Bundesgerichtshof Beschluss, 17. März 2009 - VIII ZB 77/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Beklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 16. Juli 2008 verurteilt worden, an die Klägerin 4.806 € nebst Zinsen zu zahlen. Gegen das ihm am 2. August 2008 zugestellte Urteil hat er am 18. August 2008 zunächst selbst und auf entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts durch einen am 2. September 2008 eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt. Diese Berufung ist vom Prozessbevollmäch- tigten des Beklagten nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 3. November 2008 an diesem Tage begründet worden.
- 2
- Das Berufungsgericht, dem die zweite Berufungsschrift nicht vorgelegt worden war, weil diese zunächst als neue Berufung einer anderen Kammer des Landgerichts zugewiesen worden war, hat die Berufung mangels der erforderlichen Einlegung durch einen Rechtsanwalt als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
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- Die statthafte Rechtsbeschwerde (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) ist zulässig, weil die Rechtssache zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat dadurch, dass es die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen hat, ohne die zweite, form- und fristgerecht eingereichte Berufungsschrift zu berücksichtigen, das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) verletzt.
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- In Fällen, in denen - wie hier - eine Partei gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung einlegt, handelt es sich um dasselbe Rechtsmittel , über das nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einheitlich zu entscheiden ist. Entspricht die zunächst eingelegte Berufung den förmlichen Anforderungen des Gesetzes nicht, darf sie daher nicht gesondert als unzulässig verworfen werden (BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 - XI ZR 171/04, WM 2005, 857, unter II 1; Beschluss vom 2. Juli 1996 - IX ZB 53/96, NJW 1996, 2659, unter 2 c, jeweils m.w.N.). Die zweite Berufungseinlegung gewinnt somit immer dann selbständige Bedeutung, wenn und sobald die Unwirksamkeit der ersten feststeht (BGH, Urteil vom 28. März 1985 - VII ZR 317/84, NJW 1985, 2480, unter 3 a). Dies hat das Berufungsgericht bei dem angegriffenen Verwer- fungsbeschluss nicht beachtet, weil ihm die zweite Berufungsschrift aufgrund eines Mangels im Geschäftsgang nicht vorgelegt worden ist.
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- Da die Berufung des Beklagten auch nicht aus anderen Gründen unzulässig ist, insbesondere innerhalb der trotz des Verwerfungsbeschlusses weiterlaufenden Berufungsbegründungsfrist (BGH, Beschluss vom 11. August 2004 - XII ZB 51/04, FamRZ 2004, 1783; Beschluss vom 16. März 1977 - IV ZB 5/77, VersR 1977, 573) begründet worden ist, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Ball Dr. Wolst Hermanns Dr. Milger Dr. Achilles
AG Heilbronn, Entscheidung vom 16.07.2008 - 1 C 1881/08 -
LG Heilbronn, Entscheidung vom 09.09.2008 - 1 S 33/08 Ba -
Annotations
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.