH, Urteil vom 14. März 2003 aaO). Diese Erwägungen, die für die Verneinung der Aufklärungspflicht des Verkäufers maßgeblich sind, gelten für die Aufklärungspflicht des Anlageberaters oder Anlagevermittlers nicht. Die Pflichten eines Anlagevermittlers oder Anlageberaters aus dem Vertragsverhältnis mit dem Anleger unterscheiden sich grundsätzlich von den Pflichten eines Verkäufers gegenüber dem Käufer. Anlagevermittler und Anlageberater sind nicht Vertragspartner des Kaufvertrags. Die ihnen obliegenden Aufklärungspflichten ergeben sich nicht als Nebenpflichten aus dem Kaufvertrag oder einem zusätzlich zwischen den Parteien des Kaufvertrags bestehenden Beratungsvertrag (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 13. Oktober 2006 aaO Rn. 13 ff und vom 10. November 2006 aaO Rn. 7 ff jeweils mwN). Die Aufklärungspflichten ergeben sich vielmehr aus dem selbständig zwischen dem Anlageberater bzw. Anlagevermittler und dem Anleger bestehenden Vertragsverhältnis, woraus diese dem Anleger eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände schulden, die für dessen Anlageentscheidung von besonderer Bedeutung sind. Die Werthaltigkeit des Anlageobjekts ist für die Anleger von besonderer Bedeutung, weshalb über Umstände wie Innenprovisionen von über 15 %, die Rückschlüsse auf die Werthaltigkeit und Rentabilität der Anlage eröffnen, aufgeklärt werden muss.
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c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Beklagten kommt es für das Bestehen der Aufklärungspflicht des Anlagevermittlers bzw. Anlageberaters nicht darauf an, ob die Anlage mittels eines Prospekts vertrieben wurde. Die Aufklärungspflicht des Anlagevermittlers oder Anlageberaters über die an ihn von dem Verkäufer bezahlte Innenprovision besteht unabhängig hiervon. Der Anlageberater bzw. Anlagevermittler ist stets zur richtigen und vollständigen Information über diejenigen tatsächlichen Umstände verpflichtet, die für die Anlageentscheidung von besonderer Bedeutung sind. Er kann sich zur Erfüllung dieser Pflichten eines Prospekts bedienen, muss dies aber nicht. Existiert kein Prospekt, hat er die Pflicht durch eine eigenständige Aufklärung zu erfüllen.
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Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Entscheidungen des Senats vom 12. Februar 2004 (III ZR 359/02, BGHZ 158, 110) und vom 28. Juli 2005 (III ZR 290/04, NJW 2005, 3208). Die Entscheidung vom 12. Februar 2004 (aaO) befasst sich mit der Frage, ob Innenprovisionen in einem Prospekt ausgewiesen werden müssen. Der Senat hat dies bei Innenprovisionen von über 15 % auf Grund der Besonderheiten des Vertriebs mittels Prospekts bejaht. Er hat sich in dieser Entscheidung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der fehlenden Aufklärungspflicht des Verkäufers über Innenprovisionen auf Grund der fehlenden Pflicht des Verkäufers zur Offenlegung über den Wert des Kaufobjekts befasst und hiervon die Pflicht zur Offenlegung der Innenprovisionen in einem Prospekt abgegrenzt. Der Entscheidung ist dagegen nicht zu entnehmen, dass auch der Anlagevermittler bzw. Anlageberater nur dann über Innenprovisionen von über 15 % aufzuklären hat, wenn die Anlage mittels eines Prospekts vertrieben wird. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird dementsprechend zwar bei der Inanspruchnahme des Verkäufers regelmäßig differenziert danach, ob dem Kaufinteressenten bei dem Verkauf einer Immobilie das Objekt mittels eines Prospekts vorgestellt wird mit der Folge einer bestehenden Aufklärungspflicht in dem Prospekt oder ob das Objekt durch mündliche Beratung anhand eines konkreten Berechnungsbeispiels vertrieben wird mit der Folge einer fehlenden Aufklärungspflicht des Verkäufers (vgl. BGH, Urteile vom 8. Oktober 2004 - V ZR 18/04, NJW 2005, 820, 822; vom 13. Oktober 2006 - V ZR 66/06, NJW 2007, 1874 Rn. 7 und vom 10. November 2006 - V ZR 73/06, BeckRS 2007, 00583 Rn. 15). Bei der Inanspruchnahme des Anlagevermittlers oder Anlageberaters spielt diese Differenzierung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dagegen keine Rolle (z.B. Senat, Urteil vom 3. März 2011 - III ZR 170/10, NJW-RR 2011, 913 Rn. 16, 22 und Beschluss vom 29. Januar 2015 - III ZR 547/13, BeckRS 2015, 04824 Rn. 8).
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Auch die Entscheidung des Senats vom 28. Juli 2005 (III ZR 290/04, NJW 2005, 3208) besagt nichts darüber, ob die Aufklärungspflicht des Anlagevermittlers und Anlageberaters über Innenprovisionen nur bei Vertrieb mittels Prospekts besteht. Die Entscheidung betrifft die Haftung eines Geschäftsbesorgers , der nur als Abwicklungsbeauftragter tätig wurde und dem auch mit dem Argument der besonderen Schutzbedürftigkeit des Anlegers bei einer über einen Prospekt vermittelten Anlage die Pflicht zur Offenlegung seiner Kenntnisse über Innenprovisionen auferlegt wurde. Hieraus ergibt sich demnach nicht, dass auch Anlagevermittler und Anlageberater nur bei mittels Prospekts vermittelten Anlagen zur Aufklärung über Innenprovisionen verpflichtet sind.
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2. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es eine Beweisaufnahme ablehnt zu der Frage, ob eine Innenprovision in Höhe von 20 % an die Beklagte bezahlt wurde, halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Diese beruhen, wie die Revision mit Recht geltend macht, auf einer Verletzung des Grundrechts des Klägers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
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Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. Die Ablehnung eines Beweises für eine erhebliche Tatsache ist nur zulässig, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann oder wenn sie ins Blaue hinein aufgestellt worden ist, mithin aus der Luft gegriffen ist und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 01. Juni 2005 - XII ZR 275/02, NJW 2005, 2710, 2711 und vom 12. Juni 2008 - V ZR 221/07, WM 2008, 2068 Rn. 5, 9). Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast dabei bereits dann, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 26. November 2015 - III ZR 78/15, BeckRS 2015, 20464 Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 1. Juni 2005 aaO; vom 12. Juni 2008 aaO Rn. 6 f; vom 31. Juli 2013 - VII ZR 59/12, NJW 2013, 3180 Rn. 11 und vom 6. Februar 2014 - VII ZR 160/12, NJW-RR 2014, 456 Rn. 12).
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Der Vortrag des Klägers genügt diesen Anforderungen. Der Kläger hat eine konkrete Tatsache - die Zahlung einer Innenprovision in Höhe von 20 % des Kaufpreises durch die Verkäufer -, die im Kenntnisbereich der Beklagten liegt, behauptet und unter Zeugenbeweis (Zeugnis E. ) gestellt. Er hat hierzu weiter unter Benennung des Vertriebsmitarbeiters F. als Zeugen erklärt, dieser habe die Höhe der Innenprovisionen durch Rückrechnung der ihm persönlich zugeflossenen Provision bestätigt. Dies macht deutlich, dass es sich hierbei nicht um eine Behauptung ins Blaue hinein handelt. Weiterer Vortrag hierzu und eine weitere Plausibilisierung dieser Behauptung durch den Kläger sind zur Substantiierung nicht erforderlich. Es ist auch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Kläger hierzu weitere Umstände vorbringen könnte, nachdem die Höhe der Innenprovision eine im Kenntnisbereich der Beklagten und nicht des Klägers liegende Tatsache darstellt.
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Das Berufungsgericht hat die Substantiierungsanforderungen somit überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag des Klägers in der gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und den angebotenen Beweis zu erheben , was einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG darstellt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. November 2014 - III ZR 559/13, NJW-RR 2015, 125 Rn. 9 und vom 26. November 2015 - III ZR 78/15, BeckRS 2015, 20464 Rn. 9; BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 - VII ZR 160/12, NJW-RR 2014, 456 Rn. 12).
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Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte demgegenüber darauf, dass der Kläger nicht vorgetragen habe, dass eine Provision von 20 % in den Kaufpreis der Wohnung derart einkalkuliert worden sei, dass dieser in einer Größenordnung von über 15 % den objektiven Wert der Wohnung überstiegen habe. Würde sich der Vortrag des Klägers, dass Innenprovisionen von 20 % des Kaufprei- ses gezahlt worden seien, als wahr erweisen, genügte dies, um eine Aufklärungspflicht zu begründen, weil hieraus Rückschlüsse auf eine geringere Werthaltigkeit des Objekts gezogen werden können. Entscheidend ist, dass der Verkäufer die Provisionen bei der Bemessung des Kaufpreises regelmäßig berücksichtigen und deshalb den Kaufpreis in Höhe des von ihm angenommenen Werts der Immobilie zuzüglich der Provisionen ansetzen wird. Je höher die Provisionen sind, desto geringer ist demnach der Anteil des angenommenen Immobilienwertes am Kaufpreis. Darauf, welchen Wert die Wohnung tatsächlich hat und ob der Preis den Wert um über 15 % übersteigt, kommt es nicht an.
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Die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht ist auch entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zu einer bestehenden Aufklärungspflicht über Innenprovisionen nach ordnungsgemäßer Durchführung der Beweisaufnahme die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs zu bejahen sind. Sofern der Vortrag des Klägers zutrifft, dass die Beklagte von der Verkäuferin Innenprovisionen von 20 % des Kaufpreises erhalten hat, ohne den Kläger hierüber aufzuklären, liegt eine Verletzung der vertraglichen Aufklärungspflicht durch die Beklagte vor. Das Verschulden wird vermutet. Ebenso spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Kläger als Anlageinteressent bei richtiger Aufklärung von der Investition abgesehen hätte (st. Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 14. April 2011 - III ZR 27/10, NJW-RR 2011, 1139 Rn. 13 mwN).
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Auf Grundlage des bislang festgestellten und der Revision zu Grunde zu legenden Sachverhalts kann auch nicht von einer Verjährung des Anspruchs ausgegangen werden. Da nach der Rechtsprechung des Senats eine Aufklärungspflicht erst bei einer Innenprovision von mehr als 15 % besteht, könnte allenfalls die Kenntnis einer Innenprovisionshöhe von über 15 % eine Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände im Sinne des Verjährungsrechts begründet haben. Entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung ergibt sich diese Kenntnis nicht aus dem Anwaltsschreiben vom 15. November 2004. Dort wird von einer zur Kenntnis gelangten Innenprovision von etwa 15 % gesprochen, woraus nicht auf eine Kenntnis einer Innenprovision von über 15 % geschlossen werden kann. Diese Kenntnis ergibt sich auch nicht daraus, dass das Schreiben weiter eine Innenprovision von rund 15.000 DM erwähnt, was rechnerisch einem Prozentsatz von 15,46 % des Kaufpreises entspricht. Aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass der angegebene Betrag von 15.000 DM gerundet wurde ausgehend von einer Provision von 15 %. Eine Aussage über die exakte Höhe der Provision kann dieser Zahl deshalb ebenso wenig entnommen werden wie die Kenntnis einer Provision von über 15 %.
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3. Das angefochtene Urteil ist im Umfang der Zulassung aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann das Bestehen einer Aufklärungspflichtpflichtverletzung der Beklagten im Hinblick auf etwaige Innenprovisionen auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht selbst beurteilen. Das Berufungsgericht wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.
Seiters Hucke Reiter
Liebert Pohl
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 30.05.2012 - 22 O 35/12 -
KG Berlin, Entscheidung vom 24.03.2015 - 27 U 79/12 -
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1. Unter welchen Voraussetzungen in Fällen der Rechtsberaterhaftung für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden zugunsten des Mandanten Beweiserleichterungen in Betracht kommen, lässt sich der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entnehmen, die bereits durch das Grundsatzurteil vom 30. September 1993 (IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311) begründet worden ist. Es handelt sich um einen Anwendungsfall des Anscheinsbeweises. Vorausgesetzt ist demnach ein Sachverhalt, der nach der Lebenserfahrung aufgrund objektiv deutlich für eine bestimmte Reaktion sprechender Umstände einer typisierenden Betrachtungsweise zugänglich ist. Dies ist anzunehmen, wenn bei zutreffender rechtlicher Beratung vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus allein eine Entscheidung nahe gelegen hätte (BGH, Urteil vom 30. September 1993, aaO S. 314 ff; vom 30. März 2000 - IX ZR 53/99, WM 2000, 1351, 1352; vom 20. März 2008 - IX ZR 104/05, WM 2008, 1042 Rn. 12; vom 5. Februar 2009 - IX ZR 6/06, WM 2009, 715 Rn. 8 ff; st.Rspr.).

(1) Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat.

(2) Der Behandelnde hat zu beweisen, dass er eine Einwilligung gemäß § 630d eingeholt und entsprechend den Anforderungen des § 630e aufgeklärt hat. Genügt die Aufklärung nicht den Anforderungen des § 630e, kann der Behandelnde sich darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte.

(3) Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen § 630f Absatz 1 oder Absatz 2 nicht in der Patientenakte aufgezeichnet oder hat er die Patientenakte entgegen § 630f Absatz 3 nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat.

(4) War ein Behandelnder für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht befähigt, wird vermutet, dass die mangelnde Befähigung für den Eintritt der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ursächlich war.

(5) Liegt ein grober Behandlungsfehler vor und ist dieser grundsätzlich geeignet, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war. Dies gilt auch dann, wenn es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.