Bundesgerichtshof Urteil, 03. Aug. 2011 - 2 StR 167/11

bei uns veröffentlicht am03.08.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 167/11
vom
3. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts des Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. August
2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 29. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf des Verdeckungsmordes aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach der Anklage soll diese am 31. Januar 2010 vor 16.42 Uhr das Tatopfer D. in deren Haus getötet haben, um vorangegangene Urkundenfälschungen und Betrugshandlungen zu vertuschen.
2
Gegen den Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Das spätere Tatopfer D. war im Jahr 2008 von ihrem Ehemann verlassen worden und befand sich deshalb in einer schweren Lebenskrise verbunden mit psychischen Problemen. Auf Vermittlung einer Freundin engagierte sie die Angeklagte als eine Art "Lebenscoach". Die Angeklagte half der alleinlebenden vermögenden Frau D. in persönlichen und insbesondere finanziellen Dingen gegen ein monatliches Honorar von 1.800 €. Nach einer vorübergehenden Besserung ihres Zustandes kam es im Januar 2010 zu einem "Rückfall" von Frau D. wegen einer kurzen unglücklichen Liebschaft mit einem unbekannt gebliebenen Mann. Die Angeklagte übernachtete angesichts der schlechten Verfassung Frau D. s vom 30. auf den 31. Januar 2010 in deren Haus. Zu solchen Aufenthalten über Nacht war es in der Vergangenheit häufiger gekommen, so dass sich Wechselkleidung und Waschutensilien der Angeklagten im Haus befanden. Am 31. Januar 2010 nahm sie gegen 17.20 Uhr einen geschäftlichen Termin mit dem befreundeten Dr. K. wahr, mit dem sie die weitere Zeit bis mindestens 21.17 Uhr in einem Kaffeehaus zubrachte. Von dort begab sie sich in ihre Wohnung, wo sie mehrere Telefonate führte, bevor sie sich gegen 23.47 Uhr ein Taxi zum Haus von Frau D. bestellte. Dort angekommen, öffnete sie mit dem ihr zur Verfügung gestellten Hausschlüssel die Eingangstür, zog im Flur ihre Stiefel aus und zog ihre Hausschuhe, weiße Ballerinas, an. Im Esszimmer entdeckte sie die teilweise in Tücher eingewickelte Leiche Frau D. s. Um 0.17 Uhr und um 0.26 Uhr tätigte sie zwei Notrufe, zwischenzeitlich versuchte sie die Tote zu reanimieren. Die um 0.30 Uhr mit der Polizei eingetroffene Ret- tungsärztin stellte einen nicht näher eingrenzbaren Todeszeitpunkt vor 22.20 Uhr fest. Todesursache war ein Schädel-Hirn-Trauma in Verbindung mit einer Verdeckung der Atemwege. Außerdem wies die Leiche einen massiven Nasenbeinbruch, eine oberflächliche Schnittverletzung im Halsbereich sowie Blutergüsse am ganzen Körper auf. Vor dem Treppenende im Flur fand sich eine große Blutlache und von dort Schleifspuren zum Fundort der Leiche im Esszimmer. An der von der Angeklagten beim Eintreffen der Rettungskräfte getragenen Hose und an den Hausschuhen fanden sich Blutantragungen der Getöteten, wobei es sich vornehmlich um Wisch-, weniger um Spritzspuren handelte. An der unter der Hose getragenen Strumpfhose fanden sich in der linken Kniekehle ebenfalls Blutanhaftungen, während die darüber getragene Jeans an dieser Stelle unbefleckt war. Des Weiteren befand sich in einer Tasche mit Wechselkleidung eine der Angeklagten gehörende graue Strickjacke, die am rechten Ärmelbündchen Blutantragungen der Getöteten aufwies und von der sich Faserspuren am Körper der Leiche befanden.
5
Vor dem 31. Januar 2010 hatte die Angeklagte am 21. Januar 2010 mit der EC-Karte der Getöteten an einem Geldautomaten 1.500 € abgehoben und sich anschließend in der Sparkassenfiliale "maskiert" mit Sonnenbrille und um den Kopf geschlungenem Tuch unter Vorlage des Personalausweises von Frau D. 8.000 € in bar auszahlen lassen. Am 25. Januar 2010 hatte sie unter Fälschung der Unterschrift von Frau D. auf zwei Überweisungsaufträgen den Transfer von zusammen 8.900 € auf ihr eigenes Konto bewirkt.
6
2. Das Landgericht hat die Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Einen unmittelbaren Beweis für die Täterschaft der Angeklagten gebe es nicht. Die Blutanhaftungen an der bei Eintreffen der Polizei getragenen Kleidung der Angeklagten könnten von den zwischenzeitlich vorgenommenen Reanimationsversuchen stammen. Zwar sei es nicht ausgeschlossen, dass die Angeklagte das Tatopfer vor 17.00 Uhr getötet, sich anschließend umgezogen, die Kleidung entsorgt, dann den Geschäftstermin wahrgenommen und schließlich nach Rückkehr zum Tatort die Notrufe abgesetzt und die Reanimationsversuche nur vorgetäuscht habe. An einer solch kaltblütigen manipulativen Vorgehensweise der intellektuell gut ausgestatteten Angeklagten bestünden jedoch erhebliche Zweifel. So seien an den Tatwerkzeugen – einer zerbrochenen Tonschale und einem Messer – keine Fingerabdrücke oder DNA-Spuren der Angeklagten feststellbar gewesen. Die Blutanhaftungen an der unter der Jeans getragenen Strumpfhose und an der in einer Tüte aufgefundenen Strickjacke der Angeklagten, von der sich zudem Fasern auf dem Körper der Toten befanden, würden nur belegen, dass es zu einem früheren Zeitpunkt zu einem engen körperlichen Kontakt gekommen sein muss. Die Fasern müssten aber nicht zwangsläufig im Zuge eines Tötungsvorgangs angetragen worden sein. Die Blutantragungen an den Ärmeln der Jacke und in der Kniekehle der Strumpfhose könnten angesichts der desolaten Verfassung der Getöteten ebenso gut im Rahmen des regelmäßigen Aufenthaltes der Angeklagten im Hause der Frau D. , entstanden sein. Für einen vorangegangenen Streit wegen der unberechtigten Geldabhebungen als mögliches Motiv gebe es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt. Zum einen stehe bereits nicht fest, dass das Tatopfer die Abhebungen bemerkt und die Angeklagte darauf angesprochen habe; zum anderen könne nicht ausgeschlossen werden, dass den Abhebungen und Überweisungen berechtigte Forderungen der Angeklagten zu Grunde gelegen hätten. Auch die mit den Abhebungen und Überweisungen einhergehende "Maskierung" und Fälschung der Unterschrift ändere an dieser Einschätzung nichts. Schließlich habe zwar die Tatortaufnahme keinen Hinweis auf ein gewaltsames Eindringen in das Haus gegeben, wohingegen die Angeklagte als Vertraute der Getöteten einen Haustürschlüssel besessen habe. Es komme jedoch auch in Betracht, dass Frau D. zwischen 17.00 und 22.20 Uhr einem unbe- kannten Dritten auf Klingeln geöffnet habe und von diesem dann im Streit spontan getötet worden sei. Das Fehlen von Spuren und Hinweisen auf eine dritte Person beweise nicht, dass kein Dritter am Tatort gewesen sei.

II.

7
Diese Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist unter anderem der Fall, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr. vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 7. Juni 2011 - 5 StR 26/11 mwN). Hieran gemessen unterliegt die landgerichtliche Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
9
1. Ein grundlegender Mangel des Urteils liegt bereits darin, dass eine bei der hier gegebenen Beweislage unerlässliche nähere Dokumentation früherer Einlassungen der Angeklagten zu sämtlichen Indiztatsachen fehlt, weshalb dem Revisionsgericht eine Überprüfung unmöglich ist, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (vgl. BGHR StPO § 261 Einlas- sung 6). Die knappen Ausführungen im angefochtenen Urteil dazu genügen nicht. Zwar hat die Angeklagte in der Hauptverhandlung von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht; sie hat jedoch bei der Polizei in einer auf Tonband aufgezeichneten Zeugen- sowie in einer Beschuldigtenvernehmung umfangreiche Angaben gemacht (UA S. 11), die nur bruchstückhaft mitgeteilt werden. Soweit das Urteil ausgeführt hat, die Angaben der Angeklagten stimmten im Wesentlichen mit den getroffenen Feststellungen überein (UA S. 11) und wiesen keine gravierenden Widersprüche auf (UA S. 12) bleibt offen, worin die Abweichungen und Widersprüche bestehen. Ob diese gravierend oder wesentlich sind, ist aus den Urteilsgründen selbst heraus nicht nachvollziehbar und für das Revisionsgericht nicht überprüfbar.
10
2. Soweit die Revision hingegen rügt, die Beweiswürdigung sei deshalb lückenhaft, weil sich die Kammer nicht mit von dem Sachverständigen Dr. Ku. bereits in seinem schriftlichen Gutachten festgestellten und in der Hauptverhandlung erläuterten molekulargenetischen Spuren der Angeklagten an der Hose im Knöchelbereich des Opfers auseinandergesetzt habe, die beim Schleifen der Leiche an den Fußgelenken vom Flur in das Esszimmer entstanden sein müssten, handelt es sich um urteilsfremdes Vorbringen. In den Urteilsgründen finden solche molekulargenetischen Spuren keine Erwähnung, eine dies beanstandende Verfahrensrüge hat die Revision nicht erhoben.
11
3. Ein weiterer Rechtsfehler ist aber darin zu sehen, dass das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung aller für und gegen die Täterschaft der Angeklagten sprechenden Indizien nicht in ausreichendem Maße vorgenommen hat (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11 und Beweiswürdigung unzureichende 1; BGH NStZ 2002, 48; Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 267 Rn. 33). So hat es die festgestellten Umstände und Beweismittel hinsichtlich ihrer Aussagekraft zum Teil auch mit spekulativen Erwägungen nur jeweils isoliert be- wertet. Schon dabei erscheint es wenig lebensnah, wenn das Landgericht alternativ die Täterschaft eines unbekannten Dritten erwogen hat, für dessen Anwesenheit es keine Anhaltspunkte gibt. Ebenso widerspricht es der Lebenserfahrung und hätte deshalb näher begründet werden müssen, warum die Angeklagte in Verfolgung berechtigter Ansprüche "maskiert" unter Vorlage eines fremden Personalausweises und mit gefälschten Unterschriften Bankgeschäfte zum Nachteil der Getöteten hätte tätigen sollen.
12
4. Das Urteil beruht auch auf den aufgezeigten Darstellungs- und Beweiswürdigungsmängeln ; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und der gebotenen wertenden Gesamtschau aller be- und entlastenden Indizien die Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten gewonnen hätte.
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

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Bundesgerichtshof Urteil, 07. Juni 2011 - 5 StR 26/11

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5 StR 26/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 7. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Juni
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 16. September 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Am frühen Abend des 30. August 2008 konsumierte der Angeklagte mit seinem langjährigen Freund und Nachbarn L. Alkohol in nicht feststellbaren Mengen. Am darauffolgenden Tag fand er L. in dessen Wohnung auf dem Boden des Schlafzimmers liegend auf. Dieser war nicht ansprechbar, blutete stark am Kopf und wies am Hals Würgemale auf.
4
Der vom Angeklagten telefonisch verständigte Rettungssanitäter versorgte den Geschädigten und überführte ihn dann in ein Krankenhaus. Es wurden ein Schädel-Hirn-Trauma dritten Grades, eine Kopfplatzwunde sowie eine Fraktur der Kieferhöhle links diagnostiziert. Ursache der Verletzungen waren stumpfe Gewalteinwirkungen. Der Geschädigte erlangte das Bewusstsein nicht wieder und verstarb am 16. Mai 2009 infolge einer durch die erlittenen Verletzungen bedingten Lungenentzündung.
5
Auf den Geschädigten war in seiner Wohnung unter anderem mit einem Tonbandgerät eingeschlagen worden, an dem Blut, Gewebeteile und Haare des Geschädigten sowie – auf der Rückseite des Geräts – eine Fingerabdruckspur des Zeigefingers der rechten Hand des Angeklagten festgestellt wurden. An der Wohnungseingangstür fehlte im Bereich des Schlosses und des Türknaufs ein etwa zehn mal zehn Zentimeter großes Glasfenster. Mit einem Griff durch die Öffnung konnte die Wohnungstür von außen geöffnet werden. Im Bereich des fehlenden Fensters befand sich eine Blutspur des Angeklagten. Seine Hose wies Blutanhaftungen des Geschädigten auf.
6
b) Das Landgericht vermochte sich nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen. Es sei trotz der „festgestellten Spuren, die auf den ersten Blick ein den Angeklagten schwer belastendes Indiz“ darstellten, „nicht mit der erforderlichen Gewissheit auszuschließen, dass ein unbekann- ter Dritter zum Tatzeitpunkt die Wohnung des Geschädigten aufsuchte“ (UA S. 13). Es wäre einem solchen möglich gewesen, „in Einbruchsabsicht in die Wohnung des Geschädigten einzudringen, da das kleine Glasfenster in der Wohnungstür des Geschädigten fehlte“ (UA S. 18).
7
Hinsichtlich der Fingerabdruckspur hat die Schwurgerichtskammer die Einlassung des Angeklagten als „lebensnah“ und „nicht zu widerlegen“ ange- sehen, er habe das Tonbandgerät bei seinen Besuchen „öfter angefasst, zum Beispiel wenn der Geschädigte seine Wohnung umgeräumt habe“ (UA S. 11). Auch seine Angaben zur Blutspur an der Wohnungstür seien nicht zu widerlegen; dieser Bewertung hat die Schwurgerichtskammer die Vermutung des Angeklagten zugrunde gelegt, die Blutspur könne entstanden sein, als er dem Geschädigten an einem ihm nicht mehr erinnerlichen Tag geholfen habe , den Schließzylinder an der Wohnungstür auszutauschen (UA S. 12). Ferner hat das Landgericht die Aussage des Angeklagten zur Entstehung der Blutspuren auf seiner Kleidung – er habe den Kopf des Geschädigten „nach dessen Auffinden hochgehoben“ (UA S. 14) – nicht zu widerlegen vermocht. Dass in der Wohnung und an dem Tonbandgerät nur Spuren des Geschädigten und des Angeklagten gesichert worden seien, vermittle nicht die Überzeugung von dessen Täterschaft. Gegen die Täterschaft spreche, dass ein „Motiv für ein derart brutales Vorgehen“ (UA S. 16) nicht zu erkennen sei und die Vorstrafen des Angeklagten mit dem hier vorliegenden Tatbild nicht korrespondierten.
8
2. Die durch die Schwurgerichtskammer vorgenommene Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
a) Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109, und vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 15).
10
b) Zwar hat das Landgericht vorliegend die den Angeklagten belastenden Indizien dargestellt und gewürdigt. Deren Bewertung genügt den vorstehenden Grundsätzen jedoch in mehrfacher Hinsicht nicht.
11
aa) Die Schwurgerichtskammer hat ihrer Beweiswürdigung entlastende Angaben des Angeklagten zugrunde gelegt, ohne sie in ihrem Wahrheitsgehalt näher überprüft zu haben.
12
So spricht nach den Urteilsfeststellungen – trotz sogar denkbarer näherer Aufklärbarkeit durch als Zeugen gehörte Nachbarn – kein objektiver Umstand dafür, dass die Fingerabdruckspuren des Angeklagten an der Rückseite des als Schlagwerkzeug eingesetzten – nicht näher beschriebenen – Tonbandgeräts bei Besuchen des Angeklagten in der Wohnung des Geschädigten entstanden sind. Entsprechendes gilt für die vom Angeklagten herrührende Blutspur an der Wohnungseingangstür des Geschädigten, zumal der Angeklagte eine Verletzung bei einer Reparatur des Schließzylinders schon zeitlich nicht näher einzuordnen vermochte, ja nicht einmal mit Bestimmtheit sagen konnte, ob er sich bei der vorgeblichen Reparatur überhaupt und gegebenenfalls wie verletzt habe. Im Übrigen ist auch zu einer – gegebenenfalls hochgradig relevanten – tatnahen Handverletzung des An- geklagten im Urteil nichts festgestellt. In Bezug auf seine mit dem Blut des Geschädigten beschmierte Kleidung fehlt es an näheren Angaben zum Spurenbild , zum Verteidigungsvorbringen des Angeklagten und zur Konkordanz von beidem.
13
bb) Die Beweiswürdigung ist auch darüber hinaus lückenhaft. Zwar können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab. Sind dabei – wie hier – erhebliche Belastungsindizien gegeben, muss das Tatgericht in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung alle wesentlichen für und gegen den Angeklag- ten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und im Gesamten betrachten (vgl. BGH, Urteile vom 22. Mai 2007 – 1 StR 582/06 – und vom 22. August 2002 – 5 StR 240/02, NStZ-RR 2002, 338 mwN; Brause NStZ-RR 2010, 329, 330 f.). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht:
14
(1) So führt die Schwurgerichtskammer aus, dass sie einer im Ermittlungs - und Hauptverfahren „möglicherweise wahrheitswidrig“ aufgestellten Behauptung des Angeklagten, sich mit einem auf dem Fußabtreter vorgefun- denen Wohnungsschlüssel Zutritt zur Wohnung verschafft zu haben, „kein besonderes Verdachtsmoment“ beimisst (UA S. 16). Sie unterlässt jedoch die bei der hier gegebenen Beweislage unerlässliche nähere Dokumentation früherer Einlassungen des Angeklagten zu sämtlichen belastenden Indiztatsachen (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 1995 – 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6, und vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 26).
15
(2) Im Übrigen hätte im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung (vgl. auch BGH, Urteile vom 10. Dezember 1986 – 3 StR 500/86, und vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2 und Beweiswürdigung, unzureichende 20) namentlich Beachtung finden sollen , dass der vom Landgericht als nicht ausräumbar angesehene Alternativsachverhalt eines nächtlichen Wohnungseinbruchs – für den es zudem jenseits der Beschaffenheit der Wohnungseingangstür des Opfers keinen Anhalt gibt – durch einen unbekannten Dritten bei dem ersichtlich mittellosen Geschädigten genauso wenig lebensnah erscheint, wie ein nach den Angaben des Angeklagten gegen 2.00 Uhr erfolgtes Klopfen des Geschädigten am Fenster des Angeklagten, verbunden mit der ansatzlosen und dann nicht weiter ausgeführten Erwähnung einer Frau und eines „starken Mannes“ (UA S. 9). Sonstige Anhaltspunkte für eine Alternativtäterschaft werden im Urteil nicht erwogen.
16
cc) Die Beweiswürdigung begegnet schließlich insofern durchgreifenden Bedenken, als die Schwurgerichtskammer die Persönlichkeitsfremdheit der Tat und das Fehlen eines Tatmotivs als der Täterschaft des Angeklagten widerstreitende Umstände erachtet hat.
17
Die Bewertung, dass die den Verurteilungen des Angeklagten zugrunde liegenden Taten mit der hier angeklagten Tat „nicht vergleichbar“ seien, steht schon in Widerspruch zu den hierzu getroffenen Feststellungen. Die durch das Amtsgericht Görlitz abgeurteilte gefährliche Körperverletzung vom 20. September 2008 umfasste – wie an anderer Stelle der Urteilsgründe ausgeführt ist (UA S. 6) – Schläge „mit zwei Bierflaschen, von denen eine zerbrach“, auf deren Stirn und Hinterkopf.Hinzu kommt, dass sowohl durch die Verurteilung als auch für den Abend des hier gegenständlichen Geschehens Alkoholkonsum des Angeklagten festgestellt ist. Neigt dieser aber oh- nehin „zu aggressivem Verhalten, was auch durch Nichtigkeiten ausgelöst werden kann“ (UA S. 4), und liegt zudem eine alkoholbedingte Enthemmung vor, kann eine vermeintlich grundlos begangene Gewalthandlung nicht als außergewöhnlich bewertet werden. Dass eine – in den Details des Ablaufs ohnehin nicht mehr aufklärbare – Tat unter solchen Vorzeichen im Nachhinein für Dritte sinnlos erscheinen mag, deutet auch nicht schon an sich auf ein fehlendes Motiv hin. Darüber hinaus würde selbst ein rational nicht nachvollziehbares Handeln kein den Angeklagten maßgeblich entlastendes Indiz darstellen.
Basdorf Raum Schneider König Bellay

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.