Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2002 - XII ZR 192/02

bei uns veröffentlicht am19.09.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 192/02
vom
19. September 2002
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. September 2002 durch
die Richter Gerber, Sprick, Weber-Monecke, Fuchs und Dr. Ahlt

beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, die Wirkungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Berufungsurteils (hilfsweise: bis zur Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung) auf die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung zu begrenzen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die getrennt lebenden Parteien sind zu je 1/2 Miteigentümer eines Dreifamilienhauses, hinsichtlich dessen sie die Auseinandersetzung durch notariellen Ehevertrag auf Dauer mit der Maßgabe ausgeschlossen haben, daß derjenige von ihnen, der die Auseinandersetzung begehrt, verpflichtet sein soll, seinen Miteigentumsanteil auf die drei Kinder zu übertragen. Am 23. November 2000 beantragte die Beklagte die Teilungsversteigerung. Die Übertragung ihres Miteigentumsanteils scheiterte bislang an der fehlenden familiengerichtlichen Zustimmung für die zwei damals noch minderjährigen Kinder, von denen eines inzwischen volljährig ist. Der Kläger beantragte in erster Instanz erfolglos, die Teilungsversteigerung für unzulässig zu erklären. Auf seine Berufung gab das Berufungsgericht
der Klage statt. Gegen dieses vorläufig vollstreckbare Urteil hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und beantragt nunmehr, die Wirkungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Berufungsurteils auf die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung zu begrenzen, hilfsweise, die zuvor bezeichneten Wirkungen bis zur Entscheidung über diesen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung anzuordnen. Sie will damit erreichen, daß die am 7. Dezember 2000 angeordnete Teilungsversteigerung (im Anordnungsbeschluß irrtümlich als Zwangsversteigerung bezeichnet) ihren Rang vor dem Wohnrecht wahrt, dessen Eintragung zu seinen Gunsten der Kläger am 13. Mai 2002 aufgrund eines gewonnenen Parallelprozesses erwirkt hat.

II.

Der Antrag ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in entsprechender Anwendung der §§ 771 Abs. 3, 769 Abs. 1 ZPO zulässig. § 771 Abs. 3 ZPO sieht lediglich vor, daß das Gericht, das über die Klage nach § 771 ZPO zu befinden hat, die Zwangsvollstreckung einstellen kann, gegen die sich diese Klage richtet. Mit dem vorliegenden Antrag begehrt aber die Beklagte, die die Zwangsversteigerung betreibt, diese zumindest hinsichtlich ihrer Beschlagnahmewirkung aufrechtzuerhalten. Der Antrag ist daher allenfalls in einen Einstellungsantrag nach § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO umzudeuten, der zulässig wäre, da der Bundesgerichtshof nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Revisionsgericht im Sinne
dieser Vorschrift anzusehen ist (vgl. Zöller/Gummer, ZPO 23. Aufl. § 544 Rdn. 14). Er hat jedoch keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob der Antrag schon deshalb unbegründet ist, weil der vorliegende Rechtsstreit eine Familiensache ist (vgl. Zöller/Herget aaO § 771 Rdn. 8 und Zöller/Philippi aaO § 621 Rdn. 19) und in dem angefochtenen Berufungsurteil auch als solche bezeichnet wurde, so daß Bedenken bestehen, ob die Nichtzulassungsbeschwerde überhaupt statthaft ist (§ 26 Nr. 9 EGZPO). Ferner kann dahinstehen, ob die Nichtzulassungsbeschwerde im Falle ihrer Zulässigkeit begründet wäre und ob, wenn der Senat ihr stattgeben würde, die Revision der Beklagten Aussicht auf Erfolg hätte. Dem Antrag nicht nämlich schon deshalb nicht stattzugeben, weil die Beklagte keinen ihr andernfalls drohenden erheblichen Nachteil dargelegt hat, der das Interesse des Klägers an der Vollstreckung überwiegt. Die begehrte Beschränkung der Wirkungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils ist nämlich nicht geeignet, den (bereits eingetretenen) Rangverlust abzuwenden. Die Klage, die Teilungsversteigerung für unzulässig zu erklären, folgt den Regeln des § 771 ZPO. Nach § 775 Abs. 1 ZPO ist die Zwangsvollstrekkung (hier: die Teilungsversteigerung) einzustellen oder zu beschränken, wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, daß die Zwangsvollstreckung (hier: die Teilungsversteigerung) für unzulässig erklärt ist. Folgerichtig hat das Vollstreckungsgericht mit Rücksicht auf das Urteil des Berufungsgerichts das mit Beschluß vom 7. Dezember 2000 angeordnete Versteigerungsverfahren mit Beschluß vom 25. Juli 2002 aufgehoben.
Das hat regelmäßig zur Folge, daß die Zwangsvollstreckungsmaßnahme unabhängig von der Rechtskraft dieses Beschlusses entfällt und auch nicht wieder auflebt, wenn dieser Aufhebungsbeschluß auf Rechtsmittel seinerseits aufgehoben wird; die Zwangsvollstreckung muß dann neu vollzogen werden mit der Folge, daß ein Rangverlust nach § 804 Abs. 3 BGB eintreten kann (vgl. Zöller/Stöber ZPO 23. Aufl. § 776 Rdn. 4; Musielak ZPO 2. Aufl. § 776 Rdn. 3). Allerdings entfällt die Zwangsvollstreckungsmaßnahme nicht sofort, wenn das Vollstreckungsgericht zugleich nach § 570 Abs. 2 ZPO den Aufschub der Wirksamkeit der Aufhebung angeordnet hat, nämlich hier dergestalt, daß die Beschlagnahmewirkung erst mit dem Eintritt der Rechtskraft seines Beschlusses vom 25. Juli 2002 entfällt. Eine solche Anordnung durfte das Erstgericht auch schon vor Einlegung eines Rechtsmittels von Amts wegen treffen (vgl. Zöller/Gummer aaO § 570 Rdn. 4). Die Zwangsvollstreckungsmaßnahme ist inzwischen aber endgültig entfallen , da der Beschluß vom 25. Juli 2002 rechtskräftig ist, nachdem das Landgericht die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde mit Beschluß vom 3. September 2002 zurückgewiesen hat. Damit ist die Beschlagnahmewirkung der ursprünglichen Anordnung der Teilungsversteigerung entfallen, ohne daß die begehrte Beschränkung der Wirkungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit
des angefochtenen Berufungsurteils daran noch etwas ändern und insbesondere ihren Vorrang vor dem inzwischen eingetragenen Wohnrecht wahren könnte.
Gerber Sprick Weber-Monecke Fuchs Ahlt

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 719 Einstweilige Einstellung bei Rechtsmittel und Einspruch


(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung einges

Zivilprozessordnung - ZPO | § 775 Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung


Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:1.wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder das

Zivilprozessordnung - ZPO | § 771 Drittwiderspruchsklage


(1) Behauptet ein Dritter, dass ihm an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, so ist der Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Gericht geltend zu machen, in dessen Bezirk die

Zivilprozessordnung - ZPO | § 570 Aufschiebende Wirkung; einstweilige Anordnungen


(1) Die Beschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand hat. (2) Das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, kann die Vollziehung der Entscheidu

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 804 Verlust von Zins- oder ähnlichen Scheinen


(1) Ist ein Zins-, Renten- oder Gewinnanteilschein abhanden gekommen oder vernichtet und hat der bisherige Inhaber den Verlust dem Aussteller vor dem Ablauf der Vorlegungsfrist angezeigt, so kann der bisherige Inhaber nach dem Ablauf der Frist die Le

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(1) Behauptet ein Dritter, dass ihm an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, so ist der Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Gericht geltend zu machen, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt.

(2) Wird die Klage gegen den Gläubiger und den Schuldner gerichtet, so sind diese als Streitgenossen anzusehen.

(3) Auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln sind die Vorschriften der §§ 769, 770 entsprechend anzuwenden. Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel ist auch ohne Sicherheitsleistung zulässig.

(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.

(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.

(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.

(1) Behauptet ein Dritter, dass ihm an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, so ist der Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Gericht geltend zu machen, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt.

(2) Wird die Klage gegen den Gläubiger und den Schuldner gerichtet, so sind diese als Streitgenossen anzusehen.

(3) Auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln sind die Vorschriften der §§ 769, 770 entsprechend anzuwenden. Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel ist auch ohne Sicherheitsleistung zulässig.

Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:

1.
wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist;
2.
wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf;
3.
wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist;
4.
wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat;
5.
wenn der Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank oder Sparkasse vorgelegt wird, aus dem sich ergibt, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist.

(1) Ist ein Zins-, Renten- oder Gewinnanteilschein abhanden gekommen oder vernichtet und hat der bisherige Inhaber den Verlust dem Aussteller vor dem Ablauf der Vorlegungsfrist angezeigt, so kann der bisherige Inhaber nach dem Ablauf der Frist die Leistung von dem Aussteller verlangen. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der abhanden gekommene Schein dem Aussteller zur Einlösung vorgelegt oder der Anspruch aus dem Schein gerichtlich geltend gemacht worden ist, es sei denn, dass die Vorlegung oder die gerichtliche Geltendmachung nach dem Ablauf der Frist erfolgt ist. Der Anspruch verjährt in vier Jahren.

(2) In dem Zins-, Renten- oder Gewinnanteilschein kann der im Absatz 1 bestimmte Anspruch ausgeschlossen werden.

(1) Die Beschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand hat.

(2) Das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, kann die Vollziehung der Entscheidung aussetzen.

(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung aussetzen.