vorgehend
Landgericht Frankfurt (Oder), 17 O 29/06, 29.02.2008
Brandenburgisches Oberlandesgericht, 12 U 75/08, 09.07.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 241/09 Verkündet am:
19. Oktober 2010
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ist dem behandelnden Arzt ein Risiko im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht
bekannt und musste es ihm auch nicht bekannt sein, etwa weil es nur in anderen
Spezialgebieten der medizinischen Wissenschaft aber nicht in seinem
Fachgebiet diskutiert wird, entfällt die Haftung des Arztes mangels schuldhafter
Pflichtverletzung.
BGH, Urteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 241/09 - OLG Brandenburg
LG Frankfurt (Oder)
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll
und Wellner sowie die Richterinnen Diederichsen und von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 9. Juli 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere immaterielle Schäden im Zusammenhang mit einer am 8. Oktober 2003 von der Beklagten zu 2 im Krankenhaus der Beklagten zu 1 anlässlich einer Krampfadernoperation bei ihr durchgeführten Spinalanästhesie in Anspruch. Nach dem Eingriff bildeten sich im Schädel der Klägerin subdurale Hygrome (Flüssigkeitsergüsse). Diese wurden auf den am 13. Dezember 2003 in der Rettungsstelle der Beklagten zu 1 gefertigten CT- Bildern nicht erkannt, sondern erst am 15. Dezember 2003 in der Notaufnahme eines anderen Krankenhauses. Die Klägerin wurde daraufhin am 16. Dezember 2003 am Kopf operiert.
2
Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Beklagte zu 2 die Klägerin im Rahmen der Aufklärung über die Risiken der Spinalanästhesie auf die Möglichkeit der Bildung eines Hygroms hätte hinweisen müssen.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu 1 wegen der Verzögerung der Operation infolge fehlerhafter Auswertung der Computertomographie vom 13. Dezember 2003 verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 200 € zu zahlen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der Ausführungen des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. B. zu dem Ergebnis gelangt, dass eine schuldhafte Verletzung der Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit der bei der Klägerin vorgenommenen Spinalanästhesie nicht vorliege. Zwar sei nach den Angaben des Sachverständigen grundsätzlich eine Aufklärung des Patienten über das Risiko eines subduralen Hygroms bzw. Hämatoms nach einer Spinalanästhesie erforderlich, weil die Entstehung von cerebralen Hygromen im Gefolge einer Spinalanästhesie ein eingriffsspezifisch-typisches Risiko dieser Anästhe- siemethode sei. Durch eine Punktion der Dura bei einer Rückenmarksnarkose oder einer Lumbalpunktion könne ein Liquorunterdrucksyndrom entstehen, das zu postspinalen Kopfschmerzen - wie sie auch bei der Klägerin aufgetreten seien - und in seltenen Fällen zu einem subduralen Hygrom führe. Das Auftreten eines subduralen Hygroms mit dem Erfordernis einer Kopfoperation und der Gefahr von Dauerschäden führe zu einer erheblichen Belastung des Patienten, so dass dieser unabhängig von der geringen Häufigkeit des Auftretens dieser Komplikation über das entsprechende Risiko aufzuklären sei. Das Unterlassen einer entsprechenden Aufklärung der Klägerin sei einem im Krankenhausbereich eingesetzten Anästhesisten im Oktober 2003 allerdings noch nicht vorwerfbar gewesen. Prof. Dr. B. habe dargelegt, dass die Problematik eines Zusammenhangs zwischen Spinalanästhesie und subduralen Hygromen bzw. Hämatomen im Oktober 2003 unter Anästhesisten nahezu unbekannt gewesen sei. Zwar habe der Sachverständige eingeräumt, dass in der medizinischen Literatur teilweise ein Zusammenhang zwischen Punktionen der Dura und dem Auftreten subduraler Hygrome/Hämatome erwähnt worden sei, jedoch behandle nur eines von drei der vom Sachverständigen als Standardlehrbücher bezeichneten Werke die Komplikation. Auch habe der Sachverständige überzeugend darauf verwiesen, dass das Risiko bei der im Fachbereich der Neurologie durchgeführten Lumbalpunktion wegen der dort verwendeten Nadeln mit wesentlich größerem äußeren Durchmesser erheblich höher sei als bei der Spinalanästhesie , so dass dies die entsprechende Sensibilisierung und literarische Aufbereitung des Risikos in diesem Fachbereich erkläre. Ob in einem anderen Fachbereich bei einer ähnlich gelagerten Problematik eine Kenntnis gefordert werden müsse, sei jedoch unerheblich, da von einem Arzt nicht verlangt werden könne, dass er sämtliche medizinischen Fachbereiche bis in ihre Feinheiten hinein beherrsche. Darüber hinaus sei auch der Nachweis der Kausalität der Spinalanästhesie für das Auftreten der subduralen Hygrome bei der Klägerin nicht geführt worden. Zwar wäre im Falle einer unzureichenden Aufklärung bereits die Durchführung der Spinalanästhesie widerrechtlich erfolgt, mithin als Primärschädigung die Punktion der Dura der Klägerin anzusehen. Auch nach dem Beweismaß des § 287 ZPO stehe aber die Kausalität des Eingriffs für die Entstehung der subduralen Hygrome bei der Klägerin nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest. Der Sachverständige Prof. Dr. B. habe im Rahmen seiner Anhörung angegeben, eine Kausalität sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, auch im Bereich darunter sei eine Kausalität rein spekulativ. Es komme auch eine zufällig zeitgleiche Bildung des Hygroms im Zusammenhang mit einer Spinalanästhesie in Betracht und werde in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben. Zudem habe nach den Angaben des Sachverständigen eine entsprechende Disposition bei der Klägerin bestanden. Auch aus dem Umstand, dass bei der Klägerin eine Liquorleckage an einer anderen Stelle der Dura nicht festgestellt worden sei, lasse sich nicht auf eine Kausalität zwischen der Spinalanästhesie und dem subduralen Hygrom schließen. Der Sachverständige habe ausdrücklich ausgeführt, dass sich eine spontan entstandene Leckage zumeist von selbst wieder verschließe. Eine andere Beurteilung lasse sich auch nicht den Ausführungen des weiteren Sachverständigen Prof. Dr. R. entnehmen, da dieser (fälschlicherweise) davon ausgegangen sei, die Kausalität sei zwischen den Parteien unstreitig. Was die fehlerhafte Auswertung der Computertomographie vom 13. Dezember 2003 im Hause der Beklagten zu 1 anbelange, habe der Sachverständige Prof. Dr. R. nachvollziehbar dargetan, dass die dadurch bedingte zeitliche Verzögerung der Kopfoperation um einen Zeitraum von zweieinhalb Tagen hinaus keine weiteren nachteiligen Folgen für die Klägerin gehabt habe. Für die Verzögerung als solche sei ein Schmerzensgeld von 200 € angemessen.

II.

5
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Die bisherigen Feststellungen reichen nicht aus, um eine Haftung der Beklagten wegen Verletzung der Pflicht zur Aufklärung über das Risiko des Entstehens eines subduralen Hygroms bzw. Hämatoms nach einer Spinalanästhesie zu verneinen.
6
1. Das Berufungsurteil entspricht in seinem rechtlichen Ausgangspunkt allerdings der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 6. Juli 2010 - VI ZR 198/09, VersR 2010, 1220 Rn. 11 f.):
7
Danach muss der Patient "im Großen und Ganzen" wissen, worin er einwilligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern (vgl. Senatsurteile vom 7. Februar 1984 - VI ZR 174/82, BGHZ 90, 103, 106, 108 und vom 15. Februar 2000 - VI ZR 48/99, BGHZ 144, 1, 5). Die Notwendigkeit zur Aufklärung hängt bei einem spezifisch mit der Therapie verbundenen Risiko nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann. Bei einer möglichen besonders schweren Belastung für seine Lebensführung ist deshalb die Information über ein Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht (vgl. Senatsurteile vom 7. Februar 1984 - VI ZR 174/82, BGHZ 90, 103, 107; vom 15. Februar 2000 - VI ZR 48/99, BGHZ 144, 1, 5 f.; vom 2. November 1993 - VI ZR 245/92, VersR 1994, 104, 105; vom 21. November 1995 - VI ZR 341/94, VersR 1996, 330, 331 und vom 6. Juli 2010 - VI ZR 198/09, VersR 2010, 1220 Rn. 11).
8
Aufzuklären ist nur über bekannte Risiken. War ein Risiko im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt, besteht keine Aufklärungspflicht. War es dem behandelnden Arzt nicht bekannt und musste es ihm auch nicht bekannt sein, etwa weil es nur in anderen Spezialgebieten der medizinischen Wissenschaft aber nicht in seinem Fachgebiet diskutiert wurde, entfällt die Haftung des Arztes mangels schuldhafter Pflichtverletzung (vgl. Senatsurteile vom 12. Dezember 1989 - VI ZR 83/89, VersR 1990, 522, 523; vom 21. November 1995 - VI ZR 329/94, VersR 1996, 233; Kurzbegründung im Nichtannahmebeschluss des Senats vom 26. September 1995 - VI ZR 295/94, zum Urteil des OLG Düsseldorf VersR 1996, 377, 378; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., C Rn. 46; Katzenmeier in Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Aufl., V B Rn. 24).
9
2. Das Berufungsgericht ist zwar nach den vorstehenden Grundsätzen ohne Rechtsfehler auf der Grundlage der Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. B. zu der Überzeugung gelangt, dass die Entstehung eines subduralen Hygroms bzw. Hämatoms als Folge einer Spinalanästhesie ein typisches, eingriffsspezifisches Risiko dieser Anästhesiemethode ist, im Falle eines Hygroms oder Hämatoms eine Kopfoperation notwendig werden kann und die Gefahr von Dauerschäden besteht. Dies belastet die weitere Lebensführung des Patienten erheblich und stelle deshalb unabhängig von der relativ geringen Eintrittswahrscheinlichkeit ein aufklärungspflichtiges Risiko dar. Die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Aufklärungspflicht nicht verletzt worden ist, weil einem Anästhesisten im Krankenhausbereich das Risiko eines subduralen Hygroms bzw. Hämatoms im Oktober 2003 nicht hätte bekannt sein müssen, wird jedoch von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.
10
a) Grundsätzlich ist die Beweiswürdigung dem Tatrichter vorbehalten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 ZPO gebunden ist. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Juni 2009 - VI ZR 261/08, VersR 2009, 1406 Rn. 5 m.w.N.; und Senatsurteil vom 6. Juli 2010 - VI ZR 198/09, aaO Rn. 14). Die rechtliche Wertung, ob eine Aufklärungspflichtverletzung vorliegt, ist zwar Aufgabe des Richters, der sich hierzu in der Regel sachverständiger Hilfe bedienen muss. Das Gericht darf sich dabei aber nicht über Widersprüche oder Unklarheiten in den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen hinwegsetzen. Unklarheiten und Zweifel bei den Bekundungen des Sachverständigen muss es durch eine gezielte Befragung klären. Andernfalls bietet der erhobene Sachverständigenbeweis keine ausreichende Grundlage für die tatrichterliche Überzeugungsbildung (vgl. Senatsurteile vom 27. März 2001 - VI ZR 18/00, VersR 2001, 859, 860 m.w.N.; und vom 6. Juli 2010 - VI ZR 198/09, aaO).
11
b) Die Revision weist mit Recht darauf hin, dass im Streitfall die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. teilweise unklar und nicht frei von Widersprüchen sind.
12
Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung vor dem Berufungsgericht auf Vorhalt der von der Klägerin bezeichneten Literatur eingeräumt, dass "Lehrbücher" - mithin nicht nur das von ihm zitierte - durchaus den Problembereich behandelten und dass man "möglicherweise" auch als Anästhesist, der im Krankenhaus tätig sei, darüber informiert sein müsse. Die Frage sei für ihn nur, ob es sich dabei tatsächlich um ein eingriffsspezifisch-typisches Risiko einer Spinalanästhesie handele, weil die Komplikationswahrscheinlichkeit sehr gering sei. Diese Frage sei aber, wie er bereits in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt habe, aus seiner Sicht zu bejahen.
13
Nach diesen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. bleibt letztlich unklar, ob einem mit einem solchen Eingriff befassten Anästhesisten das aufklärungspflichtige Risiko eines subduralen Hygroms bzw. Hämatoms im Oktober 2003 hätte bekannt sein müssen. Sie bilden mithin keine geeignete Grundlage für eine Verneinung des Verschuldens durch das Berufungsgericht.
14
c) Darüber hinaus hat sich das Berufungsgericht nicht vollständig mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. auseinandergesetzt.
15
Der Sachverständige hat bestätigt, dass es sich bei der Lumbalpunktion und der Spinalanästhesie um praktisch identische Verfahren handele, wobei die Lumbalpunktion im Fachbereich der Neurologie lediglich mit Nadeln mit wesentlich größeren äußeren Durchmessern durchgeführt werde. Die Verwendung dünnerer Nadeln zur Spinalanästhesie ändere jedoch an dem eigentlichen Problem nichts, weil auch in diesen Fällen eine Öffnung des Liquorraums mit den beschriebenen Nachteilen erfolge, nämlich u.a. des Nachflusses. Dadurch werde lediglich das Risiko von Komplikationen im Prinzip verringert.
16
Ist damit bereits aufgrund der anatomischen Verhältnisse davon auszugehen , dass bei Punktionen der Dura die Gefahr entsprechender Komplikationen besteht, dann durfte das Berufungsgericht mangels eigener Sachkunde nicht ohne weitere Klärung annehmen, dass es für die Frage der für den Fach- bereich der Anästhesie zu fordernden Kenntnis von Risiken unerheblich sei, wie sich der Eingriff neurologisch auswirkt.
17
3. Weitere Feststellungen zu der Frage, ob ein Facharzt für Anästhesie im Oktober 2003 das entsprechende Risiko kennen musste, sind auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Berufungsgericht im Rahmen einer Hilfsbegründung ausführt, dass seitens der Klägerin der Nachweis der Kausalität der bei ihr durchgeführten Spinalanästhesie für das Auftreten der subduralen Hygrome nicht geführt worden sei.
18
a) Zwar gilt im Streitfall für die Überzeugungsbildung des Gerichts über den Kausalzusammenhang zwischen Spinalanästhesie und dem Auftreten subduraler Hygrome - wie das Berufungsgericht zutreffend angedeutet, letztlich aber offen gelassen hat - der Beweismaßstab des § 287 ZPO, weil die Primärschädigung bei fehlerhafter Aufklärung bereits in dem mangels wirksamer Einwilligung per se rechtswidrigen Eingriff als solchem liegt (vgl. Senatsurteile vom 29. September 2009 - VI ZR 251/08, VersR 2010, 115; vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03, VersR 2005, 836; und vom 13. Januar 1987 - VI ZR 82/86, VersR 1987, 667; Geiß/Greiner, aaO Rn. C 147, 149).
19
b) Das Berufungsgericht hat jedoch bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs für den Folgeschaden einen zu strengen Maßstab angelegt und entscheidungserhebliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt.
20
aa) Das Berufungsgericht hat im Streitfall letztlich offen gelassen, ob zugunsten der Klägerin das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO eingreift, weil es nach dem Ergebnis seiner Beweisaufnahme auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. auch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Ursächlichkeit der Spinalanästhesie vom Oktober 2003 für die Bildung der Hygrome sieht. Der Sachverständige habe im Rahmen sei- ner Anhörung hierzu angegeben, eine Kausalität sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, auch im Bereich darunter sei eine Kausalität rein spekulativ. Es komme auch eine zufällig zeitgleiche Bildung des Hygroms in Betracht und werde in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben. Auch aus dem Umstand, dass bei der Klägerin eine Liquorleckage an einer anderen Stelle der Dura nicht festgestellt worden sei, lasse sich nicht auf eine Kausalität zwischen der Spinalanästhesie und den subduralen Hygromen schließen. Der Sachverständige habe im Rahmen seiner Anhörung ausdrücklich ausgeführt, dass sich eine spontan entstandene Leckage zumeist von selbst wieder verschließe.
21
bb) Diese Ausführungen legen nahe, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die Überzeugungsbildung überspannt hat. Selbst nach dem strengen Maßstab des § 286 ZPO bedarf es keines naturwissenschaftlichen Kausalitätsnachweises und auch keiner "mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" , vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 256; Senatsurteile vom 9. Mai 1989 - VI ZR 268/88, VersR 1989, 758, 759; vom 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98, VersR 2000, 503, 505; und vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 11). Für den Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität kann nach dem Beweismaß des § 287 ZPO eine überwiegende, Wahrscheinlichkeit genügen (Senatsurteil vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 9 m.w.N.).
22
cc) Die Revision rügt darüber hinaus mit Recht, dass das Berufungsgericht bei seiner Würdigung unberücksichtigt gelassen hat, dass nach den Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. B. in seinem schriftlichen Gutachten zwei Drittel aller weltweit beschriebenen cerebralen subduralen Hygrome bzw. Hä- matome ab dem Jahr 2000 aus einer Spinalanästhesie resultiert hätten. Diesen Widerspruch hätte das Berufungsgericht bei der Anhörung des Sachverständigen , bei der sich dieser hinsichtlich einer Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs offenbar nicht mehr festlegen wollte, aufklären müssen. Bei der tatrichterlichen Überzeugungsbildung kann im Streitfall neben der Tatsache, dass nach den Angaben des Sachverständigen cerebrale Hygrome im Gefolge einer Spinalanästhesie ein eingriffsspezifisch-typisches Risiko dieser Anästhesiemethode darstellen, auch der Umstand eine Rolle spielen, dass postspinale Kopfschmerzen - wie sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch bei der Klägerin nach dem Eingriff aufgetreten und im Übrigen auch im Aufklärungsbogen als Risiko erwähnt worden sind - aus einem Liquorunterdrucksyndrom resultieren, dessen weitere Ausprägung ein subdurales Hygrom sein kann. Auch die zeitliche Nähe der Komplikation zu dem Eingriff und das Fehlen möglicher anderer Ursachen können von indizieller Bedeutung sein.
23
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die tatrichterliche Würdigung bei Berücksichtigung dieser Umstände unter zutreffender Anwendung des Beweismaßes des § 287 ZPO zu einem anderen, für die Klägerin günstigeren Ergebnis geführt hätte.
24
4. Demgegenüber ist die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf die Beurteilung der Behandlung vom 13. Dezember 2003 im Krankenhaus der Beklagten zu 1 - entgegen der Auffassung der Revision - nicht von Rechtsfehlern beeinflusst.
25
a) Das Berufungsgericht ist in tatrichterlicher Würdigung zu der Überzeugung gelangt, dass die zeitliche Verzögerung der Kopfoperation bei der Klägerin infolge der fehlerhaften Auswertung der am 13. Dezember 2003 durchgeführten Computertomographie um einen Zeitraum von zweieinhalb Tagen hinaus keine nachgewiesenen nachteiligen Folgen für die Klägerin hatte. Die Revisionserwiderung macht mit Recht geltend, dass entgegen dem Verständnis der Revision das Berufungsgericht weder die Feststellung getroffen hat, die Beschwerden der Klägerin seien mit der Operation im Januar 2004 ausgeheilt gewesen, noch die seitens der Klägerin als aktuell fortbestehend geschilderten gesundheitlichen Probleme negiert hat. Vielmehr hat das Berufungsgericht unter Verweis auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. ausschließlich die Kausalität zwischen diesen Beschwerden und der zeitlichen Verzögerung der operativen Therapie um zweieinhalb Tage verneint, nachdem er aufgrund eigener Untersuchung der Klägerin festgestellt hatte, dass der klinisch-neurologische Befund bis auf Zeichen einer diabetischen Polyneuropathie im Untersuchungszeitpunkt regelgerecht war, so dass neurologische Folgen des Liquorunterdrucksyndroms nicht mehr nachweisbar gewesen seien.
26
b) Soweit die Revision darüber hinaus meint, der Klägerin kämen im Zusammenhang mit der Behandlung vom 13. Dezember 2003 Beweiserleichterungen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats im Zusammenhang mit unterlassenen Befunderhebungen zu Gute, kann dem nicht beigetreten werden. Denn nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts wurde am 13. Dezember 2003 die gebotene Befunderhebung in Form einer Computertomographie durchgeführt. Soweit bei dieser Befunderhebung die bestehenden Hygrome nicht erkannt wurden, sondern erst am 15. Dezember 2003 bei einer Untersuchung in einem anderen Krankenhaus, handelt es sich lediglich um einen (einfachen) Diagnoseirrtum. Galke Zoll Wellner Diederichsen von Pentz
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 29.02.2008 - 17 O 29/06 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 09.07.2009 - 12 U 75/08 -

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(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

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(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

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1. Das Berufungsgericht entspricht in seinem rechtlichen Ausgangspunkt allerdings der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach muss der Patient "im Großen und Ganzen" wissen, worin er einwilligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 106, 108; 144, 1, 5). Die Notwendigkeit zur Aufklärung hängt bei einem spezifisch mit der Therapie verbundenen Risiko nicht da- von ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann. Bei einer möglichen besonders schweren Belastung für seine Lebensführung ist deshalb die Information über ein Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 107; 144, 1, 5 f.; vom 2. November 1993 - VI ZR 245/92 - VersR 1994, 104, 105; vom 21. November 1995 - VI ZR 341/94 - VersR 1996, 330, 331).

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

5
Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den Aussagen der vom Berufungsgericht vernommenen Zeugen und den gutachterlichen Äußerungen des gerichtlichen Sachverständigen herleiten. Grundsätzlich ist die Beweiswürdigung zwar dem Tatrichter vorbehalten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 ZPO gebunden ist. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st.Rspr., vgl. z.B. Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 364 und BGHZ 160, 308, 317 m.w.N.). Doch wird die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts von dem Inhalt der Beweisaufnahme nicht getragen. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. S. habe andere Mängel oder Versäumnisse abweichend vom Facharztstandard - bis auf die verspätete Verlegung und Intubation sowie die Hyperventilation - nicht festgestellt, gibt dies die Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen nicht her. Bereits im ersten Gutachten vom 3. Juli 2002 hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass für ihn nicht nachvollziehbar sei, welche praktischen therapeutischen Konsequenzen aus der um 9.00 Uhr beschriebenen Beeinträchtigung der Hautdurchblutung sowie aus den um 10.00 Uhr erhobenen Befunden einer Ateminsuffizienz bis gegen 11.45 Uhr gezogen wurden. Auch wenn er zusammenfassend die Auffassung vertreten hat, dass die unzureichende Dokumentation letztlich ohne Einfluss auf die Gesamtbeurteilung durch den Gutachter bleibe, kann daraus nicht schon geschlossen werden, dass der Sachverständige die Versorgung für standardgemäß gehalten hätte. Kann der Sachverständige der Dokumentation keine Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler entnehmen, kann das zwar bedeuten , dass die Dokumentation eine ordnungsgemäße Behandlung aufzeigt; es kann aber ebenso gut bedeuten, dass die Dokumentation vollständig ist jedoch nichts über einen Behandlungsfehler aussagt, wie auch, dass die Dokumentation unvollständig ist und deshalb keinerlei Schlüsse zulässt. Vom medizinischen Sachverständigen ist nicht zu erwarten, dass er eine in dieser Richtung nicht gestellte Frage vorwegnimmt und auf die Mehrdeutigkeit hinweist. Das Berufungsgericht hätte durch eine gezielte Befragung den Punkt von sich aus klären müssen. Das Unterlassen der entsprechenden Befragung verstößt gegen § 286 Abs. 1 ZPO. Gutachten von Sachverständigen unterliegen zwar der freien Beweiswürdigung durch das Gericht. Der erkennende Senat hat jedoch wiederholt ausgesprochen, dass der Tatrichter allen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen hat; insbesondere hat er Einwendungen einer Partei gegen das Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen zu berücksichtigen und die Pflicht, sich mit von der Partei vorgelegten Privatgutachten auseinander zu setzen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken, wenn sich ein Widerspruch zum Gerichtsgutachten ergibt (vgl. Se- nat, Urteile vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 67/93 - VersR 1994, 480, 482; vom 9. Januar 1996 - VI ZR 70/95 - VersR 1996, 647, 648; vom 10. Oktober 2000 - VI ZR 10/00 - VersR 2001, 525, 526; vom 13. Februar 2001 - VI ZR 272/99 - VersR 2001, 722, 723; vom 23. März 2004 - VI ZR 428/02 - VersR 2004, 790, 791 und vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06 - VersR 2008, 1265, 1266). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
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1. Das Berufungsgericht entspricht in seinem rechtlichen Ausgangspunkt allerdings der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach muss der Patient "im Großen und Ganzen" wissen, worin er einwilligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 106, 108; 144, 1, 5). Die Notwendigkeit zur Aufklärung hängt bei einem spezifisch mit der Therapie verbundenen Risiko nicht da- von ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann. Bei einer möglichen besonders schweren Belastung für seine Lebensführung ist deshalb die Information über ein Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 107; 144, 1, 5 f.; vom 2. November 1993 - VI ZR 245/92 - VersR 1994, 104, 105; vom 21. November 1995 - VI ZR 341/94 - VersR 1996, 330, 331).

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 251/08
Verkündet am:
29. September 2009
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Für die Beweislastumkehr hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen
ärztlichem Fehler und Gesundheitsschaden reicht es aus, dass die Unterlassung
einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung einen groben
ärztlichen Fehler darstellt. Das Unterlassen der gebotenen Therapie ist im Falle
der Nichterhebung medizinisch gebotener Befunde nicht Voraussetzung für die
Annahme eines groben Behandlungsfehlers mit der Folge der Beweislastumkehr
zugunsten des Patienten.
BGH, Urteil vom 29. September 2009 - VI ZR 251/08 - OLG Bamberg
LG Schweinfurt
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von
Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 25. August 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger unterzog sich am 19. Mai 1998 in der Klinik der Beklagten zu 1 einer Bypass-Operation am Herzen. Den Eingriff führte der Beklagte zu 2 durch. Die Beklagte zu 3 hatte den Kläger zuvor durch Übergabe eines Perimedbogens über Operationsrisiken aufgeklärt. Kurz nach dem Eingriff traten bei ihm - zunächst nur am linken Auge - Sehstörungen auf. Der diensthabende Arzt der Beklagten zu 1 konsultierte am 22. Mai 1998 telefonisch einen auswärtigen Augenarzt, auf dessen Empfehlung am selben Tag eine neurologische computertomographische Untersuchung des Schädels (Nativ-CCT) durchgeführt wurde , die keinen reaktionspflichtigen Befund, insbesondere keinen Hinweis auf einen Infarkt ergab. Auf Empfehlung des untersuchenden Neurologen wurde die Medikation mit Godamed, einer Darreichungsform von Acetylsalicylsäure (im Folgenden: ASS), von dem der Kläger postoperativ täglich 100 mg erhielt, am 22. Mai 1998 verdoppelt. Am 23. Mai 1998 stellte der Kläger fest, dass er auf seinem linken Auge überhaupt nichts mehr sehen konnte und eine Sehstörung nunmehr auch auf dem rechten Auge eingetreten war. Der diensthabende Arzt Dr. Sch. wandte sich telefonisch an einen anderen auswärtigen Augenarzt, für den sich keine diagnostischen oder therapeutischen Konsequenzen ergaben. Die am Vortag erfolgte Erhöhung der ASS-Dosis wurde nicht beibehalten; der Kläger erhielt ab 23. Mai 1998 täglich wieder 100 mg ASS. Nach einer weiteren Verschlechterung der Sehfähigkeit erfolgten am 24. Mai 1998 eine augenärztliche und eine weitere neurologische Untersuchung im Krankenhaus M.. Danach wurde die Diagnose einer toxisch-allergischen Optikusneuropathie als mögliche Spätreaktion auf eine Kontrastmittelbelastung gestellt. Am 25. Mai 1998 konnte der Kläger auch auf seinem rechten Auge nichts mehr sehen. Am 26. Mai 1998 wurde er in die Augenklinik der Universität W. verlegt, wo eine nicht-arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie (N-AION) bei eingetretener vollständiger Erblindung des Klägers diagnostiziert wurde.
2
Der Kläger begehrt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


3
1. Das Berufungsgericht ist aufgrund der vom Landgericht erhobenen Beweise zu dem Ergebnis gelangt, dass Behandlungsfehler der Beklagten vor dem Einsetzen der ersten Sehstörungen des Klägers nicht erkennbar seien. Dass die Bypass-Operation ursächlich für die Augenerkrankung gewesen sei oder dieser seitens der Beklagten wirkungsvoller hätte vorgebeugt werden können , stehe nicht fest. Bei der eingetretenen N-AION handele es sich um eine nicht entzündungsbedingte Durchblutungsstörung des Sehnervkopfes, bei der es zum Infarkt des vorderen Sehnervanteils komme. Die akute Durchblutungsstörung könne verschiedene Auslöser und Ursachen haben. Die BypassOperation stelle wegen der damit verbundenen erhöhten Gerinnungsneigung zwar einen Risikofaktor dar. Dieser Gefahr sei postoperativ durch Verabreichung des Thrombozytenaggregationshemmers ASS aber ausreichend begegnet worden. Die gleichzeitige Gabe von ASS und Heparin habe 1998 wegen der Befürchtung postoperativer Blutungen nicht dem medizinischen Standard entsprochen und sei auch heute noch nicht allgemein üblich. Im Übrigen hätte der Einsatz von Heparin oder Marcumar auch keinen Einfluss auf den Eintritt und den Verlauf der Augenerkrankung gehabt. Nach dem Einsetzen der Sehstörungen auf dem linken Auge habe es keine effiziente Therapiemöglichkeit gegeben , um die Sehfähigkeit auf diesem Auge noch zu beeinflussen und zu erhalten. Diese Erwägungen greift die Revision nicht an.
4
Auch die Behandlung des Klägers vor dem Befall des zweiten Auges sei nicht fehlerhaft gewesen. Im Jahr 1998 habe es in der medizinischen Wissenschaft zwar Hinweise gegeben, dass eine Gerinnungshemmung mit ASS bei einer N-AION mit Befall von zunächst nur einem Auge einen positiven Effekt auf das andere Auge habe. Ein allgemeiner Standard sei aber noch nicht etabliert gewesen. Insbesondere habe keine Klarheit über die erforderliche ASS-Dosis bestanden. Erst in einer im Jahr 1999 erschienenen Forschungsarbeit sei die unterschiedliche Wirkung verschiedener Dosierungen beschrieben und dargestellt worden, dass 375 mg ASS pro Tag das Partnerauge besser schützen würden als 100 mg und die Gabe von 100 mg pro Tag einen besseren Schutzeffekt habe als ein Verzicht auf ASS. Demnach sei es nach dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft im Jahre 1998 nicht behandlungsfehlerhaft gewesen , dass dem Kläger vor dem Befall des zweiten Auges statt 375 mg nur 100 bzw. 200 mg ASS pro Tag verabreicht worden seien. Auch dagegen erhebt die Revision keine Einwendungen.
5
2. Das Berufungsgericht erachtet es jedoch als fehlerhaft, dass der Kläger nicht sofort am Tag des Auftretens der ersten Sehstörungen augenärztlich untersucht worden ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. habe die Erkrankung mit den am 22. Mai 1998 vorgenommenen neurologischen Untersuchungen nicht erkannt werden können. Die typischen Befunde der AION seien eine gestörte Pupillenreaktion auf Licht und eine (nicht sofort zwingend vorhandene) Schwellung des Sehnervkopfes mit randständigen Blutungen, die nur im Rahmen einer augenärztlichen Untersuchung erkennbar seien. Wie der Sachverständige weiter dargelegt habe, sei eine plötzlich auftretende Sehverschlechterung als ophthalmologische Notfallsituation zu werten, die eine augenärztliche Untersuchung notwendig mache. Wie das Berufungsgericht weiter ausführt, deute die eingetretene zeitliche Verzögerung bis zur ersten augenärztlichen Untersuchung am 24. Mai 1998 nach den Formulierungen der Sachverständigen Prof. Dr. K., Prof. Dr. E. und der im Ermittlungsverfahren zugezogenen Sachverständigen Dr. Koe. auf einen groben Behandlungsfehler infolge unterlassener Befunderhebungen hin. Das nimmt die Revision als ihr günstig hin.
6
3. Sie beanstandet jedoch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht im Ergebnis gleichwohl einen groben Behandlungsfehler verneint hat.
7
a) Das Berufungsgericht führt dazu aus, die Nichterhebung von Befunden und die dadurch bedingte Unterlassung oder Einleitung einer gezielten Therapie seien dann ein grober Behandlungsfehler, wenn ganz offensichtlich gebotene und der Art nach auf der Hand liegende Kontrolluntersuchungen unterlassen und darüber hinaus die nach einhelliger medizinischer Auffassung gebotene Therapie versäumt worden seien. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Das Berufungsgericht missversteht das in diesem Zusammenhang angeführte Senatsurteil vom 18. April 1989 (VI ZR 221/88 - VersR 1989, 701). In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsstreit war ein grober Behandlungsfehler in einem Fall bejaht worden, in dem nach den getroffenen Feststellungen eine gebotene und der Art nach auf der Hand liegende Kontrollerhebung unterlassen und darüber die nach medizinischer Auffassung gebotene Therapie versäumt worden war. In dem Urteil heißt es aber nicht, dass Voraussetzung für die Annahme eines groben Behandlungsfehlers auch das Unterbleiben der Therapie sei.
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b) Das Unterlassen der gebotenen Therapie ist im Falle der Nichterhebung medizinisch gebotener Befunde nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht Voraussetzung für die Annahme eines groben Behandlungsfehlers mit der Folge der Beweislastumkehr zugunsten des Patienten. Für die Beweislastumkehr hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen ärztlichem Fehler und Gesundheitsschaden reicht es vielmehr aus, dass die Unterlassung einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung einen groben ärztlichen Fehler darstellt (Senatsurteile BGHZ 138, 1, 5 f.; vom 4. Oktober 1994 - VI ZR 205/93 - VersR 1995, 46 f. und vom 27. Januar 1998 - VI ZR 339/96 - VersR 1998, 585, 586; OLG Hamm, VersR 1996, 756, 757 mit NA-Beschluss des erkennenden Senats vom 12. März 1996 - VI ZR 180/95). Es ist nicht erforderlich, dass der grobe Behandlungsfehler die einzige Ursache für den Schaden ist. Es genügt, dass er generell geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; wahrscheinlich braucht der Eintritt eines solchen Erfolgs nicht zu sein. Eine Umkehr der Beweislast ist nur dann ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 159, 48, 54 f. m.w.N.). Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht einen groben Behandlungsfehler auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen deshalb nicht verneinen.
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c) Das gilt auch für das Unterlassen einer augenärztlichen Untersuchung am 23. Mai 1998. Dass eine solche Untersuchung, wie die Revisionserwiderung geltend macht, an diesem Tag überhaupt nicht möglich gewesen sei, weil der Kläger nicht transportfähig und ein kompetenter und zur Untersuchung in der Klinik der Beklagten zu 1 bereiter Augenarzt nicht erreichbar gewesen sei, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Beklagten können sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Entwicklung der Augenerkrankung bei einer rechtzeitig erfolgten augenärztlichen Untersuchung unverändert verlaufen wäre. Welche Therapie objektiv indiziert war, steht entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung fest. Nach den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. hätte dem Kläger postoperativ ASS mit einer höheren Dosierung verabreicht werden müssen. Dafür, dass die beim Kläger vorhandenen Risikofaktoren einer solchen Therapie entgegengestanden haben könnten, finden sich in den vom Berufungsgericht herangezogenen Darlegungen der medizinischen Sachverständigen keine Anhaltspunkte. Der Umstand, dass bei einer rechtzeitigen augenärztlichen Untersuchung angesichts des damaligen medizinischen Erkenntnisstandes die Gefahr einer Fehldiagnose oder einer objektiv unrichtigen Therapie bestanden haben mag, würde nach den vorgenannten Grundsätzen eine Beweislastum- kehr wegen unterlassener Befunderhebung nur dann ausschließen, wenn ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Befunderhebungsfehler und dem eingetretenen Krankheitsverlauf äußerst unwahrscheinlich wäre. Dazu fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen. Das Berufungsgericht hält es aufgrund der Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. E. immerhin für möglich, wenn auch nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass mit einer höheren ASSDosierung die Erblindung des rechten Auges hätte verhindert werden können. Bei dieser Beurteilung kann dem Kläger eine Umkehr der Beweislast aus Rechtsgründen nicht versagt werden.
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4. Das angefochtene Urteil kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft eine ausreichende Aufklärung des Klägers vor der Operation annimmt und auf dieser Grundlage von der Wirksamkeit der von ihm erteilten Einwilligung und damit von der Rechtmäßigkeit des operativen Eingriffs ausgeht.
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a) Das Berufungsgericht legt im Ansatz zutreffend dar, dass ein Patient über schwerwiegende Risiken, die mit einer Operation verbunden sind, grundsätzlich auch dann aufzuklären ist, wenn sie sich nur selten verwirklichen. Risikostatistiken sind für das Maß der Aufklärung von nur geringem Wert (vgl. Senatsurteile BGHZ 126, 386, 389; 144, 1, 5; vom 22. April 1980 - VI ZR 37/79 - VersR 1981, 456, 457 und vom 21. November 1995 - VI ZR 341/94 - VersR 1996, 330, 331). Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht ist nicht ein bestimmter Grad der Risikodichte, insbesondere nicht eine bestimmte Statistik. Maßgebend ist vielmehr, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und es bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet (Senatsurteile BGHZ 126, aaO und vom 21. November 1995 - VI ZR 341/94 - aaO). Ist dies der Fall, dann sind zwar Art und Umfang der Aufklärung daran auszurichten, wie dringlich die beabsichtigte Operation ist; es ist jedoch regelmäßig nicht Sache des Arztes, sondern des Patienten, darüber zu entscheiden, ob das mit dem Eingriff verbundene Risiko eingegangen werden soll (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 2. November 1993 - VI ZR 245/92 - VersR 1994, 104 m.w.N.).
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b) Auf dieser rechtlichen Grundlage begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts , der Kläger sei durch den Inhalt des von ihm unterzeichneten Aufklärungsbogens über die Risiken der Operation hinreichend aufgeklärt worden , jedoch durchgreifenden Bedenken. Mit Recht macht die Revision geltend, dass das Risiko einer Erblindung in dem Formblatt nicht in ausreichender Weise angesprochen worden ist. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob es sich bei N-AION um ein spezifisches Risiko der Bypass-Operation handelt. Dies ist deshalb im Revisionsrechtszug zugunsten des Klägers zu unterstellen. Das Berufungsgericht hat gemeint, der Kläger sei deshalb hinreichend aufgeklärt worden, weil er über die mit einer Gerinnungshemmung bzw. einer mangelnden Durchblutung verbundenen Risiken unterrichtet worden und es nicht erforderlich gewesen sei, ihn auf die möglicherweise gegebene Gefahr der Erblindung gesondert hinzuweisen. Dem kann nicht gefolgt werden. Wie die Revision zutreffend ausführt, sind die in der schriftlichen Aufklärung enthaltenen Hinweise auf Gehirnschäden infolge mangelnder Durchblutung nach Kreislaufstörungen /Embolie und Thrombose, Embolie im Hinblick auf das nicht ausdrücklich genannte Risiko der Erblindung verharmlosend. Verfahrensfehlerhaft hat das Berufungsgericht insoweit den Sachvortrag des Klägers nicht berücksichtigt, wonach N-AION eine Vielzahl weiterer Ursachen haben könne - wie etwa einen operationsbedingten Blutdruckabfall. Handelt es sich bei N-AION um ein spezifisches Risiko einer solchen Bypass-Operation, ist eine Aufklärung nur dann ordnungsgemäß, wenn das Risiko einer vollständigen Erblindung beim Namen genannt wird. Auch über ein gegenüber dem Hauptrisiko weniger schweres Risiko ist nämlich aufzuklären, wenn dieses dem Eingriff spezifisch anhaftet, für den Laien überraschend ist und durch die Verwirklichung des Risikos die Lebensführung des Patienten schwer belastet würde (Senatsurteil vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 74/05 - VersR 2007, 66, 68 m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Pflicht zur Aufklärung über das Risiko der Erblindung nicht verneinen. Eine unzureichende Aufklärung würde im Streitfall allerdings dann nicht zu einer Haftung führen, wenn den Beklagten zu 2 und 3 insoweit kein Verschulden zur Last fiele. Das könnte der Fall sein, wenn sie nach dem Stand der medizinischen Erkenntnis im Zeitpunkt der Behandlung das dem Kläger nicht genannte Risiko nicht kennen mussten. Dafür kann von Bedeutung sein, ob das Erblindungsrisiko als Folge einer Bypass-Operation in der medizinischen Wissenschaft seinerzeit schon ernsthaft diskutiert wurde (vgl. Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl., Rn. 391, m.w.N.). Dazu hat das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
13
c) Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, eine Haftung der Beklagten scheide auch dann aus, wenn die Risikoaufklärung unzureichend und die in diesem Fall mangels wirksamer Einwilligung des Klägers durchgeführte Bypass -Operation rechtswidrig gewesen wäre, begegnet das angefochtene Urteil durchgreifenden Bedenken. Zutreffend ist allerdings, dass der Kläger in diesem Fall nachweisen müsste, dass seine Erblindung infolge der Operation eingetreten ist (vgl. Senatsurteile vom 1. Oktober 1985 - VI ZR 19/84 - VersR 1986, 183, 184 und vom 26. November 1991 - VI ZR 389/90 - VersR 1992, 238, 240). Hierfür gilt, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgeht, das Beweismaß des § 287 ZPO (vgl. Senatsurteil vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06 - VersR 2008, 644, 645 m.w.N.). In Anwendung dieser Beweisregel hat das Berufungsgericht gemeint, vorliegend fehle eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Erblindung auf die Operation zurückzuführen sei. Insoweit verweist die Revision jedoch mit Recht auf Sachvortrag des Klägers, wonach eine nicht durch ein plötzlich erhöhtes Risiko wie das eines operativen Eingriffs ausgelöste N-AION erheblich langsamer als beim Kläger verlaufe und zwei bis drei Monate in Anspruch nehme; bis zum Befall des zweiten Auges bestehe ein Zeitfenster von bis zu drei Jahren. Dies spreche dafür, dass die innerhalb von vier Tagen eingetretene vollständige Erblindung des Klägers nur durch ein plötzlich aufgetretenes, operationsbedingtes Risiko erklärt werden könne. Mit diesem Sachvortrag hat sich das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht befasst.
14
5. Bezüglich der Beklagten zu 3 hat das Berufungsgericht eine Haftung verneint, weil nicht ersichtlich sei, aufgrund welcher Vereinbarung sie vertraglich haften könnte oder welches ärztliche Handeln oder Unterlassen sich als Behandlungsfehler darstellen sollte und damit eine Haftung nach § 823 BGB auslösen könnte. Dabei hat das Berufungsgericht offensichtlich übersehen, dass auch ein Arzt, der nur die Aufklärung des Patienten über die ihm angeratene Operation übernommen hat, diesem gemäß § 823 BGB zum Ersatz des durch die Operation entstandenen Körperschadens verpflichtet sein kann, wenn die Aufklärung unvollständig und die Einwilligung des Patienten deshalb unwirksam war (Senatsurteile vom 22. April 1980 - VI ZR 37/79 - VersR 1981, 456, 457 und vom 8. Mai 1990 - VI ZR 227/89 - VersR 1990, 1010, 1911; OLG Nürnberg, VersR 1992, 754, 756 mit NA-Beschluss des erkennenden Senats vom 3. Dezember 1991 - VI ZR 217/91). Da die Beklagte zu 3 es übernommen hatte, den Kläger vor der Bypass-Operation durch Übergabe eines Perimedbogens über Operationsrisiken aufzuklären und nicht auszuschließen ist, dass die so erfolgte Aufklärung, wie die Revision rügt, unzureichend war, wird das Berufungsgericht unter diesem Blickwinkel eine Haftung der Beklagten zu 3 zu prüfen haben.
15
6. Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststel- lungen nachgeholt werden können. Es wird dabei auch dem Vortrag des Klägers nachzugehen haben, er habe schon am 21. Mai 1998 auf erste Sehstörungen hingewiesen. Ob die Nichtreaktion auf diesen Hinweis als grober Befunderhebungsfehler zu bewerten wäre, hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang offen gelassen. Darauf wird gegebenenfalls einzugehen sein.
Galke Wellner Diederichsen
Pauge von Pentz

Vorinstanzen:
LG Schweinfurt, Entscheidung vom 16.01.2008 - 14 O 338/01 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 25.08.2008 - 4 U 33/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 313/03 Verkündet am:
15. März 2005
Böhringer-Mangold
Justizhauptsekretärin,
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 823 Aa; § 249 Bb

a) Auch die Aufklärung über bestehende unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten
dient dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und ist daher Voraussetzung
einer rechtmäßigen Behandlung.

b) Die Frage, ob eine bestehende andere Behandlungsmöglichkeit zu einem besseren
Behandlungsergebnis geführt hätte, betrifft regelmäßig den hypothetischen
Kausalverlauf im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens.
BGH, Urteil vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. März 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 10. Oktober 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin war vom 16. Dezember 1996 bis 18. Februar 1997 nach einem im Krankenhaus konservativ versorgten Bruch in der Nähe des rechten Handgelenks in ärztlicher Betreuung des Beklagten. Der Bruch ist in Fehlstellung verheilt. Die Klägerin beanstandet, der Beklagte habe ein fortschreitendes Abkippen des Bruchs bemerkt, aber sie trotz der Gefahr einer bleibenden Funktionsbeeinträchtigung des Handgelenks nicht auf die weiteren Behandlungsmöglichkeiten einer (unblutigen) erneuten Reposition oder einer Operation des Bruchs hingewiesen. Sie begehrt ein Schmerzensgeld, das sie in Höhe von 40.000 DM für angemessen hält, Ersatz materiellen Schadens in Höhe von 34.081,97 € sowie die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz zukünftigen materiellen und immateriellen Schadens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:


I.

Das Berufungsgericht führt zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus, der Beklagte habe die Klägerin spätestens am 23. Dezember 1996 darauf hinweisen müssen, daß statt der weiteren konservativen Behandlung auch eine erneute Reposition oder eine Operation des Bruchs in Erwägung zu ziehen sei. Der Beklagte habe zwar von einer Erörterung dieser Möglichkeiten mit der Klägerin abgesehen. Das führe aber nicht zu seiner Haftung. Die unterlassene Erörterung der anderweitigen Therapiemöglichkeiten habe nur dann haftungsrechtliche Folgen für den Beklagten, wenn die Klägerin nachweise , daß sie sich für einen Eingriff entschieden hätte und daß auf diesem Wege die beklagten Folgen auch vermieden worden wären. Diesen Nachweis habe sie nicht geführt. Zum einen sei die Fortsetzung der konservativen Behandlung nicht fehlerhaft gewesen. So habe nicht die konkrete Erwartung bestanden, daß bei Fortsetzung der konservativen Behandlung das rechte Handgelenk optisch und wahrscheinlich auch funktionell nicht habe wiederhergestellt werden können. Zum anderen sei völlig offen, für welche Behandlungsmethode sich die Klägerin nach ordnungsgemäßer Aufklärung entschieden haben würde. Selbst wenn davon auszugehen sei, daß sie den operativen Eingriff gewählt hätte, sei jedenfalls nicht bewiesen, daß dieser zu einem besseren Ergebnis geführt hätte. Er sei nicht nur mit einem statistischen Risiko der Wundheilungsstörung behaftet gewesen. Durch eine Operation habe zwar eine anatomisch einwandfreie Gelenkstellung erreicht werden können, doch sei dieses Ergebnis nicht sicher
gewesen, weil es auch zu einem Morbus Sudeck habe kommen können. Der Sachverständige habe zudem die Gefahr einer bleibenden Funktionsbeeinträchtigung des Gelenks auch für den Fall einer Operation nicht ausschließen können.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision gegen die Verneinung einer Haftung wegen Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht nicht stand. 1. Allerdings geht das Berufungsgericht im Ansatzpunkt ohne Rechtsfehler davon aus, daß es Pflicht des behandelnden Arztes ist, den Patienten über die in seinem Fall bestehenden Behandlungsmöglichkeiten mit wesentlich unterschiedlichen Risiken oder wesentlich unterschiedlichen Erfolgsaussichten in Kenntnis zu setzen und ihm als Subjekt der Behandlung die Wahl zwischen den gleichermaßen medizinisch indizierten Behandlungsmethoden zu überlassen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Wahl der Behandlungsmethode zwar primär Sache des Arztes. Gibt es indessen mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, besteht mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, dann muß diesem nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will (vgl. Senatsurteile BGHZ 102, 17, 22; vom 24. November 1987 - VI ZR 65/87 - VersR 1988, 190, 191 - je m.w.N.). Es geht dabei um die dem Patienten geschuldete Selbstbestimmungsaufklärung oder
Risikoaufklärung (vgl. BGHZ aaO; Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., § 63 Rdn. 21 ff.) und nicht um therapeutische Aufklärung (Sicherungsaufklärung). Die Pflicht zur Selbstbestimmungsaufklärung ist in gleicher Weise Nebenpflicht des Behandlungsvertrags wie Ausfluß der Garantenstellung des Arztes (vgl. Senatsurteile vom 22. April 1980 - VI ZR 37/79 - VersR 1981, 456, 457; vom 8. Mai 1990 - VI ZR 227/89 - VersR 1990, 1010, 1011).
a) Die Voraussetzungen für eine Beteiligung der Klägerin an der Therapiewahl lagen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor. Wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang ausführt, war die Fortsetzung der konservativen Behandlung nach dem 23. Dezember 1996 zwar nicht fehlerhaft, sondern eine von mehreren Möglichkeiten zur Behandlung des Bruchs. Dem angefochtenen Urteil ist auch zu entnehmen, daß das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen K. der Behandlung mittels (unblutiger) Reposition oder operativer Neueinrichtung des Bruchs wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgsaussichten beimißt, die der Klägerin eine echte Wahlmöglichkeit eröffneten und daher ihre Beteiligung an der Therapiewahl erforderten. Das Berufungsgericht geht deshalb mit dem Sachverständigen K. davon aus, der Beklagte habe spätestens am 23. Dezember 1996 die Klägerin darauf hinweisen müssen, daß statt einer Fortsetzung der konservativen Behandlung auch eine erneute Reposition oder eine Operation des Bruchs in Erwägung zu ziehen gewesen wäre, weil einerseits infolge des "abgekippten" Bruchs und eines gelenknahen Knochenbruchstücks die Gefahr einer bleibenden Funktionsbeeinträchtigung des rechten Handgelenks, andererseits aber bei erneuter (unblutiger) Reposition oder Operation die Gefahr eines Morbus Sudeck bestand. Das Berufungsgericht hat dies ersichtlich als unterschiedliche Risiken und unterschiedliche Erfolgschancen
gewertet. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen.
b) Unter diesen vom Berufungsgericht festgestellten Umständen war der Beklagte spätestens am 23. Dezember 1996 verpflichtet, die Klägerin nicht nur davon in Kenntnis zu setzen, daß der Bruch in Fehlstellung zu verheilen drohte (sog. Diagnoseaufklärung, vgl. zuletzt BVerfG, Beschluß der 2. Kammer des 1. Senats vom 18. November 2004 - 1 BvR 2315/04 - EuGRZ 2004, 805, 806), sondern auch davon, daß eine bei Fortsetzung der konservativen Behandlung drohende Funktionseinschränkung des Handgelenks möglicherweise durch eine erneute (unblutige) Reposition oder durch eine primäre operative Neueinrichtung des Bruchs vermieden werden könne, ihr die Chancen und Risiken dieser möglichen unterschiedlichen Behandlungsmethoden zu erläutern und sodann zusammen mit ihr die Wahl der Therapie zu treffen. Der Beklagte hat jedoch die der Klägerin eröffnete Wahl ohne ordnungsgemäße Beteiligung der Patientin allein getroffen und die konservative Behandlung fortgesetzt. Die Behandlung der Klägerin erfolgte hiernach ohne ihre wirksame Einwilligung, war rechtswidrig und vom Beklagten zu vertreten (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.). Der Beklagte haftet daher für die aus dieser rechtswidrigen Behandlung entstandenen und entstehenden Folgen. 2. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, das Unterlassen der Aufklärung über die Behandlungsalternativen habe nur dann haftungsrechtliche Folgen für den Beklagten, wenn die Klägerin den Nachweis führen könne, daß sie sich für eine (unblutige) Reposition oder einen operativen Eingriff entschieden und die gewählte Behandlung die beklagten Folgen vermieden hätte.
a) Das läßt den Umstand außer Acht, daß die Klägerin in die Behandlung ohne vollständige Aufklärung über die verschiedenen Behandlungsmöglichkei-
ten und deren Erfolgsaussichten und Gefahren nicht wirksam eingewilligt hat. Erst eine nach vollständiger und gewissenhafter Aufklärung des Patienten wirksame Einwilligung ("informed consent") macht den Eingriff in seine körperliche Integrität rechtmäßig (vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 1984 - VI ZR 70/82 - VersR 1984, 538, 539). Das gilt auch dann, wenn die Behandlung - wie hier - in der eigenverantwortlichen Fortsetzung einer von anderer Seite begonnenen Therapie besteht.
b) Die Revision beanstandet mit Erfolg, daß das Berufungsgericht ohne persönliche Anhörung der Klägerin Vermutungen darüber angestellt hat, wie diese sich entschieden hätte. Selbst wenn der Beklagte sich - was dem angefochtenen Urteil allerdings nicht zu entnehmen ist - auf den Einwand einer hypothetischen Einwilligung berufen und vorgetragen haben sollte, daß die Klägerin auch nach ordnungsgemäßer Aufklärung in die Fortsetzung der konservativen Behandlung eingewilligt hätte, hätte das Berufungsgericht zwar diesen Einwand des Arztes beachten , aber auch die Beweislastverteilung berücksichtigen müssen (vgl. Senatsurteil vom 9. November 1993 - VI ZR 248/92 - VersR 1994, 682, 684). Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist in den Fällen, in denen der Patient aus einem Aufklärungsversäumnis des Arztes Ersatzansprüche ableitet , die Behauptungs- und Beweislast auf beide Prozeßparteien verteilt. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, daß sich der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der tatsächlich durchgeführten Behandlung entschlossen hätte, trifft nicht den Patienten, sondern den Arzt. Der Arzt ist jedoch erst dann beweisbelastet, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, daß er - wären ihm rechtzeitig die Risiken der Behandlung verdeutlicht worden - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 1994 - VI ZR 260/93 - VersR 1994, 1302). Das
gilt in gleicher Weise, wenn der Arzt den Patienten über mehrere, aus medizinischer Sicht indizierte Behandlungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten und Risiken aufzuklären hat. Auch diese Aufklärung über die bestehenden unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten dient - wie erwähnt - dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und ist daher Voraussetzung einer rechtmäßigen Behandlung. Im Rahmen der dem Tatrichter obliegenden Prüfung der Plausibilität eines Entscheidungskonflikts kommt es allein auf die persönliche Entscheidungssituation des konkreten Patienten aus damaliger Sicht an, nicht dagegen darauf , ob ein "vernünftiger" Patient dem entsprechenden ärztlichen Rat gefolgt wäre (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1993 - VI ZR 248/92 - aaO; vom 2. März 1993 - VI ZR 104/92 - VersR 1993, 749, 750). Feststellungen hierzu darf das Berufungsgericht grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten treffen (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1998 - VI ZR 74/97 - VersR 1998, 766, 767; vom 4. April 1995 - VI ZR 95/94 - VersR 1995, 1055, 1057; vom 14. Juni 1994 - VI ZR 260/93 - aaO; vom 14. Juni 1994 - VI ZR 178/93 - VersR 1994, 1235, 1237). Maßgebend ist insoweit nicht, wie sich der Patient entschieden hätte. Ausreichend ist, daß er durch die Aufklärung in einen echten Entscheidungskonflikt geraten wäre. Das wird das Berufungsgericht bei entsprechendem Vortrag der Parteien zu beachten haben. 3. Soweit dem Berufungsurteil die Auffassung zugrundeliegt, die Klägerin müsse beweisen, daß eine (unblutige) Reposition oder eine Operation den eingetretenen Schaden verhindert hätte, beruht es auf einer Verkennung der Beweislast.
a) Die Revision beanstandet zwar ohne Erfolg, daß das Berufungsgericht den Nachweis der Kausalität dem Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO, nicht dem
des § 287 Abs. 1 ZPO unterstellt hat. Es geht im zu entscheidenden Fall um die haftungsbegründende, nicht um die haftungsausfüllende Kausalität. Anders als in dem der Entscheidung des erkennenden Senats vom 13. Januar 1987 (- VI ZR 82/86 - VersR 1987, 667) zugrundeliegenden Sachverhalt sind hier nicht vermehrte Schmerzen der Klägerin als Sekundärschäden im Streit. Die Fortsetzung der konservativen Behandlung war nicht der "erste Verletzungserfolg" (Primärschaden), der es gestatten würde, die Funktionsbeeinträchtigungen des Handgelenks als bloße Folgeschäden anzusehen. Die Beeinträchtigungen des Handgelenks sind vielmehr der Schaden in seiner konkreten Ausprägung und damit der Primärschaden (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98 - VersR 1998, 1153, 1154), für den der Ursachenzusammenhang mit dem Aufklärungsfehler nach § 286 Abs. 1 ZPO nachzuweisen ist.
b) Das Berufungsgericht verkennt aber, daß die Frage, ob eine Reposition oder eine Operation zu einem besseren Ergebnis geführt hätte, nicht die Kausalität der tatsächlich durchgeführten konservativen Behandlung für den eingetretenen Schaden, sondern einen hypothetischen Kausalverlauf im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens betrifft, für den der Beklagte beweispflichtig ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 106, 153, 156; vom 10. Juli 1959 - VI ZR 87/58 - VersR 1959, 811, 812; vom 14. April 1981 - VI ZR 39/80 - VersR 1981, 677, 678; vom 13. Januar 1987 - VI ZR 82/86 - VersR 1987, 667, 668; vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88 - VersR 1989, 289, 290). aa) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, daß die geklagten Beschwerden (entsprechend dem tatsächlichen Verlauf der Behandlung) zumindest mit auf der Fortsetzung der konservativen Behandlung beruhen. Diese Behandlung sollte u.a. dazu dienen, eine Fehlstellung des Bruchs und eine Funktionsbeeinträchtigung des Handgelenks möglichst zu vermeiden. Dazu war sie nach fortgeschrittenem Abkippen des Bruchs und der fehlenden Rückverla-
gerung des abgesprengten Knochenstücks ab dem 23. Dezember 1996 jedoch nicht mehr geeignet. Dementsprechend hat die Fehlstellung in der Folge noch zugenommen und das Knochenstück ist nicht "zurückgerutscht". bb) Der Ansicht des Berufungsgerichts, das sei deswegen unbeachtlich, weil das Ergebnis auch nach einer operativen Behandlung möglicherweise nicht anders gewesen wäre, liegt ersichtlich die Annahme eines hypothetischen Kausalverlaufs im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens zugrunde, für den die Behandlungsseite beweispflichtig ist. Diese kann zwar geltend machen, der gleiche Gesundheitsschaden wäre auch nach einer Reposition oder einer primären Operation entstanden, wenn eine dieser Behandlungsmethoden gewählt worden wäre. Nur dann aber, wenn dieser Verlauf feststünde, könnte die Haftung des Beklagten für die Folgen seiner rechtswidrigen Vorgehensweise verneint werden. Dieses Beweisrisiko geht nämlich zu Lasten des Beklagten, der dementsprechend nicht nur die Möglichkeit eines solchen Verlaufs, sondern beweisen müßte, daß derselbe Mißerfolg auch nach Wahl einer solchen anderen Behandlungsmethode eingetreten wäre (vgl. Senatsurteile BGHZ 106, 153, 156; vom 14. April 1981 - VI ZR 39/80 - aaO; vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88 - aaO; BGH, BGHZ 63, 319, 325; 120, 281, 287).

III.

Nach alldem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der erkennende Senat ist an einer eigenen Entscheidung gehindert , weil es nach den vorstehenden Ausführungen weiterer Feststellungen des
Berufungsgerichts bedarf. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

11
Nach den vom Berufungsgericht verwendeten Formulierungen liegt die Annahme nahe, dass es bei Prüfung des Kausalzusammenhangs für den Folgeschaden einen zu strengen Maßstab angelegt hat. Das Berufungsgericht hat nämlich die Kausalität verneint, weil sich nicht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit die Überzeugung gewinnen lasse, dass die Fehlbehandlung die Sudecksche Heilentgleisung hervorgerufen habe, denn es sei möglich, wenn auch sehr unwahrscheinlich, dass sich der Morbus Sudeck allein aufgrund des Unfalls vom 11. Oktober 2002 entwickelt habe. Für die Anlegung eines zu strengen Beweismaßes spricht auch, dass das Berufungsgericht nicht nur den Sachverständigen Prof. Dr. C. mit den Worten zitiert, dieser habe gesagt, dass der Morbus Sudeck auch bei ordnungsgemäßer Behandlung nicht "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" vermieden worden wäre, sondern ausdrücklich auch die Beweiswürdigung des Landgerichts billigt, welches für den Kausalitätsbeweis eine "mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" verlangt hat. Damit hat das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht geltend macht, für den Nachweis der Ursächlichkeit hinsichtlich des Folgeschadens ein Beweismaß verlangt, das noch nicht einmal von dem strengen Maßstab des § 286 ZPO vorausgesetzt wird (vgl. BGHZ 53, 245, 255 f.; Senatsurteile vom 9. Mai 1989 - VI ZR 268/88 - VersR 1989, 758, 759 und vom 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98 - VersR 2000, 503, 505; BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - NJW 1993, 935, 937). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die tatrichterliche Würdigung bei Berücksichtigung der hier allein maßgebenden Grundsätze des § 287 ZPO zu einem anderen, für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt hätte.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

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Nach den vom Berufungsgericht verwendeten Formulierungen liegt die Annahme nahe, dass es bei Prüfung des Kausalzusammenhangs für den Folgeschaden einen zu strengen Maßstab angelegt hat. Das Berufungsgericht hat nämlich die Kausalität verneint, weil sich nicht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit die Überzeugung gewinnen lasse, dass die Fehlbehandlung die Sudecksche Heilentgleisung hervorgerufen habe, denn es sei möglich, wenn auch sehr unwahrscheinlich, dass sich der Morbus Sudeck allein aufgrund des Unfalls vom 11. Oktober 2002 entwickelt habe. Für die Anlegung eines zu strengen Beweismaßes spricht auch, dass das Berufungsgericht nicht nur den Sachverständigen Prof. Dr. C. mit den Worten zitiert, dieser habe gesagt, dass der Morbus Sudeck auch bei ordnungsgemäßer Behandlung nicht "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" vermieden worden wäre, sondern ausdrücklich auch die Beweiswürdigung des Landgerichts billigt, welches für den Kausalitätsbeweis eine "mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" verlangt hat. Damit hat das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht geltend macht, für den Nachweis der Ursächlichkeit hinsichtlich des Folgeschadens ein Beweismaß verlangt, das noch nicht einmal von dem strengen Maßstab des § 286 ZPO vorausgesetzt wird (vgl. BGHZ 53, 245, 255 f.; Senatsurteile vom 9. Mai 1989 - VI ZR 268/88 - VersR 1989, 758, 759 und vom 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98 - VersR 2000, 503, 505; BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - NJW 1993, 935, 937). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die tatrichterliche Würdigung bei Berücksichtigung der hier allein maßgebenden Grundsätze des § 287 ZPO zu einem anderen, für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt hätte.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.