Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2019 - XII ZB 93/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2019 durch die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Familiengericht hat die Antragsgegnerin mit einem ihr am 5. Juli 2018 zugestellten Beschluss verpflichtet, an den Antragsteller, ihren geschiedenen Ehemann, rückständige Nutzungsentschädigung für die von ihr bewohnte Ehewohnung in Höhe von 10.500 € nebst Zinsen zu zahlen sowie das Objekt geräumt an den Antragsteller herauszugeben.
- 2
- Gegen diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin, die selbst Rechtsanwältin ist, rechtzeitig mit einem von ihr persönlich verfassten Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Mit einem nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 27. September 2018 eingegangenen Schriftsatz hat sie - nunmehr vertreten durch Bevollmächtigte - Beschwerdeanträge gestellt und hinsichtlich der versäumten Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung beantragt, dass sie krankheitsbedingt nicht in der Lage ge- wesen und auch weiterhin nicht in der Lage sei, diese zu wahren. Am 23. Oktober 2018 hat sie die Beschwerde begründet.
- 3
- Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen. Die Antragsgegnerin habe ihre krankheitsbedingte Verhinderung schon nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Ein zurechenbares Verschulden ergebe sich letztlich jedenfalls aus einem Verstoß der Antragsgegnerin gegen ihre anwaltliche Pflicht, allgemeine Vorkehrungen dafür zu treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen werde, wenn sie selbst unvorhergesehen ausfalle. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Rechtsbeschwerde.
II.
- 4
- Die nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Die Antragsgegnerin vermag auch nicht aufzuzeigen, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre. Das Oberlandesgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt und die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist verworfen. Damit hält es sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
- 5
- 1. Nach gefestigter Rechtsprechung muss der Verfahrensbevollmächtigte einer Partei alles ihm Zumutbare tun und veranlassen, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird. Im Rahmen seiner Organisationspflichten hat er Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle seiner Erkrankung ein Vertreter die notwendigen Verfahrenshandlungen - wie hier zumindest die Beantragung einer Fristverlängerung - vornimmt (Senatsbeschluss vom 31. Juli 2019 - XII ZB 36/19 - zur Veröffentlichung bestimmt).
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- Auf einen krankheitsbedingten Ausfall muss sich der Rechtsanwalt aber nur dann durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, wenn er eine solche Situation vorhersehen kann. Wird er dagegen unvorhergesehen krank, gereicht ihm eine unterbleibende Einschaltung eines Vertreters nicht zum Verschulden, wenn ihm diese weder möglich noch zumutbar war (BGH Beschluss vom 5. April 2011 - VIII ZB 81/10 - NJW 2011, 1601 Rn. 18 mwN).
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- Für den Fall, dass die Krankheit von Anfang an so schwer sein sollte, dass die zur Fristwahrung erforderliche Einschaltung eines Vertreters durch den erkrankten Rechtsanwalt selbst oder eine Anordnung an das Büropersonal betreffend die Unterrichtung eines Vertreters nicht möglich oder zumutbar sein sollte, muss der Rechtsanwalt seine Kanzlei allgemein anweisen, zwecks Erledigung fristgebundener Geschäfte den Vertretungsanwalt zu informieren oder erforderlichenfalls einen Antrag nach § 53 Abs. 2 BRAO zu stellen. Die Verpflichtung , im Krankheitsfall des Verfahrensbevollmächtigten für einen Vertreter zu sorgen, besteht erst recht, wenn der Gesundheitszustand derart ist, dass mit wiederholt auftretenden Krankheitsfolgen zu rechnen ist, die den Anwalt außerstande setzen, seinen Berufspflichten in dem erforderlichen Umfang nachzukommen (vgl. BGH Beschluss vom 17. März 2005 - IX ZB 74/04 - juris Rn. 5 mwN).
- 8
- 2. Keinen geringeren Sorgfaltsplichten unterliegt ein Rechtsanwalt, der sich in eigener Sache gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 78 Abs. 4 ZPO selbst vertritt. Denn der sich selbst vertretende Rechtsanwalt ist im Verfahren nicht als Beteiligter, sondern als Rechtsanwalt zu behandeln (KG NJW 1955, 593; MünchKommZPO/Toussaint 5. Aufl. § 78 Rn. 29; Stein/Jonas/Jacoby ZPO 23. Aufl. § 78 Rn. 46; Zöller/Althammer ZPO 32. Aufl. § 78 Rn. 37; HK-ZPO/ Bendtsen 8. Aufl. § 78 Rn. 21; vgl. auch Musielak/Voit/Weth ZPO 16. Aufl. § 78 Rn. 34). Zu seinen anwaltlichen Pflichten gehört auch die Einhaltung der Sorgfaltsanforderungen , die an die Wahrung der einzuhaltenden Fristen gestellt werden.
- 9
- 3. Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin vorgetragen und durch Attest belegt, dass sie sich bereits seit 2010 in psychiatrischer Behandlung wegen "immer wieder auftretender, häufig unvermittelter und daher unvorhersehbarer krankhafter Zustände" befinde. Der Antragsgegnerin waren somit die langjährigen immer wiederkehrenden depressiven Episoden einschließlich der steten Gefahr ihres jederzeitigen erneuten Auftretens bekannt. Deshalb war sie in besonderem Maße gehalten, für einen Vertreter in den Zeiten ihres eigenen krankheitsbedingten Ausfalls zu sorgen. Dieser Obliegenheit hat sie, jedenfalls in Bezug auf das in eigener Sache geführte Verfahren, nicht genügt.
- 10
- Es entlastet die Antragsgegnerin auch nicht, dass sie ihr eigenes Verfahren vor ihrem Kanzleipersonal verborgen gehalten und es aus Diskretionsgründen von ihrer Privatadresse anstatt von der Kanzleiadresse aus geführt hat. Denn wer auf diese Weise verhindert, dass die den Kanzleiangestellten für den Erkrankungsfall erteilten Weisungen auch für das eigene Verfahren greifen, muss anderweitig sicherstellen, dass die Vertretung gewährleistet ist.
- 11
- 4. Darüber hinaus ist auch nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht eine krankheitsbedingte Verhinderung an der Einhaltung der Beschwer- debegründungsfrist als nicht ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht angesehen hat.
Vorinstanzen:
AG Bonn, Entscheidung vom 03.07.2018 - 408 F 27/18 -
OLG Köln, Entscheidung vom 29.01.2019 - 27 UF 170/18 -
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(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.
(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.
(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(1) In Ehesachen und Familienstreitsachen hat der Beschwerdeführer zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Die Begründung ist beim Beschwerdegericht einzureichen. Die Frist zur Begründung der Beschwerde beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 sowie § 522 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(2) Die §§ 514, 516 Abs. 3, § 521 Abs. 2, § 524 Abs. 2 Satz 2 und 3, die §§ 527, 528, 538 Abs. 2 und § 539 der Zivilprozessordnung gelten im Beschwerdeverfahren entsprechend. Einer Güteverhandlung bedarf es im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren nicht.
(3) Beabsichtigt das Beschwerdegericht von einzelnen Verfahrensschritten nach § 68 Abs. 3 Satz 2 abzusehen, hat das Gericht die Beteiligten zuvor darauf hinzuweisen.
(4) Wird die Endentscheidung in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wurde, verkündet, kann die Begründung auch in die Niederschrift aufgenommen werden.
(5) Für die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Fristen zur Begründung der Beschwerde und Rechtsbeschwerde gelten die §§ 233 und 234 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Der Rechtsanwalt muss für seine Vertretung sorgen, wenn er
- 1.
länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, oder - 2.
sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will.
(2) Die Vertretung soll einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden. Sie kann auch durch Personen erfolgen, die die Befähigung zum Richteramt erworben oder mindestens zwölf Monate des Vorbereitungsdienstes nach § 5b des Deutschen Richtergesetzes absolviert haben. In den Fällen des Satzes 2 gilt § 7 entsprechend.
(3) Soll die Vertretung einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden, so soll der Rechtsanwalt diesen selbst bestellen. Soll die Vertretung durch eine andere Person erfolgen oder findet der Rechtsanwalt keine Vertretung, so ist die Vertretung auf Antrag des Rechtsanwalts von der Rechtsanwaltskammer zu bestellen.
(4) Hat es ein Rechtsanwalt in den Fällen des Absatzes 1 unterlassen, eine Vertretung zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen, so soll die Rechtsanwaltskammer eine Vertretung von Amts wegen bestellen. Zuvor soll sie den Rechtsanwalt auffordern, die Vertretung selbst zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen. Ein Rechtsanwalt, der von Amts wegen als Vertretung bestellt wird, kann die Vertretung nur aus wichtigem Grund ablehnen.
(5) Die Bestellung kann jederzeit widerrufen werden.
(1) In Ehesachen und Familienstreitsachen hat der Beschwerdeführer zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Die Begründung ist beim Beschwerdegericht einzureichen. Die Frist zur Begründung der Beschwerde beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 sowie § 522 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(2) Die §§ 514, 516 Abs. 3, § 521 Abs. 2, § 524 Abs. 2 Satz 2 und 3, die §§ 527, 528, 538 Abs. 2 und § 539 der Zivilprozessordnung gelten im Beschwerdeverfahren entsprechend. Einer Güteverhandlung bedarf es im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren nicht.
(3) Beabsichtigt das Beschwerdegericht von einzelnen Verfahrensschritten nach § 68 Abs. 3 Satz 2 abzusehen, hat das Gericht die Beteiligten zuvor darauf hinzuweisen.
(4) Wird die Endentscheidung in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wurde, verkündet, kann die Begründung auch in die Niederschrift aufgenommen werden.
(5) Für die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Fristen zur Begründung der Beschwerde und Rechtsbeschwerde gelten die §§ 233 und 234 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung entsprechend.