Bundesgerichtshof Urteil, 01. Juni 2006 - I ZR 143/03

bei uns veröffentlicht am01.06.2006
vorgehend
Landgericht Berlin, 15 O 694/01, 24.09.2002
Kammergericht, 5 U 328/02, 21.03.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 143/03 Verkündet am:
1. Juni 2006
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Erbenermittler als Rechtsbeistand
RBerG 2. AVO § 1 Abs. 3; GG Art. 12 Abs. 1
Einem als Rechtsbeistand in Nachlassangelegenheiten zugelassenen Erbenermittler
ist es nicht verwehrt, dem von ihm ermittelten Erben die zur Nachlassabwicklung
gebotenen rechtsbesorgenden Tätigkeiten unaufgefordert anzubieten.
BGH, Urt. v. 1. Juni 2006 - I ZR 143/03 - Kammergericht
LG Berlin
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 21. März 2003 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist als Erbenermittler tätig. Er ist Diplom-Kaufmann und hat die Erlaubnis des Präsidenten des Landgerichts Baden-Baden zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten als Rechtsbeistand in Nachlassangelegenheiten. Im Rahmen seiner Ermittlungen zur Auffindung der Erben der verstorbenen Frau Selma M. geb. C. richtete er am 28. September 2000 an Heinz C. in Berlin ein Schreiben mit folgendem Wortlaut:
2
Die Klägerin ist eine Partnerschaftsgesellschaft, deren Mitglieder als Rechtsanwälte in Berlin tätig sind. Sie sieht in dem Schreiben des Beklagten vom 28. September 2000 eine auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtete und daher gemäß § 43b BRAO unzulässige und deshalb auch wettbewerbswidrige Werbung. Die Klägerin hat den Beklagten daher auf Unterlassung in Anspruch genommen und beantragt, es dem Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs folgende Dienstleistungen anzubieten:
a) den Entwurf des Erbscheinsantrags und die Übersendung des Entwurfs an einen Notar zur Beurkundung und Unterzeichnung durch einen Erben,
b) die Einreichung des beurkundeten Erbscheinsantrags beim Nachlassgericht unter Beifügung der notwendigen Unterlagen ,
c) die Abgabe der Erbschaftsteuererklärung,
d) das Betreiben der Auseinandersetzung über den Nachlass, sofern dies geschieht wie in dem nachfolgend in Ablichtung beigefügten Schreiben vom 28. September 2000 an Herrn Heinz C. : (Es folgt eine Kopie des Schreibens vom 28. September 2000).
3
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
4
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
5
Die Berufung des Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt (KG NJW 2003, 2176).
6
Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


7
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet und hierzu ausgeführt:
8
Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 der Zweiten Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes (2. AVO RBerG), die es Rechtsbeiständen untersage , Dritten unaufgefordert Dienste der in Art. 1 § 1 RBerG bezeichneten Art anzubieten, sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass Rechtsbeistände ebenso werben könnten wie Rechtsanwälte. Diesen sei nach § 43b BRAO Werbung erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichte und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet sei. Eine Einzelmandatswerbung liege vor, wenn der Umworbene in einem konkreten Einzelfall der Beratung oder der Vertretung bedürfe und der Werbende diesen Umstand zum Anlass für seine Werbung nehme. Das Schreiben des Beklagten vom 28. September 2000 stelle seinem Inhalt nach Werbung für die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall dar. Der Beklagte suche mit ihm die Gelegenheit, sich gegenüber einem möglichen Rechtsuchenden, mit dem bislang kein Mandatsverhältnis bestanden habe, zu präsentieren und ihm Leistungen zur Durchsetzung seines Erbschaftsanspruchs anzubieten. Ein solches Verhalten wäre einem Rechtsanwalt oder Rechtsbeistand verboten, der die Erbensuche nicht selbst betrieben, sondern zufällig von einer potenziellen Erbenstellung des Angeschriebenen erfahren hätte und diesem nun seine Dienste bei der Nachlassabwicklung anböte.
9
Der Beklagte handele nicht verbotswidrig, weil er mit dem Schreiben an den von ihm ermittelten Erben unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Gesamtzusammenhangs seiner Tätigkeit nicht für ein Mandat als Rechtsbeistand, sondern für ein Mandat als Erbenermittler werbe, der als Hilfstätigkeit die Nachlassabwicklung anbiete. Der Erbensucher müsse, um das Ergebnis seiner Recherche verwerten zu können, die ermittelten Erben gezielt ansprechen. Es stellte einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit des Beklagten dar, wenn dieser zwar sowohl die Erbensuche betreiben als auch die Nachlassabwicklung vornehmen, nicht aber um die Erteilung eines entsprechenden Auftrags durch den ermittelten Erben werben dürfte. Der Beklagte habe ein berechtigtes Interesse daran, seine Vorleistungen bei der Ermittlung des Erben durch einen Auftrag zur Nachlassabwicklung amortisieren zu können.
10
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
11
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Bestimmung des § 1 Abs. 3 2. AVO RBerG Rechtsbeistände keinem weiterreichenden Werbeverbot unterwirft, als § 43b BRAO es Rechtsanwälten auferlegt (vgl. OLG Karlsruhe Rbeistand 1995, 49, 50; KG NJW 2001, 3132; Rennen /Caliebe, RBerG, 3. Aufl., 2. AVO, § 1 Rdn. 31; Weth in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., RBerG, 2. AVO, § 1 Rdn. 24; vgl. auch Chemnitz/Johnigk, RBerG, 11. Aufl. Rdn. 1180; weitergehend Kleine-Cosack, RBerG, 2. AVO, § 1 Rdn. 6, wonach das Werberecht der Inhaber von Erlaubnissen nach dem Rechtsberatungsgesetz mangels einer verfassungskonformen Beschränkung allein durch die allgemeinen Bestimmungen des UWG begrenzt wird).
12
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Selbstdarstellung des Rechtsberaters die Grenze des Zulässigen überschreitet, sind Anlass und Art der Werbung maßgebliche Kriterien. Die besonderen Umstände des Streitfalls liegen darin, dass die dem Rechtsbeistand erlaubte Rechtsbesorgung zur Nachlassabwicklung anknüpft an seine gewerbliche Tätigkeit, den Erben des Nachlasses zu ermitteln. Das in § 1 Abs. 3 2. AVO RBerG normierte Verbot, wonach es Inhabern von Erlaubnissen zur Rechtsberatung verwehrt ist, ihre Dienste unaufgefordert Dritten anzubieten, erfährt im Streitfall eine verfassungsrechtlich (Art. 12 Abs. 1 GG) gebotene Einschränkung. Dem Beklagten ist es gestattet, dem von ihm ermittelten Erben seine rechtsbesorgenden Dienste zur Abwicklung des Nachlasses unaufgefordert anzubieten.
13
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass die vom Beklagten angebotene Nachlassabwicklung mit Rechtsbesorgung ein sachgerechter und für eine wirtschaftlich sinnvolle Betätigung auch nicht verzichtbarer Annex zu der den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildenden Erbensuche ist. In seinem Gewerbe als Erbenermittler ist der Beklagte lediglich den allgemeinen Werberegeln des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb unterworfen. Zu einer wirtschaftlich vernünftigen Betätigung als Erbenermittler rechnet auch, dass dieser mit dem Erben in geschäftlichen Kontakt kommt, der sich sinnvollerweise auf die mit der Nachlassabwicklung zusammenhängenden Tätigkeiten erstreckt. Eine dabei anfallende rechtsbesorgende Tätigkeit rechtfertigt das Verbot der Kontaktaufnahme nicht.
14
Des Weiteren ist das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung mit Recht davon ausgegangen, dass dem Erbensucher für die je nach den Umständen des Einzelfalls mehr oder weniger zeit- und kostenaufwändige Tätigkeit, die er entfaltet hat, um einen bislang unbekannten Erben zu ermitteln, kein Vergütungsanspruch zusteht, wenn ihm kein entsprechender Auftrag erteilt worden ist. Er hat gegen den ermittelten Erben insbesondere keine Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag und aus ungerechtfertigter Bereicherung (vgl. BGH, Urt. v. 23.9.1999 - III ZR 322/98, NJW 2000, 72 f.; BGH, Urt. v. 13.3.2003 - I ZR 143/00, GRUR 2003, 886, 888 = WRP 2003, 1103 - Erbenermittler; BGH, Beschl. v. 23.2.2006 - III ZR 209/05, NJW-RR 2006, 656 Tz 5 m.w.N.). Der Er- benermittler ist daher, wenn er nicht lediglich darauf hoffen will, dass ihm der ermittelte Erbe in Anerkennung seiner erfolgreichen Bemühungen freiwillig eine Art "Finderlohn" zukommen lässt, darauf angewiesen, seine Vorleistungen bei der Erbringung weiterer Dienste für den Erben gewinnbringend zu verwerten. Seine Dienste werden regelmäßig - je nach den Umständen des Einzelfalls mehr oder weniger - neben erlaubnisfrei auszuführenden geschäftsbesorgenden Tätigkeiten rein wirtschaftlicher Art auch solche Tätigkeiten betreffen, die teilweise oder ganz auf rechtlichem Gebiet liegen. Dementsprechend würde der Beklagte durch das von der Klägerin erstrebte Verbot, den von ihm ermittelten Erben bei der Nachlassabwicklung andere als geschäftsbesorgende Tätigkeiten in dem zuerst genannten Sinne anzubieten, d.h. rechtsbesorgende Tätigkeiten von seinem unaufgefordert abgegebenen Leistungsangebot auszunehmen, bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit unverhältnismäßig beeinträchtigt.
15
III. Danach war die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ullmann Bornkamm Pokrant
Büscher Schaffert
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 24.09.2002 - 15 O 694/01 -
KG Berlin, Entscheidung vom 21.03.2003 - 5 U 328/02 -

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(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

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(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

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(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 143/00 Verkündet am:
13. März 2003
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Erbenermittler
UWG § 1; RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1, § 5 Nr. 1
Auch beim Erbenermittler kann für die Einstufung als erlaubnispflichtige
Rechtsbesorgung angesichts dessen, daß nahezu alle Lebensbereiche rechtlich
durchdrungen sind und daher eine wirtschaftliche Betätigung kaum ohne
rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt,
nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des Verhaltens abgestellt
werden. Erforderlich ist vielmehr eine abwägende Beurteilung des jeweils
beanstandeten Verhaltens danach, ob es sich bei ihm um Rechtsbesorgung
oder um eine Tätigkeit handelt, die ohne Beeinträchtigung ihrer Qualität oder
der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und der zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten
Rechtsberater auch von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann.
BGH, Urt. v. 13. März 2003 - I ZR 143/00 - OLG Karlsruhe
LG Baden-Baden
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 7. Juni 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die klagende Rechtsanwaltskammer nimmt die Beklagten wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz (RBerG) und das UWG auf Unterlassung in Anspruch.
Die Beklagten sind Erbenermittler (Genealogen). Sie bezeichnen ihre Geschäftstätigkeit als "Internationale Erbenermittlungen, Bearbeitung von Nachlaßangelegenheiten". Über eine Erlaubnis gemäß Art. 1 § 1 RBerG verfügen sie nicht.
Mit Schreiben vom 29. Januar 1999 übersandten die Beklagten einer ermittelten Erbin den Entwurf einer Honorarvereinbarung sowie einer Vollmacht. Nach dieser sollten die Beklagten ermächtigt sein, die Erbin in allen den Nachlaß betreffenden Angelegenheiten zu vertreten, Ermittlungen von Verwandtschaftszusammenhängen durchzuführen, entsprechende Beweismittel zu beschaffen , für die Erbin Eigentumshandlungen jeder Art vorzunehmen, Eintragungen in das Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen, die Werte in Empfang zu nehmen, darüber zu quittieren und Entlastung zu erteilen.
Die Klägerin erblickt hierin einen Verstoß der Beklagten gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG und damit zugleich gegen § 1 UWG. Der Text der übersandten Vollmacht weise aus, daß sich an die von den Beklagten betriebene, erlaubnisfrei zulässige Erbenermittlung eine erlaubnispflichtige Rechtsberatung und Rechtsbesorgung im Rahmen der Nachlaßabwicklung, insbesondere durch die Vornahme von Eigentumshandlungen, die Bewilligung und Beantragung von Eintragungen in das Grundbuch, die Annahme von Werten sowie deren Quittierung und die Erteilung von Entlastung anschließe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, in Nachlaßangelegenheiten rechtsberatend und rechtsbesorgend tätig zu werden, insbesondere es zu unterlassen,
Eigentumshandlungen jeder Art für potentielle Erben vorzunehmen, Eintragungen in das Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen, Entlastungen zu erteilen, soweit keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz vorliegt. Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben vorgetragen, die Vorbereitung eines Erbscheinsantrags, die in der Vollmacht enthaltenen Vollmachtshandlungen, mit denen der Erbe jeden Dritten beauftragen könne, sowie das Entgegennehmen von Werten stellten keine Rechtsberatung dar. Soweit dem Nachlaßpfleger Entlastung erteilt werde oder Grundbuchanträge zu stellen seien, handele es sich um völlig untergeordnete Tätigkeiten, die keiner Erlaubnis bedürften. Zumindest aber seien diese Tätigkeiten im Rahmen des Art. 1 § 5 RBerG, der am Schutz des Berufsbildes des Genealogen orientiert verfassungskonform auszulegen sei, zulässig.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Karlsruhe ZEV 2001, 36).
Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch für gemäß § 1 UWG i.V. mit Art. 1 § 1 RBerG begründet erachtet. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Beklagten stellten im Berufungsrechtszug nicht mehr in Abrede, daß die Tätigkeiten, die sie nach der von ihnen an ermittelte Erben übersandten Vollmacht im Geschäftsverkehr anbieten würden, Rechtsbesorgungen i.S. von Art. 1 § 1 RBerG darstellten. Der geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne dieser Vorschrift unterfielen alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet und geeignet seien, konkrete fremde Rechte zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Der in Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG normierte Erlaubnisvorbehalt für rechtsberatende und rechtsbesorgende Tätigkeiten sei mit Art. 12 GG vereinbar. Für eine Anwendung des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG fehle es an dem erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der erlaubnisfreien Erbenermittlung und der danach angebotenen konkreten Rechtsberatung. Die Rechtsanwaltschaft verfüge auch über die erforderliche Kompetenz für die rechtsbesorgende und rechtsberatende Tätigkeit im Rahmen einer Nachlaßabwicklung. Die Heranziehung des Rechtsberatungsgesetzes scheide ferner nicht deshalb aus, weil Rechtsanwälte dem Verbot eines Erfolgshonorars unterlägen. Der dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Oktober 1997 (BVerfGE 97, 12) zugrundeliegende Sachverhalt sei mit dem Streitfall nicht vergleichbar, da es dort um eine einfache kaufmännische Hilfstätigkeit gegangen sei, die keine Rechtskenntnisse erfordert habe. Die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Nachlaßabwicklung stelle demgegenüber eine substantielle Rechtsberatung dar, die nicht erlaubnisfrei durchgeführt werden dürfe. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin erstrecke
sich auch auf das Entgegennehmen von Nachlaßwerten, deren Quittierung und die Erteilung der Entlastung; denn diese Tätigkeiten stünden typischerweise im Zusammenhang mit der den Beklagten verbotenen Abwicklung von Nachlässen im Rahmen einer Erbauseinandersetzung.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Keine Bedenken bestehen dagegen, daß das Berufungsgericht von der Klagebefugnis der Klägerin nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ausgegangen ist. Denn die Klägerin macht geltend, daß die Beklagten wettbewerbswidrig handeln , soweit sie sich mit den von ihnen angebotenen Nachlaßregulierungen in Wettbewerb mit den Mitgliedern der Klägerin stellen (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.1997 - I ZR 154/95, GRUR 1997, 914, 915 = WRP 1997, 1051 - Die Besten

II).


2. Der Klageantrag ist jedoch in seiner abstrakten Form nicht hinreichend bestimmt und daher unzulässig. Der mit "insbesondere" eingeleitete Teil des Antrags genügt zwar den Anforderungen an die Bestimmtheit; das dort umschriebene Verhalten verstößt aber nicht stets gegen das Rechtsberatungsgesetz. Eine Reduzierung des Antrags auf die stets verbotenen Verhaltensweisen ist in der Revisionsinstanz nicht möglich.

a) Mit Recht rügt die Revision aber, daß der Klageantrag mit dem abstrakt gefaßten Klagebegehren ("in Nachlaßangelegenheiten rechtsberatend und rechtsbesorgend tätig zu werden") und damit auch der ihm entsprechende Urteilsausspruch den Bestimmtheitsanforderungen der § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht genügen.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muß ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - so deutlich gefaßt sein, daß der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind, sich der Beklagte umfassend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, nicht im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1999 - I ZR 189/97, GRUR 2000, 438, 440 = WRP 2000, 389 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; Urt. v. 6.12.2001 - I ZR 101/99, GRUR 2002, 993, 994 = WRP 2002, 970 - Wie bitte?!, m.w.N.). Unterlassungsanträge , die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, erfüllen diese Voraussetzungen nur ausnahmsweise. So ist ein entsprechender Verbotsantrag dann hinreichend bestimmt, wenn bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret gefaßt ist und auch zwischen den Parteien kein Streit besteht, welche von mehreren Verhaltensweisen ihm unterfällt (vgl. BGH, Urt. v. 2.4.1992 - I ZR 131/90, WRP 1992, 482, 483 - Ortspreis [insoweit in BGHZ 118, 1 nicht abgedruckt]; Köhler in Köhler /Piper, UWG, 3. Aufl., Vor § 13 Rdn. 284 m.w.N.). Dasselbe gilt, wenn der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt und daher allein zu prüfen ist, ob der den Wortlaut der Norm wiederholende Klageantrag zu weit geht und mithin insoweit unbegründet ist (vgl. Köhler, Anm. zu BGH LM § 13 UWG Nr. 101 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge ), sowie dann, wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, daß er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (BGH, Urt. v. 9.11.2000 - I ZR 167/98, GRUR 2001, 529, 531 = WRP 2001, 531 - Herz-Kreislauf-Studie). Diesen Anforderungen entspricht der weitergehende abstrakte Teil des Klageantrags nicht.

b) Der mit "insbesondere" eingeleitete Teil des Klageantrags ist zwar hin- reichend bestimmt, geht aber sachlich zu weit. Die dort angeführten Beispielsfälle dienen zum einen dazu, das in erster Linie begehrte abstrakte Verbot zu erläutern; sie sollen zum anderen deutlich machen, daß Gegenstand des Klagebegehrens und damit Streitgegenstand nicht allein das umfassende abstrakte Verbot sein sollte, sondern - quasi hilfsweise - jedenfalls die Unterlassung der konkret beanstandeten Verhaltensweisen (vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1998 - I ZR 94/97, WRP 1999, 509, 511 - Kaufpreis je nur 1,-- DM; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 51 Rdn. 36 f., je m.w.N.). In dieser konkretisierten Form ist der Antrag zwar in dem genannten Sinn hinreichend bestimmt, er geht aber - wie sich aus den Ausführungen zu nachstehend III. ergibt - sachlich zu weit, weil die danach zu untersagenden Verhaltensweisen nicht schlechthin, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen und damit wettbewerbswidrig sind. Die Abgrenzung des erlaubten vom verbotenen Tätigkeitsbereich erfordert in rechtlicher wie auch in tatsächlicher Hinsicht weitergehendes Vorbringen der Parteien und damit ein nochmaliges Tätigwerden des Tatrichters.
3. Die Klage kann beim derzeitigen Verfahrensstand allerdings auch nicht (teilweise als unzulässig, teilweise als unbegründet) abgewiesen werden. Die Fragen der Bestimmtheit des abstrakten Teils des Klageantrags und des sachlich zu weiten Umfangs des konkretisierten Klagebegehrens sind in den Vorinstanzen nicht angesprochen worden. Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht der Klägerin nach § 139 Abs. 1 ZPO Gelegenheit geben müssen , ihren Klageantrag zu prüfen und gegebenenfalls neu zu fassen sowie sachdienlichen Vortrag dazu zu halten. Dementsprechend ist hier im Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes und den Anspruch der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren von der Abweisung der Klage als unzulässig abzusehen (vgl. BGH GRUR 2000, 438, 441 - Gesetzeswiederholende Unterlas-
sungsanträge; BGH, Urt. v. 12.7.2001 - I ZR 261/98, GRUR 2002, 77, 78 = WRP 2002, 85 - Rechenzentrum; Urt. v. 12.7.2001 - I ZR 40/99, GRUR 2002, 86, 89 = WRP 2001, 1294 - Laubhefter, jeweils m.w.N.).
III. Danach ist auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:
1. Ohne Erfolg stellt die Revision zur Überprüfung, ob die Vorschrift des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG einer Überprüfung anhand der Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG standhält. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehört die genannte Bestimmung zur verfassungsmäßigen Ordnung , wobei sie unter anderem durch den Gemeinwohlbelang gerechtfertigt ist, den Einzelnen und die Allgemeinheit vor nicht sachkundigem Rechtsrat zu schützen; auch genügt sie dem Gebot der Erforderlichkeit und entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 97, 12, 26 f. = NJW 1998, 3481; BVerfG NJW 2000, 1251; BRAK-Mitt. 2001, 80, 81; WRP 2002, 1423, 1424).
2. Ebenfalls vergebens wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die von den Parteien übereinstimmend als erlaubnisfrei zulässig angesehene Tätigkeit des Erbensuchers umfasse nicht die Verhaltensweisen der Beklagten, welche die Klägerin zum Anlaß für die Erhebung der vorliegenden Klage genommen hat.
Die Erlaubnispflicht nach Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG für die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten gilt grundsätzlich für alle geschäftsmäßigen
Tätigkeiten, die darauf gerichtet und geeignet sind, konkrete fremde Rechte zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Es ist daher zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht. Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung kann angesichts dessen, daß nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und daher eine wirtschaftliche Betätigung kaum ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des Verhaltens abgestellt werden. Erforderlich ist vielmehr eine abwägende Beurteilung des jeweils beanstandeten Verhaltens danach, ob es sich bei ihm um Rechtsbesorgung oder um eine Tätigkeit handelt, die ohne Beeinträchtigung ihrer Qualität oder der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und der zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten Rechtsberater auch von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 25.6.1998 - I ZR 62/96, GRUR 1998, 956, 957 = WRP 1998, 976 - Titelschutzanzeigen für Dritte; Urt. v. 30.3.2000 - I ZR 289/97, GRUR 2000, 729, 730 = WRP 2000, 727 - Sachverständigenbeauftragung; BGH GRUR 2002, 993, 995 - Wie bitte?!, jeweils m.w.N.). Dabei sind die öffentlichen Belange, die den Erlaubnisvorbehalt des Rechtsberatungsgesetzes rechtfertigen , gegen die Berufsfreiheit desjenigen abzuwägen, dem wegen des Fehlens einer entsprechenden Erlaubnis die Vornahme bestimmter Handlungen untersagt werden soll (BVerfG WRP 2002, 1423, 1425).
In diesem Zusammenhang ist insbesondere von Bedeutung, ob der Auftraggeber im Rahmen der Geschäftsbesorgung eine besondere rechtliche Prüfung des Inhalts des Geschäfts oder der mit diesem verbundenen Risiken ausdrücklich wünscht oder zumindest erkennbar erwartet. Die dementsprechende Erwartung richtet sich im Zweifel nach der Person und der Qualifikation des
Geschäftsbesorgers, nach den verkehrstypischen Gepflogenheiten und nach den objektiven Maßstäben des jeweiligen Geschäfts (BGH GRUR 2000, 729, 730 - Sachverständigenbeauftragung, m.w.N.). Eine nach dem Rechtsberatungsgesetz erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung liegt vor, wenn die ordnungsgemäße Erfüllung der Tätigkeit eine umfassende Beratung auf mindestens einem Teilgebiet des Rechts auf der Grundlage von Kenntnissen und Fertigkeiten erfordert, die durch ein Studium oder durch langjährige Berufserfahrung vermittelt werden (vgl. BVerfGE 97, 12, 28 f.). Dem stehen solche Tätigkeiten wirtschaftlicher Art gegenüber, bei denen eine besondere rechtliche Prüfung weder verkehrsüblich noch im Einzelfall offensichtlich geboten noch auch vom Auftraggeber ausdrücklich gewünscht ist, sondern die notwendige rechtliche Betätigung in für die angesprochenen Verkehrskreise so geläufigen Bahnen verläuft, daß sie nicht mehr als ein Handeln auf dem Gebiet des Rechts empfunden wird (BGH, Urt. v. 16.3.1989 - I ZR 30/87, GRUR 1989, 437, 439 = WRP 1989, 508 - Erbensucher; BGH GRUR 2000, 729, 730 f. - Sachverständigenbeauftragung). Entsprechende kaufmännische Hilfstätigkeiten sind dadurch gekennzeichnet, daß sie typischerweise keine individuelle Beratung über rechtliche Sachverhalte unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls erfordern, daß sie nicht darauf gerichtet sind, dem Auftraggeber im Einzelfall bei auf dem Gebiet des Rechts liegenden Entscheidungsprozessen Hilfestellung zu leisten, daß die Aufgabenwahrnehmung keine maßgebliche rechtliche Vorbildung erfordert und daß sie sich auf eindeutige rechtliche Grundlagen stützen kann (vgl. BVerfGE 97, 12, 28-30; Birkenheier, Festschrift für Isensee, 2002, S. 149, 165). Allerdings ist bei kaufmännischen Hilfstätigkeiten ebenfalls zu fragen, ob die konkrete Tätigkeit im Einzelfall im Hinblick auf die das Rechtsberatungsgesetz tragenden Gemeinwohlbelange des Schutzes der Rechtssuchenden und des Schutzes der Rechtspflege nicht doch als "Hilfstätigkeit zur Rechtsberatung" in den Erlaubnisvorbehalt einzubeziehen ist (BVerfGE 97, 12, 30-32; Birkenheier aaO S. 166-173). Andererseits ist auch zu prüfen, ob ein sich danach ergeben-
des etwaiges Betätigungsverbot dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfGE 97, 12, 32-34; Birkenheier aaO S. 174 f.).
3. Die Beklagten können sich zur Verteidigung ihres Standpunkts nicht auf die Bestimmung des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG stützen. Danach greifen die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes nicht ein, wenn ein kaufmännisches oder sonstiges gewerbliches Unternehmen für seine Kunden rechtliche Angelegenheiten erledigt, die mit einem Geschäft des Gewerbebetriebes in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Diese Regelung soll sicherstellen, daß Berufe, die ohne gleichzeitige Rechtsberatung nicht ausgeübt werden können, nicht am Rechtsberatungsgesetz scheitern (BGHZ 102, 128, 132; Grunewald, ZEV 2001, 37, 38 m.w.N.). Sie betrifft daher nicht nur solche Fälle, in denen die Haupttätigkeit des Unternehmers ohne die Erledigung rechtlicher Angelegenheiten für seine Kunden überhaupt unmöglich wäre, sondern gilt auch dann, wenn die Haupttätigkeit nicht sachgemäß erledigt werden könnte (BGHZ 102, 128, 134; BGH, Urt. v. 26.4.1994 - VI ZR 305/93, NJW-RR 1994, 1081, 1083). Dieses trifft für die Tätigkeit des Erbensuchers, der im Rahmen seines Hauptgeschäfts nicht zugleich als Nebengeschäft den Nachlaß abwickeln kann, jedoch nicht zu (vgl. BGH GRUR 1989, 437, 438 f. - Erbensucher). Dem steht nicht entgegen, daß der Erbensucher von einem von ihm ermittelten Erben keinerlei Vergütung beanspruchen kann, wenn dieser, ohne eine Honorarvereinbarung abzuschließen, aufgrund der erteilten Informationen den Nachlaß selbst auffindet (vgl. BGH, Urt. v. 23.9.1999 - III ZR 322/98, NJW 2000, 72 f.). Das insoweit für den Erbensucher selbst bei erfolgreicher Erbenermittlung bestehende Geschäftsrisiko rechtfertigt es nicht, das Rechtsberatungsgesetz in einer seinen Schutzzwecken widersprechenden Weise auszulegen (Grunewald aaO S. 38). Außerdem steht der Umstand, daß die Nachlaßabwicklung jedenfalls nicht ohne weiteres erlaubnisfrei vorgenommen werden kann, einer sinnvollen Arbeitsteilung zwischen Rechtsanwälten und Erbensuchern in diesem Bereich geschäftlicher
Betätigung nicht entgegen (a.A. Kleine-Cosack, NJW 2000, 1593, 1601). Denn auch hier besteht in vielen Fällen noch ein Bedarf an genealogischen Informationen , die der Rechtsanwalt, da er regelmäßig über kein entsprechendes Archiv verfügt, nur durch die Einschaltung eines Erbenermittlers erlangen kann (vgl. Grunewald aaO S. 38).
4. Nach den Ausführungen zu vorstehend 2. reichte allerdings ein Gebot an die Beklagten, sich im Rahmen der Abwicklung von Nachlässen jeglicher Betätigung zu enthalten, zu weit. Auch eine Abgrenzung der den Beklagten erlaubten Geschäftsbesorgungen ihrer Art nach - etwa danach, ob ein vom Gericht bestellter Nachlaßpfleger für das betreffende Geschäft gemäß § 1960 Abs. 2, §§ 1962, 1915, 1812, 1821, 1822 BGB einer gerichtlichen Genehmigung bedürfte - scheidet aus. Denn die genannten Bestimmungen dienen ausschließlich dem Interesse an der Erhaltung des verwalteten Vermögens, während die Erlaubnispflicht nach dem Rechtsberatungsgesetz sich auf diejenigen Geschäfte bezieht, in denen eine rechtliche Prüfung und gegebenenfalls eine rechtliche Beratung gewünscht oder jedenfalls erkennbar erwartet wird. Dies kann bei von der Genehmigung durch das Vormundschafts- bzw. Nachlaßgericht abhängigen Geschäften der Fall sein, wenn es sich dabei nicht um reine kaufmännische Hilfstätigkeiten handelt.
Aus den bereits dargelegten Gründen kann entgegen der Auffassung der Revision umgekehrt aber ebensowenig davon ausgegangen werden, daß auf die Eintragung der Rechtsnachfolge in das Grundbuch und die Erteilung eines Erbscheins gerichtete Anträge oder gar "Eigentumshandlungen jeder Art" erlaubnisfrei zulässig seien. Bei der Verwertung und Auseinandersetzung umfangreicher Nachlässe, zu denen etwa Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen gehören, kann eine umfangreiche rechtliche Prüfung üblich oder geboten sein. Maßgebend sind auch insoweit die gesamten Umstände des jewei-
ligen Einzelfalles, wobei dem Wert der betroffenen Vermögensgegenstände eine zwar nicht zu vernachlässigende, aber keineswegs allein ausschlaggebende Bedeutung zukommt. So setzt etwa die zum Zwecke der Erbauseinandersetzung erfolgende Veräußerung zwar wertvoller, aber gut handelbarer Wirtschaftsgüter wie etwa von Kraftfahrzeugen, Antiquitäten oder Schmuckstücken grundsätzlich keine Prüfung voraus, ob damit rechtliche Nachteile verbunden sein können, und ist deren Veräußerung unter dieser Voraussetzung daher ebenso erlaubnisfrei wie etwa regelmäßig die Auflösung eines Haushalts. Jedoch kann in solchen Fällen - gegebenenfalls auch bei niedrigen Werten - etwa im Hinblick auf vom Erblasser getroffene Verfügungen, die entgegenstehen könnten, eine rechtliche Überprüfung ebenfalls geboten erscheinen. In gleicher Weise kann das Anbringen von auf die Berichtigung des Grundbuchs und die Erteilung von Erbscheinen gerichteten Anträgen, selbst wenn es vielfach routinemäßig erfolgen wird, im Einzelfall eine vorherige rechtliche Prüfung und Beratung voraussetzen. Auch die Erteilung von Entlastungen wird nach den genannten Grundsätzen keinesfalls stets ohne eine vorangegangene rechtliche Überprüfung durch eine zur Rechtsberatung zugelassene Person erfolgen können. In gleicher Weise wird die Auseinandersetzung zwischen mehreren Erben, wenngleich sie vielfach unproblematisch sein mag, in nicht wenigen Fällen bei der Anwendung der einschlägigen und jedenfalls bei komplizierten Fallagen durchaus nicht einfach zu handhabenden Bestimmungen der §§ 2042 ff. BGB und der in § 2042 Abs. 2 BGB in Bezug genommenen Vorschriften des Rechts der Bruchteilsgemeinschaft in rechtlicher Hinsicht Probleme aufwerfen, die eine qualifizierte rechtliche Prüfung und Beratung geboten erscheinen lassen.
5. Angesichts des mit der Regelung des Art. 1 § 1 RBerG insbesondere bezweckten Schutzes des einzelnen sowie der Allgemeinheit vor nicht sachkundigem Rechtsrat stellte ein Verstoß gegen diese Bestimmung zugleich ein nach § 1 UWG wettbewerbswidriges Verhalten dar (vgl. BGH GRUR 1989, 437,
438 - Erbensucher; Großkomm.UWG/Teplitzky, § 1 Rdn. G 116 m.w.N. in Fn. 479). Ein entsprechendes Verhalten der Beklagten wäre im Hinblick auf den Rang des dadurch betroffenen Rechtsguts zudem geeignet, den Wettbewerb auf dem betreffenden Markt i.S. des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG wesentlich zu beeinträchtigen (vgl. Köhler in Köhler/Piper aaO § 13 Rdn. 16 m.w.N. zu der st. Rspr. in den Fällen, in denen die Volksgesundheit betroffen ist).
Ullmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Schaffert

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 209/05
vom
23. Februar 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der gewerbliche Erbensucher hat gegen die von ihm ermittelten Erben keine
gesetzlichen Vergütungsansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder
ungerechtfertigter Bereicherung (Bestätigung des Senatsurteils vom 23. September
1999 - III ZR 322/98 - NJW 2000, 72).
BGH, Beschluss vom 23. Februar 2006 - III ZR 209/05 - OLG Bremen
LG Bremen
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Februar 2006 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 21. Juli 2005 - 5 U 65/04 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gegenstandswert: 29.375,47 €

Gründe:


I.


1
Der Kläger ist gewerblich als Erbenermittler tätig. In dieser Funktion ermittelte er im Auftrag eines belgischen Erbensuchers den in Bremen lebenden Beklagten und dessen Verwandte als Erben des am 6. Oktober 2001 in Belgien verstorbenen J. G. . Gegen ein Honorar von einem Drittel des zu erwartenden Erbteils bot der Kläger dem Beklagten die Mitteilung weiterer Einzelheiten an. Der Beklagte lehnte ab und machte selbst den Nachlassverwalter ausfindig.

2
Der Kläger verlangt auf der Grundlage eines Honorarsatzes von 30 % jetzt noch Zahlung von 29.375,47 €. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Beschwerde erstrebt der Kläger die Zulassung der Revision.

II.


3
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).
4
1. Vertragliche Ansprüche macht der Kläger nicht mehr geltend. Sie sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht ersichtlich.
5
2. Die Frage, ob sich ein gewerblicher Erbensucher nach dem im Streitfall anwendbaren deutschen Recht (Art. 39 Abs. 1 EGBGB) gegenüber dem von ihm ermittelten Erben auf gesetzliche Vergütungsansprüche berufen kann, falls es nicht zu einer Honorarvereinbarung kommt, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Der Senat hat sie in seinem Urteil vom 23. September 1999 im Hinblick auf die im Gefüge des Privatrechts angelegte Risikoverteilung beim Scheitern von Vertragsverhandlungen sowie auf sonst mögliche nicht sach- und interessengerechte Ergebnisse verneint (III ZR 322/98 - NJW 2000, 72 = LM Nr. 40 zu § 677 BGB mit im Ergebnis zustimmender Anmerkung Ehmann = JZ 2000, 521 mit ebenfalls im Ergebnis zustimmender Anmerkung Schultze = JuS 2000, 603 [LS] mit Besprechung Emmerich; ebenso BGH, Urteil vom 13. März 2003 - I ZR 143/00 - NJW 2003, 3046, 3048; OLG Frankfurt OLG-Report 1998, 375; Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 677 Rn. 12; Erman/Ehmann, BGB, 11. Aufl., § 677 Rn. 4; Jauernig/Mansel, BGB 11. Aufl., Rn. 7 vor § 677; MünchKomm/Seiler, BGB, 4. Aufl., § 677 Rn. 12; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl. § 677 Rn. 7a; s. auch Falk, JuS 2003, 833, 838; Hau, NJW 2001, 2863, 2864; abweichend noch OLG Celle ZEV 1999, 449). Diese Erwägungen sind nach wie vor gültig. Der Senat hält deswegen trotz der - im Wesentlichen nur hinsichtlich des Begründungsansatzes - im Schrifttum teilweise daran geäußerten Kritik und auch ungeachtet dessen, dass der österreichische Oberste Gerichtshof sowie französische Gerichte für ihre jeweilige nationale Rechtslage entgegengesetzt entschieden haben, an seiner Beurteilung fest. Ein Verstoß gegen europäisches Recht liegt entgegen der Rechtsansicht der Nichtzulassungsbeschwerde fern. Eine Rechtsangleichung innerhalb der Europäischen Union ist in diesem Bereich nicht erreicht. Die Dienstleistungsfreiheit der Art. 49 ff. EG-Vertrag wird ersichtlich nicht schon deshalb verletzt, weil die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen die Verjährungsfrage unterschiedlich beantworten.
6
3. Auch verfassungsrechtliche Gründe stehen der Auffassung des Senats nicht entgegen. Die Tätigkeit des Klägers als gewerblicher Erbenermittler fällt zwar unter den Schutz der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. auch BVerfG NJW 2002, 3531). Das bedeutet aber nicht, dass ihm schon deswegen im Erfolgsfall immer ein Vergütungsanspruch zustehen müsste. Das Risiko, nur bei einer vertraglichen Übereinkunft eine Honorierung zu erlangen, mag zwar die Berufsausübung des Erbensuchers erschweren. Dieses Geschäftsrisiko folgt letztlich aber aus den für alle geltenden Grundsätzen der Privatautonomie (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1999 aaO) und ist damit, ähnlich wie etwa beim Maklergeschäft, Teil des von Art. 12 GG geschützten Berufsbildes selbst.
Schlick Streck Kapsa
Galke Herrmann
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 08.10.2004 - 5 O 2841/03 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 21.07.2005 - 5 U 65/04 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)