Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2019 - 5 StR 495/18

bei uns veröffentlicht am06.02.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 495/18
vom
6. Februar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:060219U5STR495.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Februar 2019, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger, Prof. Dr. Eschelbach, Köhler
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 18. Juli 2018 mit Ausnahme des Freispruchs im Fall 4 der Urteilsgründe mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen –

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen, der vorsätzlichen Körperverletzung in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, der Nötigung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in drei Fällen wegen Schuldunfähigkeit und im Fall 4 der Urteilsgründe aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie sich nur gegen den Freispruch des Angeklagten wegen Schuldunfähigkeit in den zwölf vorgenannten Anklagefällen wendet. Soweit sie insofern ausdrücklich lediglich die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beanstandet, ist eine Beschränkung der Revision unwirksam. Eine getrennte Prüfung der Maßregel gemäß § 63 StGB und der Schuldunfähigkeit im Sinne von § 20 StGB ist nicht möglich, weil das Bejahen eines der Eingangsmerkmale von § 20 StGB eine Voraussetzung der Unterbringung nach § 63 StGB ist (vgl. BGH, Urteile vom 30. November 2011 – 1StR 341/11; vom 3. August 2017 – 4 StR 193/17). Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der Angeklagte leidet jedenfalls seit 2015 an einer krankhaften seelischen Störung in Form einer Schizophrenie. Er ist vielfach und auch einschlägig vorbestraft. Zuletzt wurde er im Juli 2014 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt, die er bis Anfang März 2016 verbüßte. Während der Haftzeit, in der er anfangs mehrere Suizidversuche unternommen hatte, stabilisierte sich sein Zustand infolge medikamentöser Behandlung. Nach Vollverbüßung wurde der Angeklagte in die Obdachlosigkeit entlassen. Medikamente nahm er nicht mehr. Daraufhin traten bei ihm als Symptome der Schizophrenie akustische Halluzinationen auf. Er hörte Stimmen, die ihn beleidigten und ihn zu Handlungen aufforderten. Auch um seine Symptome zu dämpfen, nahm er – wie schon in den Jahren zuvor – alkoholische Getränke zu sich.
4
In dem Zeitraum vom 7. Oktober 2016 bis zum 23. August 2017 beging der Angeklagte – soweit vom Revisionsangriff der Staatsanwaltschaft noch erfasst – die folgenden zwölf rechtswidrigen Taten jeweils aufgrund seiner Erkrankung in einer psychotischen Verkennung der Realität:
5
(1) Am 7. Oktober 2016 ließ der Angeklagte in einer Grünanlage eine Tüte neben einen Abfalleimer fallen. Die Bemerkung einer Passantin, er habe etwas verloren, nahm er dahingehend wahr, dass diese ihn angreifen wolle. Er rief ihr, als sie an ihm vorbeiging, etwas Unverständliches zu, fasste sie an der Schulter, drehte sie zu sich herum und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht. Er traf ihre Nase, aus der es heftig zu bluten begann. Die Geschädigte erlitt eine Nasenprellung und konnte deshalb ca. drei Wochen lang nicht arbeiten. Wegen ihrer psychischen Belastung durch den Vorfall nahm sie sechs Gespräche bei einem Psychologen wahr.
6
(2) Gegen die Polizeibeamten, die ihn noch in Tatortnähe antrafen und zur Personalienfeststellung auf ihre Dienststelle mitnehmen und zuvor durchsuchen wollten, wehrte er sich heftig. Er versuchte unter anderem, sich ihren Griffen zu entwinden, die Hand eines Beamten zu ergreifen und einen weiteren zu treten. Bei seiner Ingewahrsamnahme wurde eine Blutalkoholkonzentration von 1,29 Promille festgestellt.
7
(3) Am 17. November 2016 ging der Angeklagte vor einem Café auf eine Angestellte zu, die dort Außendekoration wegräumen wollte. Sie bemerkte ihn, bekam ein ungutes Gefühl und drehte sich von ihm weg, um wieder in das Lokal zu gehen. In diesem Moment schlug ihr der Angeklagte mit der Faust oder einem Gegenstand gegen den Hinterkopf. Sie erlitt eine blutende Platzwunde, die genäht werden musste. In den ersten Tagen nach dem Vorfall war sie wegen Kopfschmerzen krankgeschrieben und hatte Angstzustände und Schlafstörungen , weshalb sie fünf Gespräche bei einem Psychologen wahrnahm.
8
(4) Während sich der Angeklagte vom Tatort entfernte, kam ihm auf dem Bürgersteig eine Passantin entgegen, die einen Hund und ein Fahrrad bei sich führte. Er versetzte ihr unvermittelt einen Schlag ins Gesicht, der sie im Kinnund Wangenbereich traf und zu Boden fallen ließ. Infolge des Schlags hatte sie eine Schwellung im Gesicht und einige Tage lang Schmerzen.
9
(5) Der Angeklagte setzte seinen weg fort. Ein ihm folgender Augenzeuge des Geschehens forderte ihn auf, stehen zu bleiben, und fragte ihn, warum er das getan habe. Der Angeklagte drehte sich daraufhin zu ihm um, bewegte sich auf ihn zu und erfasste ihn am Oberkörper. Er versuchte, ihn wegzuschieben , wogegen sich der Zeuge wehrte. Schließlich machte der Angeklagte eine Greifbewegung unter seine Jacke und sagte zu ihm: „Ich knall euch ab!“. Der Zeuge wich zurück und verzichtete darauf, ihn weiter zur Rede zu stellen.
10
(6) Gegenüber den beiden ihn kurz darauf festnehmenden Polizeibeamten wehrte sich der Angeklagte heftig. Er schlug wild um sich und stieß einen Beamten von sich, der dadurch zu Boden fiel und im Laufe des Geschehens Schürfwunden erlitt. Der Angeklagte ließ sich erst nach dem Einsatz von Pfefferspray fixieren und hatte bei seiner Ingewahrsamnahme eine Blutalkoholkonzentration von 0,58 Promille.
11
(7) Am 13. April 2017 drängte sich der Angeklagte auf einem Wochenmarkt an einem Stand, an dem einige Kunden in einer Schlange anstanden, nach vorne und stellte sich neben eine Kundin. Diese drehte sich zu ihm um und blickte ihn kurz an, woraufhin er Iaut zu ihr sagte: „Glotz mich nicht so an!“. Sie erwiderte, dass sie doch gar nichts mache, und bewegte ihre Hand kurz vor ihrer Stirn hin und her. Der Angeklagte schrie daraufhin unverständliche Worte und stieß gegen ihren Oberkörper, so dass sie rücklings auf den Boden fiel. Sie erlitt hierdurch noch tagelang schmerzhafte Prellungen.
12
(8) Nach diesem Vorfall begab sich der Angeklagte in das Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses. Die herbeigerufenen Polizeibeamten trafen auf ihn im oberen dunklen Bereich des Treppenhauses und forderten ihn auf, zwecks Identitätsfeststellung mit nach draußen zu kommen. Er hob eine Glasflasche drohend in Richtung der Polizisten und ging auf diese zu. Deren Aufforderung, stehen zu bleiben, ignorierte der Angeklagte. Zwei Beamte ergriffen ihn daraufhin , wogegen er sich – um sich schlagend – wehrte. Er wurde in einen Streifenwagen gebracht, wo er insbesondere die weiblichen Beamten vor Ort beschimpfte und äußerte, er hasse Frauen und habe deshalb auch die Frau auf dem Markt umgeschubst. Bei seiner Ingewahrsamnahme hatte er eine Atemalkoholkonzentration von 1,84 Promille.
13
(9) Am 19. Juli 2017 überquerte der Angeklagte an einer Ampel für Fußgänger und Radfahrer eine Straße und kam auf eine Radfahrerin zu, die dort mit ihrem sechsjährigen Sohn das Grünsignal abwartete. Dabei schrie der Angeklagte , der einen etwa 60 cm langen und 5 cm dicken Ast in der Hand hielt, unverständlich und schlug ihr, als er auf ihrer Höhe war, unvermittelt mit dem Ast in Richtung ihres Kopfes. Der Schlag traf ihre zum Schutz erhobene Hand, an der sie einige Tage lang Schmerzen hatte. Ihr Sohn war von dem Geschehen sehr mitgenommen und von ihr erst nach einer Weile zu beruhigen.
14
(10) Der Angeklagte setzte seinen weg fort und schlug einer vor ihm gehenden Passantin mit dem Ast gegen den Hinterkopf und die Schulter, wobei er für sie unverständlich schimpfte. Sie erlitt durch den schmerzhaften Schlag Rötungen und Hautabschürfungen an der Schulter sowie eine Prellmarke am Hinterkopf. Ein kurz darauf bei dem Angeklagten durchgeführter Atemalkoholtest ergab eine Alkoholkonzentration von 1,48 Promille.
15
(11) Am 21. August 2017 saß der Angeklagte auf einer Bank in einer Grünanlage und hatte eine Zeitung und eine Glasflasche bei sich. Als sich eine Passantin auf eine gegenüber stehende Bank setzte, machte er ein Zeichen in ihrer Richtung, dass sie verschwinden solle. Sie fragte ihn nach dem Grund, woraufhin sich der Angeklagte erhob, und an einem Zaun neben der Bank, auf der die Geschädigte saß, seine Flasche zerschlug. Sodann ging er zu ihr und schlug ihr mit der Zeitung ins Gesicht. Er traf sie an der Wange, was ihr Schmerzen bereitete. Vor Angst schrie sie laut. Bevor sich der Angeklagte entfernte , legte er seine Hand an seinen Hals und deutete zu ihr gewandt mit einer Geste an, ihr den Kopf abzuschneiden. Die Geschädigte war durch den Vorfall noch einige Zeit psychisch mitgenommen.
16
(12) Am 23. August 2017 wühlte der Angeklagte im Abfalleimer eines Wurststands nach Essensresten. Die Verkäuferin des Standes, die dieses Verhalten des Angeklagten früher geduldet, es ihm dann aber wegen der von ihm verursachten Verunreinigungen untersagt hatte, forderte ihn auf, es zu unterlassen. Daraufhin schlug er ihr unvermittelt mit der Faust auf ihr Auge, wobei er sie beschimpfte. Die Geschädigte erlitt eine Prellung mit Hämatom.
17
b) Das Landgericht hat sachverständig beraten angenommen, dass dem Angeklagten, der in dem gesamten Tatzeitraum psychotisch gewesen sei, aufgrund seiner Erkrankung bei den elf Taten vom 7. Oktober und 17. November 2016 sowie vom 13. April, 19. Juli und 21. August 2017 die Einsicht fehlte, Unrecht zu tun; bei der letzten Tat vom 23. August 2017 hat es eine Aufhebung der Unrechtseinsichtsfähigkeit nicht ausschließen können. Gleichwohl hat das Landgericht eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB abgelehnt, weil nicht zu erwarten sei, dass der Angeklagte in Zukunft rechtswidrige Taten begehen werde, die in ihrem Gewicht über dasjenige der festgestellten Taten hinausgehen würden. Die Opfer seien durch diese Anlasstaten weder erheblich geschädigt noch erheblich gefährdet worden; insofern sei es nicht nur „glücklichen Zufällen“ zu verdanken gewesen, dass die Taten keine schwereren Folgen gehabt hätten.
18
2. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Ablehnung der Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB beruht auf einem Wertungsfehler.
19
a) Der vom Landgericht gehörte Sachverständige hat prognostiziert, dass bei dem Angeklagten nach einem mit erneutem Leben auf der Straße einhergehenden Absetzen der medikamentösen Behandlung sehr wahrscheinlich wieder verstärkt psychotische Symptome in Form von Halluzinationen oder Fehlwahrnehmungen bzw. Fehldeutungen der Realität auftreten würden. Diese Symptome würden wahrscheinlich auch zu Fehlreaktionen in Form von ähnlichen Taten wie den Anlasstaten führen. Dieser Gefährlichkeitsprognose hat sich das Landgericht zwar angeschlossen, jedoch – offenbar unter Anwendung der für geringfügige Anlasstaten geltenden Regelung des § 63 Satz 2 StGB – gemeint, die zukünftig vom Angeklagten zu erwartende Kriminalität sei nicht geeignet, seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen. Damit hat es einen zu strengen Maßstab an die Gefährlichkeitsprognose angelegt.
20
b) Auch nach der am 1. August 2016 in Kraft getretenen Fassung des § 63 StGB ist davon auszugehen, dass nur solche Taten als erheblich im Sinne des § 63 Satz 1 StGB anzusehen sind, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden empfindlich zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen, und damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind (vgl. BT-Drucks. 18/7244, S. 18). Inso- weit wollte der Gesetzgeber (anders als bei Vermögensdelikten) bei Taten, die gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichtet sind, insbesondere bei Körperverletzungsdelikten , mit der vor allem klarstellenden Ergänzung im Gesetzestext , dass Taten zu erwarten sein müssen, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch „erheblich“ geschädigt oder „erheblich“ gefährdet werden, die Anforderungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht anheben (vgl. BT-Drucks. aaO, S. 18, 42; BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 – 3 StR 174/18 mwN).
21
Danach gehören Gewalt- und Aggressionsdelikte weiterhin regelmäßig zu den erheblichen Straftaten, bedürfen allerdings stets einer konkreten Einzelfallprüfung , wobei neben der konkreten Art der drohenden Taten und dem Gewicht der konkret bedrohten Rechtsgüter auch die zu erwartende Häufigkeit und Rückfallfrequenz von Bedeutung sein können (vgl. BT-Drucks. aaO, S. 18 f. mwN.; BVerfG, NJW 2012, 513, 514; BVerfG, Beschluss vom 22. August 2017 – 2 BvR 2039/16; BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 – 3 StR 174/18 mwN; Be- schluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 mwN). Einfache Körperverletzungen im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB, die nur mit geringer Gewaltanwendung verbunden sind und die Erheblichkeitsschwelle der tatbestandlich vorausgesetzten Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit lediglich unwesentlich überschreiten, reichen grundsätzlich nicht aus; das gilt beispielsweise für eine einfache Ohrfeige, einen Fußtritt gegen das Bein, Ziehen an den Haaren, einen Stoß gegen die Brust oder einen Kniff ins Gesäß (vgl. BT-Drucks. aaO, mwN; BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 – 3 StR 174/18 mwN; Beschlüsse vom 22. Juli 2010 – 5 StR 256/10, NStZ-RR 2011, 12, 13; vom 28. August 2012 – 3 StR 304/12). Nicht erforderlich ist hingegen, dass Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch „schwer“ geschädigt wer- den (BT-Drucks. aaO, S. 19). Dementsprechend sind etwa Faustschläge ins Gesicht in der Regel bereits mittlerer Kriminalität zuzurechnen, insbesondere wenn sie Verletzungen zur Folge haben, die ärztlich versorgt werden müssen (BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 – 3 StR 174/18; Beschluss vom 10. August 2010 – 3 StR 268/10).

22
c) Daran gemessen hat das Landgericht die Anlasstaten jedenfalls in Bezug auf die Körperverletzung zum Nachteil der Passantin im Fall 1, die durch den Faustschlag ins Gesicht eine heftig blutende und zu längerer Arbeitsunfähigkeit führende Nasenprellung erlitt, die Körperverletzung zum Nachteil der Cafémitarbeiterin im Fall 3, die durch den Schlag gegen ihren Hinterkopf eine blutende Platzwunde davontrug, die genäht werden musste, die Körperverletzung zum Nachteil der Passantin im Fall 4, die durch den Schlag ins Gesicht zu Boden fiel und eine tagelang schmerzende Schwellung im Gesicht hatte, die Körperverletzung zum Nachteil der Marktkundin im Fall 7, die durch den Stoß gegen ihren Oberkörper rücklings auf den Boden fiel und hierdurch tagelang schmerzende Prellungen erlitt, die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der Radfahrerin im Fall 9, die der in Richtung ihres Kopfes ausgeführte Schlag mit dem Ast an ihrer zur Abwehr erhobenen Hand traf, die infolgedessen tagelang schmerzte, die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der Passantin im Fall 10, die durch den schmerzhaften Schlag mit dem Ast Hautabschürfungen an der Schulter sowie eine Prellmarke am Hinterkopf erlitt, und in Bezug auf die Körperverletzung zum Nachteil der Standverkäuferin im Fall 12, die durch den Faustschlag auf ihr Auge eine Prellung mit Hämatom erlitt, zu Unrecht als nicht erheblich im Sinne von § 63 Satz 1 StGB angesehen. Schon al- lein wegen der körperlichen Folgen handelt es sich bei diesen Taten nicht um nur „niedrigschwellige“ Gewaltdelikte.
23
Das Landgericht hat zudem bei der Bewertung der Anlasstaten nicht hinreichend bedacht, dass der Angeklagte es bei Taten, bei denen er sich in einer psychotischen Verkennung der Realität, wie etwa einer wahnhaften Bedrohungssituation , befindet und ihm die Unrechtseinsichtsfähigkeit fehlt, nicht in der Hand hat, die Verletzungsfolgen seines aggressiven Vorgehens zu steuern (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2011 – 1 StR 341/11). Der Umfang der Verletzungen bleibt vielmehr – wie die Beschwerdeführerin zutreffend darlegt hat – dem Zufall überlassen, insbesondere bei Schlägen mit der Faust oder einem gefährlichen Werkzeug gegen bzw. in Richtung des Kopfes und somit gegen eine besonders gefährdete Körperregion. Welche konkreten körperlichen Verletzungsfolgen eintreten, hängt hier maßgeblich von der körperlichen Konstitution des jeweiligen Opfers ab. Im Übrigen birgt auch ein Sturz zu Boden, wie er in den Fällen 4 und 7 eine weitere Folge des Schlages bzw. Stoßes gewesen ist, die unkontrollierbare Gefahr zusätzlicher Verletzungen, deren Eintritt davon abhängt, ob und wie ein Opfer auf den unerwarteten Angriff reagieren kann. Die Unwägbarkeit dieser Folgen hat das Landgericht außer Acht gelassen. Entsprechendes gilt für den Eintritt psychischer Folgen der Tat bei den Opfern, die auch von deren psychischer Konstitution abhängen und deren Verarbeitung ein individueller Prozess ist.
24
Nicht zuletzt hat das Landgericht bei der Bewertung der Erheblichkeit der vorgenannten in hoher Frequenz begangenen Anlasstaten mit zumindest tagelangen körperlichen Folgen für die Geschädigten nicht erkennbar berücksichtigt, dass sich die Gewaltanwendungen des Angeklagten in Alltagssituationen im öffentlichen Raum wahllos gegen arglose weibliche und mithin körperlich oft schwächere Opfer richteten. Vorsätzliche Körperverletzungen gegen dem Täter völlig unbekannte Personen stören in der Regel den Rechtsfrieden erheblich (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2011 – 1 StR 341/11; siehe auch Beschluss vom 25. April 2017 – 5 StR 78/17).
25
d) Das Urteil ist wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers im tenorierten Umfang aufzuheben. Auch die an sich rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Tatgeschehen können nicht bestehen bleiben, da der Angeklagte das Urteil, obwohl die Begehung rechtswidriger Taten durch ihn festgestellt ist, mangels Beschwer nicht hätte anfechten können (vgl. BGH, Urteile vom 23. Februar 2000 – 3 StR 595/99; vom 9. Januar 2019 – 5 StR 466/18).

Sander Schneider Berger
Eschelbach Köhler

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2019 - 5 StR 495/18

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2019 - 5 StR 495/18

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2019 - 5 StR 495/18 zitiert 5 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2019 - 5 StR 495/18 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2019 - 5 StR 495/18 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2019 - 5 StR 466/18

bei uns veröffentlicht am 09.01.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 466/18 vom 9. Januar 2019 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2019:090119U5STR466.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Januar 2019, an der teilgenomme

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Nov. 2011 - 1 StR 341/11

bei uns veröffentlicht am 30.11.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 341/11 vom 30. November 2011 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. November 2011, an der teilgenommen haben: Vorsitze

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Aug. 2010 - 3 StR 268/10

bei uns veröffentlicht am 10.08.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 268/10 vom 10. August 2010 in der Strafsache gegen wegen vorsätzlicher Körperverletzung u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführer

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juli 2018 - 3 StR 174/18

bei uns veröffentlicht am 26.07.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 174/18 vom 26. Juli 2018 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:260718U3STR174.18.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Aug. 2017 - 4 StR 193/17

bei uns veröffentlicht am 03.08.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 193/17 vom 3. August 2017 in dem Straf- und Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2017:030817U4STR193.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. August 2017, an der t

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2017 - 5 StR 78/17

bei uns veröffentlicht am 25.04.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 78/17 vom 25. April 2017 in der Strafsache gegen wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:250417B5STR78.17.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts u
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2019 - 5 StR 495/18.

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2019 - 2 StR 42/19

bei uns veröffentlicht am 05.06.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 42/19 vom 5. Juni 2019 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2019:050619U2STR42.19.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Juni 2019, an der teilgenommen habe

Referenzen

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 193/17
vom
3. August 2017
in dem Straf- und Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:030817U4STR193.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. August 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -, Staatsanwalt - bei der Verkündung - als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 15. November 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat nach Verbindung eines Strafverfahrens und eines Sicherungsverfahrens gegen den Angeklagten bzw. Beschuldigten (im Folgenden : Beschuldigten) sowohl im Strafverfahren als auch im Sicherungsverfahren verhandelt. Es hat den Beschuldigten von dem mit der Anklageschrift vom 3. Juli 2014 erhobenen Vorwurf, eine andere Person mittels eines gefährlichen Werkzeugs misshandelt und tateinheitlich dazu versucht zu haben, einen anderen Menschen rechtswidrig mit Gewalt zu einer Handlung zu nötigen, wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und den im Straf- und Sicherungsverfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, abgelehnt. Mit ihrer zu Ungunsten des Beschuldigten eingelegten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich dagegen, dass das Landgericht nicht die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Beschuldigte leidet spätestens seit dem Jahr 2005 an einer chronifizierten paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis (ICD-10 F 20.0). Von Mitte Dezember 2007 bis zum 24. Januar 2008 war er erstmals in stationärer psychiatrischer Behandlung. Danach lebte er unauffällig , bevor im Jahr 2013 aufgrund seiner psychischen Erkrankung schwere Wahnvorstellungen auftraten. Er fühlte sich von Geistern, die in seiner Wohnung leben würden, bedroht, beschimpft und sexuell missbraucht. Seinen Verfolgungs - und Vergiftungswahn projizierte er auf seine Nachbarn in einem Mehrfamilienhaus, die die Geister zu ihm schickten bzw. selbst böse Geister seien. Am 17. März 2013 sagte er zu einer Nachbarin, die er für den schlechten Zustand seiner schimmelbefallenen Wohnung verantwortlich machte: „I will kill you“. Die herbeigerufenen Polizeibeamten bedrohte er mit einem 20 cm langen Fleischermesser und äußerte: „Ich bringe jeden um, der sich mir nähert“. Ab dem 18. April 2013 war der Beschuldigte für vier Wochen in stationärer psychiatrischer Behandlung, die zu einer deutlichen Verbesserung der Symptomatik führte.
4
a) Im weiteren Verlauf kam es wieder zu ausgeprägten Krankheitserscheinungen und in der Folge zu der dem Beschuldigten mit Anklageschrift vom 3. Juli 2014 zur Last gelegten Tat:
5
Am Ostersonntag, dem 21. April 2014, klingelte der Beschuldigte bei seinem Wohnungsnachbarn V. und beschimpfte ihn, weil jener – was zutraf – den Flur nicht geputzt hatte. Er fasste V. an den Hals und schubste ihn zurück in die Wohnung, wobei er schrie, er sei „ein Schwein und eine Drecksau“ und müsse den Flur putzen. Mit einem mitgeführten, etwa vier cm dicken Stock schlug er V. und traf ihn u.a. am Arm. Es kam zu einem Gerangel; V. flüchtete auf die Straße. Der Beschuldigte, der völlig außer sich war und laut herumschrie, ließ ihn nicht wieder ins Haus. Die eintreffenden Polizeibeamten überwältigten den Beschuldigten mit Hilfe von Pfefferspray. Er wurde bis zum 2. Juni 2014 nach dem PsychKG untergebracht. Nach medikamentöser Behandlung war er nicht mehr fremdaggressiv, blieb aber krankheitsuneinsichtig, weshalb er seine Medikamente nach der Entlassung absetzte.
6
b) Zu den dem Beschuldigten mit der Antragsschrift im Sicherungsverfahren vom 18. Mai 2016 vorgeworfenen Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
7
Im September 2014 zog der aus Kenia stammende O. in die frühere Wohnung des V. . Am 5. Februar 2015 lehnte sich der Beschuldigte aus dem Fenster und drohte dem vorbeigehenden O. , ihn zu töten. Auch als uniformierte Polizeibeamte erschienen, drohte er, O. abzustechen, weil der ein böser Geist sei, der ihm nach dem Leben trachte. Der Beschuldigte wurde bis zum 20. Februar 2015 nach dem PsychKG untergebracht und medikamentös behandelt.
8
Im März 2015 flammten seine Wahnvorstellungen wieder auf. Am 30. März 2015 klingelte der Beschuldigte gegen 23.30 Uhr an der Wohnungstür des O. . Er sagte zu seinem Nachbarn, er solle hier warten, heute werde er ihn umbringen. Dann lief er in seine Wohnung und holte ein 34 cm langes Mes- ser mit einer Klingenlänge von 20 cm. O. lief in seine Wohnung zurück und verschloss die Tür. Der Beschuldigte versuchte, die Tür gewaltsam zu öffnen, was ihm nicht gelang. Die Polizei erschien mit einem Sondereinsatzkommando und nahm den Beschuldigten in seiner Wohnung fest. Nachfolgend war er vom 31. März bis zum 28. April 2015 nach dem PsychKG untergebracht. Seine psychische Erkrankung war danach zunächst nicht mehr floride.
9
Ende 2015/Anfang 2016 kam es wieder zu Wahnvorstellungen. Am 20. Januar und am 4. Februar 2016 trat der Beschuldigte jeweils gegen die Wohnungstür des O. und beschädigte sie dadurch.
10
c) Das sachverständig beratene Landgericht hat hinsichtlich dieser festgestellten rechtswidrigen Taten die Schuldfähigkeit des Beschuldigten verneint, weil eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB zu allen Tatzeitpunkten mit Sicherheit zum Ausschluss der Einsichtsfähigkeit geführt habe. Der Beschuldigte habe sich zu den Tatzeitpunkten seinem Wahnsystem entsprechend einer nicht beherrschbaren, von Nachbarn ausgehenden Gefahr ausgesetzt gewähnt und sich „zur Wehr gesetzt“.
11
d) Nach den Anlasstaten schlug der Beschuldigte am 18. April 2016 mehrmals mit einer Axt gegen die Wohnungstür des O. , weil er glaubte, O. beeinflusse seine Träume und verabreiche ihm Sprays, „um ihn schwul zu machen“. Der Beschuldigte äußerte, wenn der Nachbar da gewesen wäre, wäre es gefährlich geworden. Nach diesem Vorfall wurde der Beschuldigte zunächst nach dem PsychKG und dann bis zur Urteilsverkündung einstweilig untergebracht.
12
2. Das Landgericht hat die Anlasstaten als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung (21. April 2014), Bedrohung (5. Februar 2015), Bedrohung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung (30./31. März 2015) und Sachbeschädigung (20. Januar und 4. Februar 2016) gewertet. Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist nicht angeordnet worden. Es fehle bereits ein ausreichend hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für die Begehung erheblicher rechtswidriger Taten gegen die körperliche Unversehrtheit oder das Leben beliebiger Nachbarn. Auch wäre die Anordnung nicht verhältnismäßig.

II.


13
1. Soweit sich die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung in Bezug auf das Strafverfahren nicht gegen den Freispruch, sondern nur gegen die Nichtanordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wendet, liegt eine wirksame Rechtsmittelbeschränkung auf die unterbliebene Maßregelanordnung nicht vor. Die Aufspaltung des Urteils in seinen freisprechenden Teil und die unterbliebene Maßregelanordnung ist hier nicht möglich, weil die Feststellungen zum Tatgeschehen und zur Motivation des Beschuldigten mit denjenigen zur Schuldunfähigkeit, die zugleich Unterbau des Freispruchs und Voraussetzung der Unterbringung nach § 63 StGB ist, in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (BGH, Urteil vom 30. November 2011 – 1 StR 341/11).
14
2. Das Urteil hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
15
Die Ablehnung der Maßregelanordnung gemäß § 63 StGB begegnet durchgreifenden Bedenken.
16
a) Das Landgericht ist zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung des Tatrichters derjenige der Hauptverhandlung ist (vgl. BGH, Urteile vom 3. November 1977 – 1 StR 417/77, NJW 1978, 599; vom 17. Februar 2004 – 1 StR 437/03; vom 10. August 2005 – 2 StR 209/05, StraFo 2005, 472). Dies bedeutet aber nicht, dass die Gefährlichkeitsprognose nur bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung zu stellen ist; sie muss vielmehr einen längeren Zeitraum in den Blick nehmen. Daher muss auch in Fällen, in denen auf Grund einer zwischenzeitlichen Behandlung – etwa, wie hier, während der Unterbringung nach dem PsychKG und der einstweiligen Unterbringung – im Urteilszeitpunkt eine Stabilisierung des Krankheitsbildes eingetreten ist, im Interesse der öffentlichen Sicherheit bei der Prognoseentscheidung der Umstand in die Abwägung einbezogen werden, dass in späterer, aber absehbarer Zeit mit einer erneuten Verschlechterung des Gesundheitszustandes und der Wahrscheinlichkeit erneuter rechtswidriger Taten zu rechnen ist (BGH, Urteil vom 30. August 1988 – 1 StR 358/88, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 6).
17
Dies hat das Landgericht verkannt und den Beurteilungszeitraum rechtsfehlerhaft verkürzt. Es hat die Gefährlichkeitsprognose allein deshalb verneint, weil bei dem jetzigen Gesundheitszustand des Beschuldigten, der bei (derzeit) ausreichender Medikation und entsprechender Betreuung eine retardierte, devote Haltung einnehme, keine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Begehung von erheblichen Straftaten bestehe (UA S. 27). Hingegen hat es die gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen, die gegen eine längerfristige Stabi- lisierung der psychischen Erkrankung des Beschuldigten spricht, bei Beurteilung seiner Gefährlichkeit außer Acht gelassen.
18
Der Sachverständige Dr. M. , dem die Strafkammer aufgrund eigener Überzeugungsbildung gefolgt ist (UA S. 24, 26), hat zur Prognose ausgeführt, dass die aktuelle Gesundheitssituation des Beschuldigten nicht günstig sei, da sein Zustandsbild fortdauernd bestehe und er keine Mitwirkungsbereitschaft bei der Behandlung seiner Erkrankung zeige. So sei die Einnahme von Medikamenten nur im klinischen Umfeld erfolgt. Hinzu komme, dass der Beschuldigte auf die erforderliche Gabe wirksamer Neuroleptika stark reagiere. Sein Wahnsystem flaue unter Medikamentengabe zwar ab, es komme aber als Nebenwirkung zu einem roboterhaften Auftreten des Beschuldigten; sein gesamter Gedankenfluss sei verlangsamt und er könne sich nicht allein versorgen. Der Beschuldigte habe kein soziales Umfeld, insbesondere keine Wohnung mehr und werde in eine Obdachlosigkeit geraten. Seine Tabletten werde er ohne das beschützende Umfeld nicht weiter einnehmen. Deshalb sei es sicher, dass das Wahnsystem bald wieder anspringe. Da er bei florider Psychotik aggressiv sei, sei dann zu befürchten, dass es zu ähnlichen wie den hier verfahrensgegenständlichen Taten komme. In den letzten zwei Jahren zeige sich zudem eine deutliche Zunahme seiner Aggressivität und eine zunehmende Gefährlichkeit seiner Handlungen.
19
Diese Ausführungen des Sachverständigen sind mit einer positiven Gefahrprognose nicht in Einklang zu bringen. Vielmehr besteht danach die naheliegende Gefahr, dass mit dem Abklingen des bisherigen Behandlungserfolgs – wie sich auch bereits nach früheren Unterbringungen nach dem PsychKG gezeigt hat – in absehbarer Zeit mit erneuten Wahnvorstellungen und damit verbunden rechtswidrigen Taten gerechnet werden muss. Dies hätte das Landgericht bei seiner Abwägung zur Gefahrprognose berücksichtigen müssen.
20
b) Auch die Erwägungen, die das Landgericht zur Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Maßregel angestellt hat, vermögen die Entscheidung nicht zu tragen. Außerstrafrechtliche Sicherungssysteme, um der Gefährlichkeit des Beschuldigten entgegenzuwirken, hier die vom Landgericht angeführten Maßnahmen der Betreuung mit den Möglichkeiten des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der Depotgabe von Psychopharmaka und der Unterbringung in einem betreuten Wohnen, stehen der Anordnung der Maßregel nicht entgegen (BGH, Urteile vom 23. Juni 1993 – 3 StR 260/93, BGHR StGB § 63 Beweiswürdigung 1; vom 25. Februar 2010 – 4 StR 596/09, juris Rn. 16). Solche täterschonenden Mittel – ihreWirksamkeit vorausgesetzt – erlangen Bedeutung erst für die Frage, ob die Vollstreckung der Unterbringung gemäß § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann (BGH, Urteile vom 20. Februar 2008 – 5 StR 575/07, juris Rn. 14; vom 11. Dezember 2008 – 3 StR 469/08, NStZ 2009, 260 f.).
21
c) Hinzu kommt hier, dass die Strafkammer die Wirksamkeit der von ihr aufgezeigten Möglichkeiten zu einer Reduzierung der Gefährlichkeit des Beschuldigten nicht mit Tatsachen belegt hat. Das Urteil verhält sich nicht zu der Frage, wie eine ausreichende Medikation des krankheitsuneinsichtigen Beschuldigten sichergestellt werden soll. Der Umstellung auf eine Depotmedikation könnten die anderen Erkrankungen des Beschuldigten entgegenstehen (UA S. 21). Bezüglich der Aufnahme des Beschuldigten in einem betreuten Wohnen war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nichts veranlasst. Dafür, dass allein die auf Anregung der Strafkammer erfolgte Einrichtung einer vorläufigen Betreuung die Gefährlichkeit des Beschuldigten ausräumen würde, ist nach den bisherigen Feststellungen nichts ersichtlich.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Bender Feilcke

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 174/18
vom
26. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:260718U3STR174.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juli 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Gericke, Dr. Tiemann, Dr. Berg, Hoch, als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -, Richter am Landgericht - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt aus Düsseldorf als Verteidiger,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Dezember 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren, zu dem eine Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung hinzuverbunden wurde, den Antrag der Staatsanwaltschaft, den Beschuldigten gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, zurückgewiesen und ihn von dem Anklagevorwurf wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung des Antrags auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Beschuldigte seit etwa 30 Jahren an einer chronifizierten Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie, die sich paranoid-halluzinatorisch auswirkt. Die damit einhergehende verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit führt dazu, dass er alles, was in seiner Umwelt geschieht, unreflektiert auf sich bezieht, sich deshalb angegriffen fühlt und gegenüber anderen schnell ausfallend sowie beleidigend wird, ohne tatsächlich einen Grund dafür zu haben. Da er sich vermehrt in Situationen wähnt, in denen er meint, sich verteidigen zu müssen, führt er praktisch immer eine Reizstoffsprühdose (früher vorwiegend CS-Gas, in letzter Zeit Pfefferspray ) bei sich.
3
Zwischen dem 30. April 2013 und dem 28. Oktober 2015 war der Beschuldigte in fünf Fällen an Auseinandersetzungen beteiligt, bei denen er sich krankheitsbedingt unter Verkennung der Realität angegriffen fühlte. In deren Verlauf verletzte er die vermeintlichen Angreifer, indem er ihnen CS-Gas bzw. Pfefferspray ins Gesicht sprühte. Die Geschädigten erlitten dadurch jeweils ein schmerzhaftes Brennen der Augen, das zumindest einige Minuten lang andauerte und teilweise erst durch eine Augenspülung im Krankenhaus behoben werden konnte; außerdem zogen sich die Geschädigten jeweils mehrere Stunden anhaltende Rötungen der Augen zu. Der Beschuldigte war in allen Fällen schuldunfähig (§ 20 StGB), weil seine Unrechtseinsichtsfähigkeit krankheitsbedingt aufgehoben war.
4
Von der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat die Strafkammer aufgrund folgender Erwägungen abgesehen:
5
Der Beschuldigte habe zwar in allen Fällen den objektiven Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) verwirklicht, und es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass er auch künftig gleichgelagerte Taten begehen, insbesondere CS-Gas oder Pfefferspray gegenüber anderen einsetzen werde. Bei den zu erwartenden Taten handele es sich aber nicht um solche, durch welche die Opfer im Sinne des § 63 Satz 1 StGB seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder gefährdet würden.
6
Nach dem in der Hauptverhandlung erstatteten rechtsmedizinischen Gutachten zu den Auswirkungen von CS-Gas oder Pfefferspray sei davon auszugehen , dass CS-Gas - je nach "Kontamination" und persönlicher Empfindlichkeit - unangenehm bis deutlich schmerzhaft sein könne. Ein durch Kontakt mit den Augen hervorgerufenes Brennen in den Augen könne ohne Behandlung einige Minuten bis hin zu mehreren Stunden anhalten. Wenn das CS-Gas eingeatmet werde, verursache es Reizungen der Atemwege und könne Husten oder ein Brennen in den Bronchien zur Folge haben. Bei "nicht vorgeschädigten" Personen verbleibe kein gesundheitlicher Schaden. Bei "erheblich vorgeschädigten" Personen, beispielsweise Asthmatikern, könne der Reizstoff demgegenüber zu erheblichen Beeinträchtigungen führen und schwere Atemnot sowie einen lebensbedrohlichen Zustand hervorrufen.
7
Pfefferspray verursache - je nach "Kontamination" und persönlicher Empfindlichkeit - auf der Haut ein deutliches Brennen und Rötungen, nach Kontakt mit den Augen wirke es mitunter erheblich schmerzhaft. Unbehandelt könne das Brennen (mit abnehmender Tendenz) durchaus einige Stunden anhalten, bis die Symptome im Regelfall am Folgetag verschwunden seien.
8
Die danach aufgrund künftiger Taten des Beschuldigten wahrscheinlichen Verletzungen anderer seien noch als leichte körperliche Schädigungen anzusehen, nicht jedoch dem für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB erforderlichen Bereich mittlerer Kriminalität zuzurechnen.

II.


9
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die Annahme des Landgerichts, dass die von dem Beschuldigten zukünftig zu erwartenden Taten nicht geeignet seien, seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
1. Im Hinblick auf den im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose gemäß § 63 Satz 1 StGB anzulegenden Prüfungsmaßstab gilt:
11
Nach der am 1. August 2016 in Kraft getretenen neuen Fassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 (BGBl. I S. 1610) ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Mit der Neuregelung sollten die Voraussetzungen konkretisiert werden, unter denen "erhebliche" rechtswidrige Taten seitens des Täters zu erwarten sind, um die Rechtspraxis noch stärker für das mit Verfassungsrang ausgestattete Erfordernis der Verhältnismäßigkeit zu sensibilisieren (BT-Drucks. 18/7244, S. 17). Dabei hat sich der Gesetzgeber an den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen orientiert und im Hinblick auf die zu erwartenden Taten zwischen "Vermögensdelikten" im weitesten Sinne sowie gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichteten Taten differenziert (BT-Drucks. aaO, S. 18, 20). Bei Vermögensdelikten im weitesten Sinne wollte er die Schwelle für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gegenüber dem bisherigen Rechtszustand anheben. Deshalb sollen in diesem Bereich nunmehr nur noch solche Taten eine Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigen können, durch welche "schwerer" wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (BT-Drucks. aaO, S. 20 f.). Bei Taten, die gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichtet sind, insbesondere bei Körperverletzungsdelikten, wollte der Gesetzgeber die Anforderungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus demgegenüber nicht anheben. Insoweit beschränkte sich das Ziel der Neuregelung darauf, die in der Rechtsprechung bereits angelegte, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in zunehmendem Maße Bedeutung beimessende Entwicklung aufzugreifen und zu verstetigen, indem der frühere Gesetzestext - im Wesentlichen klarstellend - durch die Bestimmung ergänzt wurde, dass Taten zu erwarten sein müssen, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch "erheblich" geschädigt oder "erheblich" gefährdet werden (BT-Drucks. aaO, S. 18, 42; BGH, Beschluss vom 3. August 2016 - 4 StR 305/16, juris; Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 63 Rn. 1).
12
Dementsprechend ist nach wie vor davon auszugehen, dass nur solche Taten als erheblich im Sinne des § 63 Satz 1 StGB anzusehen sind, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden empfindlich bzw. schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen, und damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind (vgl. BT-Drucks. aaO, S. 18; BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 mwN). Das kommt bei Gewalt- und Aggressionsdelikten regelmäßig in Betracht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2011 - 2 BvR 2181/11, NJW 2012, 513, 514; BGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; vom 25. April 2012 - 4 StR 81/12, juris Rn. 5), ist indes stets anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu prüfen (BT-Drucks. aaO, S. 18; BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 mwN). Einfache Körperverletzungen im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB, die nur mit geringer Gewaltanwendung verbunden sind und die Erheblichkeitsschwelle der tatbestandlich vorausgesetzten Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit lediglich unwesentlich überschreiten, reichen grundsätzlich nicht aus; das gilt beispielsweise für eine einfache Ohrfeige (BGH, Beschluss vom 28. August 2012 - 3 StR 304/12, juris Rn. 4 f.), das Ziehen an den Haaren, einen Stoß gegen die Brust oder einen Kniff ins Gesäß (BT-Drucks. aaO, S. 19). Nicht erforderlich ist hingegen, dass Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch "schwer" geschädigt werden (BT-Drucks. aaO, S. 19). Dementsprechend sind etwa Faustschläge ins Gesicht in der Regel bereits mittlerer Kriminalität zuzurechnen , insbesondere wenn sie Platzwunden zur Folge haben, die ärztlich versorgt werden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2010 - 3 StR 268/10, juris).
13
2. Daran gemessen hat das Landgericht die künftig von dem Beschuldigten zu erwartenden rechtswidrigen Taten - gefährliche Körperverletzungen im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB durch den Einsatz von CS-Gas oder Pfefferspray - zu Unrecht als nicht erheblich im Sinne von § 63 Satz 1 StGB angesehen. Den Urteilsgründen zufolge handelt es sich dabei keineswegs um lediglich niedrigschwellige Gewaltdelikte. Da der Einsatz von CS-Gas oder Pfefferspray nach den Ausführungen der sachverständig beratenen Strafkammer selbst bei "nicht vorgeschädigten" Personen zu "deutlichen" bzw. "erheblichen" Schmerzen führt (UA S. 17, 18), die einige Minuten bis hin zu mehreren Stunden anhalten, wird die Erheblichkeitsschwelle der von § 223 Abs. 1 StGB tatbestandlich vorausgesetzten Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit der Tatopfer mehr als nur unwesentlich überschritten. So stellt schon ein nur einige Minuten anhaltendes schmerzhaftes Brennen in den Augen eine Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und damit der körperlichen Unversehrtheit dar, die sich deutlich von Fallgestaltungen wie einer Ohrfeige, einem Stoß gegen die Brust oder einem Ziehen an den Haaren abhebt. Das gilt erst recht für Reizzustände, die - etwa weil eine Augenspülung im Krankenhaus erforderlich ist - einen längeren Zeitraum andauern.
14
3. Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung des Urteils erfasst auch den Freispruch, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das neue Tatgericht an Stelle der Unterbringung eine Strafe verhängen wird (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; s. dazu BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 8 mwN).
Becker Gericke Tiemann Berg RiBGH Hoch befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 174/18
vom
26. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:260718U3STR174.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juli 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Gericke, Dr. Tiemann, Dr. Berg, Hoch, als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -, Richter am Landgericht - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt aus Düsseldorf als Verteidiger,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Dezember 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren, zu dem eine Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung hinzuverbunden wurde, den Antrag der Staatsanwaltschaft, den Beschuldigten gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, zurückgewiesen und ihn von dem Anklagevorwurf wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung des Antrags auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Beschuldigte seit etwa 30 Jahren an einer chronifizierten Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie, die sich paranoid-halluzinatorisch auswirkt. Die damit einhergehende verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit führt dazu, dass er alles, was in seiner Umwelt geschieht, unreflektiert auf sich bezieht, sich deshalb angegriffen fühlt und gegenüber anderen schnell ausfallend sowie beleidigend wird, ohne tatsächlich einen Grund dafür zu haben. Da er sich vermehrt in Situationen wähnt, in denen er meint, sich verteidigen zu müssen, führt er praktisch immer eine Reizstoffsprühdose (früher vorwiegend CS-Gas, in letzter Zeit Pfefferspray ) bei sich.
3
Zwischen dem 30. April 2013 und dem 28. Oktober 2015 war der Beschuldigte in fünf Fällen an Auseinandersetzungen beteiligt, bei denen er sich krankheitsbedingt unter Verkennung der Realität angegriffen fühlte. In deren Verlauf verletzte er die vermeintlichen Angreifer, indem er ihnen CS-Gas bzw. Pfefferspray ins Gesicht sprühte. Die Geschädigten erlitten dadurch jeweils ein schmerzhaftes Brennen der Augen, das zumindest einige Minuten lang andauerte und teilweise erst durch eine Augenspülung im Krankenhaus behoben werden konnte; außerdem zogen sich die Geschädigten jeweils mehrere Stunden anhaltende Rötungen der Augen zu. Der Beschuldigte war in allen Fällen schuldunfähig (§ 20 StGB), weil seine Unrechtseinsichtsfähigkeit krankheitsbedingt aufgehoben war.
4
Von der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat die Strafkammer aufgrund folgender Erwägungen abgesehen:
5
Der Beschuldigte habe zwar in allen Fällen den objektiven Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) verwirklicht, und es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass er auch künftig gleichgelagerte Taten begehen, insbesondere CS-Gas oder Pfefferspray gegenüber anderen einsetzen werde. Bei den zu erwartenden Taten handele es sich aber nicht um solche, durch welche die Opfer im Sinne des § 63 Satz 1 StGB seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder gefährdet würden.
6
Nach dem in der Hauptverhandlung erstatteten rechtsmedizinischen Gutachten zu den Auswirkungen von CS-Gas oder Pfefferspray sei davon auszugehen , dass CS-Gas - je nach "Kontamination" und persönlicher Empfindlichkeit - unangenehm bis deutlich schmerzhaft sein könne. Ein durch Kontakt mit den Augen hervorgerufenes Brennen in den Augen könne ohne Behandlung einige Minuten bis hin zu mehreren Stunden anhalten. Wenn das CS-Gas eingeatmet werde, verursache es Reizungen der Atemwege und könne Husten oder ein Brennen in den Bronchien zur Folge haben. Bei "nicht vorgeschädigten" Personen verbleibe kein gesundheitlicher Schaden. Bei "erheblich vorgeschädigten" Personen, beispielsweise Asthmatikern, könne der Reizstoff demgegenüber zu erheblichen Beeinträchtigungen führen und schwere Atemnot sowie einen lebensbedrohlichen Zustand hervorrufen.
7
Pfefferspray verursache - je nach "Kontamination" und persönlicher Empfindlichkeit - auf der Haut ein deutliches Brennen und Rötungen, nach Kontakt mit den Augen wirke es mitunter erheblich schmerzhaft. Unbehandelt könne das Brennen (mit abnehmender Tendenz) durchaus einige Stunden anhalten, bis die Symptome im Regelfall am Folgetag verschwunden seien.
8
Die danach aufgrund künftiger Taten des Beschuldigten wahrscheinlichen Verletzungen anderer seien noch als leichte körperliche Schädigungen anzusehen, nicht jedoch dem für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB erforderlichen Bereich mittlerer Kriminalität zuzurechnen.

II.


9
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die Annahme des Landgerichts, dass die von dem Beschuldigten zukünftig zu erwartenden Taten nicht geeignet seien, seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
1. Im Hinblick auf den im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose gemäß § 63 Satz 1 StGB anzulegenden Prüfungsmaßstab gilt:
11
Nach der am 1. August 2016 in Kraft getretenen neuen Fassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 (BGBl. I S. 1610) ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Mit der Neuregelung sollten die Voraussetzungen konkretisiert werden, unter denen "erhebliche" rechtswidrige Taten seitens des Täters zu erwarten sind, um die Rechtspraxis noch stärker für das mit Verfassungsrang ausgestattete Erfordernis der Verhältnismäßigkeit zu sensibilisieren (BT-Drucks. 18/7244, S. 17). Dabei hat sich der Gesetzgeber an den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen orientiert und im Hinblick auf die zu erwartenden Taten zwischen "Vermögensdelikten" im weitesten Sinne sowie gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichteten Taten differenziert (BT-Drucks. aaO, S. 18, 20). Bei Vermögensdelikten im weitesten Sinne wollte er die Schwelle für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gegenüber dem bisherigen Rechtszustand anheben. Deshalb sollen in diesem Bereich nunmehr nur noch solche Taten eine Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigen können, durch welche "schwerer" wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (BT-Drucks. aaO, S. 20 f.). Bei Taten, die gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichtet sind, insbesondere bei Körperverletzungsdelikten, wollte der Gesetzgeber die Anforderungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus demgegenüber nicht anheben. Insoweit beschränkte sich das Ziel der Neuregelung darauf, die in der Rechtsprechung bereits angelegte, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in zunehmendem Maße Bedeutung beimessende Entwicklung aufzugreifen und zu verstetigen, indem der frühere Gesetzestext - im Wesentlichen klarstellend - durch die Bestimmung ergänzt wurde, dass Taten zu erwarten sein müssen, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch "erheblich" geschädigt oder "erheblich" gefährdet werden (BT-Drucks. aaO, S. 18, 42; BGH, Beschluss vom 3. August 2016 - 4 StR 305/16, juris; Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 63 Rn. 1).
12
Dementsprechend ist nach wie vor davon auszugehen, dass nur solche Taten als erheblich im Sinne des § 63 Satz 1 StGB anzusehen sind, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden empfindlich bzw. schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen, und damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind (vgl. BT-Drucks. aaO, S. 18; BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 mwN). Das kommt bei Gewalt- und Aggressionsdelikten regelmäßig in Betracht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2011 - 2 BvR 2181/11, NJW 2012, 513, 514; BGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; vom 25. April 2012 - 4 StR 81/12, juris Rn. 5), ist indes stets anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu prüfen (BT-Drucks. aaO, S. 18; BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 mwN). Einfache Körperverletzungen im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB, die nur mit geringer Gewaltanwendung verbunden sind und die Erheblichkeitsschwelle der tatbestandlich vorausgesetzten Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit lediglich unwesentlich überschreiten, reichen grundsätzlich nicht aus; das gilt beispielsweise für eine einfache Ohrfeige (BGH, Beschluss vom 28. August 2012 - 3 StR 304/12, juris Rn. 4 f.), das Ziehen an den Haaren, einen Stoß gegen die Brust oder einen Kniff ins Gesäß (BT-Drucks. aaO, S. 19). Nicht erforderlich ist hingegen, dass Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch "schwer" geschädigt werden (BT-Drucks. aaO, S. 19). Dementsprechend sind etwa Faustschläge ins Gesicht in der Regel bereits mittlerer Kriminalität zuzurechnen , insbesondere wenn sie Platzwunden zur Folge haben, die ärztlich versorgt werden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2010 - 3 StR 268/10, juris).
13
2. Daran gemessen hat das Landgericht die künftig von dem Beschuldigten zu erwartenden rechtswidrigen Taten - gefährliche Körperverletzungen im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB durch den Einsatz von CS-Gas oder Pfefferspray - zu Unrecht als nicht erheblich im Sinne von § 63 Satz 1 StGB angesehen. Den Urteilsgründen zufolge handelt es sich dabei keineswegs um lediglich niedrigschwellige Gewaltdelikte. Da der Einsatz von CS-Gas oder Pfefferspray nach den Ausführungen der sachverständig beratenen Strafkammer selbst bei "nicht vorgeschädigten" Personen zu "deutlichen" bzw. "erheblichen" Schmerzen führt (UA S. 17, 18), die einige Minuten bis hin zu mehreren Stunden anhalten, wird die Erheblichkeitsschwelle der von § 223 Abs. 1 StGB tatbestandlich vorausgesetzten Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit der Tatopfer mehr als nur unwesentlich überschritten. So stellt schon ein nur einige Minuten anhaltendes schmerzhaftes Brennen in den Augen eine Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und damit der körperlichen Unversehrtheit dar, die sich deutlich von Fallgestaltungen wie einer Ohrfeige, einem Stoß gegen die Brust oder einem Ziehen an den Haaren abhebt. Das gilt erst recht für Reizzustände, die - etwa weil eine Augenspülung im Krankenhaus erforderlich ist - einen längeren Zeitraum andauern.
14
3. Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung des Urteils erfasst auch den Freispruch, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das neue Tatgericht an Stelle der Unterbringung eine Strafe verhängen wird (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; s. dazu BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 8 mwN).
Becker Gericke Tiemann Berg RiBGH Hoch befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 268/10
vom
10. August 2010
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. August 2010 einstimmig

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 31. März 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: Die Ablehnung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hätte rechtlicher Überprüfung nicht standgehalten.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen, wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls - unter Feststellung einer jeweils sicher gegebenen erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB - zur Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und ihn im Übrigen - wegen der in drei Fällen nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit des Angeklagten im Sinne von § 20 StGB - freigesprochen. Fünf weitere angeklagte Taten des Angeklagten hat das Landgericht gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
Die Anordnung der Unterbringung des - mehrfach wegen Körperverletzung , gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls sowie wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und schweren Raubes vorbestraften - Angeklagten hat das Landgericht aus folgenden Gründen abgelehnt: Zwar habe der Angeklagte die Taten aufgrund eines dauerhaften Zustands (Paranoide Schizophrenie mit Ausbildung eines Residuums) begangen. Die Strafkammer könne jedoch nicht feststellen, dass vom Angeklagten infolge seines Zustands zukünftig erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sein werden und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei; insbesondere seien die vom Angeklagten begangenen Taten nicht als der mittleren Kriminalität zugehörend einzustufen. Zur Begründung dieser Einschätzung hat das Landgericht ausgeführt, sämtliche vom Angeklagten verübten Körperverletzungsdelikte zeichneten sich dadurch aus, dass er mit der bloßen Hand bzw. seiner Faust den Geschädigten zwar zum Teil schmerzhafte, aber stets folgenlos verheilte Verletzungen zugefügt habe. Selbst hinsichtlich der zwei Taten, bei denen jeweils eine blutende Platzwunde der Geschlagenen habe genäht werden müssen, könne nicht von einer Überschreitung der Grenze zur mittleren Kriminalität gesprochen werden. Vielmehr sei es der im Einzelfall getroffenen, empfindlichen Körperstelle geschuldet , dass der einmalige Faustschlag des Angeklagten diese "nicht ganz unerheblichen Folgen" verursacht habe. Auch die Diebstahlsdelikte - ein vollendeter und ein versuchter Einbruchdiebstahl - seien aufgrund des Einstiegs in einen Dekorationsraum und des zunächst entwendeten und sodann sichergestellten Dekomaterials von nicht unerheblichem, aber auch nicht "exorbitant hohem" Wert nicht als der mittleren Kriminalität zugehörend einzustufen.
Diese Begründung ist rechtsfehlerhaft. Die Wertung des Landgerichts, die vom Angeklagten begangenen Taten seien unterhalb des Bereichs der mittleren Kriminalität angesiedelt, begegnet schon bei isolierter Betrachtung der Einzeltaten erheblichen rechtlichen Bedenken. Die vom Angeklagten begangenen Gewalt- und Eigentumsdelikte sind keine Bagatelldelikte oder lediglich belästigende Taten (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl., § 63 Rn. 16 ff.). Das Landgericht hat es ferner rechtsfehlerhaft versäumt, in die vom Gesetz verlangte Gesamtwürdigung von Täter und Anlasstaten einzustellen, dass der Angeklagte mehrfach einschlägig, insbesondere auch wegen erheblicher Gewaltdelikte vorbestraft ist und die im vorliegenden Verfahren begangenen Taten eine sich von April 2007 bis Februar 2010 erstreckende Tatserie bilden, die zum Ende hin eine deutliche Häufung von Taten aufwies (vgl. Fischer, aaO, Rn. 20 mwN).
Dies gefährdet indes den Bestand des Urteils nicht, da der Beschwerdeführer die Nichtanwendung des § 63 StGB wirksam von seinem Revisionsangriff ausgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2010 - 3 StR 138/10) und die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel nicht geführt hat.
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 341/11
vom
30. November 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. November
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. März 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Sie beanstandet mit der Sachrüge die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Sollte insoweit eine Beschränkung der Revision erfolgen, ist diese unwirksam. Eine getrennte Prüfung von § 63 StGB und der Schuldunfähigkeit i.S.v. § 20 StGB ist nicht möglich, weil das Bejahen von § 20 StGB eine Voraussetzung der Unterbringung nach § 63 StGB ist. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte leidet nach langwierigem Verlauf an einer krankhaften seelischen Störung in Form eines schizophrenen Residuums. Von Januar bis Juli 2011 stand er unter Betreuung, ohne den Kontakt zum Betreuer einzuhalten. Seit ca. 15 Jahren ist er ohne dauerhaften festen Wohnsitz. Er lebt überwiegend im Wald. Die Nutzung von Unterkünften für Obdachlose lehnt er ab. Er trinkt seit Jahren verstärkt Alkohol in Form von Bier und war deswegen wiederholt zur Ausnüchterung in Kliniken. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er durch freiwillige Leistungen Dritter. Er ist vielfach vorbestraft. Die letzten beiden Vorstrafen ergingen wegen einschlägiger Delikte.
4
2. Am 11. Mai 2009 verurteilte ihn das Amtsgericht Nürnberg wegen Beleidigung in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat. Der Angeklagte hatte am 4. Juli 2008 gegen 7.15 Uhr eine ihm unbekannte Frau auf offener Straße mit den Worten beleidigt: "Du blöde Fotze, was schaust du so blöd? Du kriegst ein paar auf Dein Maul" und hatte sich ihr laut schreiend mit erhobener, zur Faust geballter Hand genähert, um sie zu schlagen. Er setzte der Fliehenden nach, konnte aber sein Vorhaben nur deshalb nicht umsetzen, weil zwei Passanten dazwischen gingen.
5
Am 24. Februar 2010 verurteilte das Amtsgericht Nürnberg den Angeklagten wegen einer am 2. Juli 2009 gegen 16.00 Uhr begangenen vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten. Er hatte einen damals 9-jährigen Jungen auf der Straße am Nacken gepackt und ihn gegen eine Häckselmaschine gestoßen. Das Kind erlitt eine Rötung im Nackenbereich.
6
3. Am 29. Juni 2010 hielt sich der Angeklagte gegen 18.20 Uhr in Nürnberg auf dem Albrecht-Dürer-Platz auf. Er hatte eine offene Bierflasche in der linken Hand. Die Nebenklägerin lief schnellen Schrittes in seine Richtung. Der Angeklagte nahm sie wahnbedingt als Bedrohung für sich wahr. Als sie an ihm vorbeigehen wollte, sagte er zu ihr: "Immer schön locker bleiben" und schlug ihr mit der rechten Faust ins Gesicht. Er traf sie im Bereich des linken Auges. Anschließend ging er im normalen Tempo weiter.
7
Der Nebenklägerin brach durch den Schlag ein Teil eines oberen Schneidezahnes auf der linken Seite ab. Sie erlitt einen gut vier Wochen lang sichtbaren Bluterguss und eine Schwellung im Gesicht. Sie hatte eine Woche lang starke Schmerzen und ist insofern dauerhaft beeinflusst, dass sie die Straßenseite wechselt, wenn ihr alkoholisierte oder obdachlose Personen begegnen. Sie stellte Strafantrag.
8
4. Der Angeklagte hatte zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von 2,56 ‰. Infolge eines akuten psychotischen Schubs fehlte ihm bei der Tatbegehung die Einsicht, Unrecht zu tun. Die sachverständig beratene Kammer geht davon aus, dass der Angeklagte wegen einer krankhaften seelischen Störung in Form eines schizophrenen Residuums dauerhaft in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert ist. Darüber hinaus komme es in unregelmäßigen Abständen zu akuten psychotischen Schüben, die seine Einsichtsfähigkeit aufheben. Gleichwohl lehnt sie eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ab, weil sie die vom Angeklagten infolge seines Zustandes mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Taten als "nicht zwingend erheblich" (UA S. 20) einstuft und daher eine Gefahr für die Allgemeinheit verneint.

II.

9
Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
1. Der gehörte Sachverständige, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie , schloss die Alkoholisierung des Angeklagten als Ursache für dessen wahnhaftes Erleben aus. Er prognostizierte, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit immer wieder zu akuten psychotischen Schüben kommen und der Angeklagte aggressive Handlungen begehen werde, die mit der Anlasstat vergleichbar seien, wenn er nicht medikamentös mit Neuroleptika behandelt werde. Es sei zu erwarten, dass sich die Tatfrequenz, aber nicht die angewendete Gewalt, steigern werde. Nach seiner Auffassung belegten bereits die beiden letzten Vorstrafen einen Hang des Angeklagten zu aggressiven rechtswidrigen Handlungen (UA S. 18).
11
2. Die Ablehnung der Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB beruht auf einem Wertungsfehler.
12
Bereits die Anlasstat, die die Kammer selbst der mittleren Kriminalität zuordnet, ist symptomatisch für künftige Taten, die vom Angeklagten infolge seines Zustandes bei einem psychotischen Schub zu erwarten sind. Dass dadurch der Rechtsfrieden erheblich gestört wird, versteht sich aus der Tat selbst. Die mittlere Kriminalität wird vom Anwendungsbereich des § 63 StGB miterfasst (vgl. BGHR § 63 StGB Gefährlichkeit 9 mwN). Die Kammer bezeichnet die beiden Körperverletzungstaten aus den Vorstrafen als mit der Anlasstat vergleichbare Taten, ordnet sie jedoch abweichend vom Sachverständigen als Bagatelldelikte ein, die den Rechtsfrieden nicht erheblich stören. Dabei hat sie nicht hinreichend bedacht, dass der Angeklagte bei Taten, bei denen er sich in einer wahnhaften Bedrohungssituation befindet und ihm die Einsichtsfähigkeit fehlt, Unrecht zu tun, es nicht in der Hand hat, die Verletzungsfolgen seines aggressiven Vorgehens zu steuern. Der Umfang der Verletzungen bleibt vielmehr dem Zufall überlassen, wie die drei Körperverletzungsdelikte zeigen. Nur durch das Eingreifen Dritter blieb es in einem Fall beim Versuch; auch die geringfügige Verletzung des 9-jährigen Jungen hing vom Zufall ab. Vorsätzliche Körperverletzungen gegen bislang völlig unbekannte Personen stören in der Regel den Rechtsfrieden erheblich. Der Täter stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit dar.
13
3. Das Übermaßverbot nach § 62 StGB führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Bei einer Abwägung der Gefahr für die Allgemeinheit aufgrund der vom Angeklagten begangenen und zu erwartenden Taten gegen die körperliche Unversehrtheit willkürlicher Opfer und des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des von der Maßregel nach § 63 StGB Betroffenen steht dieser Eingriff hier nicht außer Verhältnis.
14
4. Das Urteil ist wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers insgesamt aufzuheben. Eine beschränkte Aufhebung kommt hier, wie oben dargelegt, nicht in Betracht, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Auch die zugrunde liegenden Feststellungen können nicht bestehen bleiben. Da der Angeklagte das Urteil nicht hätte anfechten können, obwohl die Begehung einer rechtswidrigen Tat durch ihn festgestellt ist, scheidet die Möglichkeit, ihn belastende Feststellungen - etwa zum äußeren Tatgeschehen - aufrechtzuerhalten von vorneherein aus (vgl. BGHSt 16, 374; BGH, Urteil vom 23. Februar 2000 - 3 StR 595/99). Nack Rothfuß Hebenstreit Elf Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 78/17
vom
25. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:250417B5STR78.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 25. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 8. November 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte freigesprochen und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich ihre auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Angeklagte zwei Körperverletzungen (Fälle II.1 und 2 der Urteilsgründe) und zwei versuchte Körperverletzungen (Fälle II.3 a) und 3 b) der Urteilsgründe) begangen.
3
Zur Schuldfähigkeit der Angeklagten hat das Landgericht ausgeführt, dass sie an einer chronischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie leide und bei ihr daneben ein polyvalenter Substanzmittelmissbrauch bestehe. In den drei Fällen II.1, II.2 und II.3 a) sei ihre Einsichtsfähigkeit „aufgrund der bei ihr zum Tatzeitpunkt aufgrund einer floriden psychotischen Symptomatik mit subjektivem Bedrohungsempfinden nicht ausschließbar ausgeschlossen, jedenfalls aber erheblich vermindert“ gewesen; im Fall II.3 b) sei ihre Einsichtsfähigkeit „aufgrund eines akuten Schubs einer floriden psychotischen Symptomatik mit halluzinatorischem Wahnerleben“ aufgehoben gewesen.

II.


4
Die Unterbringung der Angeklagten hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
5
1. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB setzt zunächst voraus, dass die Schuldfähigkeit bei der Begehung der Anlasstaten zumindest erheblich vermindert war und die Tatbegehung des Unterzubringenden auf diesem Zustand beruht. Diese Voraussetzung wird im angefochtenen Urteil für die Anlasstaten II.1, II.2 und II.3 a) nicht rechtsfehlerfrei belegt.
Insoweit lassen die Ausführungen zur Schuldfähigkeit der Angeklagten
6
besorgen, dass das Landgericht die Auffassung vertritt, bereits mit der Feststellung einer erheblichen verminderten Einsichtsfähigkeit sei § 21 StGB erfüllt und damit auch die Grundlage für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB gegeben. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich jedoch erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Unrechtseinsicht zur Folge hat. Ein Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist – sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war – voll schuldfähig, womit auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht in Betracht kommt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 2. Februar 1966 – 2 StR 529/65, BGHSt 21, 27, 28, und vom 6. März 1986 – 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 26 f.; Beschluss vom 20. November 2012 – 1 StR 504/12, NJW 2013, 246, 247 mwN).
2. Soweit das Landgericht im Fall II.3 b) der Urteilsgründe zu der Über7 zeugung gelangt ist, dass die Einsichtsfähigkeit der Angeklagten bei der Begehung dieser Symptomtat aufgehoben gewesen sei, kann sich die Maßregelanordnung nach § 63 StGB auf keine tragfähige Gefährlichkeitsprognose stützen.
8
Für eine negative Gefährlichkeitsprognose muss die Gesamtwürdigung von der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten ergeben, dass aufgrund seines Zustands mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, wie sie die zum 1. August 2016 in Kraft getretene Neufassung des § 63 Satz 1 StGB nunmehr konkretisiert, und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (vgl. BGH, Urteile vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f., und vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27; Beschluss vom 8. Januar 2014 – 5 StR 602/13, NJW 2014, 565).
Das Landgericht hat die Gefahr einer Begehung weiterer Gewaltstrafta9 ten durch die Angeklagte maßgeblich mit den drei im Sinne des § 63 Satz 1 StGB erheblichen Anlasstaten II.1, II.2 und II.3 a) begründet (UA S. 31 f., 36), die in Alltagssituationen im öffentlichen Raum gegenüber arglosen Opfern begangen wurden und in den Fällen II.1 und 2 bei den dort älteren und gebrechlichen Geschädigten auch zu nicht unerheblichen Verletzungen führten. Bei diesen Anlasstaten ist indes – wie dargelegt – nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden, dass sie aufgrund eines Zustands zumindest verminderter Schuldfähigkeit begangen worden sind. Auf diesem Fehler beruht die Unterbringungs-
anordnung. Die Symptomtat der versuchten Körperverletzung im Fall II.3 b) hat schon das Landgericht nicht für seine Gefährlichkeitsprognose herangezogen.
3. Von der Aufhebung nicht betroffen sind jedoch die Feststellungen zum
10
objektiven Tatgeschehen. Die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung weist keinen Rechtsfehler auf. Insoweit war die Revision zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

III.


11
Der Umstand, dass allein die Angeklagte Revision eingelegt hat, steht der Aufhebung des Freispruchs gemäß § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, NStZ 2013, 424; vom 20. November 2012 – 1 StR 504/12, aaO, und vom 5. August 2014 – 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1), weil die Unterbringung nach § 63 StGB und der auf § 20 StGB gestützte Freispruch gleichermaßen von der Bewertung der Schuldfähigkeit abhängen und deshalb zwischen beiden Entscheidungen aus sachlich-rechtlichen Gründen ein untrennbarer Zusammenhang besteht. RiBGH Prof. Dr. König ist wegen Urlaubs an Mutzbauer Dölp der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 466/18
vom
9. Januar 2019
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2019:090119U5STR466.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Januar 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof S. , Staatsanwältin als Gruppenleiterin K.
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 14. Mai 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Das hiergegen gerichtete Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der seit mindestens 2011 an einer paranoiden Psychose leidende Beschuldigte im September 2017 nach einem misslungenen Selbsttötungsversuch für die Dauer von zwei Wochen gemäß § 12 HmbPsychKG in einer geschlossenen Station für psychisch Kranke in H. untergebracht.
3
a) Fünf Tage nach seiner Aufnahme trank er ca. eine Flasche Korn, die von einem Mitpatienten eingeschmuggelt worden war. Er geriet in Streit mit einer Mitpatientin. Als eine Pflegerin schlichtend eingriff und den Beschuldigten aufforderte, auf sein Zimmer zu gehen, stritt er sich mit dieser, sagte: „Ich stech‘ dich ab“, lachte sie aus und kündigte an, ihr ins Gesicht zu spucken. Eine weite- re Pflegerin kam dazu, um beide voneinander zu trennen. Dabei entwickelte sich ein Gerangel. Der Beschuldigte ging schließlich hinter der einen Pflegerin her. Als diese sich zu ihm umdrehte, spuckte er ihr ins Gesicht und schlug ihr zunächst mit der flachen Hand, dann mit der Faust ins Gesicht. Länger anhaltende Schmerzen erlitt sie hierdurch nicht.
4
Wegen des Übergriffs wurde die Fixierung des Beschuldigten angeordnet. Ihm gelang es, zuvor aus seinem Zimmer ein Einhandmesser mit einer ca. zehn Zentimeter langen Klinge sowie eine Dose mit Reizgas zu nehmen und in seinen Hosenbund zu stecken. Nach dem Fixieren von Händen und Füßen äußerte er, er werde die zuvor verletzte Pflegerin und eine anwesende weitere Pflegerin abstechen. Er befreite seine linke Hand aus der Fixierung, ergriff sein Messer, schnitt die Fixiergurte für die rechte Hand und die Füße auf und wollte die Station verlassen. Dabei hielt er das Messer und das Reizgasspray sichtbar in den Händen. Einen Pfleger forderte er auf, die Tür zu öffnen, was dieser aus Angst vor einer Eskalation tat.
5
b) Von herbeigerufenen Polizeibeamten wurde der Beschuldigte in einem nahegelegenen Wohngebiet angetroffen. Er stand mittig auf der Fahrbahn und hielt Messer und Spray weiterhin in der Hand. Als er der Polizisten gewahr wur- de, die „Stehen bleiben, Polizei“ gerufen hatten, betätigte er einmal das Pfeffer- spray in Richtung von zwei Beamtinnen. Diese mussten zu seiner Verfolgung durch den Sprühnebel laufen, wodurch eine von ihnen einen eineinhalb Stun- den andauernden Hustenanfall erlitt. Der Beschuldigte sprühte ein zweites Mal in Richtung der anderen Polizistin, die hierdurch Schmerzen in den Augen verspürte , ließ dann Messer und Spray fallen und sich festnehmen. Er wurde zurück auf seine Station gebracht und dort erneut fixiert. Auf ihn wirkte im Tatzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von etwa 2,6 g/l ein.
6
c) Nach diesem Vorfall blieb der Beschuldigte weiterhin in der Klinik in einer geschlossenen Station. Nach ca. zwei Monaten Aufenthalt erhielt er erstmals Ausgang in den Hof der Klinik. Dort konsumierte er Alkohol, den er auf die Station geschmuggelt hatte. Absprachewidrig begab er sich in einen nahegelegenen Supermarkt, kaufte dort ein Küchenmesser mit ca. zehn Zentimeter langer Klinge und wollte mit einem vor dem Krankenhaus haltenden Taxi zu einer Bank fahren. Ein hinzugekommener Pfleger überredete ihn, wieder zurück ins Krankenhaus zu gehen. Als sie dieses erreichten, zog der Beschuldigte das noch verpackte Messer aus seiner Jacke und öffnete die Verpackung, wobei er sich an der Hand verletzte. Er hielt die Klinge nun in Richtung des Pflegers und eines Wachmanns und sagte: „Bleibt alle weg!“ Damit wolle er sie daran hindern , seine Flucht zu unterbinden. Als er wieder Richtung Parkplatz ging, redete der Pfleger auf ihn ein, was ihn schließlich dazu veranlasste, das Messer wegzuwerfen. Die Blutalkoholkonzentration betrug dabei 1,5 Promille.
7
2. Das Landgericht hat angenommen, die drei festgestellten Taten seien „im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB“ begangen wor- den. Der Beschuldigte leide seit mindestens 2011 an einer paranoiden Psychose , die auch Grund für seine Alkoholabhängigkeit sei. In allen drei Fällen sei es zu einer „erheblichen Einschränkung der Einsichtsfähigkeitin das Unrecht der Tat“ gekommen. An einer Unterbringung nach § 63 StGB hat sich die Straf- kammer gehindert gesehen, weil es sich bei den Anlasstaten nicht um erhebli- che Taten im Sinne von § 63 Satz 1 StGB handele und keine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehe, dass der Beschuldigte schwerwiegendere Taten begehen werde.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
9
1. Das Landgericht hat zu Unrecht die Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht.
10
a) Eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat, während die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat. Die Voraussetzungen des § 21 StGB sind in den Fällen der verminderten Einsichtsfähigkeit nur dann zu bejahen, wenn die Einsicht gefehlt hat und dies dem Täter vorzuwerfen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 26. Mai 2015 – 3 StR 143/15 mwN).
11
b) Dies hat das Landgericht ersichtlich nicht bedacht, denn es stellt wiederholt allein darauf ab, dass bereits die bloße Verminderung der Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten zur Anwendung von § 21 StGB führe. Dieser unzutreffende Ausgangspunkt der Schuldfähigkeitsbestimmung hat auch Auswirkungen auf die Prüfung der Voraussetzungen des § 63 StGB, nämlich des für die Anordnung erforderlichen Zustands bei Tatbegehung und der Gefährlichkeitsprognose.
12
2. Die an sich rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Tatgeschehen können nicht bestehen bleiben, weil sie den Beschuldigten belasten und er sie mangels Beschwer nicht mit einem Rechtsmittel angreifen konnte (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 542/11, NStZ-RR 2012, 355, 357).
13
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
a) Bei sicherem Ausschluss von Schuldunfähigkeit ist das Sicherungsverfahren nach § 416 StPO in das Strafverfahren überzuleiten. Das Sicherungsverfahren ist nach Wortlaut und Sinn des § 413 StPO für lediglich vermindert Schuldfähige nicht vorgesehen (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1982 – 4 StR 472/82, BGHSt 31, 132, 136).
15
b) Bezüglich der Gefährlichkeitsprognose wird zu bedenken sein, dass der Einsatz eines Pfeffersprays gegenüber Menschen in aller Regel eine erhebliche Tat im Sinne von § 63 Satz 1 StGB darstellt (vgl. näher BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 – 3 StR 174/18). Dies wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich ein solcher Angriff – wie nach den bisher getroffenen Feststellungen – gegen Polizeibeamte im öffentlichen Straßenraum richtet. Bei geringfügigeren Übergriffen innerhalb einer Betreuungseinrichtung stellt der Bundesgerichtshof zwar darauf ab, dass im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose aggressives Verhalten gegenüber damit erfahrenem Personal nicht ohne weiteres dem Verhalten in Freiheit gleichgestellt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 mwN). Auch bei der Gewichtung von Bedrohungen und einfachen körperlichen Attacken gegen Polizeibeamte ist in den Blick zu nehmen, dass Angriffe gegen Personen, die professionell mit derartigen Konfliktsituationen umgehen, dafür entsprechend geschult sind und in der konkreten Situation über besondere Hilfs- und Schutzmittel verfügen, möglicherweise weniger gefährlich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2017 – 4 StR 565/16, NStZ-RR 2017, 308, 309 mwN). Nach den bisherigen Feststellungen ist allerdings nicht ersichtlich, dass sich die betroffenen Polizeibeamtinnen wirksam gegen die Pfeffersprayattacken hätten wehren können.
16
Schließlich ist zu beachten, dass die vom Sachverständigen und der Strafkammer als eher für wahrscheinlich gehaltene Eigengefährdung durchaus auch mit einer erheblichen Fremdgefährdung einhergehen kann, selbst wenn ein nicht schuldfähig Handelnder mögliche Folgen für Dritte ausblendet (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 4 StR 435/09, NStZ-RR 2010, 105). Nach den bisherigen Feststellungen wollte sich der Beschuldigte Anfang September 2017 in einem Kellerraum des Klinikums H. durch Entzünden eines Einweggrills – und damit auch unter möglicher Gefährdung Dritter – selbst töten.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher