Bundesgerichtshof Urteil, 08. März 2018 - 3 StR 571/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. März 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Gericke, Dr. Berg, Hoch, Dr. Leplow als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten D. M. ,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die durch dieses Rechtsmittel entstandenen Kosten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
Insoweit fallen die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten D. M. , B. M. , G. und M. M. entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten D. M. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Besitz von Betäubungsmit- teln in nicht geringer Menge, unter Einbeziehung einer weiteren Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet; zudem hat es bestimmt, dass ein Jahr und neun Monate der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollstrecken sind, und einen Betrag von 4.400 € eingezogen. Die Angeklag- ten B. M. , G. und M. M. hat es wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und zehn Monaten (B. M. ), zwei Jahren (G. ) und einem Jahr (M. M. ) verurteilt, deren Vollstreckung es jeweils zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten B. hat das Landgericht vom Vorwurf der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge freigesprochen.
- 2
- Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen, mit denen sie sich gegen den Freispruch des Angeklagten B. wendet und die hinsichtlich der Angeklagten B. M. , G. und M. M. auf den Strafausspruch und hinsichtlich des Angeklagten D. M. weiter auf den Ausspruch der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beschränkt sind, die Verletzung materiellen Rechts. Hinsichtlich des Angeklagten B. hat die Revision Erfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.
- 3
- I. Der Freispruch des Angeklagten B. im Fall II.1. der Urteilsgründe hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
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- 1. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen des Landgerichts veräußerte der Angeklagte D. M. an den gesondert verfolgten Bu. 953,4 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 102 g THC für 4.400 €. Im Vorfeld der Übergabe des Rauschgifts auf einem Werkstattgelände fuhren die Angeklagten B. und D. M. in dessen Pkw Opel Antara zu einem Drogenbunker, aus dem D. M. das in einer undurchsichtigen Folie verpackte Rauschgift holte und in einem Geheimfach, das er in der Mulde des Ersatzrades des Fahrzeuges hatte einbauen lassen, versteckte. Der Angeklagte B. , der das Fahrzeug führte, kannte das Geheimversteck im Pkw des Angeklagten. Nach Ankunft am Übergabeort half er dem Angeklagten D. M. beim Öffnen des erst nach Umklappen der Rücksitze und dem Betätigen eines am Beifahrersitz eingebauten Seilzuges zugänglichen Geheimfachs. Dabei sah er das Folienpäckchen, das unmittelbar darauf an den Käufer übergeben wurde. Das Landgericht vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der Angeklagte B. Kenntnis von dem Drogengeschäft hatte und den Angeklagten D. M. dabei unterstützen wollte.
- 5
- 2. Der Freispruch beruht auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.
- 6
- a) Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen; denn die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht, an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt (BGH, Urteile vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04 , NJW 2005, 2322, 2326; vom 18. September 2008 - 3 StR 296/08, juris Rn. 4) oder die Beweise nicht erschöpfend würdigt (BGH, Urteile vom 21. November 2006- 1 StR 392/06, juris Rn. 13; vom 10. August 2011 - 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111). Lückenhaft und damit rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung insbesondere dann, wenn es an der Auseinandersetzung mit einem für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkt, der geeignet ist, das Beweisergebnis zu beeinflussen, fehlt und dessen Erörterung sich aufdrängt (vgl. KK-Ott, StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 82 mwN; BGH, Urteile vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06, juris Rn. 24; vom 5. Dezember 2013 - 4 StR 371/13, juris Rn. 8).
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- b) So liegt es hier. Das Landgericht hat nicht alle von ihm festgestellten, den Angeklagten potentiell belastenden Indiztatsachen, die einen Schluss auf dessen Gehilfenvorsatz erlauben, in seine Beweiswürdigung einbezogen. Es hat als gegen den Angeklagten sprechend lediglich erwogen, dass die konspirativen Umstände der Übergabe des Rauschgifts an den Käufer auf dem Werkstattgelände , die Art der Verpackung des Betäubungsmittelpakets, die auf seinen Inhalt schließen ließ, sowie die fehlende Nachfrage des Angeklagten nach dem Inhalt des Pakets bei dem Mitangeklagten, als er es mit diesem dem Versteck in dem Pkw entnahm, auf eine Kenntnis von dem Betäubungsmittelgeschäft des Mitangeklagten hindeuten könnten. Einen daraus zu ziehenden Schluss auf einen Gehilfenvorsatz des Angeklagten hat es sodann aber für "keineswegs zwingend" erachtet und sich an der Verurteilung des Angeklagten gehindert gesehen, weil nicht festzustellen sei, dass der Angeklagte den Drogenbunker "in seiner Funktion" gekannt und das Verbringen des Marihuanas aus dem Drogenbunker in das Versteck im Pkw selbst beobachtet habe. Dabei hat es jedoch nicht erwogen, dass schon die gemeinsame Fahrt mit dem Mitangeklagten zu dem Drogenbunker, die Kenntnis von dem in den Pkw eingebauten Versteck und das "zielgerichtet und eingespielt" wirkende Öffnen des nur schwer zugänglichen Verstecks auf dem Werkstattgelände ebenfalls dafür sprechen können, dass der Angeklagte in das Gesamtgeschehen eingeweiht war. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich dem Urteil kein Anhalt dafür entnehmen lässt, der Angeklagte könne sich nach der Fahrt zum Drogenbunker von dem Fahrzeug entfernt und der Mitangeklagte außer Sichtweite des Angeklagten das Rauschgift von dem Bunker in das Versteck verbracht haben. Der Zweifelssatz gebietet nicht, insoweit zugunsten des Angeklagten einen Sachverhalt zu unterstellen, für den es nach dem Beweisergebnis keinen Anknüpfungspunkt gibt und der eher fernliegt, nur weil es für die Vorgänge an dem Drogenbunker keinen unmittelbaren beweismäßigen Beleg gibt. Hinzu kommt, dass - entgegen missverständlicher Formulierungen im Urteil - Beihilfe auch mit Eventualvorsatz geleistet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10, juris Rn. 13).
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- 3. Die Sache bedarf deshalb insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
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- II. Die weitergehenden - wirksam auf den Maßregelausspruch bezüglich des Angeklagten D. M. und auf die Strafzumessung betreffend die Angeklagten M. und B. M. sowie G. beschränkten - Revisionen der Staatsanwaltschaft sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.