Bundesgerichtshof Urteil, 12. Aug. 2014 - 5 StR 264/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründet wird, hat keinen Erfolg.
- 2
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der später Geschädigte M. mit den nichtrevidierenden Mitangeklagten G. , Gü. und S. Streit wegen gegenseitiger Geldforderungen. Er selbst hatte seit länge- rem seine Mitgliedsbeiträge für den Motorradclub „M. “ nicht bezahlt, dem er und die drei Mitangeklagten sowie der Angeklagte angehörten, der als „Präsident“ des Motorradclubsfungierte. Außerdem verlangte Gü. von ihm noch die Bezahlung eines Tattoos und die Rückerstattung von Auslagen. Am Abend des 24. Februar 2012 entschlossen sich die drei Mitangeklagten,M. zur Rede zu stellen und erforderlichenfalls mit Gewalt zur Schuldenbegleichung zu zwingen. Sie suchten M. in dessen Wohnung auf und drängten ihn ins Wohnzimmer, wo G. und Gü. ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzten; zudem trat ihm Gü. zweimal mit dem Fuß gegen den Kopf. Während der Gewalttätigkeiten forderten G. und Gü. den Geschädigten wiederholt zur Begleichung seiner Schulden auf; S. sicherte unterdessen durch seinen Verbleib an der Wohnungstür, dass der Geschädigte nicht fliehen konnte. Weil M. den Forderungen nicht nachgab, zwangen ihn die drei Mitangeklagten dazu, mit ihnen in einem Pkw zur Club-Gaststätte des Motorradclubs zu fahren, damit er dort in einer Clubversammlung Rede und Antwort stehe. Weil sie dort niemanden antrafen, fuhren sie nach einem Telefonat mit dem Angeklagten in die Nähe von dessen Wohnung, wo dieser zustieg. Der Angeklagte sah, dass M. bereits im Gesicht verletzt war, und erfuhr spätestens jetzt gesprächsweise von dessen Weigerungshaltung. Um die Ausweglosigkeit der Situation des Geschädigten M. noch zu verstärken, kamen der Angeklagte und die Mitangeklagten überein, die Schuldenangelegenheit an ei- nem ruhigeren Ort zu „klären“, und fuhren mit ihm zu einem abgelegenen Wald- stück. Dort forderte der Angeklagte den Geschädigten M. auf, sich niederzuknien , und versetzte ihm sodann einen schmerzhaften Kniestoß gegen das Ohr, um den Geldforderungen weiteren Nachdruck zu verleihen; G. gab dem Geschädigten einen wuchtigen Stoß in den Schulterbereich. Zu weiteren Tätlichkeiten kam es nicht mehr, nachdem der Angeklagte einen Anruf erhalten und den Mitangeklagten bedeutet hatte, aufbrechen zu müssen. Auf der Rückfahrt forderte der Angeklagte den Geschädigten M. erneut zur Zahlung auf und verlangte von ihm, sich noch am selben Abend wegen einer Geldübergabe zu melden. Hierzu kam es nicht mehr, weil sich M. an die Polizei wandte.
- 3
- Bei der rechtlichen Würdigung hat das Landgericht zur mittäterschaftlichen Tatbegehung ausgeführt, dass sich jeder der Angeklagten die Tatbeiträge der anderen auch insoweit „als eigene zurechnen“ lassen müsse, als er „im Konkreten nicht selbst gehandelt“ habe (UA S. 16 f.). Im Rahmen der Strafzumessung ist dem Angeklagten strafmildernd „zugutegehalten“ worden, dass er am Geschehen in der Wohnung des Geschädigten „nicht aktiv beteiligt war“ (UA S. 18).
- 4
- 2. Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch wendet, ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 5
- 3. Das Rechtsmittel führt auch nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs.
- 6
- a) Allerdings bestehen gegen den von der Strafkammer bei der Strafzumessung wohl unter Einbeziehung der Körperverletzungshandlungen des ersten Handlungsabschnitts zugrunde gelegten Schuldumfang die bereits vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift geäußerten Bedenken. Die Feststellungen des Landgerichts bieten keine Grundlage, auch schon die allein von den Mitangeklagten in der Wohnung des Geschädigten begangene gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dem Angeklagten als Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. An dem diesbezüglichen gemeinsamen Tatentschluss war der Angeklagte nicht beteiligt. Für eine (vom Landgericht auch nicht erörterte) Annahme sukzessiver Mittäterschaft des Angeklagten ist hinsichtlich dieses Geschehensabschnitts – ungeachtet der konkurrenzrechtlichen Beurteilung der Taten durch das Landgericht als Tateinheit – kein Raum. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zieht bei einem Geschehen, welches schon vollständig abgeschlossen ist, das Einverständnis des später Hinzutretenden trotz Kenntnis, Billigung oder Ausnutzung der durch andere Mittäter geschaffenen Lage eine strafbare Verantwor- tung für das bereits abgeschlossene Geschehen nicht nach sich (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1952 – 3 StR 48/52, BGHSt 2, 344, 346; Beschlüsse vom 24. November 1993 – 2 StR 606/93, NStZ 1994, 123, vom 12. Februar 1997 – 2 StR 28/97, NStZ 1997, 272; Urteil vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 301/07, NStZ 2008, 280, und Beschluss vom 22. Mai 2013 – 2 StR 14/13, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 37).
- 7
- b) Zwar ist nicht völlig auszuschließen, dass die Bemessung der gegen den Beschwerdeführer erkannten Strafe auf der Zugrundelegung eines zu großen Schuldumfangs beruht, den das Landgericht mit der Erwägung, der Angeklagte habe sich an dem Geschehen in der Wohnung „nicht aktiv“ beteiligt, freilich strafmildernd nachhaltig relativiert hat; zudem war dem Angeklagten anzulasten , dass er sich in Kenntnis der bereits erfolgten Misshandlungen an dem weiteren Tatgeschehen beteiligt hatte. Das Urteil hat aber jedenfalls deshalb Bestand, weil die vom Landgericht ausgesprochene Strafe mit Blick auf das Tatbild auf der Grundlage der nicht von einem Rechtsfehler betroffenen Zumessungserwägungen jedenfalls angemessen ist (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Die strengere Bestrafung des Angeklagten im Vergleich zu den Mitangeklagten und die allein ihm versagte Strafaussetzung zur Bewährung sind maßgeblich der unterschiedlichen Vorstrafensituation geschuldet.
- 8
- Für seine Beurteilung steht dem Senat ein rechtsfehlerfrei ermittelter, vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 226/08, StV 2009, 464, 465, vom 13. Oktober 2009 – 5 StR 347/09, BGHR StPO § 354 Abs. 1a Anwendungsbereich 9, und vom 21. Mai 2014 – 4 StR 144/14). Der Angeklagte hatte auch Gelegenheit, zu der beabsichtigten Entscheidung nach § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO Stellung zu nehmen, die sein Verteidiger für ihn genutzt hat.
Berger Bellay
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.