Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2015 - StbSt (R) 2/15

published on 28/09/2015 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2015 - StbSt (R) 2/15
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Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
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Tenor

Die Revision des Steuerberaters gegen das Urteil des 1. Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg vom 18. Februar 2015 wird als unbegründet verworfen, weil die Nachprüfung des Urteils auf die Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Steuerberaters ergeben hat.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift bemerkt der Senat:

1. Zur Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen § 109 Abs. 3 StBerG, § 261 StPO:

Die Rüge ist unbegründet. Nach § 109 Abs. 3 Satz 1 StBerG sind für die Entscheidung im berufsgerichtlichen Verfahren die tatsächlichen Feststellungen im Strafverfahren bindend, auf denen die Entscheidung des Gerichts beruht. In dem berufsgerichtlichen Verfahren kann ein Gericht jedoch die nochmalige Prüfung solcher Feststellungen beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit bezweifeln (§ 109 Abs. 3 Satz 2 StBerG). Dies war hier jedoch nicht der Fall.

Ausweislich der Gründe des angefochtenen Urteils sowie des Beschlusses vom 4. Februar 2015 (Anlage 14 zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 4. Februar 2015, RB S. 16 ff.) hatte das Oberlandesgericht keine Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen und legte deswegen diese Feststellungen seiner Entscheidung als bindend zugrunde (UA S. 8). Soweit das Oberlandesgericht auf Anregung der Verteidigung zunächst Beweise zu tragenden Gründen der strafgerichtlichen Entscheidungen erhoben hatte, beruhte dies auf einer später als unrichtig erkannten und noch vor der Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers korrigierten Rechtsauffassung. Das Oberlandesgericht hat deshalb die Ergebnisse dieser Beweisaufnahme auch nicht berücksichtigt (Beschluss vom 4. Februar 2015, aaO S. 2).

Die Auffassung des Beschwerdeführers, aus den Grundsätzen des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 4. März 1985 (AnwSt (R) 22/84, BGHSt 33, 155) ergebe sich der Wegfall der Bindungswirkung und die Pflicht, die neu erhobenen Beweise auch zu würdigen, trifft nicht zu. Denn im dortigen Verfahren hatten Zweifel zu weiteren Ermittlungen geführt, deren Ergebnisse im Verfahren auch verwertet wurden (BGH, Urteil vom 4. März 1985 - AnwSt (R) 22/84, aaO 5. 158 f.). Dies kommt insbesondere darin zum Ausdruck, dass das Gericht im dortigen Verfahren erst aufgrund der erhobenen Beweise keinen Anlass sah, die Feststellungen des Strafurteils anzuzweifeln (BGH, Urteil vom 4. März 1985 - AnwSt (R) 22/84, aaO). Demgegenüber hatte das Oberlandesgericht hier, wie sich aus Seite 2 des genannten Beschlusses dieses Gerichts ergibt, gerade keine Zweifel an der Richtigkeit der in den strafgerichtlichen Urteilen getroffenen Feststellungen. Es sah sich zunächst lediglich nicht gehindert, eine Beweisaufnahme zu weiteren Umständen durchzuführen, auf die sich die Verteidigung im Rahmen ihrer gegen die Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen vorgetragenen Bedenken berief, um diese sich nicht aus den strafgerichtlichen Urteilen ergebenden Gesichtspunkte näher aufzuklären. Die vom Oberlandesgericht noch vor seiner Entscheidung korrigierte Auffassung war zwar unrichtig, weil nur die Beseitigung von Unklarheiten oder Widersprüchen in den Strafurteilen oder die Ermittlung zusätzlicher, ihnen nicht zugrunde liegender Tatsachen Gegenstand einer Beweisaufnahme sein durfte (BGH, Urteil vom 4. März 1985 - AnwSt (R) 22/84, aaO). Sie offenbart aber nicht, dass das Oberlandesgericht Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen gehabt hätte. Die Bindungswirkung bestand daher fort; rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht somit die unzulässig erhobenen Beweise auch nicht verwertet.

2. Zu den sachlich-rechtlichen Einwendungen gegen die Höhe des festgestellten Vermögensschadens aus der von dem Revisionsführer begangenen Untreuetaten:

Der eingetretene Vermögensschaden ist auch ausgehend von den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts hinreichend konkretisiert: Er wurde genau beziffert (Vertrag 1: 224.000 Euro; Vertrag 2: 274.000 Euro; UA S. 25). Damit liegt keine „Verschiebung“ der Tatbestandsmerkmale Pflichtverletzung und Vermögensnachteil des § 266 StGB vor. Die Höhe der schadensgleichen Vermögensgefährdung ist auch mit (bindend festgestellten) Tatsachen belegt: Bei sachgerechter Verhandlungsführung hätten Verträge abgeschlossen werden können, die zum Zeitpunkt ihres Abschlusses einen geldwerten Vorteil in der genannten Höhe aufgewiesen hätten (UA S. 25). Die hierzu im Strafurteil erfolgte Beweiswürdigung musste im Urteil des Oberlandesgerichts nicht wiedergegeben werden.

3. Zur Rüge eines Verstoßes gegen das sich aus Art. 103 Abs. 3 GG ergebende Verbot der Doppelbestrafung:

a) Ein Verstoß gegen den Grundsatz „ne bis in idem" liegt nicht vor, weil berufsgerichtliche Maßnahmen nicht aufgrund der allgemeinen Strafgesetze im Sinne des Art. 103 Abs. 3 GG verhängt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1969 - 2 BvR 545/68, BVerfGE 27, 180, 184 ff.).

b) Soweit der Beschwerdeführer die vorliegend bestehende Besonderheit paralleler berufsgerichtlicher Verfahren geltend macht, ist ein Rechtsfehler bei der Sanktionsbemessung nicht vorhanden. Das Oberlandesgericht hat die Wirkungen der von der Wirtschaftsprüferkammer des Landgerichts Berlin verhängten berufsgerichtlichen Maßnahme im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ausdrücklich berücksichtigt (UA S. 27).

Jäger                          König                                   Bellay

              Schulze                        Große-Hokamp

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein

(1) Ist gegen ein Mitglied der Steuerberaterkammer, das einer Verletzung seiner Pflichten beschuldigt wird, wegen desselben Verhaltens die öffentliche Klage im Strafverfahren erhoben oder ein Bußgeldbescheid erlassen, so kann gegen das Mitglied ein b

Annotations

(1) Ist gegen ein Mitglied der Steuerberaterkammer, das einer Verletzung seiner Pflichten beschuldigt wird, wegen desselben Verhaltens die öffentliche Klage im Strafverfahren erhoben oder ein Bußgeldbescheid erlassen, so kann gegen das Mitglied ein berufsgerichtliches Verfahren eingeleitet werden, das aber bis zur Beendigung des Straf- oder Bußgeldverfahrens ausgesetzt werden muss. Ebenso muss ein bereits eingeleitetes berufsgerichtliches Verfahren ausgesetzt werden, wenn während seines Laufes die öffentliche Klage im Strafverfahren erhoben oder ein Bußgeldbescheid erlassen wird. In den Fällen der Sätze 1 und 2 ist das berufsgerichtliche Verfahren vor der Beendigung des Straf- oder Bußgeldverfahrens fortzusetzen, wenn die Sachaufklärung so gesichert erscheint, dass sich widersprechende Entscheidungen nicht zu erwarten sind, oder wenn im Straf- oder Bußgeldverfahren aus Gründen nicht verhandelt werden kann, die in der Person des Mitglieds der Steuerberaterkammer liegen.

(2) Wird das Mitglied der Steuerberaterkammer im gerichtlichen Verfahren wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen, so kann wegen der Tatsachen, die Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung waren, ein berufsgerichtliches Verfahren nur dann eingeleitet oder fortgesetzt werden, wenn diese Tatsachen, ohne den Tatbestand einer Strafvorschrift oder einer Bußgeldvorschrift zu erfüllen, eine Verletzung der Pflichten des Mitglieds der Steuerberaterkammer enthalten.

(3) Für die Entscheidung im berufsgerichtlichen Verfahren sind die tatsächlichen Feststellungen des Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren bindend, auf denen die Entscheidung des Gerichts beruht. In dem berufsgerichtlichen Verfahren kann ein Gericht jedoch die nochmalige Prüfung solcher Feststellungen beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit bezweifeln; dies ist in den Gründen der berufsgerichtlichen Entscheidung zum Ausdruck zu bringen.

(4) Wird ein berufsgerichtliches Verfahren nach Absatz 1 Satz 3 fortgesetzt, ist die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen berufsgerichtlichen Verfahrens auch zulässig, wenn die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Verurteilung oder der Freispruch im berufsgerichtlichen Verfahren beruht, den Feststellungen im Straf- oder Bußgeldverfahren widersprechen. Den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens kann die Staatsanwaltschaft oder das Mitglied der Steuerberaterkammer binnen eines Monats nach Rechtskraft des Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren stellen.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Ist gegen ein Mitglied der Steuerberaterkammer, das einer Verletzung seiner Pflichten beschuldigt wird, wegen desselben Verhaltens die öffentliche Klage im Strafverfahren erhoben oder ein Bußgeldbescheid erlassen, so kann gegen das Mitglied ein berufsgerichtliches Verfahren eingeleitet werden, das aber bis zur Beendigung des Straf- oder Bußgeldverfahrens ausgesetzt werden muss. Ebenso muss ein bereits eingeleitetes berufsgerichtliches Verfahren ausgesetzt werden, wenn während seines Laufes die öffentliche Klage im Strafverfahren erhoben oder ein Bußgeldbescheid erlassen wird. In den Fällen der Sätze 1 und 2 ist das berufsgerichtliche Verfahren vor der Beendigung des Straf- oder Bußgeldverfahrens fortzusetzen, wenn die Sachaufklärung so gesichert erscheint, dass sich widersprechende Entscheidungen nicht zu erwarten sind, oder wenn im Straf- oder Bußgeldverfahren aus Gründen nicht verhandelt werden kann, die in der Person des Mitglieds der Steuerberaterkammer liegen.

(2) Wird das Mitglied der Steuerberaterkammer im gerichtlichen Verfahren wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen, so kann wegen der Tatsachen, die Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung waren, ein berufsgerichtliches Verfahren nur dann eingeleitet oder fortgesetzt werden, wenn diese Tatsachen, ohne den Tatbestand einer Strafvorschrift oder einer Bußgeldvorschrift zu erfüllen, eine Verletzung der Pflichten des Mitglieds der Steuerberaterkammer enthalten.

(3) Für die Entscheidung im berufsgerichtlichen Verfahren sind die tatsächlichen Feststellungen des Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren bindend, auf denen die Entscheidung des Gerichts beruht. In dem berufsgerichtlichen Verfahren kann ein Gericht jedoch die nochmalige Prüfung solcher Feststellungen beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit bezweifeln; dies ist in den Gründen der berufsgerichtlichen Entscheidung zum Ausdruck zu bringen.

(4) Wird ein berufsgerichtliches Verfahren nach Absatz 1 Satz 3 fortgesetzt, ist die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen berufsgerichtlichen Verfahrens auch zulässig, wenn die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Verurteilung oder der Freispruch im berufsgerichtlichen Verfahren beruht, den Feststellungen im Straf- oder Bußgeldverfahren widersprechen. Den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens kann die Staatsanwaltschaft oder das Mitglied der Steuerberaterkammer binnen eines Monats nach Rechtskraft des Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren stellen.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.