Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2008 - 5 StR 274/08

bei uns veröffentlicht am22.07.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Grenzen der nachträglichen Anordnung der Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung wegen mangelnder Therapiebereitschaft.
BGH, Urteil vom 22. Juli 2008 - 5 StR 274/08
LGDresden-
(alt: 5 StR 376/07)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 22. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Juli
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H. ,
Rechtsanwalt W.
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 5. Februar 2008 aufgehoben. Der Antrag auf nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Revisionsverfahren , und die notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.
3. Der Verurteilte ist für die vom 29. September 2006 bis zum 22. Juli 2008 gemäß § 275a Abs. 5 StPO vollzogene einstweilige Unterbringung zu entschädigen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Gegen den Verurteilten war bereits mit Urteil vom 23. April 2007 nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden. Nachdem der Senat durch Beschluss vom 10. Oktober 2007 – 5 StR 376/07 dieses Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hatte, hat das Landgericht erneut die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Verurteilten , mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft.

I.


2
1. Das Landgericht hat seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde gelegt:
3
a) Zwischen Oktober 1995 und September 1998 reiste der Verurteilte gemeinsam mit wechselnden Mittätern nach Tschechien, um dort kinderpornographische Aufnahmen zu machen. Er suchte den Kontakt mit Vätern und Müttern, die ihre Kinder gegen Bezahlung hierfür zur Verfügung stellten. An den Kindern – das jüngste war sieben Jahre alt – nahmen sodann der Angeklagte und sein Begleiter sexuelle Handlungen vor, oder die Kinder manipulierten auf Geheiß der Täter an deren Geschlechtsteilen. In einem Fall fand ein solches Geschehen in Deutschland statt. Dabei filmten oder fotografierten der Verurteilte und seine Tatgenossen die Handlungen, vor allem die Geschlechtsteile der Kinder, auch um das so entstandene Film- und Fotomaterial verkaufen zu können.
4
Deswegen erkannte das Landgericht Dresden am 27. August 1999 wegen vier Verbrechen (jeweils schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit einem Vergehen) und wegen 21 Vergehen (jeweils sexueller Missbrauch von Kindern teilweise in Tateinheit mit einem weiteren Vergehen) auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren. Für die vier zwischen Juni und September 1998 begangenen Verbrechen setzte das Landgericht Einzelfreiheitsstrafen zwischen zwei Jahren fünf Monaten und zwei Jahren neun Monaten, für die 21 Vergehen Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zwei Jahren drei Monaten fest. Die Maßregel der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB ordnete es nicht an. Ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen wurde festgestellt, dass bei dem Verurteilten eine „pädophile Neigung“ vorliege, die einen erheblichen Therapiebedarf erforderlich mache. Es liege ein „Ansatz zur Therapiebereitschaft“ vor, da der geständige Verurteilte überzeugt sei, durch seinen „starken Willen“ die pädophile Neigung überwinden zu können, hierbei aber um psychologische Unterstützung gebeten habe.
5
b) Nach Haftantritt im September 1999 ließ sich der Verurteilte im Jahre 2000 auf eine sozialtherapeutisch orientierte Station verlegen und meldete sich beim psychologischen Dienst. In den Gesprächen mit dem Psychologen, die er stets wahrnahm, stellte er aber pädophile Neigungen in Frage. Um diese weiter zu verschleiern, machte er zudem in Fragebögen falsche Angaben. Nachdem er zunächst nicht am Trainingskurs für soziale Kompetenz teilnehmen wollte, absolvierte er diesen schließlich doch, um in die sozialtherapeutische Anstalt verlegt zu werden; dort versprach er sich bessere Verdienstmöglichkeiten. Nach der gewünschten Verlegung im Dezember 2002 wurde er in der sozialtherapeutischen Abteilung in das Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter aufgenommen. Die angebotenen Einzel- und Gruppengespräche nahm er wahr, zeigte dabei aber „keinerlei Bestreben, seine Straftaten zu hinterfragen und Veränderungen ... zur Vermeidung künftiger Straftaten herbeizuführen“. Persönliche sexuelle Interessen bei den Taten stellte er weiterhin in Abrede; er wollte sich mit den Hintergründen nicht auseinandersetzen. Ein „Rückfallrisikomanagement“ lehnte er ab. Bei dieser Haltung blieb der Verurteilte auch nach einem Therapeutenwechsel. Nun nahm er einige Gesprächstermine nicht wahr. Nachdem ihm seine Therapeutin die Rückverlegung in Aussicht gestellt hatte, gab er an, die Therapie sei für ihn abgeschlossen, da er alle Gesprächstermine wahrgenommen habe. Aufgrund der als „unbeeinflussbar einzuschätzenden Persönlichkeitseigenschaften“ erfolgte schließlich im September 2005 die Rückverlegung in den Regelvollzug. Hier bemühte sich der Verurteilte um Kontakt zum Anstaltspsychologen. Nach dessen Einschätzung fehlte dem Verurteilten weiterhin jegliche Bereitschaft, sich mit seinen Straftaten auseinanderzusetzen. Ein „Risikomanagement“ lehnte der Verurteilte ab, da er wegen seines festen Willens nicht mehr rückfällig werden würde.
6
c) Bis zum 28. September 2006 verbüßte der Verurteilte die verhängte Freiheitsstrafe vollständig. Seit dem 29. September 2006 befindet er sich im Vollzug der einstweiligen Unterbringung gemäß § 275a Abs. 5 StPO.
7
2. Das Landgericht ist – nach Bejahung der formellen Voraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB – sachverständig beraten zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Verurteilten eine hohe Wahrscheinlichkeit erneuter Begehung erheblicher, potentielle Opfer schwer schädigender Straftaten der in § 66b Abs. 2 StGB vorausgesetzten Art begehen werde. Insoweit hält das Landgericht auch einen entsprechenden Hang des Verurteilten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB für gegeben, den es freilich für § 66b Abs. 2 StGB nicht für erforderlich hält (so BVerfG – Kammer – NJW 2006, 3483, 3484; a. A. BGHSt 50, 373, 381 f.). Die Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit ergebe sich aus Tatsachen, die erst während des Strafvollzugs erkennbar geworden seien.
8
a) Das Landgericht wertet – anders noch als die Strafkammer im vorangegangenen Rechtszug – die im Rahmen des Verfahrens zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung erstmals von zwei psychiatrischen Sachverständigen übereinstimmend gestellte Diagnose einer gefestigten und genuinen Pädophilie, die prognostisch ungünstig mit einer dissozialnarzisstischen Persönlichkeit kombiniert sei, nicht als eine erst während des Strafvollzugs erkennbar gewordene Tatsache. Im Anschluss an die Beurteilung der Sachverständigen führt es hierzu aus, dass bereits zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung genügend Anknüpfungstatsachen bekannt gewesen seien, die eine solche Diagnose durch einen Sachverständigen ermöglicht hätten.
9
b) Als neue Tatsachen im Sinne des § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB hat das Landgericht die mangelnde Bereitschaft des Verurteilten zur Mitarbeit an der Therapie gewertet. Hierin liege eine grundlegende Haltungsänderung des Verurteilten hinsichtlich der Wertung seiner Taten und seiner Therapiemoti- vation, die den Schluss auf eine gegenüber der Anlassverurteilung deutlich erhöhte Gefährlichkeit des Verurteilten zuließe. Daher lägen die Voraussetzungen für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung vor.

II.


10
Die Anwendung des § 66b StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
11
1. Der Senat nimmt die für die Annahme der formellen Voraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB maßgebliche Wertung des Landgerichts, dass die aus den Einzelstrafen für die vier Verbrechen – nur diese erfüllen die Voraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB – zu bildende hypothetische Gesamtfreiheitsstrafe (vgl. BGHSt 48, 100, 103) mindestens fünf Jahre betragen hätte , trotz gewisser Bedenken (vgl. hierzu Fischer, StGB 55. Aufl. § 66b Rdn. 13 und § 66 Rdn. 16) hin.
12
2. Indes stellt die Haltung des Verurteilten zu seinen Taten und zur Therapie keine neue Tatsache dar, die erst nach der Verurteilung erkennbar geworden ist. Zwar kann in der Verweigerung oder dem Abbruch einer Therapie eine solche Tatsache liegen (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2006, 3483, 3485; BGHSt 50, 121, 126; 275, 280 f.; BGH NStZ 2005, 561, 562). Dies setzt aber voraus, dass das für die Aburteilung der Anlasstaten zuständige Gericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung begründet annehmen konnte , der Verurteilte werde sich zur Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr einer erfolgversprechenden Therapie unterziehen (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 302; BGH, Urteil vom 23. März 2006 – 1 StR 476/05 Rdn. 22). Daran fehlt es hier.
13
Das Gericht der Anlassverurteilung hat weder eine ernsthafte Therapiewilligkeit des Verurteilten dargelegt, noch sich tragfähig eine Überzeugung von den Erfolgsaussichten einer solchen Therapie gebildet, die dessen er- kennbare Gefährlichkeit hätte beseitigen können. Dabei lässt der Senat offen , ob das Landgericht, was nicht fern liegt, an diese Beurteilung bereits aufgrund der ersten Revisionsentscheidung gebunden war (§ 358 Abs. 1 StPO).
14
a) Soweit der bei der Anlassverurteilung lediglich festgestellte „Ansatz zur Therapiebereitschaft“ im Zusammenhang mit der damaligen Geständnisund Offenbarungsbereitschaft des Verurteilten als ernsthafter Therapiewillen ausgelegt wird, begründet dies keinen belastbaren Veränderungswillen des Verurteilten hinsichtlich seiner sexuellen Devianz. Denn die Annahme der Therapiebereitschaft war allein auf die Darstellung des Verurteilten gegründet , er sei eine „Persönlichkeit mit einem starken Willen“ und er sei überzeugt , durch seinen starken Willen die pädophilen Neigungen überwinden zu können, er bitte aber um psychologische Unterstützung. Dass eine derart pauschal erklärte Bereitschaft, die zudem nahe liegend von zulässigen Verteidigungsinteressen mitbestimmt gewesen und die durch keine Tatsachen oder sachverständige Wertung gestützt worden ist, nicht geeignet gewesen sein kann, auf eine erfolgversprechende Therapiebereitschaft schließen zu lassen (vgl. BGH, Beschluss in dieser Sache vom 10. Oktober 2007 – 5 StR 376/07 S. 5), hat das Gericht der Anlassverurteilung selbst erkannt, da es nur von einem „Ansatz zur Therapiebereitschaft“ ausgegangen ist. Auch wenn – wie das Landgericht seiner Würdigung zugrunde legt – das damals zuständige Tatgericht durch diese Formulierung keine Abstriche an der Therapiewilligkeit deutlich machen wollte, kommt darin doch zum Ausdruck , dass die Tatsachenbasis nicht ausreichend war, um allein auf dieser Grundlage von einer Therapiemöglichkeit auszugehen, welche geeignet war, die offensichtliche Rückfallgefahr maßgeblich zu vermindern.
15
Auch aus der Art der Bekundung des Therapiewillens des Verurteilten haben sich gewichtige Einwände gegen seine ernsthafte und erfolgversprechende Therapiebereitschaft ergeben, mit denen sich das Ausgangsgericht nicht auseinandergesetzt hat. So imponieren die Angaben des Verurteilten dadurch, dass sie im Wesentlichen auf eine Selbstbeeinflussung ohne äußere Einflüsse bezogen sind. Äußerungen des Verurteilten nach dem Strafvollzug , die sich mit diesen Bekundungen bei der Anlassverurteilung inhaltlich decken, wie z. B., er habe eine „starke Persönlichkeit, die ihn befähige, keine Straftaten mehr zu begehen“, hat die jetzt zuständige Strafkammer mit sachverständiger Beratung als Ausdruck einer sich in seine narzisstische Persönlichkeitsstörung einfügende „Selbstüberschätzung“, in der auch der Wille zum Ausdruck komme, „sich von niemanden Vorschriften machen zu lassen“, gewürdigt. Es ist nicht ersichtlich, dass eine die Therapieaussichten derart relativierende , sogar mit auf eine Persönlichkeitsstörung des Verurteilten zurückgehende Bewertung der Haltung des Verurteilten zu therapeutischen Behandlungen nicht auch schon bei der Anlassverurteilung mit sachverständiger Hilfe möglich gewesen wäre. Dass dies tatsächlich unerkannt blieb, ist demgegenüber ohne Belang. Denn auch solche neu hervorgetretenen Umstände , die schon für das Tatgericht der Anlassverurteilung bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt mit Blick auf § 244 Abs. 2 StPO erkennbar waren, sind nicht neu im Sinne des § 66b StGB (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2006, 3483, 3484; BGHSt 50, 275, 278; 373, 379).
16
b) Aber auch wenn der Verurteilte zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung ernstlich therapiewillig gewesen wäre, läge in dem Misslingen der Therapiebemühungen keine neue Tatsache im Sinne des § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB. Eine voraussichtliche Erfolglosigkeit hätte schon dem Ausgangsgericht bekannt werden können (vgl. BVerfG – Kammer – aaO S. 3484, 3485; BGHSt 50, 121, 126 f.; 373, 379 m.w.N.).
17
Das Ausgangsgericht ging ohne den gebotenen sachverständigen Rat von einer bloßen pädophilen Neigung des Verurteilten aus. Es wäre indes, was das Landgericht konzediert, in der Lage gewesen, die damals wie heute unverändert bestehende Gefährlichkeit des Verurteilten als auf seiner verfestigten Pädophilie in prognostisch ungünstiger Kombination mit einer dissozial -narzisstischen Persönlichkeitsstörung beruhend zu erkennen. Es kann dahinstehen, ob solches schon die Erfolgsaussichten einer Therapie gänzlich beseitigt hätte; jedenfalls steht die dem Ausgangsgericht mögliche – indes nicht vorgenommene – zutreffende Bewertung der sexuellen Devianz und der psychischen Befindlichkeit des Verurteilten der Annahme einer prognostischen Sicherheit hinsichtlich des Erfolgs einer Therapie zur Beseitigung der vom Verurteilten ausgehenden Gefahr als damals tragfähige Voraussetzung für ein Absehen von der Maßregel der Sicherungsverwahrung entgegen (vgl. BVerfG – Kammer – aaO; BGH NStZ 2000, 587, 589).
18
Zwar hat das Landgericht in dem zur revisionsgerichtlichen Überprüfung gestellten Urteil sachverständig beraten ausgeführt, dass der Verurteilte „aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten grundsätzlich therapiefähig“ gewesen sei und daher auch bei Hinzuziehung eines Sachverständigen bei der Anlassverurteilung „kein vernünftiger Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Therapiewunsches bestanden“ hätte. Bei dem „Tätertyp des Verurteilten sei Therapiefähigkeit nicht von vornherein ausgeschlossen“. Diese Bewertung ist jedoch nicht geeignet, die gebotene hohe Prognosesicherheit hinsichtlich des Gelingens der Therapie zu belegen. Denn selbst aus diesen eher allgemein gehaltenen Ausführungen, welche die in der Persönlichkeit des Verurteilten wurzelnden und bei der Anlassverurteilung erkennbaren Umstände nicht einbeziehen , folgt nur die grundsätzliche Therapiefähigkeit; zu den konkreten Erfolgsaussichten lässt sich daraus noch nichts entnehmen.
19
Darüber hinaus ergeben sich vorliegend aus den Urteilsausführungen zur Persönlichkeit des Verurteilten gewichtige Anhaltspunkte, die gegen die tragfähige Annahme der Erfolgsaussicht einer Therapie aus Sicht der Anlassverurteilung bei hinreichend sorgfältiger Sachaufklärung sprechen. So ist festgestellt, dass die Behandlung in der sozialtherapeutischen Anstalt aufgrund seiner als „unbeeinflussbar einzuschätzenden Persönlichkeitseigenschaften“ abgebrochen wurde. Auch kommt das Landgericht – den beiden Sachverständigen folgend – zu dem Schluss, der Verurteilte weise eine „therapieveränderungsresistente Persönlichkeitsstruktur“ auf. Die Strafkammer hat nicht dargelegt, dass diese Eigenschaften des Verurteilten und das hieraus resultierende Gefährlichkeitspotenzial nicht schon bei der Anlassverurteilung erkennbar gewesen wären. Dass diese einer günstigen Therapieprognose entgegenstehenden Tatsachen von einem Sachverständigen bei der Anlassverurteilung nicht schon zumindest im Ansatz erkannt worden wären, liegt nach Beurteilung der jetzt gehörten Sachverständigen (UA S. 80) gänzlich fern.
20
c) Angesichts dieser, zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung bereits zu Tage liegenden, gegen eine Erfolgsaussicht einer Therapie sprechenden gewichtigen Umstände hätte es demnach bereits dem über die Anlasstaten befindenden Gericht offen gestanden, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Allgemeinheit zu ergreifen (vgl. BVerfG – Kammer – aaO S. 3484); es wäre zu deren Prüfung – ebenso wie die Staatsanwaltschaft durch entsprechende Anträge bereits in der Anklage und in der Hauptverhandlung – gehalten gewesen. Hat das Ausgangsgericht – wie hier – dennoch von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen, weil es die Beseitigung der vom Verurteilten ausgehenden Gefahr durch eine Therapie erwartet hat, und wird diese Erwartung auf Grund bereits dem Ausgangsgericht erkennbarer Umstände enttäuscht, darf die Maßregel der nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht als Korrektiv der unrichtigen Prognose herangezogen werden (vgl. BVerfG – Kammer – aaO). Die Vorschrift des § 66b StGB dient nämlich nicht der Korrektur rechtsfehlerhafter früherer Entscheidungen (BVerfG – Kammer – aaO S. 3484; BGHSt 50, 373, 379; BGH NStZ-RR 2007, 370, 371; BGH StV 2008, 303, zur Aufnahme in BGHSt bestimmt ; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2007 – 3 StR 378/07). Das hat zur Folge, dass trotz der damals wie auch heute vorliegenden hohen Wahrscheinlichkeit für die Begehung neuer Sexualdelikte das – auch von der Staatsanwaltschaft im Ausgangsverfahren akzeptierte – Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht durch die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung geheilt werden kann.
21
3. Der Senat schließt angesichts der umfassenden, durchweg sorgfältigen Darlegungen im angefochtenen Urteil aus, dass sich in einem weiteren Verfahren noch Umstände ergeben könnten, die als neue Tatsachen die Verhängung der Maßregel rechtfertigen könnten. Er entscheidet daher selbst, dass die Maßregelanordnung entfällt.

III.


22
Der Verurteilte ist für die einstweilige Unterbringung zu entschädigen. Es handelt sich um eine Strafverfolgungsmaßnahme nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 StrEG (BGH StV 2008, 303, 304; BGH StraFo 2008, 266 m.w.N.). Der Senat ist nach § 8 StrEG für den Ausspruch über die Verpflichtung zur Entschädigung zuständig, weil er eine verfahrensabschließende Entscheidung getroffen hat. Weitere, vom Tatrichter zu treffende Feststellungen sind nicht mehr erforderlich. Umstände, die zum Ausschluss oder der Versagung der Entschädigung Anlass geben könnten, liegen nicht vor.
23
Dem Landgericht obliegen die Entscheidungen im Zusammenhang mit der kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 68f StGB), in deren Rahmen angesichts der belegten fortbestehenden Gefährlichkeit des Verurteilten dessen möglichst engmaschige Einbindung anzustreben sein wird.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

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Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 8 Entscheidung des Strafgerichts


(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligte

Strafgesetzbuch - StGB | § 66b Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidu

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 2 Entschädigung für andere Strafverfolgungsmaßnahmen


(1) Wer durch den Vollzug der Untersuchungshaft oder einer anderen Strafverfolgungsmaßnahme einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit er freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird oder soweit das Geric

Strafprozeßordnung - StPO | § 275a Einleitung des Verfahrens; Hauptverhandlung; Unterbringungsbefehl


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Strafgesetzbuch - StGB | § 68f Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes


(1) Ist eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten oder eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Straftaten der in § 181b genannten Art vollständig

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bei uns veröffentlicht am 10.10.2007

5 StR 376/07 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 10. Oktober 2007 in der Strafsache gegen wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2007 beschlossen: 1.

Bundesgerichtshof Urteil, 23. März 2006 - 1 StR 476/05

bei uns veröffentlicht am 23.03.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 476/05 vom 23. März 2006 in der Strafsache gegen wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 21. März 2006 in

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Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten Zeitpunkt ergehen kann. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Absatz 6 Satz 1 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b des Strafgesetzbuches) zuständig ist. Beabsichtigt diese, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der betroffenen Person mit. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem Vorsitzenden des Gerichts übergeben.

(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.

(3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme.

(4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.

(5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden.

(6) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend.

5 StR 376/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Oktober 2007
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 23. April 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Verurteilten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht ist bereits rechtsfehlerhaft vom Vorliegen der formellen Voraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB ausgegangen. Der Verurteilte ist vom Landgericht Dresden am 27. August 1999 wegen vierer Verbrechen (jeweils schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit einem Vergehen) und wegen 21 Vergehen (jeweils sexueller Missbrauch von Kindern teilweise in Tateinheit mit einem weiteren Vergehen) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Die hypothetische Gesamtstrafe (vgl. BGHSt 48, 100, 103; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 66b Rdn. 11a) von fünf Jahren wegen Katalogtaten nach § 66b Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Landgericht nunmehr aber nicht nur aufgrund der Einzelstrafen für die Verbrechen gebildet, sondern auch die Einzelstrafen für fünf Taten des sexuellen Missbrauchs von Kindern im besonders schweren Fall (§ 176 Abs. 3 StGB a. F.) einbezogen, dabei freilich nicht beachtet, dass gemäß § 12 Abs. 3 StGB das Vorliegen eines Regelbeispiels und die damit mögliche Strafrahmenverschiebung die Einordnung als Vergehen unberührt lässt. Angesichts der für die Verbrechen verhängten Einzelfreiheitsstrafen von nicht mehr als zwei Jahren und neun Monaten und der gebotenen restriktiven Auslegung versteht es sich nicht von selbst, dass bei Wegfall der Einzelstrafen für Nicht-Katalogtaten die Gesamtfreiheitsstrafe jedenfalls fünf Jahre betragen hätte.
3
2. Zudem sind neue Tatsachen, die erst nach der Verurteilung erkennbar geworden sind und auf eine erhebliche Gefährlichkeit hinweisen, nicht tragfähig festgestellt.
4
a) Soweit die Strafkammer die nunmehr gestellte Diagnose einer gefestigten und genuinen Pädophilie, die prognostisch ungünstig mit einer dissozial -narzistischen Persönlichkeit kombiniert sei, als neue Tatsache im Sinne des § 66b StGB wertet, legt sie nicht hinreichend dar, wieso diese Eigenschaften des Verurteilten und die hieraus resultierende Gefährlichkeit nicht schon bei der Anlassverurteilung erkennbar waren. Denn auch solche neu hervorgetretenen Umstände, die schon für den früheren Tatrichter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt mit Blick auf § 244 Abs. 2 StPO erkennbar waren, sind nicht neu im Sinne des § 66b StGB (BGHSt 50, 275, 278; 373,

379).


5
Bei der Anlassverurteilung ist festgestellt worden, dass sich der Verurteilte bereits seit seinem 21. Lebensjahr vom Anblick nackt badender junger Mädchen im „frühpubertären Alter“ sexuell stimulieren ließ, er sein „pädophiles Interesse an kinderpornographischen Schriften“ seit 1989 bzw. 1990 verfolgte , seit 1992 an FKK-Stränden heimliche Aufnahmen von Kindern machte und seit 1994 Fahrten nach Tschechien unternahm, um dort pornographische Darstellungen von Kindern herstellen zu können, wobei es zwischen 1995 und 1998 zu den abgeurteilten, sich in ihrer Intensität steigernden Straf- taten kam. Trotz dieser zahlreichen Anknüpfungstatsachen ist der Verurteilte nicht psychiatrisch untersucht worden. Angesichts der Auffälligkeiten wäre indes die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Aufklärung, ob eine Maßregel nach §§ 66, 66a StGB anzuordnen ist, geboten gewesen. Dass ein damals bestellter Sachverständiger – wie das Landgericht meint – die Pädophilie und die Persönlichkeitsakzentuierung nicht festgestellt haben würde, ist nicht nachvollziehbar belegt. Der Umstand, dass die Anstaltspsychologen während des Vollzuges der Freiheitsstrafe nicht davon ausgingen, der Verurteilte sei „kernpädophil“, lässt keine Rückschlüsse auf die Erkenntnismöglichkeiten eines psychiatrischen Sachverständigen zu. Dies gilt vor allem, da die Diagnosemethoden eines forensisch tätigen Psychiaters (vgl. insoweit Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß NStZ 2005, 57) der vom Landgericht festgestellten Arbeitsweise der Anstaltspsychologen (UA S. 49) nicht ähnlich erscheinen. Zudem hat auch das frühere Tatgericht ohne sachverständige Beratung immerhin feststellen können, dass der Angeklagte von „vorherrschenden pädophilen Neigungen in der Tatzeit zunehmend vereinnahmt“ wurde. Dass einem psychiatrischen Sachverständigen auf dieser Tatsachengrundlage eine sachverständige Diagnose der Pädophilie und der Persönlichkeitsakzentuierung nicht möglich gewesen wäre, ist danach eher fernliegend. Denn auch die für die aktuelle Diagnose mitgeteilten maßgeblichen Anknüpfungstatsachen waren damals schon bekannt. Dass diese erstmals im Verfahren nach § 66b StGB der sachverständigen Bewertung unterbreitet wurden, ist demgegenüber ohne Belang (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 302; NStZ 2006, 276,

278).


6
b) Auch die mangelhafte Mitarbeit in der sozialtherapeutischen Einrichtung stellt keine neue Tatsache im Sinne des § 66b Abs. 1 StGB dar. Zwar kann in der Verweigerung oder dem Abbruch einer Therapie eine solche Tatsache liegen, wenn auch dieser Umstand allein für die Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung grundsätzlich nicht genügt (BGHSt 50, 121, 126; BGH NStZ 2005, 561, 562). Die Therapieverweigerung kann allerdings nur dann als berücksichtigungsfähige neue Tatsache ange- sehen werden, wenn das früher zuständige Tatgericht zum Zeitpunkt seiner Verurteilung begründet annehmen konnte, der Verurteilte werde sich einer Therapie unterziehen (BGHSt 50, 275, 281; BGH NStZ-RR 2006, 302). Daran fehlt es hier. Denn bei der Anlassverurteilung ist das Tatgericht zwar von einem Ansatz zur Therapiebereitschaft ausgegangen. Dies hat sich allerdings allein auf der Darstellung des Angeklagten gegründet, er sei eine „rational bestimmte Persönlichkeit mit einem starken Willen“ und er sei überzeugt , durch seinen starken Willen die pädophilen Neigungen überwinden zu können, er bitte aber um psychologische Unterstützung. Das frühere Tatgericht durfte nicht aufgrund dieser Tatsachen von einer erfolgversprechenden Therapiemöglichkeit ausgehen und etwa deshalb keine Sicherungsverwahrung anordnen.
7
c) Schließlich stellen auch die Äußerungen des Verurteilten, er werde in Zukunft von „Zigeunermädchen“ in Rumänien pornographische Aufnahmen fertigen, keine neuen Tatsachen dar, da sich hierin nur die schon damals erkennbare Wiederholungsgefahr manifestiert. Soweit das Landgericht eine Steigerung gegenüber seiner bisherigen Taten durch sadistische Gewalt befürchtet, handelt es sich um eine bislang durch nichts belegte Vermutung und damit um keinen Umstand, dem die erforderliche erhebliche Indizwirkung für eine solche Bereitschaft und damit für die Gefährlichkeit des Verurteilten zukommt.
8
3. Der Senat sieht davon ab, in der Sache selbst zu entscheiden, da er es zwar für fernliegend, aber nicht sicher ausschließbar erachtet, dass die aktuelle psychiatrische Beurteilung etwa doch auf früher nicht erkennbaren erheblichen neuen Anknüpfungstatsachen beruht. Das Landgericht ist bisher dieser Frage bezogen auf einzelne Anknüpfungstatsachen nicht vertieft unter Darlegung der sachverständigen Bewertung nachgegangen.
9
Der neue Tatrichter wird das Verfahren angesichts der andauernden vorläufigen Unterbringung besonders zügig zu bearbeiten haben. Es wird zu beachten sein, dass § 66b StGB nicht der Korrektur rechtsfehlerhafter früherer Entscheidungen dient (BVerfG – Kammer – NJW 2006, 3483; BGHSt 50, 373, 379), mithin die damals wie auch heute vorliegende außerordentlich hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung durchaus erheblicher neuer Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen nicht alleinige Grundlage für die nachträgliche Sicherungsverwahrung sein kann. Ein auch von der Staatsanwaltschaft rechtsfehlerhaft vorschnell akzeptiertes Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung bei der Anlassverurteilung kann nicht durch die Anwendung von § 66b StGB revidiert werden.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Jäger

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten Zeitpunkt ergehen kann. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Absatz 6 Satz 1 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b des Strafgesetzbuches) zuständig ist. Beabsichtigt diese, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der betroffenen Person mit. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem Vorsitzenden des Gerichts übergeben.

(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.

(3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme.

(4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.

(5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden.

(6) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 476/05
vom
23. März 2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
21. März 2006 in der Sitzung am 23. März 2006, an denen teilgenommen haben
:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Betroffenen wird das Urteil des Landgerichts Passau vom 10. Juni 2005 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Betroffenen die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet und ihn sogleich in die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus überwiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Betroffenen, die die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Der im Jahr 1934 geborene Betroffene erlitt 1955 bei einem Motorradunfall eine Schädelbasisfraktur, in deren Folge es bei ihm zu einer organischen Persönlichkeitsstörung kam. Ein schon damals festgestellter frontaler Hirnsubstanzdefekt führte zu einem fortschreitenden Persönlichkeitsabbau. 1994 wurde er wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt, im selben Jahr auch wegen dreier Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er hatte ein Kind jeweils auf den Arm genommen, ihm unter dem T-Shirt an die Brust und über der Kleidung an die Scheide gefasst und ihm schließlich Zungenküsse gegeben. Eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit zur Tatzeit konnte nicht ausgeschlossen werden. Nach Verlängerung der Bewährungszeit wurde die Freiheitsstrafe Ende 1997 erlassen.
4
Das Landgericht Passau verurteilte den Betroffenen schließlich am 16. März 1999 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten (Einzelstrafen jeweils zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe; sog. Anlassverurteilung in dieser Sache). Er hatte im Sommer 1986 von der damals 12-jährigen Tochter einer Frau, deren Liebhaber er war, den Geschlechtsverkehr erzwungen, indem er dem Kind drohte, sonst seine Schwester "zu gebrauchen". Da sich das Mädchen nicht einschüchtern ließ und sich wehrte, packte er es, riss ihm die Hose herunter und warf es auf eine Couch. Er drückte es an den Schultern nieder und führte den ungeschützten Verkehr bis zum Samenerguss durch. Zwei Wochen nach diesem Vorkommnis wiederholte sich der Vorgang. Wegen zweier ähnlich liegender Taten zum Nachteil der Schwester des Opfers stellte das Landgericht das Verfahren wegen Verjährung ein.
5
Der Betroffene verbüßte die verhängte Freiheitsstrafe vollständig. Für die Zeit nach der Vollstreckung der Strafe ordnete das Landgericht Bayreuth mit Beschluss vom 6. Februar 2002 für die Dauer von fünf Jahren Führungsaufsicht an und brachte den Betroffenen darüber hinaus mit Beschluss vom 10. April 2002 nach dem Bayerischen Gesetz zur Unterbringung besonders rückfallgefährdeter hochgefährlicher Straftäter (BayStrUBG) unbefristet in einer Justiz- vollzugsanstalt unter. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 wurde der Vollzug dieser Anordnung für die Dauer eines Jahres ausgesetzt und dem Betroffenen auferlegt, in einem Seniorenhaus Aufenthalt zu nehmen. Da es dort im Januar und Februar 2004 zu sexuellen Übergriffen auf demente Mitbewohnerinnen kam, widerrief die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 26. März 2004 die Aussetzung. Der Betroffene wurde wieder in den Unterbringungsvollzug genommen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Bundesländern mit Urteil vom 10. Februar 2004 die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass landesrechtlicher sicherungsverwahrender Vorschriften aus verfassungsrechtlichen Gründen abgesprochen und die Geltung solcher Bestimmungen bis zum 30. September 2004 befristet hatte (BVerfGE 109, 190), überwies die Strafvollstreckungskammer den Betroffenen nach § 67a Abs. 2 StGB in die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Dort befindet er sich seither, mittlerweile aufgrund Unterbringungsbeschlusses nach § 275a Abs. 5 StPO.
6
2. Unter der Zwischenüberschrift "Neuere Entwicklung des Betroffenen" hat die Strafkammer sodann weiter festgestellt:
7
Der Betroffene unterzog sich während des Strafvollzugs nach seiner Verurteilung im Jahr 1999 wegen der beiden 1986 begangenen Vergewaltigungstaten keinerlei psychotherapeutischen Maßnahmen. Eine Sexualtherapie lehnte er stets ab. Ebenso stritt er auch in der Haft die Taten ab und entzog somit möglichen therapeutischen Maßnahmen jegliche Grundlage. Aufgrund bestehender Störungen im kognitiven Bereich und im Hinblick auf die während der Haftzeit fortgeschrittene hirnorganische Persönlichkeitsstörung vermag er die Grenzen zu sexuell deviantem Verhalten nicht zu erkennen und nicht zu reflektieren.
8
Dies führte dazu, dass er sich während seines Aufenthalts in dem Seniorenhaus wiederholt an Mitbewohnerinnen heranmachte, diese an Orte verbrachte , welche vom Pflegepersonal nicht beobachtet wurden, dort deren Unterkörper entkleidete und ihnen die Windelhose öffnete oder die Unterhose auszog , um sich daran sexuell zu ergötzen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Vorfälle:
9
- Am 14. Januar 2004 fand eine Pflegekraft die an ausgeprägter Demenzerkrankung leidende Heimbewohnerin B. im Zimmer des Betroffenen mit völlig entkleidetem Unterkörper vor, während sich der Betroffene im Badezimmer aufhielt und gerade dabei war seine Hose hochzuziehen.
10
- Am 2. Februar 2004 öffnete der Betroffene im Zimmer der ausgeprägt demenzkranken Bä. deren Windelhose und fasste sie am Intimbereich an. Dabei wurde er von einer Pflegerin angetroffen, die "ihn schimpfte" und fortschickte.
11
- Am 14. Februar 2004 kam eine Pflegekraft hinzu, als er Frau Bä. eine "doppelte Windelhose" machte, indem er ihr die Unterhose auszog und über der Windel eine grüne Windel anzog.
12
- An einem weiteren nicht näher bestimmbaren Tag im Januar oder Februar 2004 traf eine Pflegekraft den Betroffenen dabei an, wie er Frau Bä. auf dem Gang vor den Zimmern von oben in das T-Shirt langte und an ihrer Brust manipulierte.
13
3. Bei seiner Gesamtwürdigung hat das Landgericht angenommen, dass vom Betroffenen eine erhebliche Gefahr für die sexuelle Selbstbestimmung Anderer ausgehe. Krankheitsbedingt sei bei ihm keine Reflektionsfähigkeit mehr vorhanden. Aufgrund seiner organischen Persönlichkeitsstörung sei er nicht mehr in der Lage, im Sexualbereich Grenzen zu erkennen. Wegen seiner erstmals in der Haft aufgetretenen Erektionsstörungen sei auch nach Auffassung der beiden gehörten Sachverständigen erfahrungsgemäß mit der Zuwendung zu immer jüngeren Kindern als Ersatzobjekten zu rechnen, von denen kein unüberwindbarer Widerstand zu erwarten sei, ebenso aber auch mit Ersatzhandlungen und impulsiven Übersprungshandlungen. Diese Entwicklung des Betroffenen spiegele sich in seinen Taten im Seniorenheim wider, wo er sich zwar nicht mehr an Kindern, aber doch an widerstandsunfähigen Personen vergangen habe. Bei ihm liege eine sexuelle Störung mit Steigerung der sexuellen Appetenz vor. Auch wenn man Handlungen wie beispielsweise das "Begrabschen" nicht als erheblich einstufen wolle, so gehe vom Betroffenen gleichwohl eine erhebliche Gefahr für die sexuelle Selbstbestimmung Anderer aus. Angesichts der kognitiven Defizite und der mangelnden Reflektionsfähigkeit des Betroffenen bestehe situationsbedingt immer die konkrete Gefahr, dass sich - ausgehend von den Reaktionen des Opfers - auch gravierende Straftaten entwickeln könnten.
14
4. Das Landgericht geht bei seiner rechtlichen Würdigung vom Vorliegen der Voraussetzungen für die nachträgliche Sicherungsverwahrung aus und knüpft an die Verurteilung durch das Landgericht Passau vom 16. März 1999 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen an (§ 66b Abs. 1 StGB). Der Hang des Betroffenen, erhebliche Straftaten zu begehen, werde durch die Vorstrafen wegen der Vergewaltigung junger Mädchen belegt. Dieser Hang habe weder während der Haft noch wegen des fortgeschrittenen Alters des Betroffenen ein Ende gefunden. Aufgrund der organischen Persönlichkeitsstörung wirke sich das zunehmende Alter vielmehr sogar gefahrerhöhend aus.
15
Vor Ende der Haftzeit seien Tatsachen erkennbar geworden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit hinwiesen. Er habe während der Haftzeit jegliche Sexualtherapie verweigert und sei nicht therapiefähig , weil er die begangenen Taten immer geleugnet habe. Krankheitsbedingt fehle ihm die Reflektionsfähigkeit über ein mögliches sexualdeviantes Verhalten. Das beruhe auf der organischen Persönlichkeitsstörung als Nachwirkung eines unfallbedingten Hirnsubstanzdefekts, der zu einem fortschreitenden Persönlichkeitsabbau führe. Bei den genannten Gesichtspunkten handele es sich "allesamt um Umstände, die erst in der Haft aufgetreten bzw. - wie der hirnorganische Abbau - fortgeschritten" seien. Die Vorfälle im Seniorenheim belegten die geschilderten Tatsachen bezüglich der Entwicklung des Betroffenen , deren Ursachen und Fortschritt erst in der Haft erkennbar geworden seien.
16
5. Die mit dem Urteil ausgesprochene Überweisung des Betroffenen in die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus begründet die Strafkammer damit, dass diese von beiden Sachverständigen ausdrücklich empfohlen worden sei. Die organische Persönlichkeitsstörung des Betroffenen und die Auffälligkeiten unterstrichen das Erfordernis einer hochqualifizierten therapeutischen und pflegerischen Betreuung. Dort könne auch erprobt werden, ob durch eine etwaige medikamentöse Intervention die Verhaltensauffälligkeiten gebessert werden könnten. Deshalb halte auch die Kammer die Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus für sachgemäß. Dafür biete das Gesetz aber gegenwärtig keine ausdrückliche Möglichkeit. Zwar sei parallel zum gegenständlichen Verfahren betreffend die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung ein objektives Sicherungsverfahren nach den §§ 413 ff. StPO beim Landgericht Hof anhängig. Dessen Gegenstand sei der sexuelle Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person, nämlich der demenzkranken Frau Bä. (Manipulation an der Brust; vgl. oben, vierter Vorfall). Der Ausgang jenes Verfahrens sei für die Kammer jedoch nicht absehbar und nicht beeinflussbar. Die unmittelbare Anwendung des § 67a Abs. 2 StGB sei nicht möglich. Der Fall zeige jedoch, dass hier ein Bedürfnis für eine gleichzeitige resozialisie- rungsfördernde Überweisung in die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bestehe, obgleich die Anordnungsvoraussetzungen für diese Maßnahme (§ 63 StGB) nicht vorlägen.

II.


17
Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es läßt besorgen , das Landgericht könne Umstände als "neue Tatsachen" im Sinne der gesetzlichen Voraussetzungen für die nachträgliche Sicherungsverwahrung (§ 66b Abs. 1 StGB) behandelt haben, die von Rechts wegen nicht berücksichtigungsfähig sind oder bei denen dies nach den Urteilsgründen zumindest zweifelhaft ist und unklar bleibt. Das erweist sich als Darlegungs- und Erörterungsmangel , der zur Aufhebung des Urteils führt.
18
1. Die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung setzt voraus, dass vor Ende des Vollzuges der Freiheitsstrafe aus der Anlassverurteilung Tatsachen erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit hinweisen (§ 66b Abs. 1 StGB). "Neue Tatsachen" im Sinne des § 66b StGB sind nur solche, die nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Anlassverurteilung) und vor Ende des Vollzuges der verhängten Freiheitsstrafe bekannt oder erkennbar geworden sind (vgl. BGH NJW 2005, 3078, 3080; NStZ 2005, 561, 562; NJW 2006, 531, 535). Aber auch Umstände, die für einen sorgfältigen Tatrichter bei der Anlassverurteilung erkennbar oder aufklärungsbedürftig waren, sind nicht neu im Sinne des § 66b StGB (BGH NStZ 2006, 155, 156). Darüber hinaus müssen die neuen Tatsachen eine "gewisse Erheblichkeitsschwelle" überschreiten (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks. 15/2887, S. 12). Sie müssen schon für sich Gewicht haben und ungeachtet der notwendigen Gesamtwürdi- gung aller Umstände auf eine erhebliche Gefahr der Beeinträchtigung des Lebens , der körperlichen Unversehrtheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Anderer durch den Betroffenen hindeuten (BGH NJW 2006, 531, 535).
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2. Die vom Landgericht angeführte "neuere Entwicklung" des Betroffenen weist Tatsachen aus, die die Unterbringung in der nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht oder jedenfalls nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen vermögen.
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Die Strafkammer hat in einem eigenständigen Abschnitt der Urteilsgründe die "neuere Entwicklung" des Betroffenen dargestellt. Dabei hat sie seine fehlende Therapiebereitschaft und sein Bestreiten der Anlasstaten auch in der Strafhaft, den fortschreitenden hirnorganischen Abbau sowie die sexualbezogenen Verhaltensweisen im Umgang mit demenzkranken pflegebedürftigen Frauen während seines Aufenthaltes in einem Seniorenheim angeführt. Diese Gesichtspunkte hat sie auch in der abschließenden rechtlichen Bewertung aufgegriffen , aber nicht verdeutlicht, ob sie in bestimmten Umständen etwa keine neuen Tatsachen gesehen und diese lediglich bei der Gesamtwürdigung und Prognose herangezogen hat. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe spricht eher dafür, dass sie in allen Umständen, die sie unter der "neueren Entwicklung" des Betroffenen aufgeführt hat, neue Tatsachen im Sinne des § 66b StGB gesehen hat. Insoweit gilt:
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a) Die sexualbezogenen Vorfälle im Seniorenheim haben hier als "neue Tatsachen" von vornherein außer Betracht zu bleiben, weil sie sich nicht während des Vollzuges der Freiheitsstrafe ereignet haben. Vielmehr befand sich der Betroffene in dem in Rede stehenden Zeitraum in einer nachträglichen landes- rechtlichen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, die ausgesetzt war. Für diese sog. Übergangsfälle hat der Gesetzgeber nochmals ausdrücklich das bestätigt, was sich bereits aus dem Wortlaut des § 66b Abs. 1 StGB ergibt: Umstände aus der landesrechtlichen Unterbringung (nach BayStrUBG) sind keine neuen Tatsachen im Sinne des § 66b StGB (Art. 1a Satz 2 EGStGB; so auch die Gesetzesbegründung BTDrucks. 15/2887, S. 20). Sie können allenfalls bei der anzustellenden Gefährlichkeitsprognose mit berücksichtigt werden (vgl. Gesetzesbegründung aaO).
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b) Hinsichtlich der danach verbleibenden Umstände, die als "neue Tatsachen" im Sinne des Gesetzes nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich berücksichtigungsfähig sind, lässt sich den Urteilsgründen nicht eindeutig entnehmen, ob sie bereits für den früheren Tatrichter erkennbar oder ihm sogar bekannt waren. Die Strafkammer hat sich damit nicht in nachprüfbarer Weise auseinandergesetzt. In den Urteilsgründen klingt jedoch an, dass der Betroffene die Anlasstaten auch schon im Erkenntnisverfahren bestritten hat. Dies ist dem Senat auch aufgrund seiner Befassung mit der seinerzeitigen Revision des Betroffenen gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 16. März 1999 bekannt (1 StR 547/99). Damit liegt nahe, dass auch in der Therapieverweigerung des Betroffenen keine neue Tatsache gesehen werden kann; das wäre nur dann der Fall, wenn das Ursprungsgericht zum Zeitpunkt der Verurteilung davon hätte ausgehen können, der Betroffene werde sich im Strafvollzug einer Erfolg versprechenden Therapie unterziehen (BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - 4 StR 483/05 = NStZ 2006, 155; Beschluss vom 19. Januar 2006 - 4 StR 393/05 - Umdruck S. 12; vgl. zur eingeschränkten Bedeutung fehlender Therapiebereitschaft weiter BVerfGE 109, 190, 241; BGH NJW 2005, 2022, 2024; Bericht des Rechtsausschusses BTDrucks. 15/3346, S. 17).
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c) Ähnlich liegt es für den vom Landgericht festgestellten frontalen Hirnsubstanzdefekt, der sich in der Folge eines schweren Motorradunfalls entwickelt hat, den der Betroffene bereits im Jahr 1955 erlitt. Schon in früherer Zeit war bei ihm ersichtlich in dessen Folge bei strafbaren Handlungen eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit nicht auszuschließen. Das Landgericht hätte sich deshalb damit auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit es sich bei dieser Entwicklung um eine schon für den Tatrichter der Anlasstat erkennbare neue Tatsache gehandelt hat und, wenn ja, ob gegebenenfalls allein das Fortschreiten des Hirnsubstanzdefekts als einzig verbleibende neue Tatsache die Unterbringung in der nachträglichen Sicherungsverwahrung rechtfertigen könnte (vgl. für einen erstmals festgestellten frontal betonten Hirnsubstanzdefekt als "neue Tatsache" BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - 4 StR 483/05 - Umdruck S. 6 = NStZ 2006, 155, 156). Das Revisionsgericht vermag diese Bewertung, die tatrichterliche Aufgabe ist, grundsätzlich nicht zu ersetzen.
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3. Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung kann mithin keinen Bestand haben. Schon deshalb entfällt auch die zugleich ausgesprochene Überweisung des Betroffenen in den Vollzug der Maßregel nach § 63 StGB. Diese rechtliche Bewertung entspricht insoweit auch dem vom Generalbundesanwalt in der Revisionshauptverhandlung gestellten Antrag, der von seiner Antragsschrift abweicht.

III.


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Der Senat sieht im Blick auf die erforderliche Neuverhandlung der Sache Anlass zu den nachfolgenden Hinweisen:
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1. Das Landgericht, dem die durch den Bundesgerichtshof herausgebildeten Maßstäbe zur Auslegung des § 66b StGB zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht bekannt sein konnten, wird nunmehr zu prüfen haben, ob neue, erstmals in der Strafhaft des Betroffenen hervorgetretene erhebliche Tatsachen feststellbar sind, die bei Aburteilung der Anlasstaten nicht erkennbar waren. Auf dieser Grundlage wird die Frage eines Hanges des Betroffenen zur Begehung von Sexualstraftaten und seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit im Sinne des § 66b Abs. 1 StGB erneut zu beurteilen sein. Bei der Gefährlichkeitsprognose allerdings kann seine gesamte Entwicklung in den Blick genommen werden (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks. 15/2887, S. 20). Im Einzelnen wird das Landgericht auch Folgendes zu bedenken haben:
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Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist die schwerste Unrechtsfolge , die zum Strafrecht im weiteren Sinne gehört (BVerfGE 109, 190, 211 ff.; BGH, Beschluss vom 22. Februar 2006 - 5 StR 585/05 - Umdruck S. 7). Sie ist als letztes Mittel in seltenen Fällen für extrem gefährliche Täterpersönlichkeiten gerechtfertigt (BVerfGE 109, 190, 242). Ihre Anwendung ist nach dem Willen des Gesetzgebers restriktiv zu handhaben (Gesetzesbegründung, aaO, S. 10, 12 f.; BVerfGE aaO, S. 236; BGH aaO, S. 8 m.w.N.). Daran hat sich die Auslegung der Vorschrift zu orientieren.
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Die neue Strafkammer wird weiter im Auge zu behalten haben, dass "neue Tatsachen" im Sinne des § 66b Abs. 1 StGB schon für sich Gewicht haben und ungeachtet der notwendigen Gesamtwürdigung aller Umstände auf eine erhebliche Gefahr der Beeinträchtigung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit , der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Anderer durch den Betroffenen hindeuten müssen (BGH NJW 2006, 531, 535). Soweit hier letztlich allein das Fortschreiten des Hirnabbaus des Betroffenen infrage stehen sollte, wird zudem zu verlangen sein, dass dieser sich nach außen während der Strafhaft in irgendeiner Form manifestiert und ausgedrückt hat. Der Senat weist in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit einer Rücknahme des Antrags der Staatsanwaltschaft hin (vgl. dazu BGH NJW 2006, 852, 853 Rdn. 10 f.).
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2. Zudem wird es nahe liegen, dem objektiven Sicherungsverfahren (§§ 413 ff. StPO, § 63 StGB) beim Landgericht Hof Fortgang zu geben und gegebenenfalls dort einstweilige Maßnahmen zu treffen, mag in jenem Verfahren auch die Erheblichkeit der rechtswidrigen Tat besonders prüfungsbedürftig erscheinen (§ 184f Nr. 1 StGB; vgl. zur daneben bestehenden Möglichkeit der landesrechtlichen Unterbringung auch § 1 Abs. 1 BayUntbrG). Dem anhängigen Sicherungsverfahren kommt allerdings hier kein Vorrang zu, weil die dort gegenständlichen Vorfälle sich nach der Entlassung des Betroffenen aus der Strafhaft ereignet haben. Wäre dies anders und erwiesen sie sich zugleich als "neue Tatsachen" im Sinne des § 66b Abs. 1 StGB, so wäre das Sicherungsverfahren , das ebenfalls den Schutz der Allgemeinheit bezweckt, vorrangig zu betreiben (vgl. zum Vorrang des Erkenntnisverfahrens, wenn dort die Möglichkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung besteht: BGH, Beschluss vom 22. Februar 2006 - 5 StR 585/05 - Umdruck S. 10 f.).
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3. Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass die vom Landgericht sogleich ("uno actu") mit der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung erfolgte Überweisung des Betroffenen in die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (nach § 67a Abs. 2 StGB i. V. m. § 63 StGB) dem Zustand des Betroffenen zwar in praktischer Hinsicht Rechnung trägt, aber rechtlichen Bedenken begegnet. Diese hat das Landgericht gesehen, indes an- genommen, sie aus Gründen praktischer Bedürfnisse vernachlässigen zu dürfen.
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Die Überweisung in die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus darf nicht zugleich mit der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung ausgesprochen werden. Der Gesetzgeber hat wohl im Grundsatz für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung die Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel offen halten wollen. Darauf deuten die Materialien hin, denen zufolge die Überweisungsvorschrift des § 67a Abs. 2 StGB auch bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung anwendbar sein soll (Gesetzesbegründung BTDrucks. 15/2887, S. 14; in diese Richtung auch BVerfGE 109, 190, 242 f.). Für die Überweisung ist jedoch die Strafvollstreckungskammer zuständig. Bei einer Entscheidung durch die Strafkammer würde nicht der gesetzliche Richter tätig (so schon BGH, Beschluss vom 15. Februar 2006 - 2 StR 4/06 - Umdruck S. 10). Angesichts des Gewichts des Eingriffs einer nachträglichen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in das Freiheitsgrundrecht hält es der Senat zudem ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung für nicht statthaft, durch eine "uno actu" ausgesprochene Überweisung in die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gewissermaßen auf diesem Umwege die nachträgliche Unterbringung in der Maßregel des § 63 StGB einzuführen. Hätte der Gesetzgeber diese Möglichkeit schaffen wollen, so hätte das ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung bedurft.
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Hält man die Überweisungsvorschrift für anwendbar, so ist sie demzufolge ihrem Wortlaut gemäß auszulegen: Die Überweisung ist "nachträglich" möglich , wenn dadurch die Resozialisierung des Betroffenen besser gefördert werden kann (§ 67a Abs. 2 StGB), insbesondere die dort mögliche Behandlung oder auch nur Betreuung seinem Zustand am ehesten gerecht zu werden vermag.
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Das Landgericht hat all dies im rechtlichen Ansatz selbst so gesehen, sich jedoch zur Schließung der von ihm angenommenen Gesetzeslücke berechtigt erachtet. Der Senat vermag dem nicht beizupflichten. Wahl Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Wer durch den Vollzug der Untersuchungshaft oder einer anderen Strafverfolgungsmaßnahme einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit er freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird oder soweit das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn ablehnt.

(2) Andere Strafverfolgungsmaßnahmen sind

1.
die einstweilige Unterbringung und die Unterbringung zur Beobachtung nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Jugendgerichtsgesetzes,
2.
die vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 der Strafprozeßordnung,
3.
Maßnahmen des Richters, der den Vollzug des Haftbefehls aussetzt (§ 116 der Strafprozeßordnung),
4.
die Sicherstellung, die Beschlagnahme, der Vermögensarrest nach § 111e der Strafprozeßordnung und die Durchsuchung, soweit die Entschädigung nicht in anderen Gesetzen geregelt ist,
5.
die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis,
6.
das vorläufige Berufsverbot.

(3) Als Strafverfolgungsmaßnahmen im Sinne dieser Vorschrift gelten die Auslieferungshaft, die vorläufige Auslieferungshaft, die Sicherstellung, die Beschlagnahme und die Durchsuchung, die im Ausland auf Ersuchen einer deutschen Behörde angeordnet worden sind.

(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligten außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß.

(2) Die Entscheidung muß die Art und gegebenenfalls den Zeitraum der Strafverfolgungsmaßnahme bezeichnen, für die Entschädigung zugesprochen wird.

(3) Gegen die Entscheidung über die Entschädigungspflicht ist auch im Falle der Unanfechtbarkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig. § 464 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Strafprozeßordnung ist entsprechend anzuwenden.

(1) Ist eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten oder eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Straftaten der in § 181b genannten Art vollständig vollstreckt worden, tritt mit der Entlassung der verurteilten Person aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht ein. Dies gilt nicht, wenn im Anschluss an die Strafverbüßung eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird.

(2) Ist zu erwarten, dass die verurteilte Person auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird, ordnet das Gericht an, dass die Maßregel entfällt.