Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2010 - III ZR 173/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Die Parteien streiten über die Bezahlung von medizinischen Laboruntersuchungen.
- 2
- Die Klägerin betreibt Laboranalytik und verrichtet Laborauftragsarbeiten zur Unterstützung von Ärzten. Der privat versicherte Beklagte leidet seit längerem an Diabetes Typ II. Er befand sich zunächst in Behandlung bei dem niedergelassenen Arzt Prof. Dr. J. . Im Oktober 2007 wandte er sich an Dr. K. . Dieser führte unter anderem eine körperliche Untersuchung, eine Sonographie sowie eine Blutentnahme durch. Mit Überweisungsschein vom 19. Oktober 2007 übersandte er das dem Beklagten entnommene Blut an die Klägerin mit dem Auftrag, den Diabetestyp festzustellen bzw. einen speziellen Diabetestyp auszuschließen. Die Klägerin führte zu diesem Zweck Gentests durch. Ihre auf der Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erstellten Rechnungen vom 14. Dezember 2007 sowie 11. Januar und 8. Februar 2008 über zusammen 5.367,15 € bezahlte der Beklagte nicht. Die daraufhin erhobene Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
- 3
- Die zulässige Revision ist begründet.
I.
- 4
- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Beklagte sei zur Bezahlung der Rechnungen verpflichtet, da Dr. K. in seinem Namen und mit entsprechender Vollmacht die Blutuntersuchung in Auftrag gegeben habe. Das Einverständnis des Patienten mit der Blutentnahme zum Zwecke einer Untersuchung beinhalte die stillschweigende Ermächtigung des behandelnden Arztes zur Auswahl und Beauftragung des Labors im Namen des Patienten. Fraglich könne hier allenfalls der Vollmachtsumfang sein. Dieser bestimme sich bei einer Innenvollmacht danach, wie der Vertreter Dr. K. das Verhalten des Beklagten nach Treu und Glauben verstehen durfte. Im Streitfall fehle es im Berufungsverfahren an jeglichen Hinweisen auf konkrete Äußerungen des Beklagten zum Umfang der gewünschten Untersuchung. Der teilweise anders lautende erstinstanzliche Vortrag sei von der Berufungsbegründung nicht aufgenommen worden. Daher könne der Wille des Beklagten lediglich nach der Verkehrssitte unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben bestimmt werden. Es komme auf den Umfang der üblicherweise an bestimmte Berufsgruppen - hier an Ärzte - erteilten Vollmacht an. Die Übertragung von Aufgaben, deren ordnungsgemäße Erfüllung eine bestimmte Vertretungsmacht erfordere, enthalte dabei zugleich stillschweigend eine entsprechende Bevollmächtigung. Dr. K. habe den Beklagten danach so verstehen müssen, dass dieser ihn zur Veranlassung sämtlicher Laboruntersuchungen bevollmächtige, deren Ergebnisse er für die weitere Behandlung habe kennen müssen. Der Beklagte stelle die generelle Notwendigkeit der Erhebung der streitgegenständlichen Laborbefunde auch nicht in Abrede, da er sich in der Berufungsbegründung nur noch darauf berufe, dass der vorbehandelnde Arzt die fraglichen Werte bereits erhoben habe. Sämtliche beauftragten und von der Klägerin vorgenommenen Untersuchungen seien deshalb als für die weitere Diabetesbehandlung notwendig anzusehen. Die eventuell bestehende Möglichkeit, die Befunde von Prof. Dr. J. zu erhalten, habe keinen Einfluss auf den Umfang der Vollmacht. Es sei schon fraglich, warum der Beklagte sich überhaupt habe Blut abnehmen lassen, wenn bei Prof. Dr. J. alle erforderlichen Werte vorgelegen hätten. Der Beklagte trage auch nicht vor, dass er Dr. K. ausdrücklich oder konkludent aufgefordert habe, sich bestimmte Werte bei Prof. Dr. J. zu besorgen, und dass er nur einen Teil der benötigten Untersuchungen neu in Auftrag gegeben habe. Dr. K. habe dem Verhalten des Beklagten unter diesen Umständen keine Beschränkung des üblichen Umfangs der Vollmacht entnehmen müssen, sondern dieses vielmehr so verstehen dürfen, dass der Beklagte ihn umfassend mit der Beschaffung der nötigen Laborwerte beauftrage und es ihm überlasse, über den Beschaffungsweg zu entscheiden und zu diesem Zweck auch andere Leistungserbringer im Namen des Beklagten zu beauftragen. Bei einer Massenerscheinung wie der streitgegenständlichen Vollmacht verbiete sich eine allzu ausdifferenzierte Bestimmung des Vollmachtsumfangs. Die Frage, ob Dr. K. beim Gebrauch der Vollmacht seine Pflichten verletzt habe, müsse zwischen diesem und dem Patienten geklärt werden; auf den Inhalt der Vollmacht habe eine eventuelle Pflichtverletzung keine Auswirkung.
II.
- 5
- Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 6
- 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass bei der Inanspruchnahme eines externen Laborarztes durch den behandelnden Arzt letzterer im Regelfall als Stellvertreter des Patienten tätig wird. Übersendet er Untersuchungsmaterial des Patienten an den Laborarzt, erteilt er den damit verbundenen Auftrag grundsätzlich im Namen des Patienten. Hat dieser ihn dazu bevollmächtigt, wird neben dem Behandlungsverhältnis zwischen dem Patienten und dem Arzt ein weiteres eigenständiges Vertragsverhältnis zwischen dem Patienten und dem Laborarzt begründet. Nur dies entspricht normalerweise dem Willen und Interesse der Beteiligten sowie den Bedürfnissen der Praxis (vgl. BGHZ 142, 126, 130 ff; siehe auch BGH, Urteil vom 20. Juni 1989 - VI ZR 320/88 - VersR 1989, 1051, 1052; LG Köln, NJW-RR 1998, 344, 345; OLG Zweibrücken, MedR 1999, 275, 278; OLG Karlsruhe, VersR 1999, 718, 719; LG Dortmund, NJW-RR 2007, 269; RGRK-Nüßgens, BGB, 12. Aufl., § 823 Anh. II, Rn. 10; Gehrlein/Weinland in: jurisPK-BGB, 4. Aufl., § 164, Rn. 18; Laufs, Arztrecht, 5. Aufl., Rn. 97; Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., § 41 Ziffer VII; Frahm/Walter, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. 17). Von diesen Grundsätzen ist auch hier auszugehen. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts , dass Dr. K. im Namen des Beklagten die streitgegenständliche Untersuchung in Auftrag gegeben hat, wendet sich die Revision deshalb zu Recht nicht.
- 7
- 2. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, dass Dr. K. hierzu vom Beklagten bevollmächtigt worden ist.
- 8
- a) Soweit die Erteilung einer Vollmacht durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden - sogenannte Innenvollmacht im Sinne des § 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB - erfolgt, richtet sich der Umfang der Vollmacht danach, wie der Bevollmächtigte als Empfänger der Erklärung diese bei objektiver Würdigung aller Umstände unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (BGH, Urteile vom 19. November 1979 - II ZR 57/79 - LM § 133 (B) BGB, Nr. 18, und 9. Juli 1991 - XI ZR 218/90 - NJW 1991, 3141; MünchKommBGB /Schramm, 5. Aufl., § 167, Rn. 80; Staudinger/Schilken, BGB, Neubearb. 2004, § 167, Rn. 84; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl., § 167, Rn. 39; Bamberger /Roth/Habermeier, BGB, 2. Aufl., § 167, Rn. 23). Bei der Auslegung sind insoweit auch die begleitenden Umstände, insbesondere der Zweck der Vollmacht und das zugrunde liegende Rechtsgeschäft zu berücksichtigen (BGH, Urteile vom 18. März 1970 - V ZR 84/67 - DB 1970, 1126, und 9. Juli 1991 - XI ZR 218/90 - aaO; MünchKomm-BGB/Schramm, aaO). Auf die Verständnismöglichkeiten des Geschäftsgegners kommt es nicht an; insoweit gibt es keinen Vertrauensschutz zu seinen Gunsten (siehe auch BGH, Urteil vom 7. März 1990 - VIII ZR 25/89 - NJW-RR 1990, 701, 703; MünchKomm-BGB/ Schramm, aaO; Soergel/Leptien, aaO). Hierbei enthält die Übertragung von Aufgaben, deren ordnungsgemäße Erfüllung eine bestimmte Vollmacht erfor- dert, regelmäßig stillschweigend zugleich eine entsprechende Bevollmächtigung (Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 167, Rn. 1, § 172, Rn. 19 m.w.N.).
- 9
- b) Ist zwischen dem behandelnden Arzt und dem Patienten nicht besprochen worden, zu welchem Zweck die Blutprobe untersucht werden soll, richtet sich der nach Treu und Glauben sowie unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu beurteilende Umfang der Vollmacht danach, welche Laboruntersuchungen für die medizinisch notwendige weitere Behandlung objektiv - nicht nach der subjektiven Meinung des behandelnden Arztes - benötigt werden. Insoweit kann bei einer Innenvollmacht auch nicht darauf abgestellt werden, dass der Laborarzt selbst dies regelmäßig nicht überprüfen kann und er insoweit auf den behandelnden Arzt vertraut (anders LG Köln, aaO, S. 345; LG Dortmund, aaO).
- 10
- aa) Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ darf ein Arzt Vergütungen nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind. Leistungen, die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind. § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ zieht insoweit aus der - sich nach Treu und Glauben aus dem Behandlungsvertrag und dem ärztlichen Berufsrecht ergebenden - Verpflichtung des Arztes, seine Leistungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst auszurichten sowie den Gesichtspunkt wirtschaftlicher Leistungserbringung zu beachten, die gebührenrechtliche Folgerung (vgl. BR-Drucks. 295/82, S. 12; siehe auch Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen , 3. Aufl., § 1 GOÄ, Rn. 10 f). Hierbei hat der Verordnungsgeber insbesondere die Fälle im Auge gehabt, in denen bereits verwertbare Röntgen- oder Laborbefunde vorliegen, die zur Diagnose herangezogen werden können (BR-Drucks. 295/82, S. 13; siehe auch Lang/Schäfer/Stiel/ Vogt, Der GOÄ-Kommentar, 2. Aufl., § 1, Rn. 15).
- 11
- bb) Kann ein Arzt damit im Falle der Eigenleistung medizinisch nicht erforderliche Untersuchungen dem Patienten grundsätzlich nicht in Rechnung stellen, darf er umgekehrt, soweit er mit solchen Leistungen einen externen Laborarzt beauftragt, regelmäßig nicht davon ausgehen, dass ihm der Patient dazu stillschweigend Vertretungsmacht erteilt hat.
- 12
- c) Hiervon ausgehend ist es rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht es für den Umfang der Vollmacht als unerheblich einstuft, ob für den Arzt die Möglichkeit der Nutzung von Vorbefunden besteht. Es steht einem Arzt nicht frei, neue Untersuchungen zu Lasten des Patienten in Auftrag zu geben, wenn er die entsprechenden Informationen von dem vorbehandelnden Arzt erfragen kann. Zwar wird die Neuerhebung von Befunden nicht selten medizinisch sinnvoll sein. Da Krankheitsbilder vielfach Krankheitsprozesse darstellen, in deren Verlauf zeitnahe Kontrollen erforderlich sind, bedarf es häufig der Durchführung aktueller Untersuchungen (vgl. nur Hoffmann, Gebührenordnung für Ärzte, 3. Aufl., Stand Oktober 2003, § 1 GOÄ, Rn. 6). Auch mag im Einzelfall der mit der Einholung entsprechender Auskünfte verbundene Aufwand oder die damit verbundene Verzögerung der ärztlichen Behandlung es als geboten erscheinen lassen, eine Neubefundung vorzunehmen. Hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Vielmehr hat Dr. K. eine sog. Statusuntersuchung zur Abklärung des Diabetestyps vornehmen lassen, obwohl er nach dem Vortrag des Beklagten, den das Berufungsgericht gesehen, aber nicht hinreichend gewürdigt hat, diesen auch von dem vorbehandelnden Arzt hätte erfragen können. Dass ein neuer Statusbefund notwendig gewesen wäre, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden und nach Aktenlage auch nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund konnte das Berufungsgericht nicht davon ausgehen, dass der Beklagte Dr. K. im Zusammenhang mit der Entnahme der Blutprobe zum Zwecke der Untersuchung nicht nur mit einer Bestimmung der aktuellen Blutzuckerwerte, sondern auch mit einer Genuntersuchung zur Feststellung des Diabetestyps beauftragen wollte.
- 13
- 3. Das Berufungsurteil ist darüber hinaus - wie die Revision zu Recht rügt - insoweit rechtsfehlerhaft, als das erstinstanzliche Vorbringen des Beklagten mit der Begründung nicht berücksichtigt wurde, dieser Sachvortrag sei von der Berufung nicht "aufgenommen" worden.
- 14
- a) Nach dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils hat der Beklagte behauptet, er habe Dr. K. darauf hingewiesen, dass er lediglich ganz normale Untersuchungen und keine sogenannte Statusuntersuchung wünsche. Letztere sei auch medizinisch überflüssig gewesen, weshalb sie von seinem Krankenversicherer nicht bezahlt worden sei. Dr. K. , dem er mitgeteilt habe , dass seine Erkrankung vorher von Prof. Dr. J. behandelt wurde, sei deshalb nicht bevollmächtigt gewesen, die teuren Gentests, die Dr. K. im Patientengespräch auch nie erwähnt habe, in seinem Namen in Auftrag zu geben.
- 15
- In der Klagerwiderung vom 12. August 2008 - das Landgericht hat in seinem Urteil zur Ergänzung des Tatbestands auf das wechselseitige Vorbringen der Parteien in ihren Schriftsätzen Bezug genommen - hat der Beklagte im Übrigen vorgetragen, er habe Dr. K. über seine Krankheitsvorgeschichte informiert und dabei die bereits bei der Terminsvereinbarung gegenüber dem Personal gemachten Hinweise - unter anderem auf Diabetes Typ II - wiederholt.
- 16
- Im Rahmen seiner informatorischen Anhörung durch das Landgericht am 20. November 2008, auf die die Kammer im Tatbestand ihres Urteils hingewiesen hat, hat der Beklagte ergänzend angegeben, seine Versicherung habe erklärt , die abgerechnete Untersuchung sei nicht notwendig gewesen und würde nur bei Jugendlichen durchgeführt.
- 17
- Mit diesem Vortrag hat sich das Landgericht auf der Grundlage seiner - rechtsfehlerhaften - Auffassung nicht auseinandergesetzt, dass Absprachen im Innenverhältnis zwischen Dr. K. und dem Beklagten sowie die Frage der Indikation der streitgegenständlichen Untersuchung nicht entscheidungserheblich seien, da es für einen vertraglichen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten ausreiche, dass der Beklagte sich von Dr. K. Blut zum Zwecke einer Untersuchung habe abnehmen lassen und insoweit eine nach außen unbeschränkte konkludente Vertretungsmacht bestanden habe.
- 18
- Mit seiner Berufungsbegründung vom 21. Januar 2009, auf die im Tatbestand des Berufungsurteils verwiesen wird, hat der Beklagte sich ausdrücklich gegen die Annahme einer solchen Bevollmächtigung gewandt. Entscheidend sei, wie der Bevollmächtigte nach seinem objektiven Empfängerhorizont das Verhalten des Vollmachtgebers habe verstehen dürfen. Die Zustimmung zur Blutentnahme bevollmächtige nicht zum Abschluss eines Vertrags über die Durchführung eines Gentests, jedenfalls nicht unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falles. Unstreitig habe er sich schon lange Jahre wegen Diabetes Typ II in Behandlung befunden; diesen Typ habe der vorbehandelnde Arzt Prof. Dr. J. bereits eindeutig bestimmt gehabt. Er sei deshalb davon ausgegangen, dass es - wie routinemäßig bei Diabetikern mit einem Kosten- aufwand von ca. 150 € - nur um eine gewöhnliche Blutuntersuchung gehe. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts mache das Einverständnis des Patienten zu einer Blutentnahme zur Erteilung einer Blankovollmacht über den Abschluss sämtlicher denkbarer Laboruntersuchungen, unabhängig von deren medizinischer Indikation sowie deren Umfang und deren Kosten.
- 19
- b) Das Berufungsgericht musste sich vor diesem Hintergrund damit befassen , ob die Auffassung des Landgerichts, Absprachen im Innenverhältnis zwischen Dr. K. und dem Beklagten sowie die Frage der Indikation der streitgegenständlichen Untersuchung seien nicht entscheidungserheblich, rechtlich zutreffend war oder nicht.
- 20
- Abgesehen davon, dass der Beklagte sich mit seiner Berufung gerade gegen die diesbezügliche Argumentation des Landgerichts gewandt hatte, bedurfte es keiner ausdrücklichen Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags. Vielmehr gelangt mit einer zulässigen Berufung grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozessstoff erster Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz (BGH, Urteil vom 27. September 2006 - VIII ZR 19/04 - NJW 2007, 2414, 2416 Rn. 16). Darauf, ob diese Umstände mit der Berufungsbegründung in Form einer Berufungsrüge im Einzelnen aufgegriffen werden, kommt es schon deshalb nicht an, weil das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu einer umfassenden materiell-rechtlichen Überprüfung verpflichtet und im Rahmen einer zulässigen Berufung nicht an die geltend gemachten Berufungsgründe gebunden ist.
- 21
- Dass der Beklagte seinen erstinstanzlichen Vortrag etwa hat fallen lassen , ist im Übrigen nicht ersichtlich. Zwar kann dies auch konkludent geschehen. Die Annahme, eine Partei wolle in dieser Weise erhebliches Vorbringen nicht mehr aufrechterhalten, setzt jedoch eindeutige Anhaltspunkte voraus; im Zweifel obliegt es dem Gericht zu klären, ob eine Partei Sachvortrag nicht aufrechterhalten will (BGH, Urteil vom 28. Mai 1998 - VII ZR 160/97 - NJW 1998, 2977, 2978). Hierfür fehlen ausreichende Anhaltspunkte. Auch die Klägerin ist hiervon nicht ausgegangen, da sie in ihrer Berufungserwiderung dem Beklagten entgegengehalten hat, er verkenne, dass ein Verstoß des Arztes gegen etwaige einschränkende Abreden mit dem Patienten nur das Innen-, nicht aber das Außenverhältnis betreffe, so dass - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe - der diesbezügliche Vortrag nicht entscheidungserheblich gewesen sei.
- 22
- 4. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Klägerin wird Gelegenheit erhalten, zum Bestehen einer etwaigen Vollmacht des behandelnden Arztes gegebenenfalls ergänzend vorzutragen und, da sie für das Vorliegen einer Vollmacht die Beweislast trägt, hierzu Beweis anzubieten. Dabei kann letztlich die Klage - auch unabhängig von der Frage der Vollmachtserteilung - nur dann Erfolg haben, wenn die Erstellung eines neuen Statusbefundes nach § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich war. Ist dies zu verneinen, so steht der Klägerin auch dann keine Vergütung zu, wenn sie den von Dr. K. erteilten Untersuchungsauftrag fehlerfrei erfüllt hat und sie auf der Grundlage ihres Kenntnisstands keine Veranlassung hatte, die medizinische Notwendigkeit des Auftrags in Zweifel zu ziehen (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag in der Sache III ZR 188/09).
Seiters Tombrink
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 20.11.2008 - 4 O 6008/08 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 05.06.2009 - 5 U 2590/08 -
Rechtsanwalt
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Annotations
(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.
(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.
(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.
(1) Die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte bestimmen sich nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Vergütungen darf der Arzt nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind. Leistungen, die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte bestimmen sich nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Vergütungen darf der Arzt nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind. Leistungen, die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind.