Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2011 - IX ZR 233/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin betreibt einen Kfz-Ersatzteilhandel. Sie stand in Geschäftsbeziehung zu dem späteren Insolvenzschuldner. Sie lieferte an diesen KfzErsatzteile und berechnete dafür im Juni 2008 insgesamt 1.500,13 €. Die Rechnungsbeträge zog sie aufgrund einer ihr vom späteren Schuldner erteilten Ermächtigung am 10. und 17. Juli 2008 ein.
- 2
- Am 18. September 2008 wurde der Beklagte zum vorläufigen mitbestimmenden Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners bestellt. Noch vor Ablauf der Frist widersprach er gegenüber der Schuldnerbank den Belas- tungsbuchungen. Diese schrieb die Geldbeträge dem Schuldnerkonto wieder gut und gab die Lastschriften zurück.
- 3
- Am 24. Oktober 2008 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.
- 4
- Die Klägerin hält den Widerspruch für unberechtigt und hat den Beklagten als Insolvenzverwalter auf Zahlung von 1.500,13 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Schadensersatzanspruch gegen die Masse zugebilligt und - sich der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs anschließend - ausgeführt: Die Ausübung des Widerspruchsrechts durch den Beklagten sei ebenso rechtsmissbräuchlich wie dies im Falle der Ausübung des Widerspruchsrechts durch den Schuldner außerhalb der Insolvenz gewesen wäre. Es sei nicht gerechtfertigt, das Einzugsermächtigungsverfahren in der Insolvenz des Schuldners zu einem Instrument der Massemehrung umzufunktionieren.
II.
- 7
- Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 8
- 1. Die Klägerin hat den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes und nicht persönlich verklagt. Das ergibt sich aus der Parteibezeichnung sowohl im Mahnantrag wie auch in der Anspruchsbegründungsschrift.
- 9
- Schadensersatzansprüche 2. als Masseverbindlichkeiten bestehen schon deswegen nicht, weil die Voraussetzungen des § 55 InsO nicht vorliegen. Da eine schädigende Handlung allenfalls durch den vorläufigen Verwalter erfolgt sein kann (unberechtigter Widerspruch gegen die Lastschrift - vgl. hierzu die vom IX. und XI. Zivilsenat entwickelten Grundsätze in den Urteilen vom 20. Juli 2010 - IX ZR 37/09, NJW 2010, 3517 und XI ZR 236/07, NJW 2010, 3510), kann eine Masseverbindlichkeit allein nach § 55 Abs. 2 InsO begründet worden sein. § 55 Abs. 2 InsO betrifft jedoch nur den vorläufigen Verwalter, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist. Für den vorläufigen Verwalter ohne Verfügungsbefugnis gilt die Vorschrift nur insoweit, als dieser vom Insolvenzgericht ermächtigt worden ist, einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse einzugehen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - IX ZR 61/08, NZI 2009, 475 Rn. 13 mwN; Kreft/Lohmann, InsO, 5. Aufl., § 55 Rn. 29). Ein solcher vorläufiger Verwalter mit Verfügungsbefugnis war der Beklagte nicht. Auch hat ihm das Insolvenzgericht - bezogen auf den Lastschriftwiderspruch - keine Einzelermächtigung erteilt.
- 10
- 3. Ebenso wenig bestehen bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen die Masse. Gemäß § 55 Abs. 2 InsO können schon aus den oben genannten http://www.juris.de/jportal/portal/t/2lwn/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE084102377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2lwn/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR286600994BJNE005803160&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 5 - Gründen etwaige Bereicherungsansprüche keine Masseverbindlichkeiten darstellen. Auch § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO begründet hier keine Masseverbindlichkeiten. Nach dieser Vorschrift muss die Masse einen Vermögensgegenstand ohne rechtlichen Grund (§§ 812 ff BGB) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt haben. Ist die Bereicherung bereits vor der Eröffnung zur Masse gelangt, greift § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch dann nicht ein, wenn der Rechtsgrund erst mit oder nach der Eröffnung weggefallen ist. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 24. Oktober 2008 war die Erfüllung im Wege des Lastschrifteinzugs bereits fehlgeschlagen; zu einer Vermögensverschiebung zugunsten der Masse ist es nach der Verfahrenseröffnung nicht gekommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 aaO Rn. 12 mwN).
III.
- 11
- Das angefochtene Urteil kann deshalb kein Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Entscheidung reif ist, hat der Senat eine eigene Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die unschlüssige Klage war abzuweisen.
Pape Möhring
Vorinstanzen:
AG Hagen, Entscheidung vom 21.07.2009 - 11 C 123/09 -
LG Hagen, Entscheidung vom 27.11.2009 - 1 S 97/09 -
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Annotations
(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:
- 1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören; - 2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß; - 3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.
(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.
(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.
(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.