Bundesgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2018 - 2 StR 262/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. November 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Eschelbach, Meyberg, Dr. Grube, Schmidt,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger der Angeklagten B. , Rechtsanwältin , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten Ba. , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte B. wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Urteile des Amtsgerichts Leverkusen zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Angeklagten Ba. und T. hat es wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, den Angeklagten Ba. unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Brühl vom 3. Juni 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und einem Monat, den Angeklagten T. zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren.
- 2
- Die auf die Sachrüge gestützten und wirksam auf die unterlassenen Anordnungen der Einziehung von Wertersatz beschränkten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
I.
- 3
- Nach den Feststellungen des Landgerichts entschlossen sich die zur Tatzeit 20 Jahre und sieben Monate alte Angeklagte B. und die Mitangeklagten , den Zeugen G. , den sie im Besitz einer größeren Menge Bargeld wähnten, nachts in dessen Wohnung durch den Einsatz körperlicher Gewalt zur Herausgabe des Bargeldes zu zwingen und dieses zu gleichen Teilen unter sich aufzuteilen. Dem Tatplan entsprechend fuhren die Angeklagten in der Nacht auf den 7. August 2015 gemeinsam zur Wohnung des Zeugen G. in L. . Nachdem dieser auf das Klopfen der ihm bekannten Angeklagten B. die Wohnungstüre öffnete, drangen die Angeklagten Ba. und T. in die Wohnung, während die Angeklagte B. in Erwartung der erfolgreichen Tatausführung zurück zum Pkw ging. T. forderte den Zeugen G. unter Anwendung körperlicher Gewalt zur Herausgabe von Bargeld auf. Ba. stürmte mit einem rund 30 cm langen Küchenmesser auf dievon den Geräuschen aufgeschreckte Lebensgefährtin des Zeugen G. , die Zeugin K. , zu und hielt ihr das Messer mit der Spitze in kurzem Abstand vor den Hals. So begaben sich die Angeklagten Ba. und T. mit den Zeugen in deren Schlafzimmer, wo G. aus einer Jacke4.800 € Bargeld in Scheinen holte und es aus Angst vor weiteren Repressalien einem der Angeklagten gab. Nachdem Ba. und T. , die wechselseitig mit dem Wür- gen und dem Vorhalten des Messers als Mittel, die Bargeldherausgabe zu erzwingen , einverstanden waren, die Wohnung verlassen hatten, erhielt die Angeklagte B. vom erbeuteten Bargeld 500 €. Das Geld erhielt G. nicht zurück.
II.
- 4
- Eine Einziehungsentscheidung hat das Landgericht nicht getroffen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft zu Recht.
- 5
- 1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf die Nichtanordnung der Einziehung von Wertersatz beschränkt (§ 344 Abs. 1 StPO BGH, Urteil vom 8. Februar 2018 – 3 StR 560/17, NJW 2018, 2141 Rn. 4 mwN). Eine Rechtsmittelbeschränkung ist nach den allgemeinen Grundsätzen wirksam, wenn der angefochtene Teil der Entscheidung losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbständig geprüft und beurteilt werden kann und die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 – 3 StR 246/04, NStZ-RR 2005, 104). Dies ist vorliegend auch im Hinblick auf die gegen die Angeklagte B. verhängte Einheitsjugendstrafe zu bejahen.
- 6
- 2. Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung richtet sich vorliegend gemäß Art. 316h Satz 1 EGStGB nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 2017, 872) eingeführten und am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen neuen Regelungen der §§ 73 ff. StGB. Danach ist zwingend das einzuziehen, was der Täter durch oder für die Tat erlangt hat (§ 73 StGB nF) oder, sofern die Einziehung des erlangten Gegenstands nicht möglich ist, die Einziehung eines Geldbetrags auszuspre- chen, der dem Wert des Erlangten entspricht (§ 73c StGB nF). Es stellt daher einen Rechtsfehler dar, wenn sich das Tatgericht, das keine Entscheidung nach § 421 StPO getroffen hat, in den Urteilsgründen nicht mit der Frage einer Einziehungsanordnung befasst, obwohl Anhaltspunkte dafür bestehen, dass deren Voraussetzungen gegeben sind (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2017 – 1 StR 231/16, NStZ 2017, 401, 403).
- 7
- So verhält es sich hier. Nach den Feststellungen des Landgerichts haben die Angeklagten Ba. und T. durch die Tat Mitverfügungsgewalt (zu diesem Erfordernis vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 – 3 StR 50/08, NStZ 2008, 623; Urteil vom 7. Juni 2018 – 4 StR 63/18; Urteil vom 18. Juli 2018 – 5 StR645/17, NStZ-RR 2018, 278) an Bargeld in Höhe von 4.800 € erlangt, die Angeklagte B. sodann an 500 € hiervon. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert im Rechtssinne aus der Tat erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten ist ausreichend aber auch erforderlich, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben, was der Fall ist, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen können. Unerheblich ist dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse bei Beuteteilung gemindert wurde (BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 Rn. 8). Mehrere Tatbeteiligte, die – wie hier – an denselben Gegenständen Mitverfügungsgewalt erlangt haben, haften als Gesamtschuldner (BGH, Beschluss vom 20. Februar 2018 – 2 StR 12/18 mwN). Die Vorschriften der §§ 73 ff. StGB sind über die Verweisung in § 2 Abs. 2 JGG auch im Jugendstrafrecht anwendbar (vgl. zu §§ 73 ff. StGB aF BGH, Urteil vom 17. Juni 2010 – 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174, 175 Rn. 7 ff.).
- 8
- 3. Der Senat kann auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Wert des von dem Angeklagten Erlangten selbst bestimmen und insoweit die Anordnung der Einziehung und die gesamtschuldnerische Haftung der Angeklagten nachholen. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist davon auszugehen, dass sich das erlangte Bargeld mit anderem Bargeld der Angeklagten vermischt hat und ausgegeben wurde, so dass es aus anderen Gründen im Sinne von § 73c Satz 1 StGB nicht mehr gegenständlich eingezogen werden kann. Der Anspruch , der dem oder den Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, ist hier auch nicht, insbesondere nicht durch Rückgewähr des erlangten Geldes oder eines entsprechenden Geldbetrages erloschen (§ 73e StGB).
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Annotations
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
Wird über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages wegen einer Tat, die vor dem 1. Juli 2017 begangen worden ist, nach diesem Zeitpunkt entschieden, sind abweichend von § 2 Absatz 5 des Strafgesetzbuches die §§ 73 bis 73c, 75 Absatz 1 und 3 sowie die §§ 73d, 73e, 76, 76a, 76b und 78 Absatz 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) anzuwenden. Die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) sind nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist.
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.
(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn
- 1.
das Erlangte nur einen geringen Wert hat, - 2.
die Einziehung nach den §§ 74 und 74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ins Gewicht fällt oder - 3.
das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.
(2) Das Gericht kann die Wiedereinbeziehung in jeder Lage des Verfahrens anordnen. Einem darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft hat es zu entsprechen. § 265 gilt entsprechend.
(3) Im vorbereitenden Verfahren kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränken. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.
(1) Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.
(2) Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.
(1) Die Einziehung nach den §§ 73 bis 73c ist ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist. Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind.
(2) In den Fällen des § 73b, auch in Verbindung mit § 73c, ist die Einziehung darüber hinaus ausgeschlossen, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, es sei denn, dem Betroffenen waren die Umstände, welche die Anordnung der Einziehung gegen den Täter oder Teilnehmer ansonsten zugelassen hätten, zum Zeitpunkt des Wegfalls der Bereicherung bekannt oder infolge von Leichtfertigkeit unbekannt.