Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - 2 StR 318/14

bei uns veröffentlicht am22.07.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 3 1 8 / 1 4
vom
22. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
8. Juli 2015 in der Sitzung am 22. Juli 2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Eschelbach,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin P. D. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers N. D. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers M. D. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers H. D. ,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 28. Januar 2014 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die jeweils auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Nebenkläger, mit denen sie eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes erstreben, bleiben ohne Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der Angeklagte betrieb seit 2010 einen Kiosk, den der später getötete S. D. häufig aufsuchte; mit weiteren Personen konsumierte er dort auch am 15. Februar 2013 ab 20.00 Uhr alkoholische Getränke. Als der Angeklagte den Kiosk in den Nachtstunden des 16. Februar 2013 verschloss, hielten sich S. D. und andere Personen im Eingangsbereich des Ladens auf dem Gehweg auf.
4
Da es auf den Kiosk in der Vergangenheit zu einer Vielzahl von "deliktischen Übergriffen" (UA S. 5) gekommen war, bat der Angeklagte zu Hause sei- nen Sohn C. G. , nochmals zum Kiosk zu fahren und "nach dem Rechten zu sehen" (UA S. 10).
5
Mit einem Freund fuhr C. G. zum Kiosk. Zwischen ihm und S. D. , der sich nach wie vor am Kiosk mit einer Gruppe weiterer Personen aufhielt, kam es aus nichtigem Anlass zu einer zunächst verbalen, sodann zu einer tätlichen Auseinandersetzung, an der auch ein Begleiter von S. D. und der Freund von C. G. beteiligt waren. Den übrigen anwesenden Personen gelang es schließlich, die Schlägerei zu beenden und die Streitenden voneinander zu trennen.
6
Zu Hause berichtete C. G. dem Angeklagten von der körperlichen Auseinandersetzung mit S. D. . "Unmittelbar nach dieser kurzen Schilderung seines Sohnes stand der Angeklagte auf und zog sich wieder an. Dann nahm er seine Pistole unter dem Sofakissen […] an sich, steckte sich diese in seinen rechten Hosenbund und verließ sichtlich aufgebracht das Wohnzimmer" (UA S. 12). Im Hausflur begegnete der Angeklagte noch dem verletzten Freund seines Sohnes; sodann fuhr er mit seinem Fahrzeug zum Kiosk.
7
Gegen 02.00 Uhr hielt der Angeklagte das Fahrzeug unmittelbar vor der auf dem Gehweg stehenden Personengruppe, stieg aus dem Fahrzeug aus, ging zügig auf S. D. zu, "sprach ihn lautstark an und packte ihn sofort an den Hals" (UA S. 12). D. wehrte sich gegen den Griff und packte seinerseits den Angeklagten am Kragen seiner Kleidung an. Nachdem eine weitere Person die beiden Beteiligten voneinander getrennt hatte und S. D. zum Angeklagten sprach, dieser wisse doch nicht, was passiert sei, zog der Angeklagte seine Waffe aus dem Hosenbund, lud diese deutlich sichtbar durch und schoss aus einer Entfernung von ca. ein bis zwei Meter in Richtung des vor ihm stehenden D. , "wobei er den rechten Schussarm nach unten geneigt hielt" (UA S. 13). Das Projektil traf D. am linken Bein und durchschlug seinen Oberschenkel, ohne lebensgefährliche Verletzungen zu verursachen.
8
Unmittelbar nach diesem ersten Schuss lief D. um die Front des vom Angeklagten abgestellten Fahrzeugs; der Angeklagte verfolgte ihn und gab aus der Bewegung heraus einen weiteren Schuss in Richtung des ihm seitlich zugewandten Oberkörpers des Geschädigten ab, wobei er nunmehr tödliche Verletzungen wenigstens billigend in Kauf nahm. Das Projektil durchschlug den rechten Oberarm des Geschädigten und trat in seine Brusthöhle ein, wodurch es zu einer erheblichen Einblutung kam.
9
Trotz dieser Schussverletzung lief D. zunächst weiter um das Fahrzeug herum, blieb dann jedoch stehen, drehte sich zu dem ihm verfolgenden Angeklagten herum und fragte "War es das jetzt?" (UA S. 13). Der Angeklagte gab nunmehr in Tötungsabsicht aus kurzer Distanz von einem Meter einen gezielten Schuss auf den Oberkörper des Geschädigten ab. Das Projektil traf D. nahezu mittig im Bauch und durchsetzte die Körperhauptschlagader. Der Angeklagte drückte noch einmal ab; ein Schuss löste sich indes nicht, weil die Waffe keine weiteren Patronen enthielt. Der Angeklagte fuhr mit seinem Fahrzeug weg; D. verstarb auf dem Transport zum Krankenhaus.
10
b) Das Landgericht hat die Tat als Totschlag gewertet; das Mordmerkmal der Heimtücke liege nicht vor, weil der Geschädigte angesichts der vorangegangenen Streitigkeit zwischen ihm und dem (ihm bekannten) Sohn des Angeklagten und der darauffolgenden verbalen und körperlichen Auseinandersetzung mit dem Angeklagten nicht arglos gewesen sei. Von dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe hat sich die Strafkammer nach einer Gesamtschau ebenfalls nicht überzeugen können.
11
2. Die Revisionen der Nebenkläger decken keinen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf.
12
a) Die von den Nebenklägern erhobene - inhaltsgleiche - Verfahrensrüge , mit der beanstandet wird, die Strafkammer habe rechtsfehlerhaft einen Hilfsbeweisantrag abgelehnt, ist unbegründet.
13
aa) Der Verfahrensrüge liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
14
Am Ende der Hauptverhandlung beantragten die Nebenkläger "für den Fall, dass das Gericht beabsichtigt, den Angeklagten nicht wegen Heimtückemordes zu verurteilen, ein kriminalistisches Sachverständigengutachten einzuholen zu nachstehender Beweistatsache:
15
Die Oberbekleidung des Verstorbenen, die er am Tattag trug, weist am Einschussloch in der Bauchgegend Projektil- und Pulverspuren auf, die darauf hindeuten, dass es sich bei dem Bauchschuss um einen Schuss handelt, der aus dem Nahschussbereich von 1-2 Metern auf den Verstorbenen abgegeben wurde. Vorstehende Tatsache ist beweisbedeutsam, da seitens der Rechtsmedizin nicht geklärt werden konnte, welche der Schussverletzungen zuerst entstanden ist. Die beiden Schussverletzungen am Oberschenkel und Oberkörper bzw. Oberarm deuten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch darauf hin, dass diese in der Rückwärtsbewegung vom Täter weg entstanden sind, auf der Flucht. […] Die Beweisfrage (ist) für den Zeitraum, die dem Verstorbenen verblieb, um auf den Angriff zu reagieren bedeutsam, was sich letztlich auf den Heimtückevorsatz auswirkt".
16
Die Strafkammer lehnte diesen Antrag in den Urteilsgründen gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ab, "weil die unter Beweis gestellte Tatsache, dass der Bauchschuss aus einer Entfernung von 1-2 Metern auf den Verstorbenen abgegeben wurde, bereits durch andere Beweismittel erwiesen war" (UA S. 64). Das Landgericht hat "unter weiterer Bewertung der Zeugenaussagen und den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen" (UA S. 64) zudem die Bauchverletzung mit dem letzten Schuss in Einklang gebracht. Schließlich hat die Strafkammer ausgeführt: "Soweit in dem Hilfsbeweisantrag in der Begründung anklingt, dass auch die Schussabfolge durch das beantragte Gutachten zu klären sei, handelt es sich um ein ungeeignetes Beweismittel. Denn ein solches Gutachten könnte aus etwaig vorhandenen Schmauchspuren an der Bekleidung alleine den räumlichen Abstand im Zeitpunkt einer Schussabgabe zwischen dem Angeklagten und D. klären. Hieraus kann aber auch durch ein kriminalistisches Gutachten die Reihenfolge der Schüsse nicht rekonstruiert werden. Insofern kann hierdurch auch nicht erwiesen werden, dass es sich bei dem Bauchschuss um den ersten Schuss des Angeklagten gehandelt haben könnte" (UA S. 64 f.).
17
bb) Die Revisionen der Nebenkläger rügen die Ablehnung des Hilfsbeweisantrages als rechtsfehlerhaft, soweit das Landgericht hinsichtlich des beantragten Sachverständigengutachtens von einem ungeeigneten Beweismittel ausgehe.
18
cc) Die Ablehnung des Antrages ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
19
Bei dem Antrag der Nebenkläger handelt es sich lediglich insoweit um einen Beweisantrag, als dass mit einem Sachverständigengutachten bewiesen werden soll, bei dem Bauchschuss handele es sich um einen Schuss, der aus dem Nahschussbereich von ein bis zwei Metern auf den Verstorbenen abgegeben wurde. Diese Beweistatsache hat das Landgericht rechtsfehlerfrei als erwiesen erachtet und den Feststellungen im Urteil zugrunde gelegt.
20
Im Übrigen behauptet der Antrag keine (weitere) bestimmte Beweistatsache (vgl. auch Dallmeyer in Alsberg, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., Rn. 203 mwN), sondern gibt nur ein Beweisziel an (vgl. auch BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 - 5 StR 279/93, BGHSt 39, 251, 254; Urteil vom 7. November 2007 - 5 StR 325/07, wistra 2008, 107, 108), nämlich eine Schlussfolgerung aus einer zeitlichen Rekonstruktion der Schussverletzungen, die sich die Nebenkläger von dem Sachverständigengutachten erhofften.
21
Dass das Landgericht den Antrag dennoch als Beweisantrag behandelt hat, begründet keinen Rechtsfehler, der der Verfahrensrüge zum Erfolg verhilft. Wird ein Beweisermittlungsantrag wie ein Beweisantrag geprüft, begründet dies die Revision regelmäßig nur, wenn das Tatgericht seine Aufklärungspflicht verletzt hat (vgl. Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 381; Krehl in KK-StPO, 7. Aufl., § 244 Rn. 237, jeweils mwN); eine entsprechende Rüge ist von den Nebenklägern indes nicht erhoben worden. Mit Blick auf die Ablehnungsbegründung (UA S. 64 iVm UA S. 39 f.) wäre die Strafkammer zudem zur Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens unter dem Gesichtspunkt des § 244 Abs. 2 StPO nicht gedrängt gewesen. Ausweislich (auch) der Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen, denen sich das Landgericht angeschlossen hat, könne nur die dritte Schussabgabe die Bauchverletzung "plausibel" erklären, da es dort trotz erheblicher Verletzung der Körperhauptschlagader nur zur geringen Einblutung gekommen sei; dieses sei dadurch zu erklären, dass es zuvor zur erheblichen Einblutung in der Brusthöhle gekommen sei, sodass die Verletzung im Brustbereich zuvor zugefügt worden sein müsse. Im Übrigen könnten die seitlich zugefügten Bein-, Arm- und Brustverletzungen (auch) nach Bekundungen aller am Tatort anwesenden Zeugen und der Einlassung des Angeklagten jedenfalls nicht zum Zeitpunkt des dritten Schusses erfolgt sein, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Angeklagte und S. D. frontal gegenüber gestanden hätten.
22
dd) Selbst wenn die Zurückweisung des Hilfsbeweisantrags mit der Begründung , es handele sich bei dem Sachverständigenbeweis um ein ungeeignetes Beweismittel, rechtsfehlerhaft gewesen wäre (vgl. dazu auch Senat, Urteil vom 20. Mai 2015 - 2 StR 46/14 mwN), kann der Senat ausschließen, dass das Urteil auf diesen Rechtsfehler beruht. Die Erwägungen des Landgerichts zur Frage der Heimtücke (UA S. 59) wären auch dann tragfähig, wenn bereits für den ersten Schuss ein Tötungsvorsatz angenommen würde. Das Landgericht hat sich ohne Rechtsfehler davon überzeugt, dass der Geschädigte bereits vor dem ersten Schuss - angesichts der vorangegangenen Streitigkeit zwischen ihm und dem (ihm bekannten) Sohn des Angeklagten und der darauffolgenden verbalen und körperlichen Auseinandersetzung mit dem Angeklagten - mit einem tätlichen Angriff gerechnet hat (vgl. auch Fischer, StGB, 62. Aufl., § 211 Rn. 35 ff., 37c mwN).
23
b) Die von den Nebenklägern jeweils erhobene Sachrüge ist aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 19. September 2014 unbegründet.
24
3. Schließlich liegen auch keine durchgreifenden, den Angeklagten beschwerende Rechtsfehler vor (§ 301 StPO analog). Fischer Eschelbach Ott Zeng Bartel

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Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - 2 StR 318/14 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

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Bundesgerichtshof Urteil, 07. Nov. 2007 - 5 StR 325/07

bei uns veröffentlicht am 07.11.2007

5 StR 325/07 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 7. November 2007 in der Strafsache gegen wegen Betruges Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November 2007, an der teilgenommen haben: Richterin Dr. Gerha

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Mai 2015 - 2 StR 46/14

bei uns veröffentlicht am 20.05.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 S t R 4 6 / 1 4 vom 20. Mai 2015 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Mai 2015, an der teilgenommen

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(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

5 StR 325/07

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 7. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November
2007, an der teilgenommen haben:
Richterin Dr. Gerhardt
alsVorsitzende,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 4. April 2006 wird verworfen; die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die dort getroffene Entschädigungsanordnung wird zurückgewiesen.
Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen und ihm Entschädigung zugebilligt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft. Ihr vom Generalbundesanwalt vertretenes Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


2
Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten zur Last gelegt, als faktischer Geschäftsführer der VBG (künftig: VBG) gemeinsam mit seinem Onkel durch die Vorlage unrichtiger Bautenstandsmitteilungen betrügerisch die Auszahlung von etwa 300.000 DM aus kreditfinanzierten Kaufpreisen für Eigentumswohnungen erlangt zu haben.
3
Hierzu hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
4
Die VBG befasste sich mit dem Ankauf von Altbauten. Sie sanierte diese Gebäude, teilte sie in Eigentumswohnungen auf und verkaufte die Eigentumswohnungen an Dritte. Dabei übernahm sie auch die Verhandlungen mit den Banken, die den Erwerb der Eigentumswohnung finanzierten. Der Verkauf der Wohnungen erfolgte vor ihrer Sanierung. Die VBG als Verkäuferin verwendete im Wesentlichen gleichlautende notarielle Musterverträge. Danach wurde der Kaufpreis entsprechend dem Fortschritt der Bauarbeiten fällig gestellt. Zudem räumten die Käufer der Eigentumswohnungen der VBG eine Finanzierungsvollmacht ein. Hierzu traten die Käufer ihren Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta gegenüber der Bank an die VBG als Verkäuferin ab.
5
Die VBG schaltete für die Durchführung der Sanierung zunächst Fremdfirmen ein. Ab 1997 übernahm der Onkel des Angeklagten, F. T. , die Bauleitung. Dieser gründete – auf Anraten des Angeklagten – die TBG (künftig: TBG). Der Angeklagte schloss namens der VBG im Jahr 1998 einen Generalunternehmervertrag , der die Sanierung von fünf Objekten der VBG zu einem Festpreis von 4,6 Mio. DM zum Gegenstand hatte. Später kam es dann zu Erweiterungen dieses Vertrages. Hierunter fielen auch die Sanierungsvorhaben Krischelstraße 6/7 und Teichstraße 19/20, die von der TBG zu einem Pauschalpreis von 1.200 DM bzw. 1.300 DM je Quadratmeter saniert werden sollten. F. T. , dem auch hier die Bauleitung oblag, wurde vom Angeklagten mit der Überwachung der Bautenstände beauftragt. Hinsichtlich der Objekte Krischelstraße 6/7 und Teichstraße 19/20, die in Eigentumswohnungen aufgeteilt und jeweils an fünf Käufer veräußert worden waren, bescheinigte F. T. einen Bautenstand von 96,5 %. Er erstellte die Bautenstandsanzeigen jeweils am 12. November 1998 unter dem Briefkopf „B. T. P. “ in seiner Eigenschaft als bauleitender Architekt. Gleichzeitig unterzeichnete er am selben Tag Wohnungsüberga- beprotokolle als Vertreter von sieben Käufern, die dann auch vom Angeklagten als dem Vertreter der VBG als Verkäuferin unterschrieben wurden.
6
Aufgrund der Bautenstandsmitteilungen und der Wohnungsübergabeprotokolle , die der finanzierenden A. P. zugeleitet wurden, kam es zur Auszahlung der Darlehensvaluta, die aufgrund der Finanzierungsvollmacht an die VBG ausbezahlt wurde.
7
Tatsächlich waren die Bautenstandsanzeigen unrichtig, weil die Arbeiten nicht beendet waren. Das Haus Krischelstraße 6/7 hat der Angeklagte – weitgehend mit Fremdunternehmen – bis Anfang 2000 fertig gestellt, am Anwesen Teichstraße 19/20 wurden die Arbeiten nicht mehr aufgenommen. Die TBG geriet Ende 1998 in wirtschaftliche Schwierigkeiten; am 19. März 1999 stellte F. T. für die TBG Insolvenzantrag.
8
Das Landgericht sah bezüglich des Angeklagten einen gemeinschaftlich mit F. T. begangenen Betrug nicht als erwiesen an. Die Einlassung des Angeklagten, er habe auf seinen Onkel vertraut und mithin nicht gewusst, dass die Bautenstände tatsächlich nicht erreicht worden seien , lasse sich nicht widerlegen. Zwar werde der Angeklagte durch F. T. massiv belastet. Dies reiche jedoch der Strafkammer nicht aus, um sich von einem entsprechenden Vorsatz des Angeklagten zu überzeugen.

II.


9
Das von der Staatsanwaltschaft mit formellen und materiellen Rügen angegriffene Urteil des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand.
10
1. Die Verfahrensrügen bleiben erfolglos.
11
a) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht den „zum Beweis der Tatsache, dass der Zeuge H. unglaubwürdig und seine Aussage unglaubhaft ist“ gestellten Antrag zu Recht nicht als förmlichen Beweisantrag behandelt (vgl. BGHSt 39, 251; 43, 321, 327 ff.). Dass hier nur ein Beweisziel beschrieben ist, bedarf keiner näheren Darlegung. Im Übrigen begegnet die Rüge auch in formeller Hinsicht Bedenken, weil der auf den Antrag ergangene landgerichtliche Beschluss nur auszugsweise mitgeteilt wird (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
12
b) Die in diesem Zusammenhang erhobene Aufklärungsrüge ist unzulässig. Die Staatsanwaltschaft, die meint, eine Vernehmung des damaligen Staatsanwalts D. und des leitenden Kriminalbeamten M. seien unter Aufklärungsgesichtspunkten erforderlich gewesen, legt nicht dar, welche Tatsachen damit hätten bewiesen werden sollen. Zudem teilt sie nicht mit, was der zur Durchsuchung vernommene sachbearbeitende Kriminalbeamte ausgesagt hat. Dies wäre jedoch für die Prüfung der weiteren Aufklärungsbedürftigkeit von Bedeutung gewesen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
13
c) Das Landgericht hat ebenfalls rechtsfehlerfrei den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verlesung der Strafanzeige des M. T. abgelehnt. Auch dieser Antrag war „zum Beweis der Unglaubwürdigkeit des Zeugen H. “ gestellt und mithin gleichfalls kein förmlicher Beweisantrag. Die Rüge ist zudem unvollständig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil auf eine polizeiliche Vernehmung des M. T. Bezug genommen wird, deren Inhalt nicht mitgeteilt wird.
14
d) Die auf die abgelehnte Verlesung der Strafanzeige gestützte Aufklärungsrüge ist unzulässig. Sie enthält keine bestimmte Tatsachenbehauptung, was mit der unterlassenen Beweiserhebung hätte bewiesen werden sollen. Sie verhält sich im Übrigen nicht dazu, ob dem als Zeugen vernommenen M. T. die von ihm verfasste Strafanzeige vorgehalten und auf diesem Weg in die Hauptverhandlung eingeführt wurde, ohne dass ein solcher Vorhalt nach § 273 StPO zu protokollieren gewesen wäre (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 273 Rdn. 9). Dies liegt nahe, zumal die Urteilsgründe sich auf diese Strafanzeige beziehen.
15
2. Die Sachrüge ist unbegründet.
16
a) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts liegt kein Darstellungsmangel vor. Die Einlassung des Angeklagten wurde zusammenhängend wiedergegeben. Die Bautenstandsmitteilungen sowie die Übergabeprotokolle sind inhaltlich ebenfalls in einem für die revisionsgerichtliche Überprüfung ausreichenden Umfang beschrieben. Hinsichtlich der Bautenstandsmitteilungen , die nicht vom Angeklagten verfasst wurden und unrichtig waren, genügte eine allgemeine Umschreibung. Es ist nicht erkennbar, inwiefern einzelne Details des tatsächlich nicht erreichten Bautenstands für die subjektive Tatseite beim Angeklagten Bedeutung gewinnen könnten. Der wesentliche Inhalt der vom Angeklagten umschriebenen Übergabeprotokolle lässt sich den Urteilsgründen entnehmen. Danach hat der Angeklagte – wahrheitswidrig – seine Anwesenheit bei der Wohnungsübergabe an einzelne Käufer durch seine Unterschrift bestätigt. Inwiefern der genaue Wortlaut dieser – im Übrigen auch vom Angeklagten eingeräumten – unrichtigen Übergabeprotokolle für die revisionsgerichtliche Kontrolle von Bedeutung sein könnte, ist nicht ersichtlich.
17
b) Die Beweiswürdigung hält ebenfalls rechtlicher Überprüfung stand. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH wistra 2007, 18, 19; BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt). Der Überprüfung unterliegt ebenfalls, ob das Landgericht überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 147; BGH NStZ 2004, 35, 36; BGH wistra 1999, 338, 339; jeweils m.w.N.). Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen , dass der Tatrichter eine nach den Feststellungen nicht naheliegende Schlussfolgerung gezogen hat, ohne konkrete Gründe anzuführen, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Sachverhalte zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. BGH NStZ 2004, 35, 36).
18
Einen Rechtsfehler in diesem Sinne zeigt die Revision nicht auf.
19
aa) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – nicht lückenhaft. Sie enthält eine Auseinandersetzung mit dem Motiv, warum F. T. für die TBG falsche Bautenstandsmitteilungen verfasst haben könnte. Das Landgericht verweist auf die schlechte wirtschaftliche Situation der TBG, die kurze Zeit später einen Insolvenzantrag stellen musste. Damit liegt das Motiv auf der Hand. Naheliegend hat der nach außen dokumentierte Bautenstand auch im Innenverhältnis die Abrechnungsgrundlage gebildet. Angesichts seiner finanziellen Bedrängung könnte dann F. T. , der an eine Überwindung seiner Liquiditätskrise geglaubt haben kann, auch das Risiko auf sich genommen haben, vom Angeklagten oder seinen Mitarbeitern entdeckt zu werden. Zu weitergehenden Erörterungen hierzu, die überdies zwangsläufig spekulativ bleiben würden, musste sich das Landgericht nicht gedrängt sehen.
20
bb) Das Landgericht hat die Indizien auch nicht in ihrem Beweiswert rechtsfehlerhaft falsch bewertet. Dies gilt auch für die vom Angeklagten unterzeichneten falschen Übergabeprotokolle. Abgesehen davon, dass die Übergabe nicht fälligkeitsbegründend war (sondern nur die Fertigstellung), musste das Landgericht aus der – auch dem Angeklagten bewussten – fal- schen Erklärung, bei der Übergabe der Wohnung anwesend gewesen zu sein, nicht den Schluss ziehen, wonach er auch wusste oder damit rechnete, dass ein entsprechender Baufortschritt noch nicht erreicht sei. Ohne dass es hierdurch die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung überspannt hätte, durfte das Landgericht die Einlassung des Angeklagten als nicht widerlegt ansehen, man habe die Übergabeprotokolle im Büro der VBG ausgedruckt und dort unterschrieben, weil vor dem Auslaufen der Sonderabschreibung für Immobilien in den neuen Bundesländern ein sehr starker Termindruck geherrscht habe. Zumal da der letztgenannte Gesichtspunkt auch durch den als Zeugen vernommenen Bankangestellten Hi. bestätigt wurde, brauchte das Landgericht diesem Indiz kein noch größeres Gewicht im Rahmen der Beweiswürdigung einzuräumen.
21
Allerdings ist die Formulierung missverständlich, dass die Unterzeichnung der Wohnungsübergabeprotokolle kein „zwingendes“ Indiz für den Vorsatz des Angeklagten darstelle. Der Senat besorgt jedoch aufgrund des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht, dass die Strafkammer der Auffassung gewesen sein könnte, nur „zwingende“ Indizien könnten belastend wirken. Dies wäre unzutreffend. Der weitere Gang der Darstellung belegt, dass die Strafkammer dies auch nicht verkannt hat. Kaum eine Seite weiter würdigt sie nämlich die belastende Aussage des F. T. im Zusammenhang mit den übrigen festgestellten Indizien, wozu die vorher abgehandelten falschen Übergabeprotokolle zählten.
22
cc) Hierin liegt auch die von der Beschwerdeführerin vermisste Gesamtwürdigung. Das Landgericht musste die jeweiligen Indizien nicht nochmals einzeln benennen. Dabei gab es auch Indizien, die geeignet waren, die Einlassung des Angeklagten zu stützen, wie der erhebliche Umfang der Geschäftstätigkeit , wobei in einer Vielzahl von Fällen die Sanierungsvorhaben beanstandungsfrei abgewickelt worden sind. Wenn das Landgericht bei dieser Sachlage letzte Zweifel nicht überwinden konnte und nicht auszuschlie- ßen vermochte, dass der Angeklagte selbst durch F. T. getäuscht wurde, ist dies vom Revisionsgericht hinzunehmen.

III.


23
Die nicht näher ausgeführte Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Feststellung der Entschädigungspflicht weist der Senat zurück. Auch insoweit hat die Überprüfung keinen Rechtsfehler ergeben.
Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 6 / 1 4
vom
20. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Mai 2015,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Bartel,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 29. Juli 2013
a) im Schuldspruch zu Fall 2 der Urteilsgründe dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte des Diebstahls schuldig ist,
b) hinsichtlich der Fälle 7 und 8 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafen- und Maßregelausspruch, jeweils mit den zugehörigen Feststellungen, aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung , Vergewaltigung, Betrugs in drei Fällen, Diebstahls in zwei Fällen, Hehlerei, Bedrohung, vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und zugleich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, zum Teil mit einer Verfahrensrüge , zum Teil auf die Sachrüge hin. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

I.

2
Das Landgericht hat zu den einzelnen Taten folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Am 23. Oktober 2012 mietete sich der Angeklagte, der einige Tage zuvor aus der Untersuchungshaft in anderer Sache entlassen worden war, im Hotel "S. L. " in St. ein, ohne gewillt zu sein, das Zimmer zu bezahlen. Seine Angabe, die Rechnung werde von einer Fa. En. getragen, war, wie er wusste, unzutreffend. Auf zwei Rechnungen für die Zeit bis einschließlich 24. November 2012 erhielt der Hotelier keinen Ausgleich (Fall 1 der Urteilsgründe ).
4
2. Der Angeklagte lernte nach der Haftentlassung die Zeugin D. kennen, bei der er in der Folge auch wohnte. Zusammen mit dem Sohn der Zeugin fuhr er am frühen Morgen des 5. November 2012 zum Hotel "W. R. " in St. und übernahm dort - nachdem ihn ein unbekannt gebliebener Bekannter erwartet hatte - einen großen Flachbildfernseher und einen DVD-Player mit Kabeln, die zur Ausstattung eines Hotelzimmers gehörten. Die Geräte, von denen er wusste, dass sein Bekannter sie gestohlen hatte, brachte er aus dem Hotelzimmer in das Haus der Zeugin D. . Der DVD-Player konnte später den Hotelbesitzern zurückgegeben werden; der Fernseher, der ursprünglich im Haus von Frau D. aufgestellt werden sollte, ist nach den Angaben des Angeklagten weiter verkauft worden (Fall 2 der Urteilsgründe).
5
3. Während des Aufenthalts im Haus der Zeugin D. entwendete der Angeklagte der Zeugin bzw. ihrer Mutter gehörenden Schmuck im Wert von ca. 1.500 € und versetzte ihn in einem Pfandhaus (Fall 3 der Urteilsgründe).
6
4. Am 23. Dezember 2012 kam es zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen Dr. K. zum Abschluss eines Mietvertrags über ein Ladenlokal, das zuvor kostenlos vom "Europäischen Culturcreis" (ECC) genutzt worden war. Als Mietzins für die ab 1. Januar geschuldete Überlassung der Mieträume war ein monatlicher (zum letzten Werktag eines jeden Monats fälliger) Betrag von 1.000 € zuzüglich 600 € Nebenkostenvorauszahlung vorgesehen. Der Angeklagte , der den Zeugen zuvor über seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit getäuscht hatte, war weder willens noch in der Lage, seinen sich aus dem Mietvertrag ergebenden Zahlungsverpflichtungen nachzukommen (Fall 4 der Urteilsgründe

).

7
5. Nachdem der Angeklagte nach der Feststellung des Schmuckdiebstahls aus dem Hause der Zeugin D. gewiesen worden war, mietete er sich am 29. Dezember 2012 ein Zimmer im Hotel "M. " in E. an. Er gab dabei an, von seiner Lebensgefährtin ausgesperrt worden zu sein und nur 100 € dabei zu haben, versicherte aber, ein Freund werde die weiter anfallenden Kosten übernehmen. Nach Zahlung der Übernachtungskosten für die ers- ten beiden Tage blieben weitere Zahlungen aus. Auf Nachfrage erhielt die Hotelbesitzerin ein von dem Angeklagten selbst verfasstes und auch unterschriebenes Schreiben, in dem die Kostenübernahme durch die Firma "Eng. moden und mehr, V. " zugesagt war. Die Angaben in dem Schreiben waren, wie er wusste, unzutreffend; die Hotelbesitzerin erhielt keine Zahlungen für bis 11. Januar 2013 angefallene Übernachtungs- und Bewirtungskosten in Höhe von 527,90 € bzw. 74,20 € (Fall 5 der Urteilsgründe).
8
Im Zuge einer Nachschau des von dem Angeklagten bewohnten Zimmers durch Polizeibeamte am 10. Januar 2013 wurde festgestellt, dass der Angeklagte den im Zimmer befindlichen Flachbildfernseher im Wert von 218,12 € mitgenommen hatte, um ihn sich zuzueignen (Fall 6 der Urteilsgründe).
9
6. Nachdem der Angeklagte Ende des Jahres 2012 zwei Versicherungsverträge für den ECC und die Zeugin D. bei der AllianzVersicherungsagentur in St. abgeschlossen und dabei die Zeugin Ke. , die dort arbeitete, kennen gelernt hatte, kam es im Hinblick auf mögliche weitere Vertragsabschlüsse am 9. Januar 2013 zu einem Treffen mit ihr. Es fand gegen 14.30 Uhr - nach einem vorangegangenen Besuch eines Cafes - in dem Ladenlokal statt, das der Angeklagte zuvor von dem Zeugen Dr. K. angemietet hatte. Der Angeklagte führte die Zeugin in die Räumlichkeiten hinein, packte sie plötzlich von hinten und hielt ihr mit einer Hand den Mund zu, mit der anderen Hand hielt er ihr ein Cuttermesser an den Hals. Mit den Worten "Wenn Du schreist, bist Du tot", bedeutete er ihr, das zu tun, was er wolle. Er forderte sie auf, sich auszuziehen, was sie aus Angst um Leib und Leben auch tat. Der Angeklagte, der sich selbst ausgezogen hatte, drang daraufhin mit seinem erigierten Penis in die Scheide der auf dem Rücken liegenden Zeugin ein. Er forderte die Zeugin dann auf, ihn oral zu befriedigen. Dabei ergriff er den Kopf der Zeugin, drückte ihn gegen sein Glied und zwang sie auf diese Weise, sein Glied in den Mund zu nehmen. Der Angeklagte bewegte sein Glied so lange im Mund der Zeugin hin und her, bis er ejakulierte. Nachdem sich beide wieder angezogen hatten, verließ die Zeugin, die dem mit Konsequenzen drohenden Angeklagten zuvor versichert hatte, nicht zur Polizei zu gehen, mit dem Angeklagten das Ladenlokal und nahm ihn auf seine Weisung hin noch ein Wegstück mit ihrem Auto mit (Fall 7 der Urteilsgründe).
10
Die Zeugin Ke. fuhr weiter zu einer Freundin, der sie ebenso wenig wie ihrer Mutter oder ihrem Freund, mit denen sie telefonierte, etwas von dem Vorfall erzählte.
11
Am Abend des 9. Januar 2013 rief sie den Angeklagten auf seinem Handy an, um die notwendigen Informationen für den Abschluss des in Aussicht stehenden Versicherungsvertrages zu erlangen. Sie glaubte immer noch an die vom Angeklagten vorgegebenen geschäftlichen Pläne und den Abschluss eines Versicherungsvertrages und rief deshalb - nachdem sie am Abend zuvor keine Informationen erlangt hatte - am 10. Januar 2013 um 8.30 Uhr erneut bei dem Angeklagten an. Der Aufforderung, die erforderlichen Unterlagen bei ihm im Ladenlokal abzuholen, kam die Zeugin nicht nach. Daraufhin erschien der Angeklagte selbst in der der Tante der Zeugin Ke. gehörenden Versicherungsagentur und drängte auch dieser gegenüber auf den Abschluss eines Versicherungsvertrages , wofür allerdings die Einschaltung eines Sachversicherungsspezialisten vonnöten war. Als der Angeklagte sich bei der Tante der Zeugin Ke. darüber beschweren wollte, dass diese die Zeugin Ke. unangemessen behandele (was er einem Gespräch mit dieser so entnommen hatte), drängte die Zeugin Ke. zum raschen Aufbruch, um dies zu verhindern. Sie beabsichtigte, mit dem Angeklagten noch einmal zum Ladenlokal zu fahren, um die von ihm in Aussicht gestellten Unterlagen abzuholen.
12
Gemeinsam mit dem Angeklagten begab sie sich sodann ein weiteres Mal in das Ladenlokal. Dort übergab der Angeklagte der Zeugin Ke. einen Briefumschlag, in dem die erbetenen Unterlagen sein sollten. Als die Zeugin der Aufforderung, noch zu bleiben, nicht nachkommen wollte, stellte sich der Angeklagte ihr in den Weg und drängte sie zurück. Zugleich forderte er sie auf, sich auszuziehen, was sie ablehnte. Der Angeklagte entgegnete, beim ersten Mal sei es doch nicht so schlimm gewesen, sie solle sich nicht so anstellen. Die Zeugin rechnete unter dem Eindruck des Geschehens vom Vortag damit, dass er auch dieses Mal bewaffnet sei, und kam deshalb der Aufforderung aus Angst um Leib und Leben nach. Der Angeklagte zog sich ebenfalls aus und legte sich neben die Zeugin auf eine im Raum befindliche Matratze. Er stimulierte sich selbst manuell am Penis, fasste die Zeugin überall am Körper an und drang sodann in die Scheide der auf dem Rücken liegenden Zeugin ein. Nach kurzer Zeit forderte er die Zeugin auf, ihn oral zu befriedigen. Dies tat die Zeugin solange , bis der Angeklagte in ihren Mund ejakulierte. Nachdem sie sich wieder angezogen hatte, verließ die Zeugin Ke. mit dem Briefumschlag das Ladenlokal und nahm im Anschluss einen weiteren Termin wahr. Danach kehrte sie in die Versicherungsagentur zurück (Fall 8 der Urteilsgründe).
13
Als sie gegen 17.30 Uhr das Büro verließ, wartete der Angeklagte am Auto auf die Zeugin. Er forderte sie auf, ihn - da er Streit mit seiner Ex-Freundin gehabt und diese die Treppe hinuntergestoßen habe - nach E. zu fahren. Die Zeugin Ke. , die sich vor dem Angeklagten fürchtete, kam diesem Ansinnen nach. Sie versuchte, den aufgebrachten Angeklagten zu beruhigen, und trank mit ihm in einem Bistro einen Kaffee. Dabei vermittelten beide - von einer Überwachungskamera aufgenommen - den Eindruck eines einander zugewandten Paares. Im Anschluss kaufte der Angeklagte Hygieneartikel und Kleidung, die die Zeugin bezahlte und sich dabei noch einen Bargeldbetrag auszahlen ließ, den sie dem Angeklagten überließ. Hiernach fuhr sie den Ange- klagten auf dessen Anweisung zum P. hotel. Dort mietete sie ihm unter ihrem Namen für zwei Tage ein Einzelzimmer, das sie sogleich bezahlte. Daraufhin fuhr die Zeugin Ke. fort. Ihrer Mutter teilte sie in einem Telefongespräch mit, sie sei überfallen, mit einem Messer bedroht und beraubt worden. Nach Besprechung mit ihrem Freund, dem sie in groben Umrissen das Vorgefallene geschildert hatte, fuhr sie mit diesem zur Polizei nach St. . Zu einer Anzeigenerstattung kam es nicht.
14
Der Angeklagte versuchte während des gesamten Abends des 10. Januar 2013 mithilfe von SMS und schließlich auch per Telefon, die Zeugin zu einem weiteren Treffen zu überreden. Sie widersetzte sich. Der Angeklagte wurde wütend, er drohte, ihren Eltern die Beine zu brechen, wenn sie nicht innerhalb einer Stunde zu ihm käme. Dies führte dazu, dass die Zeugin Ke. in der Nacht, von ihrem Freund begleitet, Strafanzeige gegen den Angeklagten erstattete, wobei sie die Vorfälle nur teilweise schilderte (Fall 11 der Urteilsgründe

).

15
7. Am Mittag des 10. Januar 2013 traf der Angeklagte die ZeuginD. zufällig in einem Cafe in St. . Er hielt ihr vor, ihn wegen des Diebstahls angezeigt zu haben. Die Zeugin wies diese Vorhaltungen zurück, worauf der Angeklagte drohte, die Zeugin möge ihm keinen Stress machen, ansonsten "klatsche er sie platt" (Fall 9 der Urteilsgründe).
16
Kurz nach diesem Vorfall begab sich die Zeugin D. zur Agentur für Arbeit, weil sie dort einen Termin hatte. Der Angeklagte, der ihr gefolgt war, näherte sich der wartenden Zeugin und gab ihr eine schmerzhafte Ohrfeige. Die Zeugin erstattete erneut Strafanzeige gegen den Angeklagten (Fall 10 der Urteilsgründe

).


II.

17
Die Überprüfung der angegriffenen Entscheidung führt zur Schuldspruchberichtigung im Fall 2 der Urteilsgründe (1.) und zur Aufhebung der Verurteilung in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe (2.) sowie im Gesamtstrafenund Maßregelausspruch (3.). Im Übrigen erweist sich die Revision des Angeklagten aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen als offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
18
1. Im Fall 2 tragen die Feststellungen den Schuldspruch wegen Hehlerei nicht. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte das Fernsehgerät sowie den DVD-Player erst aus dem Hotelzimmer nach unten bringen musste, diese Geräte sich also nicht bereits im Eingangsbereich oder vor dem Hotel befanden, als der Angeklagte dort eintraf. Es fehlt aus diesem Grund an einem für die Annahme einer Hehlerei erforderlichen vollendeten Gewahrsamsbruch durch einen anderen. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen haben vielmehr der Angeklagte und sein Begleiter, im Zusammenwirken mit dem unbekannt gebliebenen Hotelgast, den Gewahrsam der Hotelbesitzer erst gebrochen und mit dem Hinaustragen aus dem Gewahrsamsbereich des Hotels neuen eigenen begründet. Dies rechtfertigt eine Verurteilung wegen Diebstahls, so dass der Schuldspruch entsprechend zu berichtigen war. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, auf die in diesem Fall verhängte Einzelstrafe hat sich die fehlerhafte rechtliche Bewertung in Anbetracht identischer Strafandrohungen nicht ausgewirkt.
19
2. Hinsichtlich des Schuldspruchs in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe hat die Revision mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Dem liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
20
Am 19. Juli 2013 beantragte die Verteidigung des Angeklagten die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte aufgrund seiner Erkrankungen eine Erektion nicht vollständig haben und halten könne, erst recht nicht über einen Zeitraum von ca. 30 Minuten. Hintergrund des Antrags war vor allem eine gerichtsbekannte Krebserkrankung des Angeklagten, die mit Chemotherapie behandelt worden war. Das Landgericht lehnte den Beweisantrag ab. Es war der Ansicht, ein medizinischer Sachverständiger sei ein völlig ungeeignetes Beweismittel zur Klärung der Frage, ob der Angeklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt zu einer vollständigen Erektion und deren Beibehaltung fähig gewesen sei oder nicht. Nach Aussage der Zeugin D. , mit der er bis Ende des Jahres 2012 liiert gewesen sei, sei der Angeklagte regelmäßig in der Lage gewesen, bis zu etwa 4-5 Minuten vaginalen Geschlechtsverkehr zu vollziehen, wenn er dabei auch nicht zum Samenerguss gelangt sei. Davon ausgehend könne ein medizinischer Sachverständiger nicht beurteilen, ob der Angeklagte zum folgenden Zeitpunkt im Januar 2013 in der Lage gewesen sei, eine Erektion zu bekommen und in die Scheide der Zeugin Ke. einzudringen. Der Erregungs- und Stimulationszustand und die konkrete körperliche Verfassung, in der sich der Angeklagte damals, mehr als sechs Monate zurückliegend, befunden habe, könne im Nachhinein nicht rekonstruiert werden.
21
Der Verteidiger erhob Gegenvorstellung gegen diese Entscheidung, im Wesentlichen mit dem Hinweis, der körperliche Zustand habe sich im letzten halben Jahr nicht in dem Maße verändert, dass heute keine Feststellungen mehr getroffen werden könnten, die Rückschlüsse auf das Geschehen zulassen würden.
22
Das Landgericht wies die Gegenvorstellung zurück, da sie keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung gebe.
23
Die Zurückweisung des Beweisantrags hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
24
Mit der vom Landgericht gegebenen Begründung durfte der Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht abgelehnt werden. Völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist ein Sachverständiger als Beweismittel nur dann, wenn das Gericht ohne Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis feststellen kann, dass sich mit ihm die Beweistatsache nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen lässt. Dies ist hier nicht dargetan. Das Landgericht hat zur Begründung der Ungeeignetheit vielmehr auf die Angaben der Zeugin D. zurückgegriffen, obwohl dies - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat - unzulässig ist (vgl. BGH StV 2002, 352). Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, dass ein Sachverständiger zum damaligen Zeitpunkt Erkenntnisse zu der unter Beweis gestellten Tatsache gewinnen könnte. Ein geringer, geminderter oder zweifelhafter Beweiswert darf nicht mit völliger Ungeeignetheit gleichgesetzt werden.
25
Die fehlerhafte Ablehnung des Beweisantrags führt zur Aufhebung der Verurteilungen in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe. Der Senat kann letztlich nicht ausschließen, dass - hätte der Sachverständige den unter Beweis gestellten Umstand bestätigt - den insoweit widersprechenden Angaben der Zeugin keinen Glauben geschenkt und den Angeklagten freigesprochen hätte.
26
3. Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe entzieht dem Gesamtstrafen- und dem Maßregelausspruch die Grundlage.
27
4. Ob hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Zeugin Ke. sachverständige Hilfe in Anspruch zu nehmen ist, wird der neue Tatrichter zu prüfen haben. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.