Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2005 - 3 StR 122/05

published on 30/06/2005 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2005 - 3 StR 122/05
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 122/05
vom
30. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. Juni
2005, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Winkler
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 26. Februar 2003 im Strafausspruch dahin abgeändert, daß der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt wird.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten sowie die Revision der Nebenklägerin gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
3. Der Angeklagte und die Nebenklägerin haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes und wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes unter Einbeziehung einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 5. Februar 2002 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und ihn im übrigen von dem Vorwurf, drei weitere Fälle des sexuellen Mißbrauchs von Kindern begangen zu haben, freigesprochen. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Nebenklägerin Revision eingelegt. I. Die Revision des Angeklagten
Der Angeklagte macht geltend, die als sexueller Mißbrauch eines Kindes nach § 176 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB i. d. F. des 4. StrRG abgeurteilte Tat sei nicht angeklagt gewesen; im übrigen erhebt er verfahrensrechtliche Beanstandungen und wendet sich mit der Sachrüge gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts. Das Rechtsmittel hat lediglich zum Strafausspruch einen Teilerfolg. 1. Entgegen der Ansicht des Angeklagten fehlt es für den ersten der beiden abgeurteilten Mißbrauchsfälle nicht an der Verfahrensvoraussetzung einer zugelassenen Anklage. Nach der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift vom 12. Juli 2002 hatte sich die Mutter der Nebenklägerin Ende Mai 1996 von ihrem Ehemann getrennt und war der Angeklagte bald darauf in deren Wohnung in der B. straße in M. eingezogen. Kurz danach ist es dort zu dem ersten sexuellen Mißbrauch zum Nachteil der Nebenklägerin gekommen, bei dem der Angeklagte den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguß in die Scheide der Nebenklägerin vollzogen hat. Nach den Urteilsfeststellungen fand die erste Mißbrauchshandlung dagegen kurz nach dem Einzug des Angeklagten im August 1997 statt und brach der Angeklagte den Geschlechtsverkehr auf Bitten der Nebenklägerin ab. Die um mehr als ein Jahr differierende Tatzeit sowie die Modifikationen im Tatablauf stellen die Identität zwischen angeklagter und abgeurteilter Tat hier nicht in Frage (§ 264 Abs. 1 StPO); denn die zeitliche Verknüpfung der Tat mit dem Einzug des Angeklagten sowie ihre Kennzeichnung als erste der Mißbrauchsserie zum Nachteil der Nebenklägerin lassen keinen Zweifel aufkommen , daß das abgeurteilte Geschehen vom Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft umfaßt war, zumal der Tatort und der Kern des Mißbrauchsgesche-
hens (Geschlechtsverkehr) unverändert geblieben sind (vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 8, 19, 22). Hierbei darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß es sich bei den angeklagten Taten laut Anklageschrift um Einzelfälle eines sich serienmäßig über einen längeren Tatzeitraum erstreckenden Mißbrauchsgeschehens handelte, das die Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren wegen seiner weitgehenden Gleichförmigkeit nur in Grundzügen zu konkretisieren vermochte , weswegen die Staatsanwaltschaft in weitem Umfang von der Möglichkeit der Verfahrensbeschränkung nach § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO Gebrauch machte. Ebenso wie in derartigen Fällen an die Individualisierung der Einzeltaten in der Anklageschrift einerseits und den Urteilsgründen andererseits keine zu strengen Anforderungen zu stellen sind, da ansonsten wegen der begrenzten Erinnerungsfähigkeit des regelmäßig einzigen Tatzeugen nicht mehr vertretbare Strafbarkeitslücken entstünden (vgl. BGHSt 40, 44, 46), dürfen auch Modifikationen und Ergänzungen, die das Tatbild im Vergleich von Urteil zu Anklage erfährt, keiner zu strengen Betrachtung unterworfen werden. 2. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
a) Das Landgericht hat nicht gegen seine Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verstoßen, weil es die jüngere Schwester der Nebenklägerin - Tamara G. - nicht als Zeugin gehört hat; denn es mußte sich zu deren Vernehmung nicht gedrängt sehen. Zwar können die Urteilsgründe dahin verstanden werden, daß die - zu diesem Zeitpunkt sechsjährige - Schwester der Nebenklägerin jedenfalls bei der ersten abgeurteilten Tat in dem Kinderzimmer anwesend war, wo der Angeklagte im oberen der beiden Stockbetten den Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin vollzog. Jedoch ist weder ersichtlich, daß sie zum Zeitpunkt des Tatgeschehens noch wach war oder durch dieses notwendig aufgeweckt wer-
den mußte, noch liegt es angesichts ihres damals noch kindlichen Alters nahe, daß sie im Falle der Wahrnehmung des Geschehens dessen Bedeutung erkannt und es daher als außergewöhnliches Ereignis in ihrem Gedächtnis bewahrt haben könnte. Angesichts dessen mußte sich das Landgericht nicht veranlaßt sehen, nahezu fünfeinhalb Jahre nach den fraglichen Vorgängen die Schwester der Nebenklägerin anzuhören, zumal auch die Verteidigung ein hierauf gerichtetes Begehren nicht erhoben hat.
b) Es kann dahinstehen, ob das Landgericht gegen seine Aufklärungspflicht aus § 244 Abs. 2 StPO verstoßen hat, weil es zum Nachweis bestimmter Mängel in der Aussagekonstanz der Nebenklägerin weder die zunächst mit der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin beauftragte Sachverständige Dr. A. als (sachverständige) Zeugin vernommen noch deren vorbereitendes schriftliches Gutachten in der Hauptverhandlung verlesen hat. Denn auf diesem Verfahrensmangel würde das Urteil jedenfalls nicht beruhen, weil das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung ausdrücklich die Abweichungen der Aussage der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung von ihren Angaben in früheren Vernehmungen berücksichtigt und bei seiner Überzeugungsbildung erwogen hat (UA S. 19). 3. Der Schuldspruch hält revisionsrechtlicher Prüfung auf die Sachrüge stand. Insbesondere läßt, wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 6. April 2005 zutreffend dargelegt hat, die Beweiswürdigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Auch die Strafzumessung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dennoch kann der Strafausspruch keinen Bestand haben, denn nach Erlaß des angefochtenen Urteils ist das Verfahren in rechtsstaatswidriger Weise verzögert worden (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK). Zwischen
dem 3. September 2003 und dem 6. September 2004 wurde es nicht weiterbetrieben , da die Akten verschwunden waren; obwohl nach dem Wiederauftauchen der Akten deren Bearbeitung mit äußerster Beschleunigung hätte vorangetrieben werden müssen, sind im Zeitraum vom 16. November 2004 bis zur Fertigung des Revisionsübersendungsberichts am 29. März 2005 keine verfahrensfördernden Schritte vorgenommen worden. Das Verfahren wurde daher nach Erlaß des angefochtenen Urteils um insgesamt ein Jahr und viereinhalb Monate rechtsstaatswidrig verzögert. Dies hat der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH NStZ 2001, 52). Er kann die danach gebotene Herabsetzung der verwirkten Strafen entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts analog § 354 Abs. 1 a Satz 2 StPO selbst vornehmen (zur Würdigung rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen vor Verkündung des tatrichterlichen Urteils im Rahmen des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO vgl. Senat NJW 2005, 1813); denn Sinn dieser Regelung ist auch die Beschleunigung des Verfahrens , der besonderes Gewicht gerade dann zukommt, wenn es bereits zu rechtsstaatswidrigen Verzögerungen gekommen ist (s. dazu Peglau JR 2005, 143, 145). Gemäß dem Antrag des Generalbundesanwalts reduziert der Senat die beiden Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten sowie von drei Jahren und sechs Monaten um jeweils vier Monate, so daß sich neue Einzelstrafen von zwei Jahren und zwei Monaten sowie von drei Jahren und zwei Monaten ergeben, die im Hinblick auf die Dauer der Verfahrensverzögerung angemessen erscheinen. Hieraus bildet er unter Einbeziehung der Geldstrafe von 90 Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 5. Februar 2002 eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. II. Die Revision der Nebenklägerin
Die Nebenklägerin beanstandet mit der Sachrüge, daß der Angeklagte in den abgeurteilten Fällen nicht auch der Vergewaltigung schuldig gesprochen wurde; darüber hinaus wendet sie sich dagegen, daß das Landgericht den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen hat, er habe in der Wohnung in V. mit der Nebenklägerin den Analverkehr bis zum Samenerguß durchgeführt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 1. Es läßt keinen Rechtsfehler erkennen, daß das Landgericht den Angeklagten neben dem sexuellen Mißbrauch eines Kindes nicht jeweils auch tateinheitlich der Vergewaltigung schuldig gesprochen hat. Die Revision meint, der Angeklagte habe in beiden Fällen Gewalt im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB deswegen angewandt, weil er nach den Feststellungen die Beine der Nebenklägerin auseinandergedrückt und ihr den Mund zugehalten habe, bevor es zum Geschlechtsverkehr kam. Die Rüge dringt nicht durch. Das Landgericht hat nicht verkannt, daß sowohl das Auseinanderdrücken der Beine des Tatopfers, als auch das Zuhalten des Mundes Gewalt im Sinne des Vergewaltigungstatbestandes darstellen kann. Es hat - wenn auch nicht im Rahmen der Beweiswürdigung, sondern bei der rechtlichen Würdigung (UA S. 29/30) - ausdrücklich dargelegt, daß es nicht festzustellen vermocht hat, der Angeklagte habe diese Handlungen zur Überwindung eines von der Nebenklägerin tatsächlich geleisteten oder von ihm auch nur erwarteten Widerstandes vorgenommen. Dies ist hier angesichts der sonstigen Tatumstände ausreichend; denn diese lassen weder Anhaltspunkte dafür erkennen, daß aus Sicht des Angeklagten eine gewaltsame Durchsetzung seiner Absichten erforderlich gewesen wäre, noch daß der Angeklagte einen entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin mißachtet und sich gewaltsam durchgesetzt hätte. Im Gegenteil hat er im Fall 1 auf entsprechende
Aufforderung der Nebenklägerin den weiteren Vollzug des Geschlechtsverkehrs letztlich abgebrochen. Seine drohende Äußerung die nte dagegen allein der Verhinderung einer späteren Aufdeckung der Tat. Danach kann dahinstehen, ob den Feststellungen überhaupt entnommen werden kann, daß der Angeklagte der Nebenklägerin auch im Fall 2 bei Tatbegehung zeitweise den Mund zuhielt. 2. Der Freispruch des Angeklagten vom Anklagevorwurf des sexuellen Mißbrauchs der Nebenklägerin in der Form von Analverkehr hält revisionsrechtlicher Prüfung stand. Zwar hat das Landgericht seine diesbezügliche Beweiswürdigung im Urteil nur äußerst knapp dargestellt. Der Senat vermag den Urteilsgründen aber noch mit ausreichender Sicherheit zu entnehmen, daß das Landgericht sich aufgrund der Angaben der Nebenklägerin nicht hinreichend von einem Geschehen zu überzeugen vermochte, das den Mindestanforderungen an die Konkretisierung einer abzuurteilenden Tat genügt. Dies ist aus Rechtsgründen hinzunehmen. III. Der geringfügige Erfolg der Revision des Angeklagten, der ohnehin nicht seinem Rechtsmittel geschuldet ist, gibt keinen Anlaß, bei der Kostenentscheidung zu seiner Revision von § 473 Abs. 4 StPO Gebrauch zu machen.
Eine Auslagenerstattung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin findet nicht statt, da beide Rechtsmittel erfolglos geblieben sind (vgl. BGHR StPO § 473 Abs. 1 Satz 3 Auslagenerstattung 1). Die Reduzierung der Strafe des Angeklagten ist insoweit ohne Bedeutung (s. § 400 Abs. 1 StPO).
Winkler Miebach Pfister Becker RiBGH Hubert ist wegen Urlaubs
ortsabwesend und gehindert zu
unterschreiben. Winkler
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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
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published on 27/02/2018 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 390/17 vom 27. Februar 2018 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. ECLI:DE:BGH:2018:270218B2STR390.17.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des General
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Annotations

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt.

(2) Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluß befugt ist. Im übrigen ist der Beschluß, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.