Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Mai 2019 - XII ZB 523/17

bei uns veröffentlicht am22.05.2019
vorgehend
Amtsgericht München, 526 F 6857/16, 23.06.2016
Oberlandesgericht München, 12 UF 381/17, 20.09.2017
Oberlandesgericht München, 12 WF 539/17, 20.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 523/17
vom
22. Mai 2019
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Lugano-Übk II Art. 34 Nr. 1 und 2; AUG § 36

a) Nach Art. 34 Nr. 2 LugÜ 2007 ist nicht auf die formal ordnungsgemäße Zustellung
des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, sondern auf die tatsächliche
Wahrung der Verteidigungsrechte abzustellen. Diese gelten als gewahrt, wenn
der Beklagte Kenntnis vom laufenden Gerichtsverfahren erlangt hat und deswegen
seine Rechte geltend machen konnte (Fortführung von Senatsbeschluss
BGHZ 191, 9 = FamRZ 2011, 1568).

b) Dass die zu vollstreckende Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist, begründet
für sich genommen keinen Verstoß gegen den ordre public nach Art. 34
Nr. 1 LugÜ 2007.
BGH, Beschluss vom 22. Mai 2019 - XII ZB 523/17 - OLG München
AG München
ECLI:DE:BGH:2019:220519BXIIZB523.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Mai 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. NeddenBoeger und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 20. September 2017 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Die Beteiligten streiten über die Vollstreckbarerklärung einer schweizerischen Gerichtsentscheidung über Ehegatten- und Kindesunterhalt.
2
Die Parteien sind getrenntlebene Ehegatten. Aus der Ehe ist ein 2012 geborener Sohn hervorgegangen. Der Antragsgegner (im Folgenden Ehemann) ist deutscher Staatsangehöriger, die Antragstellerin (im Folgenden Ehefrau) ist Schweizerin. Ihre letzte gemeinsame Wohnung war in Malaysia, wo der Ehemann auch heute lebt. Die Ehefrau zog nach der Trennung mit dem gemeinsamen Sohn in die Schweiz.
3
Durch Entscheid des Zivilgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 14. Dezember 2015 wurde unter anderem das Getrenntleben der Ehegatten bewilligt und die Obhut des Sohnes bei der Ehefrau festgelegt. Der Ehemann wurde zudem für die Zeit ab März 2014 zur Zahlung von Ehegatten- und Kindesunterhalt verpflichtet. Die Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags im Wege der Rechtshilfe war - wie auch die Zustellung des Scheidungsantrags im Parallelverfahren - zunächst gescheitert. Alsdann ordnete das schweizerische Gericht die öffentliche Zustellung nach Art. 141 Schweizer ZPO an, die durch Veröffentlichung im Oktober 2015 durchgeführt wurde. Durch E-Mail des Gerichts vom 27. Oktober 2015 wurde der Ehemann von der Zustellung und deren Inhalt informiert. Er erklärte durch E-Mail vom 3. November 2015 unter anderem , dass er sich auf das Scheidungsverfahren in der Schweiz nicht einlassen werde.
4
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2015 wurde in Abwesenheit des Ehemanns der verfahrensgegenständliche Entscheid erlassen.
5
Die Ehefrau hat unter Vorlage einer Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit beantragt, den Entscheid mit einer Vollstreckungsklausel zu versehen. Dem hat das Amtsgericht hinsichtlich eines von ihm umgerechneten Unterhaltsrückstands in Höhe von 23.245 € für die Zeit vom 1. März 2014 bis 31. Dezember 2015 stattgegeben. Auf die Beschwerde des Ehemanns hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen die Vollstreckbarerklärung in Schweizer Franken ausgesprochen und die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Ehemann mit der Rechtsbeschwerde, mit welcher er sich auf eine nicht ordnungsgemäße Zustellung beruft und die Aufhebung der Vollstreckbarerklärung erstrebt.

II.

6
Die nach § 46 AUG zulassungsfrei statthafte Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
7
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kann der Ehemann sich im Rahmen des hier anwendbaren Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (LugÜ 2007) nicht auf eine nicht ordnungsmäßige Zustellung berufen. Art. 34 Nr. 2 LugÜ 2007 erfordere nicht zwangsläufig die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, sondern nur die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte des Beklagten. Diese würden als gewahrt gelten, wenn der Beklagte Kenntnis vom laufenden Gerichtsverfahren erlangt habe und deswegen seine Rechte habe geltend machen können. Zwar stehe der Annahme eines Anerkennungshindernisses nicht entgegen, dass der Antragsgegner keinen Rechtsbehelf gegen die schweizerische Entscheidung eingelegt habe. Denn die Schweiz habe insoweit einen Vorbehalt zu Art. 34 Nr. 2 LugÜ 2007 erklärt. Das habe zur Folge, dass die anderen Vertragsstaaten denselben Vorbehalt gegenüber Entscheidungen der schweizerischen Gerichte anwenden würden.
8
Der Ehemann sei jedoch durch E-Mail über die öffentliche Zustellung und den vollständigen Text der Veröffentlichung im Kantonsblatt informiert worden. Dadurch sei er in die Lage versetzt worden, seine Rechte im Verfahren vor dem schweizerischen Gericht geltend zu machen. Der Zeitraum zwischen der von ihm gesendeten Antwort-E-Mail vom 3. November 2015 und der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2015 sei zur Verteidigung ausreichend gewesen.
9
Ein Verstoß gegen den ordre public nach Art. 34 Nr. 1 LugÜ 2007 liege ebenfalls nicht vor. Hinsichtlich der Rüge einer nicht rechtzeitigen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks werde die Vorschrift von Art. 34 Nr. 2 LugÜ 2007 als Spezialvorschrift verdrängt. Bezüglich einer Verletzung des rechtlichen Gehörs als wesentlicher Verfahrensgrundsatz sei im Hinblick auf die öffentliche Zustellung zu beachten, dass diese auch dem deutschen Recht bekannt sei. Auch wenn das schweizerische Gericht die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung möglicherweise zu weit ausgelegt habe, sei vom Ehemann zu erwarten gewesen, dass er zuvor versucht habe, einen darin liegenden Verfahrensfehler im Erstverfahren zu beseitigen.
10
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
11
a) Die Vollstreckbarerklärung des schweizerischen Titels richtet sich nach Art. 38 ff. LugÜ 2007. Nach Art. 45 Abs. 1 Satz 1 LugÜ 2007 darf die Vollstreckbarerklärung von dem mit einem Rechtsbehelf befassten Gericht nur aus einem der in Art. 34 und 35 LugÜ 2007 aufgeführten Gründe versagtwerden. Solche Gründe liegen hier nicht vor.
12
aa) Die Entscheidung wird nach Art. 34 Nr. 2 LugÜ 2007 nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.
13
(1) Nach der zum gleichlautenden Art. 34 Nr. 2 EuGVVO a.F. (auch Brüssel I-VO; nunmehr Art. 45 Abs. 1 lit. b EuGVVO - Brüssel Ia-VO) ergangenen Rechtsprechung des Senats ist dabei nicht auf die formal ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, sondern auf die tatsächli- che Wahrung der Verteidigungsrechte abzustellen. Diese gelten als gewahrt, wenn der Beklagte Kenntnis vom laufenden Gerichtsverfahren erlangt hat und deswegen seine Rechte geltend machen konnte (Senatsbeschluss BGHZ 191, 9 = FamRZ 2011, 1568 Rn. 13 mwN). Der Senat hat sich damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH Urteil vom 28. April 2009 - C-420/07 - Slg. 2009, I-3571 Nr. 75 mwN) angeschlossen.
14
Diese Rechtsprechung ist auf die Vorschrift des Art. 34 Nr. 2 LugÜ 2007, die denselben Wortlaut enthält, ebenfalls anzuwenden. Das von der Europäischen Gemeinschaft ratifizierte Übereinkommen lehnt sich weitestgehend an die europarechtliche Regelung an (vgl. Botur FamRZ 2010, 1860, 1862) und ist daher auch in gleicher Weise auszulegen. Dass dagegen die in § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG enthaltene Regelung insoweit einen anderen Inhalt aufweist, beruht auf den Besonderheiten des nationalen deutschen Rechts und dem Umstand , dass der deutsche Gesetzgeber die Entwicklung bei den europarechtlichen und staatsvertraglichen Regelungen insoweit nicht nachvollzogen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 3. April 2019 - XII ZB 311/17 - zur Veröffentlichung bestimmt

).

15
(2) Das Oberlandesgericht hat die genannten Maßstäbe zutreffend angewendet. Nach seinen in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht beanstandeten Feststellungen erfuhr der (sprachkundige) Ehemann durch E-Mail des schweizerischen Gerichts vom konkreten Gegenstand des von der Ehefrau eingeleiteten Verfahrens. Da er spätestens am 3. November 2015 hinreichend informiert war, hätte er den vom Gericht anberaumten Termin vom 14. Dezember 2015 in zumutbarer Weise wahrnehmen und auch die vom Gericht bestimmte Äußerungsfrist einhalten können. Selbst wenn die seinerzeit für ihn tätigen Rechtsanwälte , wie er mit der Rechtsbeschwerde vorbringt, nicht mit der Vertretung in jenem Verfahren beauftragt gewesen sein sollten, hätte dies seine wirksame Rechtsverteidigung nicht gehindert. Denn ihm stand, ohne dass es dazu weitergehender Tatsachenfeststellungen bedürfte, jedenfalls genügend Zeit zur Verfügung , um diese oder andere Rechtsanwälte mit der Wahrnehmung seiner Rechte zu beauftragen.
16
Auf die Ordnungsmäßigkeit der vom schweizerischen Gericht angeordneten öffentlichen Zustellung kommt es demnach nicht entscheidend an. Ob und unter welchen Umständen eine nicht ordnungsgemäße öffentliche Zustellung für sich genommen die Kenntnis auslösen kann (vgl. Botur FamRZ 2010, 2060, 2064 f. mwN), muss deswegen im vorliegenden Fall nicht entschieden werden. Zwar hatte das Gericht in der E-Mail darauf hingewiesen, dass die Kommunikation insoweit nur informell erfolge und grundsätzlich keine rechtliche Wirkung habe. Das ist indessen nicht ausschlaggebend. Denn bei der Kenntnisnahme von der Verfahrenseinleitung handelt es sich um einen rein tatsächlichen Vorgang, welcher von der Rechtsverbindlichkeit (insbesondere der Zustellungswirkung ) der E-Mail unabhängig ist. Darüber hinaus konnten die genannten Angaben beim Ehemann schon deswegen kein gegenläufiges Vertrauen auslösen, weil er zugleich sowohl von der öffentlichen Zustellung als auch vom anberaumten Termin informiert war.
17
bb) Auch ein Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 1 LugÜ 2007 liegt nicht vor. Das Oberlandesgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich aus der fehlenden Begründung für die in Abwesenheit des Ehemanns ergangene Entscheidung schon deswegen kein Verstoß gegen den ordre public ergeben kann, weil das deutsche Recht für ein Versäumnisurteil bzw. einen Versäumnisbeschluss ebenfalls keine Begründung vorschreibt. Das Recht auf ein faires Verfahren ist hier dadurch gewahrt, dass der Ehemann als Beklagter bzw. Antragsgegner über den Gegenstand der Klage oder des Antrags hinreichend informiert war. Die vom Ehemann angeführte Entscheidung des Europäischen Gerichts- hofs vom 6. September 2012 (C-619/10 - IPRax 2013, 427) besagt nichts anderes.
18
b) Da weitere Rügen von der Rechtsbeschwerde nicht erhoben worden sind, ist die Rechtsbeschwerde mithin zurückzuweisen.
Dose Klinkhammer Nedden-Boeger Guhling Krüger

Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 23.06.2016 - 526 F 6857/16 -
OLG München, Entscheidung vom 20.09.2017 - 12 UF 381/17 und 12 WF 539/17 -

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 109 Anerkennungshindernisse


(1) Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist ausgeschlossen, 1. wenn die Gerichte des anderen Staates nach deutschem Recht nicht zuständig sind;2. wenn einem Beteiligten, der sich zur Hauptsache nicht geäußert hat und sich hierauf beruft,

Auslandsunterhaltsgesetz - AUG 2011 | § 46 Statthaftigkeit und Frist der Rechtsbeschwerde


(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde statt. (2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen. (3) Die Rechtsbeschwerdefrist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 45 Absatz 3). (4) § 75 de

Auslandsunterhaltsgesetz - AUG 2011 | § 36 Antragstellung


(1) Der in einem anderen Staat vollstreckbare Titel wird dadurch zur Zwangsvollstreckung zugelassen, dass er auf Antrag mit der Vollstreckungsklausel versehen wird. (2) Der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel kann bei dem zuständigen G

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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2019 - XII ZB 311/17

bei uns veröffentlicht am 03.04.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 311/17 vom 3. April 2019 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 109 Abs. 1 Nr. 2 a) Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung setzt nach § 109 Abs. 1 Nr. 2

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(1) Der in einem anderen Staat vollstreckbare Titel wird dadurch zur Zwangsvollstreckung zugelassen, dass er auf Antrag mit der Vollstreckungsklausel versehen wird.

(2) Der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel kann bei dem zuständigen Gericht schriftlich eingereicht oder mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden.

(3) Ist der Antrag entgegen § 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht in deutscher Sprache abgefasst, so kann das Gericht von dem Antragsteller eine Übersetzung verlangen, deren Richtigkeit von einer Person bestätigt worden ist, die in einem der folgenden Staaten hierzu befugt ist:

1.
in einem Mitgliedstaat oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder
2.
in einem Vertragsstaat des jeweils auszuführenden völkerrechtlichen Vertrages.

(4) Der Ausfertigung des Titels, der mit der Vollstreckungsklausel versehen werden soll, und seiner Übersetzung, soweit eine solche vorgelegt wird, sollen je zwei Abschriften beigefügt werden.

(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.

(3) Die Rechtsbeschwerdefrist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 45 Absatz 3).

(4) § 75 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist nicht anzuwenden.

(1) Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist ausgeschlossen,

1.
wenn die Gerichte des anderen Staates nach deutschem Recht nicht zuständig sind;
2.
wenn einem Beteiligten, der sich zur Hauptsache nicht geäußert hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig mitgeteilt worden ist, dass er seine Rechte wahrnehmen konnte;
3.
wenn die Entscheidung mit einer hier erlassenen oder anzuerkennenden früheren ausländischen Entscheidung oder wenn das ihr zugrunde liegende Verfahren mit einem früher hier rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist;
4.
wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist.

(2) Der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in einer Ehesache steht § 98 Abs. 1 Nr. 4 nicht entgegen, wenn ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat hatte, dessen Gerichte entschieden haben. Wird eine ausländische Entscheidung in einer Ehesache von den Staaten anerkannt, denen die Ehegatten angehören, steht § 98 der Anerkennung der Entscheidung nicht entgegen.

(3) § 103 steht der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in einer Lebenspartnerschaftssache nicht entgegen, wenn der Register führende Staat die Entscheidung anerkennt.

(4) Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung, die

1.
Familienstreitsachen,
2.
die Verpflichtung zur Fürsorge und Unterstützung in der partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft,
3.
die Regelung der Rechtsverhältnisse an der gemeinsamen Wohnung und an den Haushaltsgegenständen der Lebenspartner,
4.
Entscheidungen nach § 6 Satz 2 des Lebenspartnerschaftsgesetzes in Verbindung mit den §§ 1382 und 1383 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
5.
Entscheidungen nach § 7 Satz 2 des Lebenspartnerschaftsgesetzes in Verbindung mit den §§ 1426, 1430 und 1452 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
betrifft, ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist.

(5) Eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der ausländischen Entscheidung findet nicht statt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 311/17
vom
3. April 2019
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung setzt nach § 109
Abs. 1 Nr. 2 FamFG eine sowohl ordnungsgemäße als auch rechtzeitige
Mitteilung des verfahrenseinleitenden Dokuments voraus.

b) Der Versagungsgrund des § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG entfällt nicht
dadurch, dass der Beteiligte nach Erlangung der Kenntnis von der ausländischen
Entscheidung keinen nach der Verfahrensordnung des Ursprungsstaats
zulässigen Rechtsbehelf eingelegt hat.
BGH, Beschluss vom 3. April 2019 - XII ZB 311/17 - OLG Stuttgart
Landesjustizverwaltung
Baden-Württemberg
ECLI:DE:BGH:2019:030419BXIIZB311.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. April 2019 durch die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Mai 2017 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen. Wert: 5.000 €

Gründe:

A.

1
Die Ehefrau (im Folgenden: Antragstellerin) begehrt die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung eines kroatischen Scheidungsurteils nicht erfüllt sind.
2
Die Beteiligten sind kroatische Staatsangehörige und hatten am 28. Mai 2004 in Stuttgart die Ehe geschlossen. Auf Antrag des Ehemanns (im Folgenden : Antragsgegner) sprach das kroatische Gemeindegericht K. durch Urteil vom 16. Januar 2013 die Scheidung der Ehe der Beteiligten aus.
3
Zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags im Jahr 2012 lebten beide Beteiligten noch in ihrer gemeinsamen Wohnung in Deutschland. Diese war auch als Adresse der Antragstellerin in der Antragsschrift angegeben. Das Gemeindegericht K. versuchte mehrfach, der Antragstellerin unter dieser Anschrift den Scheidungsantrag und die Ladung zu einem Verhandlungstermin durch internationales Einschreiben gegen Rückschein zuzustellen, wobei ein Buchstabe des Straßennamens falsch geschrieben war. Die Schriftstücke kamen jeweils mit dem Vermerk "non réclamé" (nicht abgeholt) zurück. Im Gerichtstermin am 5. November 2012 teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners mit, die Antragstellerin sei umgezogen. Die von ihm genannte Adresse bezog sich allerdings nicht auf die neue Anschrift der Antragstellerin , sondern auf die Arbeitsstätte des Antragsgegners. Dort war die Antragstellerin weder wohnhaft noch beschäftigt. Die sodann an jene Adresse veranlasste Zustellung von Antragsschrift und Ladung war aus Sicht des Gemeindegerichts K. erfolgreich, nachdem am 22. November 2012 ein unterschriebener Rückschein einging. Die Unterschrift stammte indes nicht von der Antragstellerin, die von der Zustellung unter der Adresse des Arbeitgebers des Antragsgegners keine Kenntnis erlangte. Die Ehe wurde am 16. Januar 2013 nach kroatischem Recht in Abwesenheit der Antragstellerin geschieden, ohne dass diese sich im Verfahren geäußert hätte. Das Scheidungsurteil wurde ebenfalls an die Adresse der Arbeitsstätte des Antragsgegners gesandt. Spätestens am 25. Juli 2014 erhielt die Antragstellerin tatsächlich Kenntnis von dem Scheidungsurteil.
4
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des kroatischen Scheidungsurteils in Deutschland nicht erfüllt sind, weil ihr das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht zugestellt worden sei. Der Antragsgegner ist dem mit der Begründung entgegengetreten, dass die in der Antragsschrift angegebene Adresse dem tatsächlichen Wohnort der Antragstellerin entsprochen habe, die Antragstellerin jedoch die Annahme der gerichtlichen Schriftstücke verweigert hätte. Die Landesjustizverwaltung hat das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen verneint. Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Antrags- gegner erneut geltend gemacht, die Berufung der Antragstellerin auf den Nichterhalt des Scheidungsantrags sei rechtsmissbräuchlich, weil sie die ihr übersandten Schriftstücke trotz erfolgter Benachrichtigung nicht bei der Post abgeholt habe. Das Oberlandesgericht hat den Bescheid der Landesjustizverwaltung bestätigt. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde. Er begehrt weiterhin die Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin und beruft sich darauf, dass diese nie beabsichtigt habe, den Scheidungsausspruch als solchen zu bekämpfen.

B.

5
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG iVm § 107 Abs. 7 Satz 3 FamFG statthaft, weil das Oberlandesgericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat. Sie ist auch im Übrigen zulässig (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 189, 87 = FamRZ 2011, 788 Rn. 7), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I.

6
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner in FamRZ 2017, 1518 veröffentlichten Entscheidung das Folgende ausgeführt:
7
Ein Anerkennungsverfahren vor der Landesjustizverwaltung sei auch bei Vorliegen einer Heimatstaatentscheidung nach § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG fakultativ zulässig. Die Anerkennung des kroatischen Scheidungsurteils sei jedoch nach § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG ausgeschlossen, weil der Scheidungsantrag des Antragsgegners der Antragstellerin, die sich zur Hauptsache nicht geäußert habe und sich hierauf berufe, nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig mitgeteilt worden sei, dass sie ihre Rechte habe wahrnehmen können.
Unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 328 ZPO sei davon auszugehen, dass die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nach § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG nicht nur rechtzeitig, sondern zudem auch ordnungsgemäß erfolgen müsse. Die Ordnungsgemäßheit einer Zustellung richte sich nach dem Recht des Ursprungsstaats oder nach vorrangigen zwischenstaatlichen Verträgen. Kroatien sei zum Zeitpunkt der im Jahr 2012 veranlassten Zustellungen kein Mitgliedstaat der Europäischen Union, aber - ebenso wie Deutschland - Vertragsstaat des Haager Zustellungsübereinkommens vom 15. November 1965 (HZÜ - BGBl. 1977 II S. 1452) gewesen. Daher sei der Scheidungsantrag nach Art. 1 und 5 HZÜ über die Zentrale Behörde des ersuchten Staates förmlich zuzustellen gewesen, weil Deutschland der unmittelbaren Übersendung durch die Post nach § 10 HZÜ widersprochen habe. Der auf dem Postweg übermittelte Scheidungsantrag sei der Antragstellerin deshalb nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Eine Heilung von Zustellungsmängeln sehe das - insoweit abschließende - Haager Zustellungsübereinkommen nicht vor.
8
Unabhängig von der fehlenden Ordnungsgemäßheit der Zustellung stünde aber auch nicht fest, dass die Zustellversuche des Gemeindegerichts

K.

die Antragstellerin überhaupt und damit rechtzeitig erreicht hätten. Die unter der Adresse des Arbeitgebers des Antragsgegners erfolgte Zustellung sei der Antragstellerin tatsächlich nicht zugegangen. Bei den vorangegangenen Zustellversuchen an die gemeinsame Adresse der Beteiligten sei - aufgrund des Schreibfehlers - eine nicht existierende Straße angegeben worden. Sollten dessen ungeachtet die Benachrichtigungen in den Briefkasten der gemeinsamen Wohnung eingeworfen worden sein, stünde gleichwohl nicht fest, ob die Antragstellerin jemals Kenntnis von den Benachrichtigungen erlangt oder der Antragsgegner diese aus dem Briefkasten geholt habe. Beide Beteiligte hätten
hierzu gegensätzliche eidesstattliche Versicherungen abgegeben, so dass im Ergebnis offen sei, welche der beiden Versionen der Wahrheit entspreche und ob die Antragstellerin den Zugang der Schriftstücke vereitelt habe. Der Antragsgegner trage die Darlegungs- und Beweislast für eine rechtzeitige Zustellung seines Scheidungsantrags, habe einen entsprechenden Beweis aber nicht führen können.
9
Der Versagungsgrund des § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG entfalle auch nicht dadurch, dass die Antragstellerin nach der tatsächlichen Kenntniserlangung von der Scheidung eventuell noch einen nach der kroatischen Verfahrensordnung zulässigen Rechtsbehelf gegen das kroatische Urteil hätte einlegen können. Denn die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die ergangene Entscheidung sei prozessual nicht gleichwertig zu der Möglichkeit, die eigenen Rechte zuvor im erstinstanzlichen Verfahren geltend zu machen.

II.

10
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
11
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der auf die Feststellung gerichtete Antrag der Antragstellerin, die Voraussetzungen für die Anerkennung des kroatischen Scheidungsurteils vom 16. Januar 2013 lägen nicht vor, gemäß § 107 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 8 FamFG zulässig ist. Zum Zeitpunkt des Urteilserlasses war Kroatien noch kein Mitgliedstaat der Europäischen Union, so dass die nationalen Anerkennungsvorschriften Anwendung finden (vgl. § 97 Abs. 1 FamFG). Zwar hängt die (Nicht-)Anerkennung des kroatischen Scheidungsurteils gemäß § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht von einer ent- sprechenden Feststellung der Landesjustizverwaltung ab, weil beide Ehegatten zum Entscheidungszeitpunkt die kroatische Staatsangehörigkeit besaßen. Dennoch ist die Durchführung eines (Nicht-)Anerkennungsverfahrens auch im Falle einer Heimatstaatentscheidung zulässig und dient der Vermeidung widersprechender Entscheidungen (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 1990 - XII ZB 113/87 - FamRZ 1990, 1228, 1230). Dies hat der Senat zur bis zum 31. August 2009 geltenden Rechtslage entschieden. Daran wollte der Gesetzgeber nichts ändern (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 222).
12
2. Soweit das Oberlandesgericht das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen verneint hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Mangels einer vorrangigen zwischenstaatlichen Regelung bestimmen sich die Voraussetzungen für eine Anerkennung nach § 109 FamFG. Nach Abs. 1 Nr. 2 dieser Vorschrift ist die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung dann ausgeschlossen, wenn einem Beteiligten, der sich zur Hauptsache nicht geäußert hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig mitgeteilt worden ist, dass er seine Rechte wahrnehmen konnte. Das ist hier der Fall.
13
a) Die Antragstellerin hat sich in dem Verfahren vor dem Gemeindegericht K. nicht in diesem Sinne eingelassen und sich hierauf berufen.
14
b) Das verfahrenseinleitende Dokument, hier der Scheidungsantrag des Antragsgegners, ist der Antragstellerin weder ordnungsgemäß noch so rechtzeitig mitgeteilt worden, dass sie ihre Rechte im Scheidungsverfahren hätte wahrnehmen können.
15
aa) Ob die Anerkennung der ausländischen Entscheidung voraussetzt, dass das verfahrenseinleitende Dokument sowohl ordnungsgemäß als auch rechtzeitig mitgeteilt worden ist, oder ob es ausreichend ist, dass im Falle einer nicht ordnungsgemäßen, aber rechtzeitigen Mitteilung eine Rechtswahrnehmung möglich gewesen wäre, wird unterschiedlich beurteilt.
16
(1) So wird vertreten, es widerspreche dem Grundanliegen des § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG, die internationale Urteilsanerkennung zu fördern, wenn man die Anerkennung an bloßen Formfragen scheitern lasse, obwohl feststehe, dass der Adressat des verfahrenseinleitenden Schriftstücks rechtzeitig von dem Verfahren Kenntnis erlangt habe. Daher sei § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass der Anerkennung eine formal fehlerhafte Zustellung nicht entgegenstehe, sofern der Zustellungsfehler für die Wahrnehmung der Rechte des Adressaten ohne Bedeutung war (Geimer Internationales Zivilprozessrecht 7. Aufl. Rn. 2915; Henrich Internationales Scheidungsrecht 4. Aufl. Rn. 53).
17
(2) Überwiegend wird aber für die Anerkennung sowohl eine ordnungsgemäße als auch eine rechtzeitige Zustellung verlangt (OLG Bremen FamRZ 2013, 808; Staudinger/Spellenberg BGB [2016] § 109 FamFG Rn. 145 f.; MünchKommFamFG/Rauscher 3. Aufl. § 109 Rn. 28; Keidel /Zimmermann FamFG 19. Aufl. § 109 Rn. 12; Haußleiter/Gomille FamFG 2. Aufl. § 109 Rn. 9).
18
(3) Die letztgenannte Ansicht ist zutreffend.
19
Der Senat hat bereits zu der bis zum 31. August 2009 für die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile geltenden Vorschrift des § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO entschieden, dass eine Anerkennung kumulativ eine ordnungsmäßige und eine rechtzeitige Zustellung der Klageschrift voraussetzt (BGHZ 120,

305

= FamRZ 1993, 311, 312). Dabei hat er sich auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 3. Juli 1990 - C-305/88 - Slg. 1990 I-2725
= IPRax 1991, 177, 178) zu der im Wesentlichen gleichlautenden Regelung in Art. 27 Nr. 2 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen (EuGVÜ - BGBl. 1972 II S. 773, 790) gestützt.
20
In Kenntnis dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber den Wortlaut des § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG übernommen und damit ausdrücklich an dem Kriterium der Ordnungsgemäßheit festgehalten. Zwar ist nach dem Regelungskonzept einiger jüngerer Verordnungen (vgl. Art. 22 lit. b der Verordnung [EG] 2201/2003 und Art. 34 Nr. 2 der Verordnung [EG] Nr. 44/2001, jetzt Art. 45 Abs. 1 lit. b der Verordnung [EU] Nr. 1215/2012) die Anerkennung ausländischer Entscheidungen lediglich von einer Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks abhängig, welche so rechtzeitig erfolgt sein muss, dass sie eine Verteidigung ermöglicht. Das wurde hingegen vom deutschen Gesetzgeber nicht übernommen (vgl. Staudinger/Spellenberg BGB [2016] § 109 FamFG Rn. 145 f.; MünchKommFamFG/Rauscher 3. Aufl. § 109 Rn. 28).
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Die Terminologie in § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG weicht zwar insoweit von § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ab, als das verfahrenseinleitende Dokument "mitgeteilt" (statt "zugestellt") werden muss. Dadurch sollte jedoch keine inhaltliche Änderung bewirkt werden (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 222; aA Henrich Internationales Scheidungsrecht 4. Aufl. Rn. 53). Der Wortlaut der Norm orientiert sich insoweit an § 16 a Nr. 2 FGG, der bereits auf die Mitteilung abstellte. Die Fassung in § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG steht vor dem Hintergrund, dass die Regelung in §§ 107 ff. FamFG nunmehr sowohl für Ehesachen und Familienstreitsachen als auch für Familiensachen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt und die vormals getrennten Regelungen in § 328 ZPO und § 16 a FGG insoweit zusammengefasst worden sind. Schon die Anerkennung nach § 16 a FGG hing aber von der Ordnungsgemäßheit der Mitteilung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nach den jeweiligen verfahrensrechtlichen Anforderungen ab (vgl. Keidel/Zimmermann Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 16 a FGG Rn. 6c mwN). Daran ist durch die Neuregelung in § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG somit nichts geändert worden.
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bb) Die Ordnungsgemäßheit der Übermittlung des verfahrenseinleitenden Dokuments bestimmt sich in erster Linie nach den diesbezüglichen Regelungen des ausländischen Rechts bzw. vorrangiger zwischenstaatlicher Verträge. Kroatien war zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung noch kein Mitgliedstaat der Europäischen Union, aber ebenso wie Deutschland Vertragsstaat des Haager Zustellungsübereinkommens. Nach Art. 1 HZÜ ist dieses Übereinkommen in allen Zivilsachen anzuwenden, in denen ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück zum Zweck der Zustellung in das Ausland zu übermitteln ist. Soweit daher das vom Antragsgegner angerufene Gemeindegericht K. die Zustellung des Scheidungsantrags nebst Ladung an die in Deutschland lebende Antragstellerin veranlasste, musste es sich an die Regeln des Haager Zustellungsübereinkommens halten.
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(1) Gemäß Art. 5 HZÜ wird die Zustellung grundsätzlich von der Zentralen Behörde des ersuchten Staates bewirkt oder veranlasst. Ausweislich Art. 10 lit. a HZÜ schließt das Übereinkommen zwar nicht aus, dass gerichtliche Schriftstücke im Ausland befindlichen Personen unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen, sofern der Bestimmungsstaat keinen Widerspruch erklärt. Von dieser Widerspruchsmöglichkeit hat Deutschland indessen formgerecht Gebrauch gemacht (vgl. Nr. 4 Satz 3 der Bekanntmachung vom 21. Juni 1979 über das Inkrafttreten des Haager Zustellungsübereinkommens - BGBl. 1979 II S. 780 - und § 6 Satz 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 1977 zur Ausführung des Haager Zustellungsübereinkommens - BGBl. 1977 I S. 3105). Die direkt auf dem Postwege veranlassten Zustellungen an die Antragstellerin waren daher nicht ordnungsgemäß.
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(2) Eine Heilung dieses Zustellungsfehlers durch einen etwaigen tatsächlichen Zugang des Scheidungsantrags konnte mangels entsprechender Heilungsvorschriften des insoweit abschließenden Haager Zustellungsübereinkommens nicht eintreten (vgl. Senatsurteil BGHZ 191, 59 = FamRZ 2011, 1860 Rn. 25 und 38 und Senatsbeschluss BGHZ 120, 305 = FamRZ 1993, 311, 313).
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cc) Der Scheidungsantrag ist der Antragstellerin überdies auch nicht so rechtzeitig mitgeteilt worden, dass sie ihre Rechte im Scheidungsverfahren wahrnehmen konnte. Denn unabhängig von der Frage, welche Einlassungsfrist im konkreten Einzelfall zur Verfügung stehen muss, steht nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts schon nicht fest, dass die Zustellversuche des Gemeindegerichts K. die Antragstellerin überhaupt erreicht haben.
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c) Schließlich ist das Oberlandesgericht auch zutreffend davon ausgegangen , dass der Antragstellerin die Berufung auf das Anerkennungshindernis des § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG nicht deshalb verwehrt ist, weil sie einen nach der kroatischen Verfahrensordnung etwa zulässigen Rechtsbehelf gegen das Scheidungsurteil nicht eingelegt hat.
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Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ (Urteil vom 12. November 1992 - C-123/91 - Slg. 1992, I-5661 = IPRax 1993, 394 Rn. 20 f.) hat der Senat zu § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO entschieden, dass die Möglichkeit, später einen Rechtsbehelf gegen die ergangene Entscheidung einzulegen, der Verteidigung vor deren Erlass prozessual nicht gleichwertig ist (BGHZ 120, 305 = FamRZ 1993, 311, 313). Hieran hält der Senat auch für § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG fest, weil dem betreffenden Beteiligten andernfalls eine Tatsacheninstanz genommen würde (vgl. auch Staudinger/ Spellenberg BGB [2016] § 109 FamFG Rn. 191; MünchKommFamFG/Rauscher 3. Aufl. § 109 Rn. 30). Somit ist einer ausländischen Entscheidung die Anerkennung bei nicht ordnungsgemäßer oder rechtzeitiger Mitteilung des verfahrenseinleitenden Dokuments ungeachtet des Umstands zu versagen, dass der Beteiligte von der Entscheidung Kenntnis erhalten und dagegen keinen Rechtsbehelf eingelegt hat.
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d) Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, dass es auf die Ordnungsgemäßheit und Rechtzeitigkeit der Zustellung des Scheidungsantrags nicht ankomme, weil der Zustellungsmangel für die Wahrnehmung der Rechte der Antragstellerin bedeutungslos gewesen sei und diese sich auf den Mangel jedenfalls nicht berufen könne, dringt sie damit nicht durch.
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Es mag sein, dass die Antragstellerin die durch das kroatische Urteil ausgesprochene Ehescheidung als solche nicht zu bekämpfen beabsichtigt, sondern diese Rechtsfolge durch ihren im September 2014 in Deutschland anhängig gemachten Scheidungsantrag nunmehr selbst erstrebt. Dies sagt aber nichts darüber aus, ob sie auch zum Zeitpunkt der Einleitung des kroatischen Scheidungsverfahrens im Jahr 2012 mit der Scheidung einverstanden war. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, hätte ihr die Möglichkeit gegeben werden müssen, als Beteiligte auf den Ablauf des Verfahrens Einfluss zu nehmen. Die Vorschrift des § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG soll gerade die Anerkennung von Entscheidungen verhindern, die unter spezifischer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs zustande gekommen sind. Lediglich hierauf muss sich der betroffene Beteiligte berufen, nicht aber darlegen, wie er seine Rechte im Falle einer ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Zustellung wahrgenommen hätte (Staudinger/Spellenberg BGB [2016] § 109 FamFG Rn. 129 und 193b).
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Die Berufung auf das Anerkennungshindernis des § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG ist - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - auch nicht etwa deshalb rechtsmissbräuchlich (vgl. Justizministerium Baden-Württemberg FamRZ 2001, 1015, 1017; Prütting/Helms/Hau FamFG 4. Aufl. § 109 Rn. 38), weil die Antragstellerin den Antrag auf Nichtanerkennung des kroatischen Scheidungsurteils nach eigenem Vorbringen nur gestellt hat, um in Deutschland unter Inanspruchnahme von Verfahrenskostenhilfe auf ihren Scheidungsantrag geschieden zu werden. Denn im Hinblick auf möglicherweise unterschiedliche Scheidungsfolgen ist es keineswegs bedeutungslos, ob die Ehe der Beteiligten - nach kroatischem Recht - durch das Gemeindegericht K. oder - nach deutschem Recht - durch ein deutsches Gericht geschieden wird (vgl. z.B. Art. 17 Abs. 3 EGBGB). Auch der Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags kann Rechtswirkungen entfalten (vgl. z.B. § 3 Abs. 1 VersAusglG), so dass die Antragstellerin durchaus ein berechtigtes Interesse daran haben kann, sich auf das Anerkennungshindernis zu berufen und die Scheidung im Inland zu betreiben.
Klinkhammer Schilling Günter Guhling Krüger
Vorinstanzen:
Landesjustizverwaltung Baden-Württemberg, Entscheidung vom 17.12.2015
- 3465 E - 14/20/15
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.05.2017 - 17 VA 1/16 -