Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2009 - VIII ZB 76/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Räumung einer Mietwohnung in Anspruch. Das Urteil des Amtsgerichts ist dem Beklagten am 5. Mai 2008 zugestellt worden. Am 3. Juni 2008 hat er für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe beantragt und im Schriftsatz vom 30. Juni 2008 zu den Erfolgsaussichten des beabsichtigten Rechtsmittels vorgetragen.
- 2
- Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 3. Juli 2008 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte innerhalb der Berufungsfrist kein Rechtsmittel eingelegt habe und das beabsichtigte Rechtsmittel deshalb ohne Aussicht auf Erfolg sei. Nach Erhalt dieses Beschlusses am 17. Juli 2008 hat der Beklagte am 30. Juli 2008 Berufung eingelegt, Wiedereinsetzung beantragt und das Rechtsmittel gleichzeitig begründet.
- 3
- Mit Beschluss vom 31. Juli 2008 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Wiedereinsetzungsantrag nicht dem Inhalt des § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO entspreche, weil der Beklagte es versäumt habe, die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen. Die Berufung sei unzulässig, weil sie erst mit Schriftsatz vom 30. Juli 2008 und mithin verspätet eingelegt worden sei.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
- 5
- Der Beklagte, der innerhalb laufender Berufungsfrist einen ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfeantrag unter Beifügung vollständiger Unterlagen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gestellt hatte, war aufgrund seiner Mittellosigkeit zunächst unverschuldet an der Einlegung und Begründung der Berufung gehindert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der bedürftigen Partei nach Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags noch eine Überlegungsfrist von drei bis vier Tagen ab Erhalt des den Antrag zurückweisenden Beschlusses - hier: 17. Juli 2008 - einzuräumen , ob sie das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen will (BGHZ 4, 55, 57 f., BGH, Beschluss vom 8. November 1989 - IVb ZB 110/89, NJW-RR 1990, 451); erst mit Ablauf dieser Überlegungsfrist entfällt das Hindernis und beginnt die Wiedereinsetzungsfrist.
- 6
- Mit dem am 30. Juli 2008 eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagte die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist wegen Versäumung der Berufungsfrist (§ 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sowie die einmonatige Wiedereinsetzungsfrist wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) gewahrt und gleichzeitig die versäumten Prozesshandlungen nachgeholt (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Einer formellen Angabe und Glaubhaftmachung der für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags erforderlichen Tatsachen bedurfte es - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht, weil sich diese Tatsachen aus den Akten ergaben und offenkundig waren (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2006 - XII ZB 215/05, NJW 2006, 1205, Tz. 12); das Landgericht hätte deshalb auch von Amts wegen Wiedereinsetzung bewilligen müssen (§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO).
Vorinstanzen:
AG Bad Kissingen, Entscheidung vom 10.04.2008 - 21 C 529/07 -
LG Schweinfurt, Entscheidung vom 31.07.2008 - 24 S 53/08 -
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(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.