Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2017 - VII ZR 88/14

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:050717BVIIZR88.14.0
05.07.2017
vorgehend
Landgericht München I, 5 O 28470/11, 18.07.2013
Oberlandesgericht München, 20 U 3460/13, 26.03.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 88/14
vom
5. Juli 2017
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:050717BVIIZR88.14.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juli 2017 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Sacher und Dr. Brenneisen
beschlossen:
Der Antrag der Beklagten auf Beiordnung eines Notanwalts für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Der Senat beabsichtigt, die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. März 2014 als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der gewährten Frist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt begründet worden ist.

Gründe:

I.

1
Der Kläger nimmt die beklagte GmbH auf Vergütung wegen der Umrüstung von Kraftfahrzeugen auf Autogas in Anspruch. Die Beklagte macht widerklagend Schadensersatzansprüche geltend.
2
Das Landgericht hat mit Urteil vom 18. Juli 2013 der Klage stattgegeben und die Widerklage als unzulässig abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht mit Urteil vom 26. März 2014 als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Widerklage richtet, und im Übrigen zurückgewiesen.
3
Die bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwältin Dr. A. hat für die Beklagte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Auf Antrag ist die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde um zwei Monate bis zum 28. Juli 2014 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2014 hat Rechtsanwältin Dr. A. mitgeteilt, dass sie den Beklagten nicht mehr vertrete. Mit Schriftsatz vom 23. Juli 2014 hat der Kläger erklärt, dass er einer weiteren Verlängerung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zustimme. Am 25. Juli 2014 hat die Beklagte über ihren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten beantragt, ihr gemäß § 78b ZPO einen Notanwalt zu bestellen, und dies innerhalb der ihr gewährten Frist näher begründet. Auf Antrag ist die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde mit Zustimmung des Klägers um einen Tag bis zum 29. Juli 2014 verlängert worden. Eine Begründung durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt ist innerhalb dieser Frist nicht erfolgt.

II.

4
Der Antrag der Beklagten auf Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO ist unbegründet.
5
1. Nach § 78b Abs. 1 ZPO kann einer Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn sie trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Hat die Partei zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und entsprechend mandatiert, so kommt im Falle einer späteren Mandatsniederlegung die Beiordnung eines Notanwalts nur dann in Betracht, wenn sie die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat. Dabei hat die Partei substantiiert darzulegen und nachzuweisen, dass die Beendigung des Mandats nicht auf ihr Verschulden zurückzuführen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Februar 2017 - IX ZR 113/16, ZInsO 2017, 968 Rn. 4 und vom 18. Dezember 2013 - III ZR 122/13, WM 2014, 425 Rn. 8 f., jeweils m.w.N.). Ein Verschulden in diesem Sinne liegt regelmäßig dann vor, wenn die Partei den Kostenvorschuss nicht zahlt, den sie dem mit ihrer Vertretung beauftragten Rechtsanwalt schuldet (vgl. BGH, Beschluss vom 8. September 2011 - III ZR 89/11 Rn. 1 m.w.N.).
6
Nach diesen Maßstäben kommt die Beiordnung eines Notanwalts nicht in Betracht. Die Beklagte hat dargelegt, dass die von ihr beauftragte Rechtsanwältin Dr. A. das Mandat niedergelegt hat, weil keine Zahlung auf die von ihr gestellte Kostennote vom 25. April 2014 erfolgt ist. Nach ihren Angaben ist bis zur Niederlegung des Mandats am 30. Juni 2014 keine Zahlung erfolgt, weil die Kostennote wegen Verwendung einer falschen Postleitzahl erst um den 10. Mai 2014 bei der Beklagten eingegangen sei, die Bearbeitung der Kostennote unter anderem aufgrund von Auslandsaufenthalten und erforderlichen Abstimmungen zwischen den Verantwortlichen der Beklagten einige Wochen in Anspruch genommen habe und die Beklagte der Auffassung gewesen sei, dass eine Zahlung mangels Leistung der Rechtsanwältin Dr. A. noch nicht zu erbringen und überdies vor Niederlegung des Mandats eine Mahnung erforderlich gewesen sei. Diese Umstände entlasten die Beklagte nicht. Organisatorische Schwierigkeiten sind von der Beklagten ebenso zu vertreten wie ihre unzutreffende Auffassung, keine Zahlung leisten zu müssen. Der von der Beklagten angeführte Eingang der Kostennote um den 10. Mai 2014 führt angesichts des ihr verbliebenen Zeitraums von mehreren Wochen bis zur Mandatsniederlegung am 30. Juni 2014 zu keinem anderen Ergebnis.
7
2. Darüber hinaus hat die Beklagte es auch zu vertreten, dass sie nach der Niederlegung des Mandats durch Rechtsanwältin Dr. A. am 30. Juni 2014 keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden hat.
8
Einer Partei obliegt es im Rahmen der ihr zumutbaren Anstrengungen, einen Rechtsanwalt so rechtzeitig um Mandatsübernahme zu ersuchen, dass er die Vertretung nicht berechtigterweise mit der Begründung ablehnen kann, zur sachgerechten Bearbeitung der Sache nicht mehr in der Lage zu sein (vgl. BAGE 149, 57 Rn. 4; BGH, Beschluss vom 8. September 2011 - III ZR 89/11 Rn. 1 zur Rechtzeitigkeit einer Vorschusszahlung). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen. Sie hat nach ihren Angaben nach Mandatsniederlegung durch Rechtsanwältin Dr. A. andere bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte erst wenige Tage vor Ablauf der bis zum 29. Juli 2014 verlängerten Frist angeschrieben oder angesprochen. Deren Bereitschaft zur Mandatsübernahme scheiterte ausweislich der vorgelegten Anlagen überwiegend daran, dass sie sich angesichts des für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zur Verfügung stehenden Zeitraums von wenigen Tagen zu einer sachgerechten Bearbeitung der Sache nicht in der Lage sahen. Es ist nicht ersichtlich , dass - vorbehaltlich einer Vorschusszahlung - zeitnah nach dem 30. Juni 2014 kein vertretungsbereiter Rechtsanwalt hätte gefunden werden können.
Kartzke Halfmeier Jurgeleit
Sacher Brenneisen

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 18.07.2013 - 5 O 28470/11 -
OLG München, Entscheidung vom 26.03.2014 - 20 U 3460/13 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 78b Notanwalt


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(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

(2) Gegen den Beschluss, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.

4
1. Eine Partei, welche die Beiordnung eines Notanwalts beantragt, hat nachzuweisen, dass sie trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden hat (BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZR 1/13, nv Rn. 4; vom 18. Dezember 2013 - III ZR 122/13, WM 2014, 425 Rn. 8; vom 24. Juni 2014 - VI ZR 226/13, NJW 2014, 3247 Rn. 2; jeweils mwN). Hat sie - wie hier - zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und entsprechend mandatiert, so kommt im Falle einer späteren Mandatsniederlegung die Bestellung eines Notanwalts überdies nur dann in Betracht, wenn die Partei die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat. Dabei hat die Partei darzulegen, dass die Beendigung des Mandats nicht auf ihr Verschulden zurückzuführen ist (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2013, aaO; vom 24. Juni 2014, aaO Rn. 9).
8
1. Einer Partei, welche trotz der Vornahme zumutbarer Bemühungen keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden hat, kann Wiedereinsetzung gegen die Versäumung einer Rechtsmittel(Begründungs-)Frist gewährt werden, wenn sie vor Fristablauf einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts bei Gericht gestellt und dabei die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwalts substantiiert dargelegt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2011 - IX ZA 2/11, WuM 2011, 323 Rn. 4; Beschluss vom 12. Juni 2012 - VIII ZB 80/11, juris Rn. 9).
1
1. Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78b Abs. 1 ZPO sind nicht erfüllt. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach dieser Bestimmung setzt voraus, dass die Partei trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Zu den zumutba- ren Anstrengungen gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere, dass die Partei den Kostenvorschuss zahlt, den sie dem mit ihrer Vertretung beauftragten Rechtsanwalt schuldet (vgl. z.B. BGH, Beschlüsse vom 13. April 1994 - XII ZR 222/93, BGHR ZPO § 78b Vertretungsbereitschaft 1 und vom 8. Juli 2010 - IX ZB 45/09, ZInsO 2010, 1662 Rn. 1 mwN). Der Partei obliegt es im Rahmen der ihr zumutbaren Anstrengungen weiterhin, diesen Vorschuss so rechtzeitig vollständig zu zahlen, dass der Rechtsanwalt die Vertretung nicht berechtigterweise mit der Begründung ablehnen kann, ihm verbleibe keine angemessene Zeit mehr, die Sache mit der gebotenen Sorgfalt zu bearbeiten. Diesen Anforderungen ist der Kläger nicht gerecht geworden.