Bundesgerichtshof Urteil, 12. Feb. 2001 - II ZR 148/99

bei uns veröffentlicht am12.02.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 148/99 Verkündet am:
12. Februar 2001
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja
Das Tatbestandsmerkmal Fortführung der bisherigen Firma setzt nicht voraus,
daß die verwendete Bezeichnung eine nach §§ 17 ff. HGB a.F. zulässige Firma
ist. Entscheidend ist, daß der prägende Teil der alten Firma, mit dem der
Verkehr das Unternehmen gleichsetzt, weitergeführt wird (Fortführung der
Senatsentscheidung vom 4. November 1991 - II ZR 85/91, NJW 1992, 911,
912).
BGH, Urteil vom 12. Februar 2001 - II ZR 148/99 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Kraemer und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 9. April 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin hat gegen die Kauffrau H. S. z wei vollstreckbare Titel über 69.687,08 DM und 1.745,-- DM, jeweils zuzüglich Zinsen, erwirkt, hinsichtlich derer sie die Erteilung der Vollstreckungsklausel gegen die Beklagte mit der Begründung begehrt, die Beklagte führe das Handelsgeschäft H. Ss. unter der bisherigen Firma fort.
H. S. , die im Handelsregister nicht eingetragen war, vertrieb Lebensmittelzusätze, die sie nach vorgegebenen Rezepturen für die Abnehmer mischte und ihnen auslieferte. Sie verwendete auf Briefköpfen die Bezeichnung
"HS Handelsagentur Lieferant von Additiven für die Lebensmittelindustrie". Unter derselben Bezeichnung, lediglich um den Zusatz "GmbH" ergänzt, handelt die am 5. Juni 1996 gegründete und am 13. September 1996 in das Handelsregister eingetragene Beklagte unter der früheren Anschrift H. Ss. und Verwendung deren früherer Telefon- und Faxnummern mit Additiven für die Lebensmittelindustrie.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache.
I. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Beklagte das Handelsgeschäft der H. S. fortgeführt hat. Jedenfalls habe sie deren Firma nicht fortgeführt, so daß eine Haftung der Beklagten nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB ausscheide. Die Benutzung der Wortfolge "HS Handelsagentur Lieferant von Additiven für die Lebensmittelindustrie" durch die Beklagte genüge dafür nicht, weil es sich dabei nur um eine Geschäftsbezeichnung, nicht um eine Firma handele. Firmenfortführung sei nur anzunehmen, wenn der Kern einer nach §§ 17 ff. HGB für einen Kaufmann überhaupt möglichen Firma übernommen werde. Da es sich bei der von H. S. betriebenen Firma um die eines Einzelkaufmanns gehandelt habe, habe der Name der Inhaberin
den Kern der Firma gebildet. Diesen habe die Beklagte jedoch nicht übernommen , die Initialen HS reichten insoweit nicht aus.
Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Firmenfortführung liegt auch dann vor, wenn die verwendete Bezeichnung keine nach §§ 17 ff. HGB a. F. mögliche Firma ist.
II. § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB knüpft die Haftung des Nachfolgers für im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers an die Kontinuität des Unternehmens. Diese tritt durch die Fortführung der Firma nach außen in Erscheinung, weshalb nach dem Gesetz die Firmenfortführung eine der Voraussetzungen für die Auslösung der Haftung des Nachfolgers ist (vgl. Senat, Urt. v. 4. November 1991 – II ZR 85/91, NJW 1992, 911, 912).
Ob Firmenfortführung anzunehmen ist, muß aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs beurteilt werden (Senat aaO). Für dessen Sicht aber kommt es nicht auf die firmenrechtliche Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der alten oder der neuen oder beider Firmen an. Entscheidend ist allein, daß die unter dem bisherigen Geschäftsinhaber tatsächlich geführte und v on dem Erwerber weitergeführte Firma eine derart prägende Kraft besitzt, daß der Verkehr sie mit dem Unternehmen gleichsetzt und in dem Verhalten des Erwerbers eine Fortführung der bisherigen Firma sieht. Dabei spielen gewisse Ä nderungen der alten Firma keine Rolle, sofern der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten ist (Senat aaO). Diese Grundsätze müssen auch dann gelten, wenn die Unzulässigkeit der tatsächlich geführten Firma darauf beruht, daß der nach altem Recht als sogenannter Firmenkern geltende bürgerliche Familienname und Vorname des Geschäftsinhabers entgegen § 18 Abs. 1 HGB
a. F. nicht in ausgeschriebener, sondern in abgekürzter Form geführt wird. Auch dann kommt es für die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 HGB entscheidend darauf an, ob die eigentlich prägende Kraft der Bezeichnung, unter der das alte Unternehmen bekannt ist, von einem fortgeführten Bestandteil ausgeht, der nach früherem, vom Gesetzgeber mit der Handelsrechtsreform inzwischen in zutreffender Anerkennung der Bedeutung derartiger "Zusätze" für die Kennzeichnung des Unternehmens und seine Verkehrsgeltung geänderten Firmenrecht lediglich als Firmenzusatz galt.
Nach diesen Kriterien muß die unveränderte Weiterbenutzung der Bezeichnung "HS Handelsagentur Lieferant von Additiven für die Lebensmittelindustrie" durch die Beklagte als Firmenfortführung gemäß § 25 HGB gewertet werden. Denn die Zusammenstellung ihrer - mit einer Ausnahme - für sich genommen unauffälligen einzelnen Bestandteile und die Verwendung des Fremdworts "Additive" statt des im alltäglichen Sprachgebrauch üblichen deutschen Begriffs "Zusätze" machen die Bezeichnung zum unverwechselbaren Kennzeichen des Unternehmens. Die Beifügung des Zusatzes "GmbH" ändert daran nichts.
III. Die Zurückverweisung erfolgt, damit das Berufungsgericht die - aus seiner Sicht zutreffend - für entbehrlich angesehenen Feststellungen über das Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB nachholen kann. Das gibt der Beklagten zugleich die Möglichkeit, dem Berufungsgericht ihre Bedenken gegen die Annahme vorzutragen, H. S. habe ihre Geschäfte im wesentlichen unter der Bezeichnung "HS Handelsagentur Lieferant von Additiven für die Lebensmittelindustrie" betrieben.
Röhricht Goette Kurzwelly
Kraemer Münke

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Handelsgesetzbuch - HGB | § 25


(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des frühere

Handelsgesetzbuch - HGB | § 18


(1) Die Firma muß zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. (2) Die Firma darf keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlic

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Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen einen Haftung

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(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.

(1) Die Firma muß zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen.

(2) Die Firma darf keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.