Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 580/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:260417U2STR580.16.0
bei uns veröffentlicht am26.04.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 580/16
vom
26. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:260417U2STR580.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2017 in der Sitzung am 26. April 2017, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl als Vorsitzender, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Wimmer, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger in der Verhandlung, Justizangestellte in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 29. September 2016 mit den zugehörigen Feststellungen im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen exhibitionistischer Handlungen in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und Führungsaufsicht angeordnet. Von acht weiteren Fällen der exhibitionistischen Handlungen hat es den Angeklagten freigesprochen. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Spätestens seit Karneval 2015 hielt sich der Angeklagte wiederholt in der Wohnung der Zeugin N. , seiner damaligen Freundin, auf. Mitte August 2016 (richtig: 2015) zog er vollständig bei der Zeugin ein. In dem Haushalt der Zeugin N. lebte auch deren am 10. Juli 1988 (richtig: 1998) geborene Tochter, die Nebenklägerin G. .
4
1. Von März 2015 bis 11. April 2016 entblößte der Angeklagte in insgesamt 22 Fällen vor der Geschädigten sein Geschlechtsteil in der Absicht, sich hierdurch oder durch deren Reaktion sexuell zu erregen. Die Vorfälle trugen sich jeweils im Wohnzimmer oder der Küche der Wohnung der Zeugin N. zu. Die Nebenklägerin nahm das Geschlechtsteil des Angeklagten - wie von diesem beabsichtigt - jeweils wahr und war von dessen Verhaltensweise angeekelt.
5
2. Im September 2016 (richtig: 2015) hielten sich der Angeklagte, die Zeugin N. und die Geschädigte gemeinsam in der Wohnung der Zeugin N. auf. Als der Angeklagte - wie bereits bei früheren Gelegenheiten - ankündigte, sie "packen" zu wollen, scherzte die Nebenklägerin entgegen früheren Gelegenheiten nicht zurück, sondern erklärte dem Angeklagten, als dieser auf sie zuging, dass er sie nicht anfassen solle. Obwohl er den entgegenstehenden Willen der Geschädigten erkannte, fasste der Angeklagte sie an den Hüften, woraufhin die Geschädigte ihn nochmals aufforderte, sie loszulassen und gleichzeitig versuchte, sich aus dem Griff zu befreien. Um dies zu verhindern , packte er noch fester zu, wobei die Geschädigte nicht unerhebliche Schmerzen im Hüftbereich erlitt und zu weinen begann. Der Angeklagte ließ dennoch nicht los. Schließlich geriet die Geschädigte in dem Bemühen, in eine Schutzhaltung zu kommen, unter dem Druck des Angeklagten zu Boden. Auch auf die Intervention der Zeugin N. , ihr Kind loszulassen, ließ der Angeklagte nicht ab. Er führte vielmehr in sexuell motivierter Absicht seine Hände Richtung Oberkörper der Geschädigten, wobei er mit einer Hand ihr T-Shirt von unten unter ihren Büstenhalter schob, so dass sich dieses nunmehr zwischen ihrer linken Brust und seiner Hand, welche unter den Büstenhalter geglitten war und auf ihrer linken Brust lag, befand. In dieser Position hielt der Angeklagte die linke Brust der Geschädigten für einige Augenblicke fest. Erst auf Drohung der Geschädigten, Anzeige zu erstatten, ließ er von dieser ab.
6
3. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht hinsichtlich aller dem Angeklagten zur Last gelegten Taten unter anderem straferschwerend berücksichtigt , dass dieser eine Vielzahl von Taten über einen langen Zeitraum hinweg begangen und hierdurch ein Klima "sexueller Übergriffigkeit" geschaffen habe, in dem sich die Nebenklägerin zunehmend unwohl gefühlt habe.

II.

7
Die Revision des Angeklagten ist zum Teil begründet.
8
1. Die Nachprüfung des Urteils zum Schuldspruch hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
9
Der näheren Erörterung bedarf lediglich der Schuldspruch wegen sexueller Nötigung.
10
a) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht das Verhalten des Angeklagten als sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB gewertet hat, ohne dies näher in der rechtlichen Würdigung zu erörtern. Die im Rahmen der Rangelei mit der Nebenklägerin erfolgte Berührung ihrer Brust ist ohne Zweifel eine sexuelle Handlung, die auch die Erheblichkeitsschwelle des § 184h Nr. 1 StGB überschritten hat.
11
Als erheblich in diesem Sinne sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, NJW 1992, 324 f., insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 38, 68; vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Senat, Urteil vom 21. September 2016 - 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (BGH, Urteile vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; Senat, Urteil vom 3. April 1991 - 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4; BGH, Urteil vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, NJW 1992, 324, 325; Senat, Urteil vom 6. Mai 1992 - 2 StR 490/91, BGHR § 184c Nr. 1 StGB; Erheblichkeit 6; BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Senat, Urteil vom 21. September 2016 - 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44; Lackner /Kühl/Heger, 28. Aufl., § 184g Rn. 5; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, § 184g Rn. 7; differenzierend SSW-StGB/Wolters, 2. Aufl., § 184g Rn. 9 f.).
12
Aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt sich, dass die an der Geschädigten vorgenommene Handlung nicht nur in einer flüchtigen oder "zufälligen" Berührung bekleideter Körperregionen, sondern in einem sexuell motivierten Übergriff bestand, bei dem der Angeklagte eine Hand mit dem T-Shirt unter ihren Büstenhalter schob und ihre Brust für einige Augenblicke festhielt.
Einer Erörterung der Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle durch die Strafkammer bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.
13
b) Die Gesetzesänderungen durch das 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung - vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) geben keinen Anlass zu einer für den Angeklagten günstigeren Bewertung als milderes Recht im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB.
14
Die Einführung eines Auffangtatbestands für belästigend wirkende körperliche Berührungen in sexuell bestimmter Weise in § 184i Abs. 1 StGB wirkt sich nicht auf die Auslegung des Begriffs der Erheblichkeit in § 184h Nr. 1 StGB aus (anders aber El-Ghazi, ZIS 2017, 157, 160 f.; Lederer, AnwBl. 2017, 514, 517 f.). Der Gesetzgeber bezweckte mit der Einführung des § 184i StGB nicht, bisher von § 184h Nr. 1 StGB aF erfasste Verhaltensweisen aus dem Schutzbereich herauszulösen und diese nunmehr nur noch unter den dort genannten Voraussetzungen in § 184i StGB unter Strafe zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2017 - 2 StR 574/16). Ziel der Neuregelung war es vielmehr, bisher strafrechtlich nicht erfasstes Verhalten auch unterhalb der Schwelle des § 184h Nr. 1 StGB zu pönalisieren (BT-Drucks. 18/9097 S. 30).
15
2. Hingegen hält der Rechtsfolgenausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
16
Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht im Rahmen der Erörterung der straferschwerenden Gesichtspunkte keine tatbezogene individuelle Strafzumessung vorgenommen, sondern betreffend aller Taten zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er eine Vielzahl von Taten über einen langen Zeitraum hinweg begangen und hierdurch ein Klima sexueller Übergriffigkeit geschaffen habe, in dem sich die Nebenklägerin zunehmend unwohl gefühlt habe. Aus den bisherigen Feststellungen ergibt sich nicht, dass das durch das Landgericht bemühte "Klima sexueller Übergriffigkeit" bereits bei Begehung der ersten Tat vorgelegen hat. Die Strafkammer geht vielmehr davon aus, dass der Angeklagte dieses erst durch sein Verhalten im Laufe der Zeit geschaffen hat. Ist das Klima sexueller Übergriffigkeit Folge aller oder einiger Taten, so kann dieses dem Angeklagten nur im Rahmen der Gesamtstrafenbildung oder nur in diesen Fällen, für die es festgestellt wurde, angelastet werden (vgl. Senat, Urteil vom 9. Juli 2014 - 2 StR 574/13, NStZ 2014, 701; Beschluss vom 12. April 2016 - 2 StR 483/15).
17
Auch dass die Taten sich über einen langen Zeitraum erstreckten, durfte nicht bei der Zumessung der Einzelstrafen zu Ungunsten des Angeklagten berücksichtigt werden. Dass einer ersten oder zweiten Tat weitere nachgefolgt sind, ist regelmäßig für deren Unrechtsgehalt ohne strafzumessungsrelevante Bedeutung. Dies mag anders sein, wenn von vornherein eine Mehrzahl von Taten geplant ist und darin die nach § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigungsfähige "rechtsfeindliche Gesinnung" des Täters zum Ausdruck kommt (Senat, Beschluss vom 12. April 2016 - 2 StR 483/15, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 23, mwN; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 46 Rn. 34a). Entsprechende Feststellungen hat das Landgericht jedoch nicht getroffen.
18
Dies führt zur Aufhebung aller Einzelstrafen und bedingt den Wegfall des Gesamtstrafenausspruchs. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafzumessung auf diesem Rechtsfehler beruht. Mit der Aufhebung des Strafausspruchs konnte auch die Anordnung der Führungsaufsicht gemäß § 68 Abs. 1 StGB keinen Bestand haben. Krehl Eschelbach Zeng Wimmer Grube

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 580/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 580/16

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 580/16 zitiert 8 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

Strafgesetzbuch - StGB | § 184c Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Inhalte


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. einen jugendpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; jugendpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn e

Strafgesetzbuch - StGB | § 68 Voraussetzungen der Führungsaufsicht


(1) Hat jemand wegen einer Straftat, bei der das Gesetz Führungsaufsicht besonders vorsieht, zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verwirkt, so kann das Gericht neben der Strafe Führungsaufsicht anordnen, wenn die Gefahr besteht, daß e

Strafgesetzbuch - StGB | § 184h Begriffsbestimmungen


Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. sexuelle Handlungen nur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind,2. sexuelle Handlungen vor einer anderen Person nur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen

Strafgesetzbuch - StGB | § 184i Sexuelle Belästigung


(1) Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Str

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 580/16 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 580/16 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 01. Dez. 2011 - 5 StR 417/11

bei uns veröffentlicht am 01.12.2011

5 StR 417/11 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 1. Dezember 2011 in der Strafsache gegen wegen sexueller Nötigung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Dezember 2011, an der teilgenommen haben: Rich

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 574/16

bei uns veröffentlicht am 26.04.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 574/16 vom 26. April 2017 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. ECLI:DE:BGH:2017:260417U2STR574.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Ver

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Sept. 2016 - 2 StR 558/15

bei uns veröffentlicht am 21.09.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 558/15 vom 21. September 2016 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. ECLI:DE:BGH:2016:210916U2STR558.15.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2016 - 2 StR 483/15

bei uns veröffentlicht am 12.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 483/15 vom 12. April 2016 in der Strafsache gegen wegen sexueller Nötigung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:120416B2STR483.15.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des B

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juli 2014 - 2 StR 574/13

bei uns veröffentlicht am 09.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 574/13 vom 9. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Juli 2014, an der teilgeno
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 580/16.

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2017 - 2 StR 452/16

bei uns veröffentlicht am 06.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 452/16 vom 6. Juni 2017 in der Strafsache gegen wegen sexueller Nötigung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:060617B2STR452.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Bes

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2018 - 4 StR 570/17

bei uns veröffentlicht am 13.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 570/17 vom 13. März 2018 BGHSt: ja (zu B.) BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja –––––––––––––––––––––––––– StGB § 184i Abs. 1 Zu den Voraussetzungen einer sexuellen Belästigung i.S.d.

Referenzen

Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
sexuelle Handlungennur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind,
2.
sexuelle Handlungen vor einer anderen Personnur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen werden, die den Vorgang wahrnimmt.

5 StR 417/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 1. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Dezember
2011, an der teilgenommen haben:
Richter Dr. Raum als Vorsitzender,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt W.
als Verteidiger,
Rechtsanwältin P.
als Vertreterin für die Nebenklägerin M. ,
Rechtsanwältin We.
als Vertreterin für die Nebenklägerin K. ,
Rechtsanwältin G.
als Vertreterin für die Nebenklägerin R. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und – betreffend den Fall 4 – der Nebenklägerin K. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Mai 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen in den Fällen 4, 6 und 7 aufrechterhalten; insoweit werden die Revisionen verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in sieben Fällen , davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil wenden sich die Staatsanwaltschaft und hinsichtlich Fall 4 die Nebenklägerin K. mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der zur Tatzeit 21-jährige, im elterlichen Haushalt lebende, „ge- hemmte und eigenwillig sperrige“ (UA S. 5) Angeklagte fühlte sich nach der Trennung von seiner Freundin oft einsam. Er war auf der Suche nach körperlicher Nähe, die er besonders beim Küssen empfand. Aus diesem Grund näherte er sich in sieben Fällen zwischen dem 12. August 2008 und dem 17. Januar 2009 in seinem Wohnumfeld auf offener Straße jungen, ihm unbekannten Frauen, die ihn optisch ansprachen, umfasste sie jeweils von hinten und hielt sie fest. In einigen Fällen küsste er sie (Taten 1 und 3) oder verlangte , sie sollten ihn küssen (Tat 6), und berührte sie über der Kleidung an den Brüsten oder im Genitalbereich (Taten 2 bis 6). Er ließ jeweils von den Frauen ab, als sie sich wehrten oder Dritte auf das Geschehen aufmerksam wurden. Zwei der Frauen trugen leichte körperliche Verletzungen davon (Taten 3 und 7).
4
b) Das Landgericht hat sämtliche Taten als Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 und 2 StGB gewertet und in den Fällen 3 und 7 jeweils tateinheitlich hierzu eine vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB angenommen. Eine Strafbarkeit wegen – vollendeter oder versuchter – sexueller Nötigung hat es in allen Fällen verneint. Eine sexuelle Handlung liege nicht vor, da es an der gemäß § 184g Nr. 1 StGB erforderlichen Erheblichkeit fehle. Bei den vom Angeklagten vorgenommenen Handlungen handele es sich um Zudringlichkeiten und nur ganz flüchtige Berührungen oberhalb der Bekleidung. Da der Angeklagte nicht mehr erstrebt habe als in Küssen und Umarmung bestehende Nähe, scheide auch eine Strafbarkeit wegen versuchter sexueller Nötigung aus. Von einer solchen wäre der Angeklagte im Übrigen in jedem der Fälle gemäß § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten.
5
2. Das angefochtene Urteil begegnet schon deshalb durchgreifenden Bedenken, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der vom Angeklagten verfolgten Ziele und damit zu seinem Tatvorsatz lückenhaft ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928, insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
6
Die Strafkammer ist der Einlassung des Angeklagten, er sei lediglich auf der Suche nach körperlicher Nähe („Kuscheln“, UA S. 3) gewesen, ge- folgt, ohne dem widersprechende Umstände zu erwägen. Schon die vom Angeklagten durchweg gewählte Art der Kontaktaufnahme – überraschendes gewaltsames Umfassen der jungen ihm unbekannten Frauen auf offener Straße von hinten – war offensichtlich ungeeignet, das vom Angeklagten behauptete Handlungsziel zu erreichen. Zudem hat der Angeklagte Handlungen vorgenommen, die über das angegebene Ziel hinausgingen und ersichtlich auf eine sexuelle Annäherung ausgerichtet waren:
7
In den Fällen 2 und 5 fasste er die Frauen an die Brust und den Genitalbereich , ohne dass ein von ihm erstrebtes Küssen als Ausdruck der körperlichen Nähe überhaupt angesprochen oder versucht wurde. Im Fall 4 umfasste er – seine Hose stand dabei offen – die Nebenklägerin K. und berührte die Frau für wenige Sekunden an den Brüsten, ohne sie zu küssen oder dies zu versuchen. Das gleiche gilt im Fall 7, als er den Mund der Frau zuhielt. Im Fall 3 berührte er zunächst nach Öffnen eines Reißverschlusses die Brust der Frau und verlangte „richtiges Küssen“ erst, nachdem er die Frau so fest gegen eine Wand gedrückt hatte, dass sie Hämatome davontrug.
8
3. Die Tatserie bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Nachdem das Landgericht die Einlassung des Angeklagten fehlerhaft bewertet hat, muss der Senat auch die objektiven Feststellungen in den Fällen aufheben , in denen diese allein auf der Einlassung des Angeklagten beruhen.
9
Das neue Tatgericht wird zu bedenken haben, dass als erheblich im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB solche Handlungen zu werten sind, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (BGH, Urteil vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324). Bei der am Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung orientierten Bewertung sind auch die gesamten Begleitumstände des Tatgeschehens einzubeziehen und neben den näheren Umständen der Handlung die Beziehung zwischen den Beteiligten und die konkrete Tatsituation zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2006 – 2 StR 575/05, StraFo 2006, 251; BGH, Urteil vom 25. Juli 1989 – 1 StR 95/89, NJW 1989, 3029; LK-Laufhütte/Roggenbuck , StGB, 12. Aufl., § 184g Rn. 12). Eine ergänzende Betrachtung des Gesamtzusammenhangs ist insbesondere dann geboten, wenn die Handlungen für sich genommen in ihrer sexuellen Ausprägung nicht besonders gravierend oder nachhaltig sind. In die Bewertung wird deshalb hier neben der (zum Teil eher geringen) Intensität der sexuellen Handlungen einzustellen sein, dass der Angeklagte jeweils ihm unbekannte Frauen überraschend und unvermittelt von hinten angriff und sie unter beträchtlicher Kraftentfaltung körperlich so heftig bedrängte, dass sich die Frauen ihm nur durch erhebliche körperliche Gegenwehr entziehen konnten.
10
Aufgrund des engen Zusammenhangs der schon länger zurückliegenden Taten wird wiederum die Festsetzung einer die Einzelstrafen eng zusammenfassenden Gesamtstrafe geboten sein. Auch könnten die Erwägungen des angefochtenen Urteils zur Strafaussetzung zur Bewährung auch in Ansehung eines geänderten Schuldspruchs tragfähig bleiben.
Raum Brause Schaal Schneider König

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 558/15
vom
21. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:210916U2STR558.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. September 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng,
Erster Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 27. August 2015 im Fall 2 der Urteilsgründe aufgehoben und der Angeklagte insoweit freigesprochen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Soweit der Angeklagte freigesprochen wurde, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen. Im Übrigen trägt der Angeklagte die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Widerstandsunfähigen, sowie wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung in den Fällen 2, 3 und 4 der Ur- teilsgründe sowie gegen die Einzelstrafaussprüche und die verhängte Gesamtstrafe. Sein Rechtsmittel hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die zur Tatzeit 13jährige D. mit der Tochter des Angeklagten befreundet. Sie fuhr mehrfach mit der Familie des Angeklagten in den Urlaub, so auch in den Osterferien 2007. Dabei umfasste der Angeklagte während eines gemeinsamen Schwimmbadbesuchs in sexuell motivierter Absicht mit seiner linken Hand die mit einem Badeanzug bekleidete linke Brust des Mädchens und drückte zu (Fall 1).
3
Im Sommerurlaub 2007 äußerte sich der Angeklagte der Geschädigten gegenüber wiederholt dahin, dass sie den Körper einer Frau habe und sich gar nicht bewusst sei, welche Reize sie aussende. Dabei fasste er ihr ans Gesäß oder an die Brust. Als das Mädchen daraufhin ihren Vater anrief und vergeblich darum bat, abgeholt zu werden, bestand der Angeklagte auf einer „Versöh- nung“, wobei die Geschädigte sich auf seinen Schoß setzen musste. Bei einem nachfolgenden Schwimmbadbesuch umarmte der nur mit einer Badehose bekleidete Angeklagte die mit einem Bikini bekleidete Geschädigte, um sich durch den dadurch entstehenden Kontakt sexuell zu erregen. Er umfasste ihre Taille und zog sie so nah an sich, „dass entsprechend seiner Absicht direkter Kontakt zwischen ihren unbekleideten und bekleideten Körperpartien zu seinen nackten Oberschenkeln und seinem nackten Oberkörper und insbesondere an ihrem Unterleib der unmittelbare und deutlich spürbare Kontakt zu seinem Penis ent- stand“ (Fall 2).
4
In den Osterferien 2008 fuhr die zur Tatzeit 13 Jahre alte S. , die ebenfalls mit der Tochter des Angeklagten befreundet war, mit der Familie des Angeklagten in den Skiurlaub. Während eines gemeinsamen Schwimmbadbesuchs griff der Angeklagte in sexuell motivierter Absicht von hinten in die Badehose des Mädchens und berührte ihr nacktes Gesäß. Zur Intensivierung der Berührung hob er sie, ihr nacktes Gesäß umfassend, in die Höhe (Fall 3).
5
Bei einer weiteren Gelegenheit während des Osterurlaubs trat der Angeklagte in der Nacht an das schlafende Mädchen heran, führte seine Hand unterhalb des Hosenbeins in ihre Schlafanzughose ein und streichelte ihr nacktes Gesäß. Als die Geschädigte erwachte, veränderte sie – während der Angeklagte sie weiterhin am Gesäß streichelte – scheinbar schlafend die Körperposition, so dass der Angeklagte von ihr abließ (Fall 4).
6
Nach diesen Vorfällen wollte die Geschädigte nicht mehr mit der Familie des Angeklagten in Urlaub fahren. Sie erzählte ihrer Mutter von den Vorfällen, die ihr jedoch – nach einem Gespräch mit dem Angeklagten – nicht glaubte. Auf Druck ihrer Mutter fuhr sie schließlich mit der Familie des Angeklagten auch in den Sommerurlaub 2008. Bei mindestens einer Gelegenheit, als sichS. und die Tochter des Angeklagten nach der Rückkehr vom Strand ihre Badekleidung ausgezogen hatten, bestand der Angeklagte darauf, die unbekleidete Geschädigte am ganzen Körper, namentlich an der Brust und am Gesäß einzucremen und Insektenschutzmittel aufzutragen (Fall 5).
7
Bei einer weiteren Gelegenheit fasste der Angeklagte während eines Schwimmbadbesuchs in sexuell motivierter Absicht mit seiner rechten Hand in die Bikinihose der Geschädigten, wobei er ihre Scheide berührte (Fall 6).
8
Der Angeklagte besaß am 29. November 2011 und davor in nicht rechtsverjährter Zeit zahlreiche Bilddateien und Videos. Darauf waren sexuelle Handlungen von Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen und zwischen Kindern und Jugendlichen untereinander zu sehen, insbesondere Geschlechts-, Oralund Analverkehr von erwachsenen Männern mit Kindern, die gegenseitige Manipulation an Geschlechtsteilen von Kindern und Jugendlichen untereinander, der Oralverkehr von Kindern untereinander sowie das Einführen eines Dildos und eines Fingers in die Scheide eines Kindes (Fall 7).
9
2. Der Angeklagte hat die sexuell motivierten Übergriffe zu Lasten der beiden Geschädigten anlässlich der gemeinsamen Urlaube und den ihm im Fall 7 zur Last gelegten Besitz eingeräumt.

II.

10
Auf die Sachbeschwerde ist die im Fall 2 der Urteilsgründe erfolgte Verurteilung aufzuheben und der Angeklagte insoweit freizusprechen. Im Übrigen hat die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils weder in Hinblick auf die Schuldsprüche in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe noch auf die Einzelstrafaussprüche oder die verhängte Gesamtstrafe Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
11
Der näheren Erörterung bedürfen lediglich die Schuldsprüche wegen sexuellen Missbrauchs in den Fällen 2, 3 und 4 der Urteilsgründe und zwar dahingehend , inwiefern es sich bei den von dem Angeklagten an den Geschädigten mit Körperkontakt vorgenommenen Handlungen um sexuelle im Sinne von § 184f Nr. 1 StGB aF (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB) handelte.
12
1. Der dafür erforderliche sexuelle Bezug liegt in allen Fällen vor. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung zunächst bei solchen Handlungen der Fall, die bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2016 – 3 StR437/15, NJW 2016, 2049 mwN). Daneben können auch sog. ambivalente Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein; insoweit ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431, 432). Hierbei ist auch einzustellen, ob der Angeklagte von sexuellen Absichten geleitet war (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004 – 3 StR 256/04, NStZ-RR 2005, 361, 367 bei Pfister; Urteil vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, NStZ-RR 2008, 339, 340; MüKoStGB/Hörnle, 2. Aufl., § 184g Rn. 3f.; Eisele in: Schönke/ Schröder, 29. Aufl., § 184g Rn. 9 mwN zur Gegenansicht).
13
Ungeachtet dessen, ob die jeweils ohne einen besonderen situativ bedingten Anlass vorgenommenen Handlungen des Angeklagten in den Fällen 2 („Umarmung“) sowie 3 und 4 der Urteilsgründe (Streicheln des nackten Gesäßes ) bereits von ihrem äußeren Erscheinungsbild ihre Sexualbezogenheit erkennen ließen (vgl. zum Legen eines Blasen- und Analkatheters BGH, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11, NStZ-RR 2013, 10, 12), ergibt sich deren Sexualbezug vorliegend jedenfalls aus der den Angeklagten leitenden Motivation , seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 10. März 2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049 mwN).
14
2. Die Handlungen überschritten indes nur in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe auch die Erheblichkeitsschwelle des § 184f Nr. 1 StGB aF. Als erheblich in diesem Sinne sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beein- trächtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (BGH, Urteile vom 3. April 1991 – 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324, 325; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Lackner/Kühl/Heger, 28. Aufl., § 184g Rn. 5; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, § 184g Rn. 7; differenzierend SSW-StGB/Wolters, 2. Aufl., § 184g Rn. 9 f.).
15
Die sexuelle Selbstbestimmung ist am ehesten bei Kontakt an Geschlechtsorganen verletzt. Abhängig von der Einwirkungsintensität im Einzelfall können aber auch Berührungen an anderen Körperregionen die Schwelle der Erheblichkeit überschreiten. Als maßgebliche Umstände für die vorzunehmende Bewertung kommen neben der Intensität und Dauer des Kontakts auch etwaige begleitende Handlungen, wie Berührungen des Körpers, das Verhältnis zwischen Täter und Opfer und die konkrete Tatsituation in Betracht (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – 1 Ss 70/09, NStZ-RR 2010, 45, 46). Zu berücksichtigen ist auch, dass bei einem dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung von Kindern dienenden Tatbestand, die Anforderungen geringer sein können. Das Erheblichkeitsmerkmal ist entsprechend im Sinne des § 176 StGB auszulegen, der dem Ziel dient, Kinder vor einer Beeinträchtigung ihrer Gesamtentwicklung durch sexuelle Handlungen zu schützen (BGH, Urteil vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 340; Senat, Beschluss vom 6. Juli 1983 – 2 StR 350/83, StV 1983, 415; BGH, Beschluss vom 13. Juli 1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553). Letztlich sind aber auch bei diesem Tatbestand nicht sämtliche sexualbezogenen Handlungen , die sexuell motiviert sind, tatbestandsmäßig. Auszuscheiden sind vielmehr kurze oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553).
16
a) Gemessen an diesen Grundsätzen waren die von dem Angeklagten an der Geschädigten S. vorgenommenen Handlungen in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe erheblich im vorstehenden Sinne. Sie bestanden nicht nur in flüchtigen oder „zufälligen“ Berührungen bekleideter Körperregionen. Vielmehr handelte es sich in beiden Fällen um gezielte körperliche Berührungen des Mädchens in Badebekleidung bzw. im Schlafanzug. Zwar stellt das Gesäß weder ein primäres noch sekundäres Geschlechtsmerkmal dar. Wie aber auch das Berühren der nackten weiblichen Brust wird das Streicheln des nackten Gesäßes aber gemeinhin jedenfalls dann nicht als sozialübliche Berührung wahrgenommen , wenn es von einem erwachsenen Mann gegenüber einem 13 Jahre alten Mädchen erfolgt. Das nicht nur kurzzeitige Streicheln des entblößten Gesäßes durch Einführen der Hand in die Kleidung des erst 13-jährigen Mädchens lässt daher unter Berücksichtigung der beschriebenen allgemeinen Tatsituation eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung des Mädchens besorgen und stellt daher auch eine erhebliche sexuelle Handlung im Sinne des § 184f Nr. 1 StGB dar.
17
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das fortschreitende Alter eines Kindes keineswegs stets zu einer Reduzierung der Erheblichkeit bestimmter Handlungen führt. So werden Handlungen wie das Eincremen am ganzen Körper oder das Streicheln an Brust oder Gesäß bei kleinen Kindern oft keine beeinträchtigende Wirkung haben; bei denselben Handlungen an einem pubertierenden 13-jährigen Kind wird eine Beeinträchtigung regelmäßig naheliegen.
18
b) Die Feststellungen tragen indes nicht die Annahme der Erheblichkeit der „Umarmung“ im Fall 2 der Urteilgründe. Zwar wurden entblößte Körperteile der Geschädigten an den Angeklagten gedrückt; zudem bestand ein spürbarer Kontakt zum Penis des Angeklagten. Das reicht aber für sich genommen nicht aus, denn zum einen konnten weder zur Dauer und Intensität der Handlung Feststellungen getroffen werden, zum anderen hält sich eine Berührung unbekleideter Körperteile bei einer kurzen Umarmung in situationsadäquater Badebekleidung im Rahmen des Üblichen.
19
3. Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 2 der Urteilsgründe. Da der Senat ausschließt, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch ergänzende Feststellungen zu dem zwischenzeitlich über acht Jahre zurückliegenden Geschehen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung des Angeklagten in diesem Fall zu tragen vermögen, spricht er den Angeklagten insoweit mit der entsprechenden Kostenfolge frei (§ 354 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO).
20
Angesichts der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von zweimal sechs Monaten, zweimal 120 Tagessätzen und einmal 60 Tagessätzen ist es auszuschließen , dass das Landgericht ohne die aufgrund des Freispruchs weggefallene Einzelgeldstrafe von 90 Tagessätzen eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen jugendpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; jugendpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person,
b)
die Wiedergabe einer ganz oder teilweise unbekleideten vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes einer vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person,
2.
es unternimmt, einer anderen Person einen jugendpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3.
einen jugendpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4.
einen jugendpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.

(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(3) Wer es unternimmt, einen jugendpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen, oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Absatz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 5, und Absatz 3 sind nicht anzuwenden auf Handlungen von Personen in Bezug auf einen solchen jugendpornographischen Inhalt, den sie ausschließlich zum persönlichen Gebrauch mit Einwilligung der dargestellten Personen hergestellt haben.

(5) Der Versuch ist strafbar; dies gilt nicht für Taten nach Absatz 1 Nummer 2 und 4 sowie Absatz 3.

(6) § 184b Absatz 5 bis 7 gilt entsprechend.

5 StR 417/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 1. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Dezember
2011, an der teilgenommen haben:
Richter Dr. Raum als Vorsitzender,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt W.
als Verteidiger,
Rechtsanwältin P.
als Vertreterin für die Nebenklägerin M. ,
Rechtsanwältin We.
als Vertreterin für die Nebenklägerin K. ,
Rechtsanwältin G.
als Vertreterin für die Nebenklägerin R. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und – betreffend den Fall 4 – der Nebenklägerin K. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Mai 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen in den Fällen 4, 6 und 7 aufrechterhalten; insoweit werden die Revisionen verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in sieben Fällen , davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil wenden sich die Staatsanwaltschaft und hinsichtlich Fall 4 die Nebenklägerin K. mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der zur Tatzeit 21-jährige, im elterlichen Haushalt lebende, „ge- hemmte und eigenwillig sperrige“ (UA S. 5) Angeklagte fühlte sich nach der Trennung von seiner Freundin oft einsam. Er war auf der Suche nach körperlicher Nähe, die er besonders beim Küssen empfand. Aus diesem Grund näherte er sich in sieben Fällen zwischen dem 12. August 2008 und dem 17. Januar 2009 in seinem Wohnumfeld auf offener Straße jungen, ihm unbekannten Frauen, die ihn optisch ansprachen, umfasste sie jeweils von hinten und hielt sie fest. In einigen Fällen küsste er sie (Taten 1 und 3) oder verlangte , sie sollten ihn küssen (Tat 6), und berührte sie über der Kleidung an den Brüsten oder im Genitalbereich (Taten 2 bis 6). Er ließ jeweils von den Frauen ab, als sie sich wehrten oder Dritte auf das Geschehen aufmerksam wurden. Zwei der Frauen trugen leichte körperliche Verletzungen davon (Taten 3 und 7).
4
b) Das Landgericht hat sämtliche Taten als Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 und 2 StGB gewertet und in den Fällen 3 und 7 jeweils tateinheitlich hierzu eine vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB angenommen. Eine Strafbarkeit wegen – vollendeter oder versuchter – sexueller Nötigung hat es in allen Fällen verneint. Eine sexuelle Handlung liege nicht vor, da es an der gemäß § 184g Nr. 1 StGB erforderlichen Erheblichkeit fehle. Bei den vom Angeklagten vorgenommenen Handlungen handele es sich um Zudringlichkeiten und nur ganz flüchtige Berührungen oberhalb der Bekleidung. Da der Angeklagte nicht mehr erstrebt habe als in Küssen und Umarmung bestehende Nähe, scheide auch eine Strafbarkeit wegen versuchter sexueller Nötigung aus. Von einer solchen wäre der Angeklagte im Übrigen in jedem der Fälle gemäß § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten.
5
2. Das angefochtene Urteil begegnet schon deshalb durchgreifenden Bedenken, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der vom Angeklagten verfolgten Ziele und damit zu seinem Tatvorsatz lückenhaft ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928, insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
6
Die Strafkammer ist der Einlassung des Angeklagten, er sei lediglich auf der Suche nach körperlicher Nähe („Kuscheln“, UA S. 3) gewesen, ge- folgt, ohne dem widersprechende Umstände zu erwägen. Schon die vom Angeklagten durchweg gewählte Art der Kontaktaufnahme – überraschendes gewaltsames Umfassen der jungen ihm unbekannten Frauen auf offener Straße von hinten – war offensichtlich ungeeignet, das vom Angeklagten behauptete Handlungsziel zu erreichen. Zudem hat der Angeklagte Handlungen vorgenommen, die über das angegebene Ziel hinausgingen und ersichtlich auf eine sexuelle Annäherung ausgerichtet waren:
7
In den Fällen 2 und 5 fasste er die Frauen an die Brust und den Genitalbereich , ohne dass ein von ihm erstrebtes Küssen als Ausdruck der körperlichen Nähe überhaupt angesprochen oder versucht wurde. Im Fall 4 umfasste er – seine Hose stand dabei offen – die Nebenklägerin K. und berührte die Frau für wenige Sekunden an den Brüsten, ohne sie zu küssen oder dies zu versuchen. Das gleiche gilt im Fall 7, als er den Mund der Frau zuhielt. Im Fall 3 berührte er zunächst nach Öffnen eines Reißverschlusses die Brust der Frau und verlangte „richtiges Küssen“ erst, nachdem er die Frau so fest gegen eine Wand gedrückt hatte, dass sie Hämatome davontrug.
8
3. Die Tatserie bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Nachdem das Landgericht die Einlassung des Angeklagten fehlerhaft bewertet hat, muss der Senat auch die objektiven Feststellungen in den Fällen aufheben , in denen diese allein auf der Einlassung des Angeklagten beruhen.
9
Das neue Tatgericht wird zu bedenken haben, dass als erheblich im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB solche Handlungen zu werten sind, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (BGH, Urteil vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324). Bei der am Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung orientierten Bewertung sind auch die gesamten Begleitumstände des Tatgeschehens einzubeziehen und neben den näheren Umständen der Handlung die Beziehung zwischen den Beteiligten und die konkrete Tatsituation zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2006 – 2 StR 575/05, StraFo 2006, 251; BGH, Urteil vom 25. Juli 1989 – 1 StR 95/89, NJW 1989, 3029; LK-Laufhütte/Roggenbuck , StGB, 12. Aufl., § 184g Rn. 12). Eine ergänzende Betrachtung des Gesamtzusammenhangs ist insbesondere dann geboten, wenn die Handlungen für sich genommen in ihrer sexuellen Ausprägung nicht besonders gravierend oder nachhaltig sind. In die Bewertung wird deshalb hier neben der (zum Teil eher geringen) Intensität der sexuellen Handlungen einzustellen sein, dass der Angeklagte jeweils ihm unbekannte Frauen überraschend und unvermittelt von hinten angriff und sie unter beträchtlicher Kraftentfaltung körperlich so heftig bedrängte, dass sich die Frauen ihm nur durch erhebliche körperliche Gegenwehr entziehen konnten.
10
Aufgrund des engen Zusammenhangs der schon länger zurückliegenden Taten wird wiederum die Festsetzung einer die Einzelstrafen eng zusammenfassenden Gesamtstrafe geboten sein. Auch könnten die Erwägungen des angefochtenen Urteils zur Strafaussetzung zur Bewährung auch in Ansehung eines geänderten Schuldspruchs tragfähig bleiben.
Raum Brause Schaal Schneider König

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 558/15
vom
21. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:210916U2STR558.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. September 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng,
Erster Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 27. August 2015 im Fall 2 der Urteilsgründe aufgehoben und der Angeklagte insoweit freigesprochen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Soweit der Angeklagte freigesprochen wurde, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen. Im Übrigen trägt der Angeklagte die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Widerstandsunfähigen, sowie wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung in den Fällen 2, 3 und 4 der Ur- teilsgründe sowie gegen die Einzelstrafaussprüche und die verhängte Gesamtstrafe. Sein Rechtsmittel hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die zur Tatzeit 13jährige D. mit der Tochter des Angeklagten befreundet. Sie fuhr mehrfach mit der Familie des Angeklagten in den Urlaub, so auch in den Osterferien 2007. Dabei umfasste der Angeklagte während eines gemeinsamen Schwimmbadbesuchs in sexuell motivierter Absicht mit seiner linken Hand die mit einem Badeanzug bekleidete linke Brust des Mädchens und drückte zu (Fall 1).
3
Im Sommerurlaub 2007 äußerte sich der Angeklagte der Geschädigten gegenüber wiederholt dahin, dass sie den Körper einer Frau habe und sich gar nicht bewusst sei, welche Reize sie aussende. Dabei fasste er ihr ans Gesäß oder an die Brust. Als das Mädchen daraufhin ihren Vater anrief und vergeblich darum bat, abgeholt zu werden, bestand der Angeklagte auf einer „Versöh- nung“, wobei die Geschädigte sich auf seinen Schoß setzen musste. Bei einem nachfolgenden Schwimmbadbesuch umarmte der nur mit einer Badehose bekleidete Angeklagte die mit einem Bikini bekleidete Geschädigte, um sich durch den dadurch entstehenden Kontakt sexuell zu erregen. Er umfasste ihre Taille und zog sie so nah an sich, „dass entsprechend seiner Absicht direkter Kontakt zwischen ihren unbekleideten und bekleideten Körperpartien zu seinen nackten Oberschenkeln und seinem nackten Oberkörper und insbesondere an ihrem Unterleib der unmittelbare und deutlich spürbare Kontakt zu seinem Penis ent- stand“ (Fall 2).
4
In den Osterferien 2008 fuhr die zur Tatzeit 13 Jahre alte S. , die ebenfalls mit der Tochter des Angeklagten befreundet war, mit der Familie des Angeklagten in den Skiurlaub. Während eines gemeinsamen Schwimmbadbesuchs griff der Angeklagte in sexuell motivierter Absicht von hinten in die Badehose des Mädchens und berührte ihr nacktes Gesäß. Zur Intensivierung der Berührung hob er sie, ihr nacktes Gesäß umfassend, in die Höhe (Fall 3).
5
Bei einer weiteren Gelegenheit während des Osterurlaubs trat der Angeklagte in der Nacht an das schlafende Mädchen heran, führte seine Hand unterhalb des Hosenbeins in ihre Schlafanzughose ein und streichelte ihr nacktes Gesäß. Als die Geschädigte erwachte, veränderte sie – während der Angeklagte sie weiterhin am Gesäß streichelte – scheinbar schlafend die Körperposition, so dass der Angeklagte von ihr abließ (Fall 4).
6
Nach diesen Vorfällen wollte die Geschädigte nicht mehr mit der Familie des Angeklagten in Urlaub fahren. Sie erzählte ihrer Mutter von den Vorfällen, die ihr jedoch – nach einem Gespräch mit dem Angeklagten – nicht glaubte. Auf Druck ihrer Mutter fuhr sie schließlich mit der Familie des Angeklagten auch in den Sommerurlaub 2008. Bei mindestens einer Gelegenheit, als sichS. und die Tochter des Angeklagten nach der Rückkehr vom Strand ihre Badekleidung ausgezogen hatten, bestand der Angeklagte darauf, die unbekleidete Geschädigte am ganzen Körper, namentlich an der Brust und am Gesäß einzucremen und Insektenschutzmittel aufzutragen (Fall 5).
7
Bei einer weiteren Gelegenheit fasste der Angeklagte während eines Schwimmbadbesuchs in sexuell motivierter Absicht mit seiner rechten Hand in die Bikinihose der Geschädigten, wobei er ihre Scheide berührte (Fall 6).
8
Der Angeklagte besaß am 29. November 2011 und davor in nicht rechtsverjährter Zeit zahlreiche Bilddateien und Videos. Darauf waren sexuelle Handlungen von Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen und zwischen Kindern und Jugendlichen untereinander zu sehen, insbesondere Geschlechts-, Oralund Analverkehr von erwachsenen Männern mit Kindern, die gegenseitige Manipulation an Geschlechtsteilen von Kindern und Jugendlichen untereinander, der Oralverkehr von Kindern untereinander sowie das Einführen eines Dildos und eines Fingers in die Scheide eines Kindes (Fall 7).
9
2. Der Angeklagte hat die sexuell motivierten Übergriffe zu Lasten der beiden Geschädigten anlässlich der gemeinsamen Urlaube und den ihm im Fall 7 zur Last gelegten Besitz eingeräumt.

II.

10
Auf die Sachbeschwerde ist die im Fall 2 der Urteilsgründe erfolgte Verurteilung aufzuheben und der Angeklagte insoweit freizusprechen. Im Übrigen hat die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils weder in Hinblick auf die Schuldsprüche in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe noch auf die Einzelstrafaussprüche oder die verhängte Gesamtstrafe Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
11
Der näheren Erörterung bedürfen lediglich die Schuldsprüche wegen sexuellen Missbrauchs in den Fällen 2, 3 und 4 der Urteilsgründe und zwar dahingehend , inwiefern es sich bei den von dem Angeklagten an den Geschädigten mit Körperkontakt vorgenommenen Handlungen um sexuelle im Sinne von § 184f Nr. 1 StGB aF (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB) handelte.
12
1. Der dafür erforderliche sexuelle Bezug liegt in allen Fällen vor. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung zunächst bei solchen Handlungen der Fall, die bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2016 – 3 StR437/15, NJW 2016, 2049 mwN). Daneben können auch sog. ambivalente Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein; insoweit ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431, 432). Hierbei ist auch einzustellen, ob der Angeklagte von sexuellen Absichten geleitet war (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004 – 3 StR 256/04, NStZ-RR 2005, 361, 367 bei Pfister; Urteil vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, NStZ-RR 2008, 339, 340; MüKoStGB/Hörnle, 2. Aufl., § 184g Rn. 3f.; Eisele in: Schönke/ Schröder, 29. Aufl., § 184g Rn. 9 mwN zur Gegenansicht).
13
Ungeachtet dessen, ob die jeweils ohne einen besonderen situativ bedingten Anlass vorgenommenen Handlungen des Angeklagten in den Fällen 2 („Umarmung“) sowie 3 und 4 der Urteilsgründe (Streicheln des nackten Gesäßes ) bereits von ihrem äußeren Erscheinungsbild ihre Sexualbezogenheit erkennen ließen (vgl. zum Legen eines Blasen- und Analkatheters BGH, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11, NStZ-RR 2013, 10, 12), ergibt sich deren Sexualbezug vorliegend jedenfalls aus der den Angeklagten leitenden Motivation , seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 10. März 2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049 mwN).
14
2. Die Handlungen überschritten indes nur in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe auch die Erheblichkeitsschwelle des § 184f Nr. 1 StGB aF. Als erheblich in diesem Sinne sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beein- trächtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (BGH, Urteile vom 3. April 1991 – 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324, 325; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Lackner/Kühl/Heger, 28. Aufl., § 184g Rn. 5; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, § 184g Rn. 7; differenzierend SSW-StGB/Wolters, 2. Aufl., § 184g Rn. 9 f.).
15
Die sexuelle Selbstbestimmung ist am ehesten bei Kontakt an Geschlechtsorganen verletzt. Abhängig von der Einwirkungsintensität im Einzelfall können aber auch Berührungen an anderen Körperregionen die Schwelle der Erheblichkeit überschreiten. Als maßgebliche Umstände für die vorzunehmende Bewertung kommen neben der Intensität und Dauer des Kontakts auch etwaige begleitende Handlungen, wie Berührungen des Körpers, das Verhältnis zwischen Täter und Opfer und die konkrete Tatsituation in Betracht (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – 1 Ss 70/09, NStZ-RR 2010, 45, 46). Zu berücksichtigen ist auch, dass bei einem dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung von Kindern dienenden Tatbestand, die Anforderungen geringer sein können. Das Erheblichkeitsmerkmal ist entsprechend im Sinne des § 176 StGB auszulegen, der dem Ziel dient, Kinder vor einer Beeinträchtigung ihrer Gesamtentwicklung durch sexuelle Handlungen zu schützen (BGH, Urteil vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 340; Senat, Beschluss vom 6. Juli 1983 – 2 StR 350/83, StV 1983, 415; BGH, Beschluss vom 13. Juli 1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553). Letztlich sind aber auch bei diesem Tatbestand nicht sämtliche sexualbezogenen Handlungen , die sexuell motiviert sind, tatbestandsmäßig. Auszuscheiden sind vielmehr kurze oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553).
16
a) Gemessen an diesen Grundsätzen waren die von dem Angeklagten an der Geschädigten S. vorgenommenen Handlungen in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe erheblich im vorstehenden Sinne. Sie bestanden nicht nur in flüchtigen oder „zufälligen“ Berührungen bekleideter Körperregionen. Vielmehr handelte es sich in beiden Fällen um gezielte körperliche Berührungen des Mädchens in Badebekleidung bzw. im Schlafanzug. Zwar stellt das Gesäß weder ein primäres noch sekundäres Geschlechtsmerkmal dar. Wie aber auch das Berühren der nackten weiblichen Brust wird das Streicheln des nackten Gesäßes aber gemeinhin jedenfalls dann nicht als sozialübliche Berührung wahrgenommen , wenn es von einem erwachsenen Mann gegenüber einem 13 Jahre alten Mädchen erfolgt. Das nicht nur kurzzeitige Streicheln des entblößten Gesäßes durch Einführen der Hand in die Kleidung des erst 13-jährigen Mädchens lässt daher unter Berücksichtigung der beschriebenen allgemeinen Tatsituation eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung des Mädchens besorgen und stellt daher auch eine erhebliche sexuelle Handlung im Sinne des § 184f Nr. 1 StGB dar.
17
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das fortschreitende Alter eines Kindes keineswegs stets zu einer Reduzierung der Erheblichkeit bestimmter Handlungen führt. So werden Handlungen wie das Eincremen am ganzen Körper oder das Streicheln an Brust oder Gesäß bei kleinen Kindern oft keine beeinträchtigende Wirkung haben; bei denselben Handlungen an einem pubertierenden 13-jährigen Kind wird eine Beeinträchtigung regelmäßig naheliegen.
18
b) Die Feststellungen tragen indes nicht die Annahme der Erheblichkeit der „Umarmung“ im Fall 2 der Urteilgründe. Zwar wurden entblößte Körperteile der Geschädigten an den Angeklagten gedrückt; zudem bestand ein spürbarer Kontakt zum Penis des Angeklagten. Das reicht aber für sich genommen nicht aus, denn zum einen konnten weder zur Dauer und Intensität der Handlung Feststellungen getroffen werden, zum anderen hält sich eine Berührung unbekleideter Körperteile bei einer kurzen Umarmung in situationsadäquater Badebekleidung im Rahmen des Üblichen.
19
3. Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 2 der Urteilsgründe. Da der Senat ausschließt, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch ergänzende Feststellungen zu dem zwischenzeitlich über acht Jahre zurückliegenden Geschehen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung des Angeklagten in diesem Fall zu tragen vermögen, spricht er den Angeklagten insoweit mit der entsprechenden Kostenfolge frei (§ 354 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO).
20
Angesichts der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von zweimal sechs Monaten, zweimal 120 Tagessätzen und einmal 60 Tagessätzen ist es auszuschließen , dass das Landgericht ohne die aufgrund des Freispruchs weggefallene Einzelgeldstrafe von 90 Tagessätzen eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
sexuelle Handlungennur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind,
2.
sexuelle Handlungen vor einer anderen Personnur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen werden, die den Vorgang wahrnimmt.

(1) Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
sexuelle Handlungennur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind,
2.
sexuelle Handlungen vor einer anderen Personnur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen werden, die den Vorgang wahrnimmt.

(1) Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 574/16
vom
26. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:260417U2STR574.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 12. April 2017 in der Sitzung am 26. April 2017, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Wimmer,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung - als Verteidigerin, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Vertreter der Nebenklägerinnen,
Amtsinspektorin in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 30. August 2016 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts missbrauchte der Angeklagte seine am 19. Juni 2008 geborenen Zwillingstöchter F. und J. am 30. Januar 2016 während eines Besuchsaufenthalts der Kinder in seiner Wohnung.
3
Gegen 21:00 Uhr ging der Angeklagte in das Schlafzimmer zu seiner Tochter F. . „Er fasste dort mit einer Hand in den Schlafsack des mit einem TShirt und einer Unterhose bekleideten Kindes und führte sie in der Absicht, sich sexuell zu erregen, über ihrer Unterhose bis einige Zentimeter oberhalb ihres Genitalbereichs und streichelte seine Tochter dort. Als F. äußerte, sie wolle das nicht, ließ er von ihr ab“ (Fall 1 der Anklage).
4
Der Angeklagte forderte danach seine Tochter J. auf, mit ihm zu kommen. Zu F. sagte er, ihre Schwester J. komme gleich wieder. Im Wohnzimmer entkleidete er J. . Anschließend ging er mit ihr in das Badezimmer , wo er seine Hose und Unterhose herunterzog und sich auf die Toilette setzte. Auf sein Geheiß setzte sich das Kind auf seinen Schoß. Als das Kind erklärte, dies nicht zu wollen, hob er es herunter. Danach ging er mit J. wieder ins Wohnzimmer, wo er ihren Körper im Bereich der Brust ableckte. Er veranlasste sodann das Kind dazu, Joghurt auf seinem Körper zu verteilen. Dann forderte er es auf, seinen Penis, der auch mit Joghurt benetzt war, in den Mund zu nehmen. Dem folgte das Kind zunächst, erklärte dann aber weinend, es wolle dies nicht. Darauf beendete der Angeklagte den Oralverkehr (Fall 2 der Anklage

).


II.

5
Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil ist unbegründet. Der Erörterung bedarf nur die Frage, ob bei der Tat des Angeklagten zum Nachteil der Tochter F. (Fall 1 der Anklage), die das Landgericht als Vergehen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 3 in Tateinheit mit § 176 Abs. 1 StGB bewertet hat, eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB vorlag.
6
1. Die Strafkammer hat zwar bei der rechtlichen Würdigung nicht erläutert , dass das Streicheln der zur Tatzeit siebeneinhalbjährigen Zwillingstochter „über deren Unterhose knapp über deren Genitalbereich“ im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit war (§ 184h Nr. 1 StGB). Das bedurfte aber keiner besonderen Begründung (vgl. Senat, Urteil vom 6. Mai 1992 – 2 StR 490/91, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit

1).

7
Als erheblich in diesem Sinne sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus. Bei Tatbeständen, die Kinder und Jugendliche schützen, können weniger strenge Maßstäbe anzulegen sein (vgl. Senat, Urteil vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44; Heger in Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 184g Rn. 6; Laubenthal in Festschrift für Streng, 2017, S. 87, 95). Letztlich sind aber auch beim Schutz der sexuellen Selbstbestimmung von Kindern (§ 176 StGB) nicht sämtliche sexualbezogenen Handlungen, die sexuell motiviert sind, tatbestandsmäßig. Auszuscheiden sind vielmehr kurze oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43,

44).

8
Nach den Feststellungen des Landgerichts lagen sexuelle Handlungen des Angeklagten zum Nachteil seiner zur Tatzeit erst siebeneinhalbjährigen Tochter F. vor, die ersichtlich für das geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit waren. Dies folgt aus der Tatbegehung in der besonderen Beziehung zwischen Vater und Tochter, aus dem deutlich unter der Schutzaltersgrenze liegenden Alter des Kindes zur Tatzeit, aus der Art der sexuellen Handlung und aus den Begleitumständen, wie der Tatsache, dass das Kind situativ in die nachfolgende Tat zum Nachteil der Zwillingsschwester einbezogen wurde.
9
2. Die Gesetzesänderungen durch das 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung - vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) geben keinen Anlass zu einer für den Angeklagten günstigeren Bewertung als milderes Recht im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB.
10
Die Einführung eines Auffangtatbestands für belästigend wirkende körperliche Berührungen in sexuell bestimmter Weise in § 184i StGB wirkt sich nicht auf die Auslegung des Begriffs der Erheblichkeit in § 184h Nr. 1 StGB aus (anders aber El Ghazi, ZIS 2017, 157, 160 f.; Lederer, AnwBl. 2017, 514, 517 f.). Der Gesetzgeber bezweckte mit der Einführung des § 184i StGB nicht, bisher von § 184h Nr. 1 StGB erfasste Verhaltensweisen aus dem Schutzbereich herauszulösen und diese nunmehr nur noch unter den dort genannten Voraus- setzungen in § 184i StGB unter Strafe zu stellen. Ziel der Neuregelung war es vielmehr, bisher strafrechtlich nicht erfasstes Verhalten auch unterhalb der Schwelle des § 184h Nr. 1 StGB zu poenalisieren (BT-Drucks. 18/9097 S. 29).
11
Ein Einfluss auf die Auslegung des § 184h Nr. 1 StGB ergibt sich auch nicht dadurch, dass die Rechtsprechung bei der Prüfung der Erheblichkeit der sexuellen Handlung auf eine nach Art, Intensität und Dauer sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts abstellt, womit bisher eine Abgrenzung zwischen strafbaren und straflosem Verhalten verbunden war, nunmehr aber nur noch eine solche zwischen Tatbeständen gemäß §§ 174, 176, 177 StGB einerseits und demjenigen des § 184i StGB andererseits vorzunehmen ist. Denn dieser Begriff der „sozial nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung“ bezieht sich auf andere, weiterrei- chende Rechtsgüter als dasjenige, das von § 184i StGB geschützt ist. Krehl Eschelbach Zeng Bartel Wimmer

Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
sexuelle Handlungennur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind,
2.
sexuelle Handlungen vor einer anderen Personnur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen werden, die den Vorgang wahrnimmt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 574/13
vom
9. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin T. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerinnen A. und
M. B. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin D. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 29. Mai 2013 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
2
- schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 19 Fällen, in 18 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, in zwei Fällen zudem in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, ferner in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Nötigung und in einem Fall zudem in Tateinheit mit Verschaffen des Besitzes von kinderpornographischen Schriften,
3
- versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen,
4
- sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, in fünf Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen,
5
- Verbreitung kinderpornographischer Schriften in fünf Fällen
6
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt ; zudem hat es die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, gestützt auf § 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB, angeordnet. Das auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung sämtlicher Strafaussprüche und des Maßregelausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet.
7
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts „entwickelte“ der Angeklagte sexuelle Interessen an seinen leiblichen Töchtern A. , geboren am 31. Dezember 2001, D. , geboren am 25. September 2003 und T. , geboren am 15. Februar 2005. Anfangs erregte ihn das Betrachten seiner nackten Kinder. Ab Ende des Jahres 2006 begann er damit, sich seinen Töchtern sexuell zu nähern, indem er sie am ganzen Körper, insbesondere im Genitalbereich streichelte und leckte (Fälle II. A. (I.) 1. bis 3., 20. und 21. der Urteilsgründe ). In einem Fall (II. A. (I.) 18.) zeigte er seiner Tochter A. Bilder, auf denen ein blondes Mädchen im Alter der Geschädigten abgebildet war, das nackt posierend bei einem erwachsenen Mann den Oralverkehr ausführte. Der Angeklagte gab ihr zu verstehen, dass es sich bei den abgebildeten Personen um einen Freund und dessen Tochter handele.
8
Er brachte seine Kinder im weiteren Verlauf des fünf Jahre andauernden Tatzeitraums dazu, bei ihm den Oralverkehr auszuführen (Fälle II. A. (I.) 4. bis 6., 11., 15. bis 17. und 23. bis 25. der Urteilsgründe), zum Teil auch gemeinsam. Die sexuellen Handlungen „steigerten“ sich bis zum ungeschützten Vaginal - und Analverkehr (Fälle II. A. (I.) 7. bis 10. [Fall 8.: Versuch], 12. bis 14., 19. und 22. der Urteilsgründe), wobei seine Tochter A. am häufigsten von den sexuellen Übergriffen betroffen war. Dabei erlitt sie in zwei Fällen (II. A. (I.) 7.
und 14.) Schmerzen; in einem Fall (II. A. (I.) 24.) hat sie den Oralverkehr ausgeführt , nachdem er ihr zuvor mit Hausarrest gedroht hatte.
9
Der Angeklagte fertigte von den sexuellen Übergriffen teilweise Foto- und Filmaufnahmen, um sie für sich zu verwenden und an andere Personen weiterzugeben (Fall II. A. (I.) 23. der Urteilsgründe). Ab dem Jahr 2012 begann der Angeklagte intensiv damit, im Internet nach kinderpornographischem Material zu suchen. Dabei kam es in fünf Fällen zum Tausch von entsprechenden Dateien (Fälle II. A. (III.) 28. bis 32. der Urteilsgründe).
10
Im Sommer des Jahres 2012 brachte der Angeklagte schließlich die im Dezember 2004 geborene Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin dazu, an ihm den ungeschützten Oralverkehr auszuführen (Fall II. A. (II.) 26. der Urteilsgründe ).
11
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtsfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Insoweit nimmt der Senat auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 16. Dezember 2013 Bezug. Es beschwert den Angeklagten nicht, dass er im Fall II. A. (I.) 6. der Urteilsgründe nicht tateinheitlich wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften verurteilt worden ist.
12
3. Der Rechtsfolgenausspruch hält insgesamt sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
13
a) Bei der Zumessung der – wegen (schweren) sexuellen Missbrauchs verhängten – 26 Einzelstrafen (Einzelfreiheitsstrafen zwischen einem Jahr und sechs Jahren und sechs Monaten) hat das Landgericht – rechtsfehlerhaft – jeweils zu Lasten des Angeklagten vor allem die erheblichen psychischen Tatfolgen bei allen Geschädigten berücksichtigt. Die bisherigen Feststellungen, na- mentlich die näheren Ausführungen zu den seelischen Beeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten (UA S. 17), weisen nämlich nicht aus, dass sich diese Folgen bei den Mädchen bereits nach den ersten Taten eingestellt haben. Denn sind die festgestellten psychischen Schäden Folge aller Taten, so können sie dem Angeklagten nur einmal – bei der Gesamtstrafenbildung (vgl. UA S. 42) – angelastet werden. Sind sie dagegen unmittelbare Folge allein einzelner Taten, so können sie mit ihrem vollen Gewicht nur in diesen Fällen, nicht aber in gleicher Weise auch bei der Bemessung sämtlicher anderer Einzelstrafen in Ansatz gebracht werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. November 1997 – 4 StR 539/97, NStZ-RR 1998, 107 f. und vom 20. Juli 1993 – 4 StR 316/93, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 7; Theune in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 46 Rdn. 151; Hörnle in Leipziger Kommentar, aaO, § 176 Rdn. 42; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 46 Rdn. 26; Miebach in Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 46 Rdn. 96; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 46 Rdn. 34b).
14
Um der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer eine insgesamt in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, hebt der Senat die Strafaussprüche auch in den Fällen II. A. (II.) 26. und II. A. (III.) 28. bis 32. der Urteilsgründe auf.
15
b) Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Der Senat weist darauf hin, dass für durch Zahlung erledigte, ursprünglich gesamtstrafenfähige Geldstrafen kein Härteausgleich zu gewähren ist (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11; Fischer, aaO, § 55 Rdn. 21a, jeweils mwN).
16
c) Die Aufhebung sämtlicher Strafaussprüche führt dazu, dass bereits die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB nicht (mehr) erfüllt sind; der Maßregelausspruch ist deshalb ebenfalls aufzuheben.
17
d) Die Erwägung des Landgerichts, wonach die Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Taten gemäß § 21 StGB (auch) deshalb nicht erheblich eingeschränkt gewesen sei, weil „eine erhebliche Beeinträchtigung … (der) kognitiven Fähigkeiten“ des Angeklagten nicht vorlag, da er „gezielt Situationen geschaffen (habe), in denen er mit den Kindern alleine war, um diese Situationen für die Durchführung der sexuellen Handlungen aus- zunutzen“ (UA S. 38), ist rechtlich bedenklich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. März 2002 – 3 StR 335/01, NStZ 2002, 476, 477 und vom 7. Januar 1993 – 4 StR 552/92, BGHR StGB § 21, Seelische Abartigkeit 25; Fischer, aaO, § 20 Rdn. 46a mwN). Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird sich auch deswegen erneut umfassend mit der Frage einer eingeschränkten Schuldfähigkeit und der Verhängung einer angemessenen Maßregel zu befassen haben; Schuldunfähigkeit des Angeklagten kann der Senat ausschließen. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 483/15
vom
12. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:120416B2STR483.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. April 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 13. Mai 2015 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in fünf Fällen, Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung, sowie wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
2
Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat bei der Strafrahmenwahl und bei der konkreten Zumessung der Einzelstrafen unter anderem strafschärfend berücksichtigt, dass die Nebenklä- gerin infolge der Taten psychologische Unterstützung zur Bewältigung des Geschehens benötige und dass die Taten sich insgesamt über einen sehr langen Zeitraum erstreckten. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
Die bisherigen Feststellungen ergeben nicht, dass sich die Notwendigkeit einer psychologischen Behandlung zur Behandlung von sich aus der Tat ergebenden seelischen Beeinträchtigungen bereits nach der ersten Tat eingestellt hat. Sind die festgestellten psychischen Schäden aber (erst) Folgen aller Taten, so können sie dem Angeklagten nur einmal - bei der Gesamtstrafenbildung - angelastet werden. Sind sie dagegen unmittelbare Folge allein einzelner Taten, so können sie mit ihrem vollen Gewicht nur in diesen Fällen, nicht aber in gleicher Weise auch bei der Bemessung sämtlicher anderer Einzelstrafen in Ansatz gebracht werden (vgl. nur Senat, NStZ 2014, 701; NStZ-RR 2014, 340).
4
Auch dass die Taten sich über einen langen Zeitraum erstreckten, durfte nicht bei der Strafrahmenwahl und der konkreten Zumessung der Einzelstrafen zu Ungunsten des Angeklagten berücksichtigt werden. Dass einer ersten oder zweiten Tat weitere nachgefolgt sind, ist regelmäßig für deren Unrechtsgehalt ohne strafzumessungsrelevante Bedeutung. Dies mag anders sein, wenn von vornherein eine Mehrzahl von Taten geplant sind und darin die nach § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigungsfähige "rechtsfeindliche Gesinnung" des Täters zum Ausdruck kommt (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 40 Rn. 34a). Entsprechende Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen; sie liegen mit Blick auf die sich situativ ergebenden Straftaten in den Fällen C I. 1-3 der Urteilsgründe und den Umstand, dass zwischen den fünf weiteren Taten der sexuellen Nötigung jeweils größere zeitliche Abstände lagen, auch nicht unbedingt nahe.

5
Dies führt zur Aufhebung aller Einzelstrafen und bedingt den Wegfall des Gesamtstrafenausspruchs. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafzumessung auf diesem Rechtsfehler beruht. Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 483/15
vom
12. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:120416B2STR483.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. April 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 13. Mai 2015 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in fünf Fällen, Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung, sowie wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
2
Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat bei der Strafrahmenwahl und bei der konkreten Zumessung der Einzelstrafen unter anderem strafschärfend berücksichtigt, dass die Nebenklä- gerin infolge der Taten psychologische Unterstützung zur Bewältigung des Geschehens benötige und dass die Taten sich insgesamt über einen sehr langen Zeitraum erstreckten. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
Die bisherigen Feststellungen ergeben nicht, dass sich die Notwendigkeit einer psychologischen Behandlung zur Behandlung von sich aus der Tat ergebenden seelischen Beeinträchtigungen bereits nach der ersten Tat eingestellt hat. Sind die festgestellten psychischen Schäden aber (erst) Folgen aller Taten, so können sie dem Angeklagten nur einmal - bei der Gesamtstrafenbildung - angelastet werden. Sind sie dagegen unmittelbare Folge allein einzelner Taten, so können sie mit ihrem vollen Gewicht nur in diesen Fällen, nicht aber in gleicher Weise auch bei der Bemessung sämtlicher anderer Einzelstrafen in Ansatz gebracht werden (vgl. nur Senat, NStZ 2014, 701; NStZ-RR 2014, 340).
4
Auch dass die Taten sich über einen langen Zeitraum erstreckten, durfte nicht bei der Strafrahmenwahl und der konkreten Zumessung der Einzelstrafen zu Ungunsten des Angeklagten berücksichtigt werden. Dass einer ersten oder zweiten Tat weitere nachgefolgt sind, ist regelmäßig für deren Unrechtsgehalt ohne strafzumessungsrelevante Bedeutung. Dies mag anders sein, wenn von vornherein eine Mehrzahl von Taten geplant sind und darin die nach § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigungsfähige "rechtsfeindliche Gesinnung" des Täters zum Ausdruck kommt (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 40 Rn. 34a). Entsprechende Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen; sie liegen mit Blick auf die sich situativ ergebenden Straftaten in den Fällen C I. 1-3 der Urteilsgründe und den Umstand, dass zwischen den fünf weiteren Taten der sexuellen Nötigung jeweils größere zeitliche Abstände lagen, auch nicht unbedingt nahe.

5
Dies führt zur Aufhebung aller Einzelstrafen und bedingt den Wegfall des Gesamtstrafenausspruchs. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafzumessung auf diesem Rechtsfehler beruht. Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Hat jemand wegen einer Straftat, bei der das Gesetz Führungsaufsicht besonders vorsieht, zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verwirkt, so kann das Gericht neben der Strafe Führungsaufsicht anordnen, wenn die Gefahr besteht, daß er weitere Straftaten begehen wird.

(2) Die Vorschriften über die Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§§ 67b, 67c, 67d Abs. 2 bis 6 und § 68f) bleiben unberührt.