Bundesgerichtshof Urteil, 04. März 2002 - II ZR 77/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger war Fremdgeschäftsführer der beklagten GmbH, die mit Textilien handelt. In § 6 seines Anstellungsvertrages vom 28. April 1992 wurde folgendes vereinbart:
"Herr A. (Kläger) verpflichtet sich, nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer aus der Gesellschaft für die Dauer eines Jahres
weder bei einem Konkurrenzunternehmen der Gesellschaft tätig zu werden noch ein solches zu betreiben. Für die Dauer des Wettbewerbsverbots erhält Herr A. eine Entschädigung in Höhe von 80 % der zuletzt gewährten Jahresbezüge gemäß § 2, wenn er keine andere Beschäftigung findet. Sollte das im Verbotszeitraum erhaltene Einkommen unter 80 % der letzten ... Einkünfte liegen, so bekommt Herr A. die Differenz von der Firma vergütet." Unter dem 15. Dezember 1995 berief die Beklagte den Kläger als Geschäftsführer ab und kündigte den Anstellungsvertrag unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist von einem Jahr zum 31. Dezember 1996. Zugleich stellte sie den Kläger unter Weiterzahlung seines vollen Gehalts von allen Dienstpflichten frei. Mit Schreiben vom 16. Dezember 1996 teilte sie ihm mit, daß sie mit Wirkung vom 1. Januar 1997 auf das Wettbewerbsverbot verzichte , woraufhin der Kläger unter dem 9. Januar 1997 darauf hinwies, daß er gleichwohl die vereinbarte Karenzentschädigung beanspruche.
Mit seiner am 30. Dezember 1998 eingereichten Klage verlangt der Kläger von der Beklagten Zahlung der vereinbarten Karenzentschädigung für das Jahr 1997 in Höhe von 80 % seines Jahreseinkommens von 184.776,90 DM unter Anrechnung behaupteter Einkünfte von 32.400,00 DM, mithin 115.421,52 DM. Die Beklagte hat sich u.a. auf Verjährung berufen und vorgetragen , die Parteien hätten das - nach Sachlage ohnehin hinfällige - Wettbewerbsverbot Ende Dezember 1996 einvernehmlich aufgehoben; zudem gebe der Kläger seine anderweitigen Einkünfte zu niedrig an.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie auf Berufung der Beklagten abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist das zwischen den Parteien vereinbarte Wettbewerbsverbot mit Karenzentschädigungspflicht nicht seinem Sinn und Zweck nach schon dadurch hinfällig geworden, daû der Kläger nach Ausspruch der Kündigung der Beklagten vom 15. Dezember 1995 bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Dezember 1996 von seinen Dienstpflichten freigestellt und damit von den Geschäftsgeheimnissen sowie sonstigen Interna der Beklagten ferngehalten war. Diese Auslegung verletzt anerkannte Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157, 242 BGB), insbesondere den Grundsatz beiderseits interessengerechter Vertragsauslegung (vgl. dazu Sen.Urt. v. 9. Juli 2001 - II ZR 228/99, ZIP 2001, 1410 m.N.), wie die Revision zu Recht rügt.
a) Das Berufungsgericht geht allerdings insoweit zutreffend davon aus, daû das Wettbewerbsverbot und die Karenzentschädigungspflicht nicht an die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer, sondern an die Beendigung des - in der vorliegenden Vertragsurkunde geregelten - Anstellungsvertrages anknüpfen , was sich schon daraus ergibt, daû bis dahin das volle Gehalt und nicht nur 80 % hiervon zu zahlen waren. Dem Wortlaut der vertraglichen Regelung ist aber auch nicht zu entnehmen, daû es für die Geltung des Wettbewerbsverbots , seinen Beginn und seine Dauer, darauf ankommen sollte, ob und wie lange der Kläger nach Kündigung seines Anstellungsvertrages von seinen Dienstpflichten freigestellt wird. Derartiges geschieht nicht selten nach
Abberufung eines Geschäftsführers und ordentlicher Kündigung seines Anstellungsvertrages , weil damit regelmäûig ein Vertrauensverlust der Gesellschaft einhergeht, der es nicht ratsam erscheinen läût, den bisherigen Geschäftsführer in einer ähnlichen Position bis zur Vertragsbeendigung weiterzubeschäftigen. Da im vorliegenden Fall eine einjährige Kündigungsfrist vereinbart war und das nachvertragliche Wettbewerbsverbot erst danach einsetzen sollte, war nach den Vereinbarungen der Parteien die Karenzentschädigung bis zum 31. Dezember 1997 zu zahlen.
b) Zwar steht bei einem Wettbewerbsverbot das Interesse der Gesellschaft im Vordergrund, sich davor zu bewahren, daû der Geschäftsführer die in dem Unternehmen erlangten Kenntnisse und Verbindungen zu ihrem Schaden ausnutzt (Sen.Urt. v. 17. Februar 1992 - II ZR 140/91, ZIP 1992, 543). Soweit es zum Schutz eines derartigen berechtigten Interesses der Gesellschaft erforderlich ist und die Berufsausübung oder sonstige wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers zeitlich, örtlich und gegenständlich nicht unbillig erschwert wird, also ein Verstoû gegen § 138 BGB nicht vorliegt (vgl. dazu z.B. Sen.Urt. v. 14. Juli 1997 - II ZR 283/96, NJW 1997, 3089), kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einem Geschäftsführer auch ohne Karenzentschädigung vereinbart werden, weil ihm gegenüber die gesetzliche Regelung für Handlungsgehilfen des § 74 Abs. 2 HGB nicht gilt (Sen., BGHZ 91, 1, 5; Urt. v. 17. Februar 1992 aaO). Daraus läût sich aber nicht schlieûen, daû auch bei einer vereinbarten Karenzentschädigung und bei der Auslegung dieser Vereinbarung allein die Interessen der Gesellschaft zu berücksichtigen wären. Vielmehr kommt hier auch der Dispositionsschutz des Geschäftsführers zum Tragen. Wollte die Beklagte, daû die bezahlte Karenz im Fall einer Frei-
stellung des Klägers von seinen Dienstpflichten verkürzt oder hinfällig wird, so wäre es ihre Sache gewesen, dies in dem Vertrag klarzustellen.
2. Was den Verzicht der Beklagten auf das Wettbewerbsverbot angeht, so verkennt das Berufungsgericht, daû das dem Kläger bis zur Beendigung seines Anstellungsvertrages gezahlte, reguläre Gehalt wie bisher zur Deckung seines laufenden Lebensunterhalts und nicht zur Vorsorge für die Zeit danach bzw. als Ersatz für die Karenzentschädigung bestimmt war. Die Beklagte hat den Kläger bis zum Zugang ihres Schreibens vom 16. Dezember 1996 in dem Glauben gelassen, er müsse seinen künftigen Lebensunterhalt auf einem anderen , ihm weniger geläufigen Geschäftssektor als demjenigen der Beklagten suchen und könne dafür auf die Karenzentschädigung zurückgreifen. Auch wenn die Klägerin ihrerseits von der Hinfälligkeit des Wettbewerbsverbots nach der Kündigung ausgegangen sein sollte, ist ihr vorzuwerfen, daû sie diese im Rechtsstreit nachdrücklich verfochtene Ansicht nicht bei Ausspruch der Kündigung zum Ausdruck gebracht und damit eine der Kündigungsfrist entsprechende Dispositionsfrist gewahrt, sondern den Verzicht erst kurz vor Beendigung des Anstellungsvertrages zu einem Zeitpunkt erklärt hat, in dem sie davon ausgehen muûte, daû der Kläger sich auf die Geltung des Wettbewerbsverbots und die damit verbundenen Einschränkungen beim Aufbau einer neuen beruflichen Existenz eingerichtet hatte. Infolgedessen muû sie es hinnehmen, an die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung gebunden zu bleiben.
3. Die Forderung des Klägers ist auch nicht gemäû §§ 196 Abs. 1 Nr. 8, 201 a.F. BGB ganz oder zum Teil verjährt, weil die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung erst Anfang 1997 fällig zu werden begann. Die Klage wurde
am 30. Dezember 1998 eingereicht und "demnächst" (§ 270 Abs. 3 ZPO) zugestellt.
4. Die Sache ist jedoch noch nicht entscheidungsreif, weil das Berufungsgericht zu der Behauptung der Beklagten, die Parteien hätten das Wettbewerbsverbot einvernehmlich aufgehoben, keine Feststellungen getroffen hat.
Die Sache ist daher zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Röhricht Hesselberger Goette
Kurzwelly Kraemer
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(1) Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Hat eine Gesellschaft keinen Geschäftsführer (Führungslosigkeit), wird die Gesellschaft für den Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben oder Schriftstücke zugestellt werden, durch die Gesellschafter vertreten.
(2) Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, sind sie alle nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt. Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, genügt die Abgabe gegenüber einem Vertreter der Gesellschaft nach Absatz 1. An die Vertreter der Gesellschaft nach Absatz 1 können unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift Willenserklärungen abgegeben und Schriftstücke für die Gesellschaft zugestellt werden. Unabhängig hiervon können die Abgabe und die Zustellung auch unter der eingetragenen Anschrift der empfangsberechtigten Person nach § 10 Abs. 2 Satz 2 erfolgen.
(3) Befinden sich alle Geschäftsanteile der Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters oder daneben in der Hand der Gesellschaft und ist er zugleich deren alleiniger Geschäftsführer, so ist auf seine Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden. Rechtsgeschäfte zwischen ihm und der von ihm vertretenen Gesellschaft sind, auch wenn er nicht alleiniger Geschäftsführer ist, unverzüglich nach ihrer Vornahme in eine Niederschrift aufzunehmen.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen.
(2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.
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