Bundesgerichtshof Urteil, 5. März 2009 - 4 StR 594/08

ECLI:bgh
19.11.2021

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
Zusammenfassung des Autors

In dieser Entscheidung stellte der BGH fest, dass durch ein starkes Ausatmen, bei dem Speichel in Form einer Art "Sprühregens" aus etwa 20cm Abstand im Gesicht des Opfers auftritt, eine tätliche Beleidigung im Sinne des § 185 StGB begangen werden kann.

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft - zu b) auch auf die Revision des Angeklagten - wird das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 21. Mai 2008 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II 2 b der Urteilsgründe der tätlichen Beleidigung schuldig ist, im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.

Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten werden verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen; die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung, wegen Beleidigung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Nötigung, in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Verleumdung in zwei tateinheitlichen Fällen und mit Verleumdung in drei tateinheitlichen Fällen, sowie wegen Beleidigung in zwei Fällen, jeweils begangen in zwei tateinheitlichen Fällen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es eine Maßregelanordnung nach §§ 69, 69 a StGB getroffen.

Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft umfassend die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere beanstandet sie, dass die Strafkammer den Angeklagten im Fall II 2 b der Urteilsgründe nicht wegen tätlicher Beleidigung, § 185 2. Alternative StGB, verurteilt hat, und dass von einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB abgesehen wurde. Der Angeklagte rügt ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts; er wendet sich vor allem gegen die Verurteilung wegen Körperverletzung und wegen Beleidigungen sowie gegen den Strafausspruch.

I.

Revision der Staatsanwaltschaft

1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass die Strafkammer den Angeklagten im Fall II 2 b der Urteilsgründe nicht wegen tätlicher Beleidigung, § 185 2. Alternative StGB, verurteilt hat.

a) Nach den insoweit getroffenen Feststellungen zeigte der Angeklagte dem Zeugen P. , einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes, seine Missachtung dadurch, dass er ein einem starken Ausatmen mit nahezu geschlossenem Mund ähnliches Geräusch machte, wodurch zugleich, was er zumindest billi- gend in Kauf nahm, Speichel in Form einer Art "Sprühregens" aus etwa 20 cm Abstand im Gesicht des Zeugen auftraf.

Dieses Verhalten stellt eine unmittelbar spürbare körperliche Einwirkung auf das Opfer dar, aus der sich zugleich dessen Geringschätzung ergibt. Es erfüllt daher den Tatbestand der tätlichen Beleidigung, § 185 2. Alternative StGB (vgl. OLG Zweibrücken NJW 1991, 240, 241; vgl. auch Hilgendorf in LK-StGB 11. Aufl. § 185 Rdn. 15; Regge in MünchKomm StGB § 185 Rdn. 38; Lenckner in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 185 Rdn. 18; Fischer StGB 56. Aufl. § 185 Rdn. 18).

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

b) Die Änderung des Schuldspruchs zwingt hier nicht zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafe von einem Monat Freiheitsstrafe. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei einer der Schuldspruchänderung entsprechenden Subsumtion des Geschehens auf eine höhere Einzelstrafe erkannt hätte, und zwar auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Landgericht für die weiteren Beleidigungstaten unter Zugrundelegung des Strafrahmens der ersten Alternative des § 185 StGB ebenfalls Einzelstrafen von einem Monat verhängt hat. Diese Taten weisen gegenüber dem Fall II 2 b der Urteilsgründe erschwerende Umstände auf: In den Fällen 4 und 7 hat sich der Angeklagte jeweils der Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht; der Fall 5 ist dadurch gekennzeichnet, dass die Beleidigung nicht wie hier spontan, sondern im Rahmen einer schriftlich erstatteten Strafanzeige begangen wurde.

2. Mit Erfolg beanstandet die Staatsanwaltschaft ferner, dass das Landgericht von einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung abgesehen hat, weil es den Regelungsgehalt des § 55 Abs. 1 StGB verkannt hat.

a) Nach dieser Vorschrift ist eine nachträgliche Gesamtstrafe dann zu bilden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Der Angeklagte ist vor der Verurteilung im vorliegenden Verfahren bereits mehrfach verurteilt worden, unter anderem durch die Urteile des Amtsgerichts Landau vom 29. Juni 2005, 1. März 2006, 5. Juli 2006 und 29. November 2006 sowie das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen vom 28. März 2007. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, sind diese Verurteilungen noch nicht erledigt. Bis auf die Taten vom 29. November 2005 und 16. März 2006 aus dem Urteil des Amtsgerichts Landau vom 29. November 2006 wurden sämtliche diesen Verfahren zu Grunde liegenden Taten vor der Verurteilung durch das Urteil des Amtsgerichts Landau vom 29. Juni 2005 begangen und sind daher mit den in jenem Urteil verhängten Strafen gesamtstrafenfähig.

Die für den Fall II 1 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe ist mit den für die beiden vorgenannten Taten aus dem Urteil des Amtsgerichts Landau vom 29. November 2006 erkannten Strafen gesamtstrafenfähig, da die Tat am 6. August 2006 - also vor diesem Urteil - begangen worden ist. Aus den übrigen sechs vom Landgericht Landau verhängten Einzelstrafen ist eine weitere Gesamtstrafe zu bilden. Die Verurteilung durch das Amtsgericht Ludwigshafen vom 28. März 2007 kann deswegen keine Zäsurwirkung entfalten, weil die ihr zu Grunde liegenden Taten vor dem Urteil des Amtsgerichts Landau vom 29. Juni 2005 begangen worden sind, sodass insofern eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Einer Vorverurteilung kommt dann keine Zäsurwirkung zu, wenn sämtliche in ihr abgeurteilten Taten schon in eine frühere Vorverurteilung ein-zubeziehen sind (BGH, Beschluss vom 20. September 2007 - 4 StR 431/07; vgl. auch Fischer aaO § 55 Rdn. 12).

b) Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO zu verfahren. Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung obliegt somit dem nach § 462 a Abs. 3 Satz 1 StPO zuständigen Gericht.

3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revision der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler aufgedeckt.

II.

Revision des Angeklagten

Das Rechtsmittel hat zum Schuldspruch und zu den (Einzel-) Strafaussprüchen keinen Erfolg. Soweit - wie vorstehend dargestellt - eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung unterblieben ist, stellt dies einen auch auf die Revision des Angeklagten zu berücksichtigenden Rechtsfehler dar. III.

Angesichts des nur geringen Teilerfolgs der Revisionen kann der Senat die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittel nach § 473 Abs. 1, 2 und 4 StPO selbst treffen (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 b Satz 1 Entscheidung 2).

Kommentar des Autors

Aufgrund des wohl merklichen Auftreffens von Speicheltropfen auf dem Gesicht des Opfers ist die Qualifizierung der Handlung als Beleidigung wohl durchaus vertretbar.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 431/07
vom
20. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 20. September 2007 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bautzen vom 3. April 2007 in den Aussprüchen über die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und über die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr mit der Maßgabe aufgehoben, dass insoweit eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO und über die Kosten des Rechtsmittels zu treffen ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wie folgt verurteilt: 1. wegen vorsätzlichen Führens einer verbotenen Waffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Führen einer Schusswaffe unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafen aus den Urteilen des Landgerichts Bautzen vom 10. November 2005 und des Amtsgerichts Hoyerswerda vom 14. April 2005 und Einbeziehung der Einzelstrafen aus den vorgenannten Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten; 2. wegen räuberischen Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und mit Sachbeschädigung , Diebstahls in zwei Fällen, Sachbeschädigung in zwei Fällen, unerlaubten Entfernens vom Unfallort und wegen Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten; 3. wegen Beleidigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, Diebstahls und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Ferner hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
Zutreffend hat das Landgericht aus der wegen der vom Angeklagten am 16. März 2005 begangenen Tat (Fall II 1 der Urteilsgründe) verhängten Einzelfreiheitsstrafe und den Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Hoyerswerda vom 14. April 2005 und aus dem Urteil des Landgerichts Bautzen vom 10. November 2005 eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet, denn hinsichtlich der übrigen, vom Angeklagten in der Zeit vom 24. Juni 2005 bis zum 16. Juni 2006 begangenen Taten (Fälle II 2 bis II 13 der Urteilsgründe) entfaltet das Urteil des Amtsgerichts Hoyerswerda vom 14. April 2005 Zäsurwirkung.
4
Die weiteren Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und zehn Monaten (Fällen II 2 bis II 9 der Urteilsgründe) und von einem Jahr (Fälle II 10 bis II 13 der Urteilsgründe) haben dagegen keinen Bestand. Soweit die Tatzeiten der vom Angeklagten nach der Verurteilung vom 14. April 2005 begangenen Taten vor der Verurteilung durch das Landgericht Bautzen liegen, kommt dem Urteil des Landgerichts Bautzen entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht die Wirkung einer weiteren Zäsur zu. Dieses Urteil ist vielmehr gesamtstrafenrechtlich verbraucht, weil aus den drei ihm zu Grunde liegenden Einzelstrafen und den Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Hoyerswerda vom 14. April 2005 zu Recht gemäß § 55 StGB eine nachträgliche Gesamtstrafe gebildet worden war (vgl. BGHSt 44, 179, 180/181; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13, jew. m.w.N.). Aus den in den Fällen II 2 bis II 13 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen hätte demgemäß nur eine weitere Gesamtstrafe gebildet werden dürfen.
5
Hinsichtlich der Bildung der Gesamtstrafe hat der Senat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 354 Abs. 1 b StPO zu verfahren. Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung obliegt somit einschließlich der notwendigen Kostenentscheidung dem nach § 462 a Abs. 3 Satz 1 StPO zuständigen Gericht (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Satz 1 Entscheidung 2, 3).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.