Bundesgerichtshof Urteil, 11. Dez. 2008 - 3 StR 469/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung, Bedrohung und Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zur Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat es abgelehnt. Gegen die Nichtanordnung der Maßregel richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das wirksam beschränkte, vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
- 2
- Das sachverständig beratene Landgericht hat von der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen, da durch die für die Freiheitsstrafe erteilten Bewährungsauflagen und -weisungen (überwachte ambulante medikamentöse Behandlung der schizoaffektiven Psychose) ein "sicheres anderes Abwehrmittel" die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitige und die Verhängung der Maßregel unnötig mache. In einem derartigen Fall lasse der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schon die Verhängung der Maßregel nicht zu; hingegen komme nicht etwa als "milderes Mittel" deren Anordnung bei gleichzeitiger Aussetzung (auch) des Vollzugs der Maßregel zur Bewährung in Betracht. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 3
- Entgegen der Auffassung der Strafkammer wird im Falle der Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit die Notwendigkeit einer Unterbringung gemäß § 63 StGB nicht durch minder einschneidende Maßnahmen außerhalb des Bereichs der strafrechtlichen Maßregeln aufgehoben. Bei den freiheitsentziehenden Maßregeln der Sicherung gilt das Subsidiaritätsprinzip allein für die Frage der Vollstreckung, nicht aber für die Frage der Anordnung (h. M.; vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 28 m. w. N.; BGH, Urt. vom 14. Februar 2001 - 3 StR 455/00; Fischer, StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 23 m. w. N.; aA Schöch in LK 12. Aufl. § 63 Rdn. 133 ff.).
- 4
- Daher ist es für die Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unerheblich, ob die von dem Angeklagten ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit durch eine konsequente medizinische Behandlung abgewendet werden kann. Auch die Überwachung der Medikation oder die Bestellung eines Betreuers, eines Bewährungshelfers sowie die Erteilung von Bewährungsauflagen und -weisungen, die ohnehin allein die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe betreffen, sind insoweit ohne Belang. Solche "täterschonenden" Mittel und Maßnahmen erlangen vielmehr Bedeutung erst für die Frage, ob die Vollstreckung der Unterbringung gemäß § 67 b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann (vgl. Fischer aaO § 67 b Rdn. 2 f.).
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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.