Bundesgerichtshof Urteil, 07. Juli 2010 - IV ZR 16/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Sterbegeld in Höhe von 600 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
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- Der am 15. September 1945 geborene Kläger begehrt von der beklagten Zusatzversorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) die Gewährung einer Hinterbliebenenrente sowie die Zahlung von Sterbegeld. Er lebte seit Juli 2005 in eingetragener Lebenspartnerschaft mit einem am 13. Januar 2006 verstorbenen Mann. Dieser war bei der Beklag- ten zusatzversichert und bezog von ihr zuletzt eine Betriebsrente von 232,50 €. Der Kläger erhält neben einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus eigener Versicherung von der gesetzlichen Rentenversicherung des bei der Beklagten Versicherten eine so genannte "große Witwerrente".
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- Mit der Klage macht der Kläger die Zahlung von Hinterbliebenenrente für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis 30. April 2006 in Höhe von monatlich 232,50 € sowie für den Zeitraum ab 1. Mai 2006 von monatlich 127,88 € zuzüglich eines Sterbegeldes von 600 € geltend. Amts- und Landgericht haben die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
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- I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe weder ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 38 der Satzung der Beklagten (im Folgenden: VBLS) noch auf Zahlung von Sterbegeld gemäß § 85 VBLS zu, weil er mit dem verstorbenen Versicherten nicht verheiratet gewesen sei. Eingetragene Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes seien nicht als verheiratet im Sinne der Bestimmungen der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes anzusehen. Die Satzungsbestimmungen verstießen auch nicht gegen Grundrechte oder höherrangiges europäisches Recht.
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- II. Die Revision ist begründet. Dem Kläger steht grundsätzlich ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 38 Abs. 1 VBLS zu (zu 1.). Ob ein derartiger Anspruch nach § 38 Abs. 2 VBLS ausgeschlossen ist, be- darf weiterer tatrichterlicher Feststellung (zu 2.). Schließlich hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Sterbegeld in Höhe von 600 € nach § 85 Satz 1 VBLS i.V. mit § 58 Abs. 1 Satz 1 a VBLS a.F. (zu 3.).
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- 1. Das Bundesverfassungsgericht hat mit nach den angefochtenen Entscheidungen ergangenem Beschluss vom 7. Juli 2009 (VersR 2009, 1607) entschieden, dass die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die bei der Beklagten zusatzversichert sind, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Wie es im Einzelnen ausgeführt hat (aaO Tz. 97 ff.), lassen sich jedenfalls seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3396; im Folgenden : Überarbeitungsgesetz) am 1. Januar 2005, mit dem das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaften noch näher an das Eherecht angeglichen worden ist und das (unter anderem) die Einbeziehung der eingetragenen Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Rentenversicherung regelt, keine sachbezogenen und gemeinsamen Gründe der Tarifvertragsparteien für eine Ungleichbehandlung im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung belegen. Auch objektiv seien keine tragfähigen sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung gegeben. Unter Berücksichtigung der mit der Hinterbliebenenversorgung verfolgten Ziele seien keine einfachrechtlichen oder tatsächlichen Unterschiede erkennbar, die es rechtfertigten, eingetragene Lebenspartner in Bezug auf die Hinterbliebenenversorgung der VBL schlechter zu behandeln als Ehegatten.
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- ZudenRechtsfo lgen des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat es ausgeführt (aaO Tz. 124): "Verstoßen Allgemeine Versicherungsbedingungen - wie hier die Satzung der VBL - gegen Art. 3 Abs. 1 GG, so führt dies nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Unwirksamkeit der betroffenen Klauseln (vgl. BGHZ 174, 127, <175>). Hierdurch entstehende Regelungslücken können im Wege ergänzender Auslegung der Satzung geschlossen werden (BGHZ 174, 127, <177>). Auch im vorliegenden Fall ist es zwar nicht durch den bewussten Ausschluss der Lebenspartner bei der Formulierung des § 38 VBLS, wohl aber durch die Feststellung der Unwirksamkeit dieser Vertragsgestaltung aus verfassungsrechtlichen Gründen zu einer ungewollten Regelungslücke bei der Hinterbliebenenversorgung gekommen. Der Gleichheitsverstoß kann nicht durch bloße Nichtanwendung des § 38 VBLS beseitigt werden , weil ansonsten entgegen der zugrunde liegenden Konzeption Hinterbliebenenrenten auch für Ehegatten ausgeschlossen wären. Der mit der Hinterbliebenenversorgung nach § 38 VBLS verfolgte Regelungsplan lässt sich mithin nur dadurch vervollständigen, dass die für Ehegatten geltende Regelung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 auch auf eingetragene Lebenspartner Anwendung findet. Dies entspricht auch dem hypothetischen Willen sowohl der VBL wie auch der Tarifvertragsparteien, die die eingetragenen Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung einbezogen hätten, wäre ihnen der hier festgestellte Gleichheitsverstoß bewusst gewesen. …"
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- DenErwägungendes Bundesverfassungsgerichts hat sich der Senat in seiner Entscheidung vom 7. Juli 2010 (IV ZR 267/04 - unter 1, zur Veröffentlichung vorgesehen) angeschlossen. Hiermit im Einklang steht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eingetragene Lebenspartner in der betrieblichen Altersversorgung hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung ab dem Jahre 2005 Ehegatten gleichzustellen sind (vgl. dazu Urteil vom 14. Januar 2009 - 3 AZR 20/07 - MDR 2009, 698), sowie des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (vgl. Urteil vom 1. April 2008 - C-267/06 - NJW 2008, 1649 Tenor zu 2.).
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- 2. Ob der Kläger die der Höhe nach unstreitige Hinterbliebenenrente verlangen kann, hängt indessen davon ab, ob der Anspruch wegen der kurzen Dauer der eingetragenen Lebenspartnerschaft zwischen dem Kläger und dem verstorbenen Versicherten von weniger als 12 Monaten nach § 38 Abs. 2 VBLS ausgeschlossen ist. Von seinem Standpunkt aus folgerichtig hat das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen. Diese werden, gegebenenfalls nach weiterem Vortrag der Parteien, nachzuholen sein.
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- 3. Schließlich hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Sterbegeld in Höhe von 600 € gemäß § 85 Satz 1 VBLS i.V. mit § 58 Abs. 1 Satz 1 a VBLS a.F.
- 10
- a) Nach § 85 Satz 1 VBLS wird ein Sterbegeld entsprechend dem Zusatzversorgungsrecht des bisherigen Gesamtversorgungssystems gezahlt , das allerdings der Höhe nach jährlich gestaffelt abgesenkt wird und nach § 85 Satz 2 VBLS ab dem Jahre 2008 gänzlich entfällt (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT Teil VII - ATV 179. ErgL [Stand Oktober 2002] Erl. 35.1). Für einen - wie hier - Sterbefall im Jahre 2006 wird ein Sterbegeld in Höhe von 600 € erbracht, das auch der Kläger als eingetragener Lebenspartner verlangen kann.
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- Nach der Regelung des § 85 Satz 1 VBLS i.V. mit § 58 Abs. 1 Satz 1 a VBLS a.F. ist ein Sterbegeld zwar ausdrücklich nur für den überlebenden Ehegatten, nicht auch für den eingetragenen Lebenspartner vorgesehen. Die Regelung führt aber zu einer Ungleichbehandlung, die entsprechend den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in dem genannten Beschluss vom 7. Juli 2009 (aaO Tz. 77 ff.) gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Dieser Verstoß hat - wie bei der Hinterbliebenenren- te nach § 38 VBLS - zur Folge, dass die genannte Regelung zum Sterbegeld mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 auch auf eingetragene Lebenspartner Anwendung findet.
- 12
- Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (aaO) ergibt sich, dass Ehegatten und eingetragene Lebenspartner im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die bei der Beklagten zusatzversichert sind, ab dem Jahre 2005 gleich zu behandeln sind. Das betrifft neben der Hinterbliebenenrente auch das - in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorgesehene - Sterbegeld. Dafür, dass eine Gleichstellung auch insoweit mit dem Willen des Gesetzgebers im Einklang steht, spricht die im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung durch Art. 5 Abs. 35 Nr. 1 des Überarbeitungsgesetzes mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 eingefügte Regelung des § 63 Abs. 1 a SGB VII, die die Anwendbarkeit der für Ehegatten geltenden Vorschriften über die Hinterbliebenenleistungen, zu denen auch ein Sterbegeld gehört (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII), auf eingetragene Lebenspartner erstreckt.
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- b) Da die Zahlung von Sterbegeld unabhängig davon ist, ob die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft bis zum Tod des Versicherten bereits ein Jahr bestanden hat, kann über diesen selbständigen Anspruch durch das Revisionsgericht selbst entschieden werden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Im Übrigen ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dr. Karczewski Lehmann
Vorinstanzen:
AG Karlsruhe, Entscheidung vom 04.05.2007 - 2 C 265/06 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 24.10.2008 - 6 S 22/07 -
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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Hinterbliebene haben Anspruch auf
- 1.
Sterbegeld, - 2.
Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung, - 3.
Hinterbliebenenrenten, - 4.
Beihilfe.
(1a) Die Vorschriften dieses Unterabschnitts über Hinterbliebenenleistungen an Witwen und Witwer gelten auch für Hinterbliebenenleistungen an Lebenspartner.
(2) Dem Tod infolge eines Versicherungsfalls steht der Tod von Versicherten gleich, deren Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer Berufskrankheit nach den Nummern 4101 bis 4104 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968 (BGBl. I S. 721) in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343) um 50 vom Hundert oder mehr gemindert war. Dies gilt nicht, wenn offenkundig ist, daß der Tod mit der Berufskrankheit nicht in ursächlichem Zusammenhang steht; eine Obduktion zum Zwecke einer solchen Feststellung darf nicht gefordert werden.
(3) Ist ein Versicherter getötet worden, so kann der Unfallversicherungsträger die Entnahme einer Blutprobe zur Feststellung von Tatsachen anordnen, die für die Entschädigungspflicht von Bedeutung sind.
(4) Sind Versicherte im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit verschollen, gelten sie als infolge eines Versicherungsfalls verstorben, wenn die Umstände ihren Tod wahrscheinlich machen und seit einem Jahr Nachrichten über ihr Leben nicht eingegangen sind. Der Unfallversicherungsträger kann von den Hinterbliebenen die Versicherung an Eides Statt verlangen, daß ihnen weitere als die angezeigten Nachrichten über die Verschollenen nicht bekannt sind. Der Unfallversicherungsträger ist berechtigt, für die Leistungen den nach den Umständen mutmaßlichen Todestag festzustellen. Bei Versicherten in der Seeschiffahrt wird spätestens der dem Ablauf des Heuerverhältnisses folgende Tag als Todestag festgesetzt.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.