vorgehend
Landgericht Siegen, 5 OH 9/07, 06.07.2009
Oberlandesgericht Hamm, 12 W 28/09, 26.10.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 128/09
vom
23. März 2011
in dem selbständigen Beweisverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei
eines selbständigen Beweisverfahrens ist die Entscheidung über einen Antrag
nach § 494a ZPO nicht möglich, weil das Verfahren unterbrochen ist
(Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - VII ZB 14/03,
BauR 2004, 531 = NZBau 2004, 156 = ZfBR 2004, 268).
BGH, Beschluss vom 23. März 2011 - VII ZB 128/09 - OLG Hamm
LG Siegen
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. März 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Bauner, Dr. Eick,
Halfmeier und Prof. Leupertz

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Antragstellerin werden der Beschluss des 12.Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. Oktober 2009 und der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Siegen vom 6. Juli 2009 aufgehoben. Das Verfahren wird an das Landgericht Siegen zurückverwiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Antragsgegnerin.

Gründe:

I.

1
Nach Abschluss einer von der Antragstellerin beantragten Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren hat das Landgericht durch Beschluss vom 6. Juli 2009 eine Kostenentscheidung gemäß § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO zu Lasten der Antragstellerin getroffen. Zuvor war bereits am 1. Juni 2009 über das Vermögen der Antragsgegnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die gegen den Beschluss des Landgerichts gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Antragstellerin, den Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben und unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts vom 6. Juli 2009 die von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 2. Juli 2009 beantragte Kostenentscheidung gemäß § 494a Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

II.

2
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
3
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, es sei in der Rechtsprechung umstritten, ob in den Fällen, in denen bei zu prognostizierendem Erfolg trotz entsprechender Fristsetzung eine Hauptsacheklage wegen Vermögenslosigkeit des Antragsgegners nicht erhoben werde, eine Kostenentscheidung nach § 494a ZPO zugunsten des Antragsgegners zu erlassen sei. Der Auffassung, dass es nicht dem Sinn und Zweck des § 494a ZPO entspreche, den Antragsteller in einen wirtschaftlich sinnlosen Prozess zu zwingen, folge das Gericht nicht. Der Antragsteller habe das Risiko eines Vermögensverfalls des Antragsgegners in gleicher Weise zu tragen wie derjenige, der sofort eine Klage gegen den Antragsgegner erhoben hätte.
4
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
5
Auf die vom Beschwerdegericht angestellten Erwägungen kommt es nicht an. Der Beschluss des Landgerichts ist schon deshalb von Amts wegen aufzuheben, weil er ergangen ist, obwohl das selbständige Beweisverfahren gemäß § 240 ZPO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin am 1. Juni 2009 unterbrochen worden war.
6
a) Der Bundesgerichtshof hat allerdings entschieden, dass ein selbständiges Beweisverfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer der Parteien trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 240 ZPO nicht unterbrochen wird (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - VII ZB 14/03, BauR 2004, 531 = NZBau 2004, 156 = ZfBR 2004, 268). Diese Entscheidung betraf jedoch ein selbständiges Beweisverfahren , dessen Beweisaufnahme noch nicht beendet war. Für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass das Ziel des Verfahrens, nämlich eine schnelle Beweissicherung oder eine rasche und kostensparende Einigung der Parteien nur erreicht werden könne, wenn das selbständige Beweisverfahren möglichst zügig und ohne die mit einer Unterbrechung nach § 240 ZPO verbundene zeitliche Verzögerung durchgeführt werde (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - VII ZB 14/03 aaO Rn. 10 f.). Außerdem sei die Unterbrechung des selbständigen Beweisverfahrens in dieser Situation auch nicht deshalb geboten, weil den Beteiligten eine Überlegungsfrist hinsichtlich ihres weiteren Vorgehens eingeräumt werden müsse (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - VII ZB 14/03 aaO Rn. 12).
7
b) Diese Erwägungen treffen jedenfalls dann nicht mehr zu, wenn in einem selbständigen Beweisverfahren die Beweisaufnahme beendet und das Verfahren damit sachlich abgeschlossen ist (vgl. OLG Dresden, NZI 2002, 688). Ab diesem Zeitpunkt besteht kein besonderes Beschleunigungsbedürfnis mehr. Andererseits setzt ein anschließend folgendes Verfahren nach § 494a ZPO in der Regel vergleichsweise kurz bemessene Fristen in Gang, innerhalb derer weitreichende Entscheidungen jedenfalls des Antragstellers über sein weiteres Vorgehen notwendig werden. Soweit über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist deshalb zu diesem Zeitpunkt auch ein Bedürfnis nach einer Überlegungsfrist für den Insolvenzverwalter in vergleichbarer Weise vorhanden wie während eines laufenden Rechtsstreits. Ähnliches kann auch für den Antragsgegner gelten, wenn die Entscheidungen nach § 494a ZPO in einem Rechtsmittelverfahren überprüft werden oder werden sollen. In dieser Situation kann daher ein Ausschluss der Anwendung des § 240 ZPO nicht mehr mit dem Sinn und Zweck des selbständigen Beweisverfahrens begründet werden. Soweit sich aus dem Beschluss des Senats vom 14. Oktober 2004 (VII ZB 23/03 Rn. 7, BauR 2005, 133 = NZBau 2005, 42 = ZfBR 2005, 174) etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht fest.
8
c) Damit sind die Entscheidungen des Landgerichts und des Beschwerdegerichts in einem Verfahren gegen die Insolvenzschuldnerin ergangen, obwohl das Verfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen war. Solche Entscheidungen sind nicht nichtig, sondern mit den allgemein zulässigen Rechtsmitteln anfechtbar. Sie unterliegen allein wegen dieses Fehlers von Amts wegen der Aufhebung und Zurückverweisung an das Gericht, bei dem die Sache zum Zeitpunkt der Unterbrechung anhängig war. Dieser Fehler kann vom Insolvenzverwalter , aber auch von jeder Partei geltend gemacht werden. Das Rechtsmittelgericht kann eine entsprechende Entscheidung trotz der Unterbrechung erlassen , um der Unterbrechung Geltung zu verschaffen. Eine andere Entscheidung ist in diesem Stadium des Verfahrens dagegen nicht möglich (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - IX ZR 220/96, NJW 1997, 1445 m.w.N.).
9
d) Damit scheidet eine Aufhebung und Zurückverweisung an das Beschwerdegericht von vornherein aus. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob - wofür vieles spricht - der angefochtene Beschluss im Übrigen schon mangels ausreichender Gründe hätte aufgehoben werden müssen. Denn Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt , über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; anderenfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz erforderlichen Gründen versehen (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO; vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2010 - II ZB 20/09, NJW-RR 2010, 1582; vom 28. April 2008 - II ZB 27/07, NJW-RR 2008, 1455; vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648).
10
3. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass auch nach einer Aufnahme des Verfahrens ein neuer Antrag, der Antragstellerin die dem Gegner entstandenen Kosten aufzuerlegen, keinen Erfolg haben könnte. Denn wenn - wie nach dem Akteninhalt anzunehmen ist - der Antragstellerin eine Frist zur Klageerhebung bis zum 9. Juni 2009 gesetzt worden ist, war ihr die Befolgung dieser Anordnung seit dem 1. Juni 2009 nicht mehr möglich. Eine Klage der Antragstellerin gegen die Schuldnerin wäre ebenso wie eine Klage gegen den Insolvenzverwalter unzulässig gewesen. Das Nichtbefolgen der getroffenen Anordnung kann deshalb nicht mit einer negativen Kostenfolge sanktioniert werden. Die von der Antragstellerin geltend zu machenden Ansprüche können nur noch durch Anmeldung zur Insolvenztabelle verfolgt werden (§§ 87, 174 InsO). Eine Fristsetzung hierzu mit negativer Kostenfolge im Falle der Nichtbefolgung sieht das Gesetz nicht vor.

III.

11
Die Kostenentscheidung beruht auf dem Rechtsgedanken des § 91 ZPO. Das Verfahren war bereits zu einem Zeitpunkt unterbrochen, als ein Kostenantrag der Antragsgegnerin noch nicht vorlag. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat die Antragsgegnerin die Verfahrensführungsbefugnis verloren, ihr späterer Antrag war damit unwirksam. Die Zurückverweisung führt daher dazu, dass er endgültig keinen Erfolg mehr haben kann. Der Grundsatz, dass im selbständigen Beweisverfahren keine Kostenentscheidung ergeht, hindert nicht an der Auferlegung der Kosten von Rechtsmittelverfahren.

Kniffka Bauner Eick Halfmeier Leupertz
Vorinstanzen:
LG Siegen, Entscheidung vom 06.07.2009 - 5 OH 9/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 26.10.2009 - I-12 W 28/09 -

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Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

(1) Ist ein Rechtsstreit nicht anhängig, hat das Gericht nach Beendigung der Beweiserhebung auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass der Antragsteller binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat.

(2) Kommt der Antragsteller dieser Anordnung nicht nach, hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss auszusprechen, dass er die dem Gegner entstandenen Kosten zu tragen hat. Die Entscheidung unterliegt der sofortigen Beschwerde.

Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 14/03
vom
11. Dezember 2003
in dem selbständigen Beweisverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Das selbständige Beweisverfahren wird nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen einer der Parteien unterbrochen.
BGH, Beschluß vom 11. Dezember 2003 - VII ZB 14/03 - Brandenburgisches OLG
LG Neuruppin
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Dezember 2003
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode,
Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 8. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 5. Mai 2003 wird zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerdeführerin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Streithelferin, die diese selbst trägt. Beschwerdewert: 1.774

Gründe:

I.

Die Antragstellerin betreibt gegen die Gemeinschuldnerin ein selbständiges Beweisverfahren zur Feststellung von Baumängeln. Die Parteien streiten darüber, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin gemäß § 240 ZPO das selbständige Beweisverfahren unterbrochen hat. Das Landgericht hat zunächst festgestellt, daß das selbständige Beweisverfahren unterbrochen ist. Die Antragstellerin hat die Aufnahme des Verfahrens erklärt. Daraufhin hat das Landgericht "dem Verfahren Fortgang gegeben". Die von der Insolvenzverwalterin gegen diesen Beschluß eingelegte und von
der Streithelferin unterstützte sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. 1. Das Beschwerdegericht führt aus, das Landgericht habe zu Recht das selbständige Beweisverfahren gefördert. Denn dieses sei durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden. 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob ein selbständiges Beweisverfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer der Parteien unterbrochen wird. Für eine Unterbrechung sprechen sich aus OLG Hamburg, OLGR 2000, 436; OLG München, BauR 2002, 983; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 10. Aufl., Rdn. 6 (a.A. noch 9. Aufl.); MünchKommZPO /Feiber, 2. Aufl., § 239 Rdn. 7. Eine Unterbrechungswirkung verneinen OLG Hamm, NJW-RR 1997, 723; OLG Frankfurt am Main, BauR 2002, 1886; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., vor § 239 Rdn. 8; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., vor § 485 Rdn. 6; Hdb. priv. BauR (Oelmaier/Merl), 2. Aufl., § 17 Rdn. 11.
b) Ein selbständiges Beweisverfahren wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen. aa) Die systematische Stellung des § 240 ZPO im ersten Buch der Zivilprozeßordnung spricht für seine Anwendung auf das in der Regel kontradiktori-
sche selbständige Beweisverfahren. Auch enthalten die §§ 485 ff ZPO keine Bestimmung, daß § 240 ZPO nicht gelten solle. Diese Vorschrift steht aber mit Sinn und Zweck des selbständigen Beweisverfahrens nicht in Einklang und ist daher auf dieses Verfahren nicht anzuwenden. Durch das selbständige Beweisverfahren soll dem Antragsteller zum einen die Möglichkeit einer schnellen Beweissicherung auch ohne Zustimmung des Gegners und unabhängig von einem Streitverfahren gegeben werden, wenn Verlust oder erschwerte Benutzung eines Beweismittels zu besorgen sind, § 485 Abs. 1 ZPO. Zum anderen können durch ein selbständiges Beweisverfahren tatsächliche Vorfragen für die Beurteilung eines Anspruchs geklärt werden, wenn der Antragsteller hieran ein rechtliches Interesse hat, insbesondere wenn dadurch ein Rechtsstreit vermieden werden kann, § 485 Abs. 2 ZPO. Das soll den Weg zu einer erfolgversprechenden Güteverhandlung (vgl. § 492 Abs. 3 ZPO) und zu einer raschen und kostensparenden Einigung der Parteien ohne einen sonst zu erwartenden Rechtsstreit ebnen. Um diese Ziele zu erreichen, ist das selbständige Beweisverfahren möglichst zügig und ohne die mit einer Unterbrechung nach § 240 ZPO verbundene zeitliche Verzögerung durchzuführen. Eine auch nur geringe Verzögerung kann bedeuten, daß ein Beweismittel verloren geht oder bedeutsame tatsächliche Umstände nicht mehr festgestellt werden können. Gerade bei Streitigkeiten im Rahmen eines Bauvertrags kann das dazu führen, daß Mängel der Bauleistung oder der von einem Unternehmer erreichte Bautenstand durch nachfolgende Arbeiten verdeckt werden. Der Insolvenzverwalter ist auf das baldige Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens angewiesen, um eine Grundlage für seine weiteren Entscheidungen und für eventuelle Vergleichsgespräche zu haben und
so gegebenenfalls Ansprüche des Gemeinschuldners rasch zugunsten der Masse realisieren zu können. Daß er am selbständigen Beweisverfahren nicht beteiligt ist, steht dem Führen von Vergleichsgesprächen nicht entgegen. Die von Befürwortern einer Unterbrechung empfohlene eilige Aufnahme bei eiligen Verfahren (MünchKommZPO/Feiber, 2. Aufl., § 239 Rdn. 7) ist nur in Grenzen geeignet, die nachteiligen Folgen einer Verfahrensverzögerung zu mildern. bb) Eine Unterbrechung des selbständigen Beweisverfahrens ist nicht deshalb geboten, weil den Beteiligten eine Überlegungsfrist hinsichtlich ihres weiteren Vorgehens eingeräumt werden müßte. Das selbständige Beweisverfahren hat eine vorweggenommene Beweisaufnahme und nicht die Entscheidung möglicherweise schwieriger Rechtsfragen zum Gegenstand. Der Insolvenzverwalter kann sich binnen kurzem einen ausreichenden Überblick verschaffen. Die andere Partei ist ohnehin mit dem Sach- und Streitstand vertraut.
cc) Daß die ebenfalls eilbedürftigen Verfahren des Arrests und der einstweiligen Verfügung gemäß § 240 ZPO unterbrochen werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1962 - VIII ZR 189/60, NJW 1962, 591; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., vor § 239 Rdn. 8), führt zu keiner anderen Beurteilung. Die unterschiedliche Behandlung ist gerechtfertigt, weil diese Verfahren zu Vollstrekkungstiteln führen können, die das Schuldnervermögen unmittelbar betreffen. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.
Dressler Thode Kuffer Kniffka Bauner

Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 14/03
vom
11. Dezember 2003
in dem selbständigen Beweisverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Das selbständige Beweisverfahren wird nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen einer der Parteien unterbrochen.
BGH, Beschluß vom 11. Dezember 2003 - VII ZB 14/03 - Brandenburgisches OLG
LG Neuruppin
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Dezember 2003
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode,
Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 8. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 5. Mai 2003 wird zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerdeführerin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Streithelferin, die diese selbst trägt. Beschwerdewert: 1.774

Gründe:

I.

Die Antragstellerin betreibt gegen die Gemeinschuldnerin ein selbständiges Beweisverfahren zur Feststellung von Baumängeln. Die Parteien streiten darüber, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin gemäß § 240 ZPO das selbständige Beweisverfahren unterbrochen hat. Das Landgericht hat zunächst festgestellt, daß das selbständige Beweisverfahren unterbrochen ist. Die Antragstellerin hat die Aufnahme des Verfahrens erklärt. Daraufhin hat das Landgericht "dem Verfahren Fortgang gegeben". Die von der Insolvenzverwalterin gegen diesen Beschluß eingelegte und von
der Streithelferin unterstützte sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. 1. Das Beschwerdegericht führt aus, das Landgericht habe zu Recht das selbständige Beweisverfahren gefördert. Denn dieses sei durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden. 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob ein selbständiges Beweisverfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer der Parteien unterbrochen wird. Für eine Unterbrechung sprechen sich aus OLG Hamburg, OLGR 2000, 436; OLG München, BauR 2002, 983; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 10. Aufl., Rdn. 6 (a.A. noch 9. Aufl.); MünchKommZPO /Feiber, 2. Aufl., § 239 Rdn. 7. Eine Unterbrechungswirkung verneinen OLG Hamm, NJW-RR 1997, 723; OLG Frankfurt am Main, BauR 2002, 1886; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., vor § 239 Rdn. 8; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., vor § 485 Rdn. 6; Hdb. priv. BauR (Oelmaier/Merl), 2. Aufl., § 17 Rdn. 11.
b) Ein selbständiges Beweisverfahren wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen. aa) Die systematische Stellung des § 240 ZPO im ersten Buch der Zivilprozeßordnung spricht für seine Anwendung auf das in der Regel kontradiktori-
sche selbständige Beweisverfahren. Auch enthalten die §§ 485 ff ZPO keine Bestimmung, daß § 240 ZPO nicht gelten solle. Diese Vorschrift steht aber mit Sinn und Zweck des selbständigen Beweisverfahrens nicht in Einklang und ist daher auf dieses Verfahren nicht anzuwenden. Durch das selbständige Beweisverfahren soll dem Antragsteller zum einen die Möglichkeit einer schnellen Beweissicherung auch ohne Zustimmung des Gegners und unabhängig von einem Streitverfahren gegeben werden, wenn Verlust oder erschwerte Benutzung eines Beweismittels zu besorgen sind, § 485 Abs. 1 ZPO. Zum anderen können durch ein selbständiges Beweisverfahren tatsächliche Vorfragen für die Beurteilung eines Anspruchs geklärt werden, wenn der Antragsteller hieran ein rechtliches Interesse hat, insbesondere wenn dadurch ein Rechtsstreit vermieden werden kann, § 485 Abs. 2 ZPO. Das soll den Weg zu einer erfolgversprechenden Güteverhandlung (vgl. § 492 Abs. 3 ZPO) und zu einer raschen und kostensparenden Einigung der Parteien ohne einen sonst zu erwartenden Rechtsstreit ebnen. Um diese Ziele zu erreichen, ist das selbständige Beweisverfahren möglichst zügig und ohne die mit einer Unterbrechung nach § 240 ZPO verbundene zeitliche Verzögerung durchzuführen. Eine auch nur geringe Verzögerung kann bedeuten, daß ein Beweismittel verloren geht oder bedeutsame tatsächliche Umstände nicht mehr festgestellt werden können. Gerade bei Streitigkeiten im Rahmen eines Bauvertrags kann das dazu führen, daß Mängel der Bauleistung oder der von einem Unternehmer erreichte Bautenstand durch nachfolgende Arbeiten verdeckt werden. Der Insolvenzverwalter ist auf das baldige Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens angewiesen, um eine Grundlage für seine weiteren Entscheidungen und für eventuelle Vergleichsgespräche zu haben und
so gegebenenfalls Ansprüche des Gemeinschuldners rasch zugunsten der Masse realisieren zu können. Daß er am selbständigen Beweisverfahren nicht beteiligt ist, steht dem Führen von Vergleichsgesprächen nicht entgegen. Die von Befürwortern einer Unterbrechung empfohlene eilige Aufnahme bei eiligen Verfahren (MünchKommZPO/Feiber, 2. Aufl., § 239 Rdn. 7) ist nur in Grenzen geeignet, die nachteiligen Folgen einer Verfahrensverzögerung zu mildern. bb) Eine Unterbrechung des selbständigen Beweisverfahrens ist nicht deshalb geboten, weil den Beteiligten eine Überlegungsfrist hinsichtlich ihres weiteren Vorgehens eingeräumt werden müßte. Das selbständige Beweisverfahren hat eine vorweggenommene Beweisaufnahme und nicht die Entscheidung möglicherweise schwieriger Rechtsfragen zum Gegenstand. Der Insolvenzverwalter kann sich binnen kurzem einen ausreichenden Überblick verschaffen. Die andere Partei ist ohnehin mit dem Sach- und Streitstand vertraut.
cc) Daß die ebenfalls eilbedürftigen Verfahren des Arrests und der einstweiligen Verfügung gemäß § 240 ZPO unterbrochen werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1962 - VIII ZR 189/60, NJW 1962, 591; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., vor § 239 Rdn. 8), führt zu keiner anderen Beurteilung. Die unterschiedliche Behandlung ist gerechtfertigt, weil diese Verfahren zu Vollstrekkungstiteln führen können, die das Schuldnervermögen unmittelbar betreffen. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.
Dressler Thode Kuffer Kniffka Bauner

(1) Ist ein Rechtsstreit nicht anhängig, hat das Gericht nach Beendigung der Beweiserhebung auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass der Antragsteller binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat.

(2) Kommt der Antragsteller dieser Anordnung nicht nach, hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss auszusprechen, dass er die dem Gegner entstandenen Kosten zu tragen hat. Die Entscheidung unterliegt der sofortigen Beschwerde.

Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 23/03
vom
14. Oktober 2004
in dem selbständigen Beweisverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Eine einseitige Erledigungserklärung ist im selbständigen Beweisverfahren nicht
zulässig. In ihr liegt regelmäßig eine Antragsrücknahme.

b) Nach der Antragsrücknahme hat der Antragsteller grundsätzlich die Kosten des
selbständigen Beweisverfahrens in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3
Satz 2 ZPO zu tragen. Dies gilt auch für die Kosten des Streithelfers des Antragsgegners
BGH, Beschluß vom 14. Oktober 2004 - VII ZB 23/03 - KG
LG Berlin
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2004 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer,
Prof. Dr. Kniffka und Bauner

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Streithelferin des Antragsgegners wird der Beschluß des 24. Zivilsenats des Kammergerichts vom 7. Juli 2003 dahin abgeändert, daß die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der 28. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 8. November 2002 zurückgewiesen wird. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Beschwerdewert: 3.956,60 €

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die P. GmbH beantragt. Diese hat u.a. der beschwerdeführenden Streithelferin den Streit verkündet, die dem Beweisverfahren beigetreten ist. Mit Beschluß des Landgerichts vom 17. Mai 2002 ist die beantragte Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet worden. Bevor der Sachverständige die Begutachtung vornahm, teilte die Antragstellerin
mit, ihr Antrag habe sich erledigt, sie habe privat beauftragte Gutachten erstellen lassen. Die Antragstellerin hat beantragt, der P. GmbH sowie der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen. Daraufhin hat die P. GmbH mitgeteilt, es sei ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden. Sie hat sich einer etwaigen Erledigungserklärung nicht angeschlossen und beantragt, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Diesem Antrag hat sich die Streithelferin unter Hinweis darauf angeschlossen, daß die Abstandnahme der Antragstellerin als Antragsrücknahme ausgelegt werden müsse. Die Antragstellerin hat dem widersprochen. Am 1. September 2002 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen P. GmbH eröffnet und der Antragsgegner als Insolvenzverwalter bestellt worden. Die Antragstellerin hat ihre Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet, der Antragsgegner hat die Forderung bestritten. Das Landgericht hat der Antragstellerin mit Beschluß vom 8. November 2002 die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der P. GmbH und der Streithelferin auferlegt. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht den Beschluß des Landgerichts aufgehoben und die Anträge der P. GmbH und ihrer Streithelferin als derzeit unbegründet zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Streithelferin hat Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

II.

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die zugunsten der P. GmbH ergangene Kostengrundentscheidung entsprechend § 494 a Abs. 2 ZPO sei schon deshalb aufzuheben, weil ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der P. GmbH in die Insolvenzmasse gefallen und die P. GmbH insoweit nicht mehr verfahrensbefugt sei. Der Antragsgegner habe mitgeteilt, sich zur Aufnahme des Verfahrens derzeit nicht erklären zu können und von einer Unterbrechung des selbständigen Beweisverfahrens auszugehen. Ein Kostenantrag der P. GmbH sei derzeit nicht zulässig. Darüber hinaus sei für eine analoge Anwendung des § 494 a Abs. 2 ZPO zugunsten der Streithelferin kein Raum, weil eine Klageerhebung nicht in Betracht komme und auch kein entsprechender Antrag vorliege. Zwar sei eine Ausdehnung des § 494 a Abs. 2 ZPO auf andere Sachverhalte nicht ausgeschlossen , hier aber nicht geboten. Für die Antragstellerin lägen dem Fall vergleichbare Hinderungsgründe vor, daß die Mängel durch den Auftragnehmer nach Beweisaufnahme beseitigt wurden. Sie habe mitgeteilt, daß sich aus den Privatgutachten Mängelbeseitigungskosten von ca. 101.000 € ergäben. Eine Klageerhebung sei für sie sinnlos. Darauf hinzuweisen sei auch, daß ein anerkennenswerter Grund zur Abstandnahme vom Hauptsacheprozeß darin liegen könne, daß die Gegenseite vermögenslos und insolvent geworden sei.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. 1. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Dieser Antrag ist zulässig. Sie ist berechtigt, diejenigen Anträge zu stellen, die auch der Antragsgegner stellen könnte, denn sie führt als Streithelferin die Beschwerde des Antragsgegners. Dieser ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Stelle der P. GmbH getreten. Ein entgegenstehender Wille des Antragsgegners ist nicht erkennbar. Die Insolvenzmasse ist durch das Beschwerdeverfahren nicht nachteilig betroffen, weil das Kostenrisiko allein die Beschwerdeführerin trägt. Das Verfahren ist deshalb für die Insolvenzmasse nur günstig. Die Bedenken des Beschwerdegerichts gegen die Zulässigkeit des Kostenantrags im Hinblick auf die Insolvenz der P. GmbH sind schon deshalb unbegründet, weil das Insolvenzverfahren erst eröffnet worden ist, nachdem deren Prozeßbevollmächtigter den Antrag gestellt hatte, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Über diesen Antrag kann entschieden werden, weil das Insolvenzverfahren das selbständige Beweisverfahren nicht unterbricht (BGH, Beschluß vom 11. Dezember 2003 - VII ZB 14/03, BauR 2004, 531 = NZBau 2004, 156 = ZfBR 2004, 268). 2. Im Ergebnis zutreffend ist die Auffassung des Beschwerdegerichts, der Antragsgegner und seine Streithelferin könnten keine Kostenentscheidung nach § 494 a Abs. 2 ZPO beantragen. Diese Regelung setzt voraus, daß dem Antragsteller auf Antrag des Antragsgegners nach Beendigung der Beweiserhebung eine Frist zur Klageerhebung gesetzt worden ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Beweisaufnahme ist nicht durchgeführt und der Antragstellerin ist keine Frist zur Klageerhebung gesetzt worden.
3. Zu Unrecht prüft das Beschwerdegericht nicht, ob der Antragsgegner und seine Streithelferin Erstattung ihrer im Beweisverfahren entstandenen Kosten nach § 269 Abs. 3 ZPO verlangen können. Das ist, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, der Fall.
a) Die Antragstellerin hat ihren Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens mit Schriftsatz vom 20. Juli 2002 zurückgenommen. In diesem Schriftsatz hat sie mitgeteilt, ihr Antrag habe sich erledigt. Sie sei infolge der Verzögerung des Beweisverfahrens zur Wahrung ihrer Rechte und zur Schadensminderung gezwungen gewesen, private Sachverständige zu beauftragen. Mit deren Gutachten würden die Mängel belegt. Sie hat beantragt, der Gegenseite die Kosten aufzuerlegen. Mit dieser Erklärung hat sie unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie eine Beweiserhebung durch das Gericht endgültig nicht mehr wünscht. Das kann nicht anders als eine Rücknahme ihres Antrags gesehen werden. Eine einseitige Erledigungserklärung, wie sie der Antragstellerin mit dem Ergebnis vorschwebt, daß einerseits das Verfahren beendet ist, andererseits der Antragsgegner die Kosten des Beweisverfahrens zu tragen hat, ist im selbständigen Beweisverfahren nicht zulässig. Es ist nicht möglich dem Antragsgegner, ohne ein Verfahren in der Hauptsache und ohne Zustimmung zur Erledigungserklärung die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen (BGH, Beschluß vom 12. Februar 2004 - V ZB 57/03, MDR 2004, 715). Eine mit diesem Ziel erklärte Erledigung des Verfahrens ist als Antragsrücknahme aufzufassen , wenn das Verfahren nach dem Willen des Antragstellers endgültig beendet sein soll (KG, BauR 2002, 1735, 1736).
b) Nimmt der Antragsteller seinen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vor der Beweiserhebung zurück, hat er in entspre-
chender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO grundsätzlich die Kosten zu tragen. Ist kein Hauptsacheverfahren anhängig, in dem diese Kostenfolge ausgesprochen wird, und haben die Parteien sich über die Kosten nicht geeinigt, ergeht eine Kostenentscheidung auf Antrag im selbständigen Beweisverfahren (vgl. OLG Düsseldorf, BauR 2002, 350; OLG Köln, OLGR 2001, 355; OLG München, BauR 2001, 993; OLG Braunschweig, BauR 2001, 994; ZöllerHerget , ZPO, 24. Aufl., § 91 Rdn. 13; Musielak-Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 269 Rdn. 23; Ingenstau/Korbion-Joussen, VOB, 15. Aufl., Anh. 4 Rdn. 106; KleineMöller /Merl/Oelmaier, Handbuch des privaten Baurechts, 2. Aufl., § 17 Rz. 327). Der Kostenbeschluß umfaßt auch die durch einen Streithelfer des Antragsgegners verursachten Kosten, die gemäß §§ 269 Abs. 3 Satz 2, 101 ZPO vom Antragsteller zu tragen sind (OLG München, BauR 1998, 592; Siegburg, Zur Kostengrundentscheidung im selbständigen Beweisverfahren und Hauptsacheprozeß , Festschrift für Jack Mantscheff zum 70. Geburtstag, S. 405, 407). Für die Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO besteht ein Bedürfnis. Die Regelung des § 494 a Abs. 2 ZPO erfaßt den Fall der Antragsrücknahme vor der Beweiserhebung nicht. Ebenso wie in den Fällen des § 494 a Abs. 2 ZPO hat der Antragsgegner ein schützenswertes Interesse an einer sofortigen Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren (vgl. Notthoff, JurBüro 1998, 61, 62). Der Antragsgegner kann ein Hauptsacheverfahren nicht erzwingen. Es ist in aller Regel auch offen, ob ein solches Verfahren stattfindet. Es ist jedenfalls nach Einführung des § 494 a ZPO sachlich nicht zu rechtfertigen, den Antragsgegner auf einen möglichen materiellen Ausgleichsanspruch zu verweisen , zumal auch dieser sehr zweifelhaft ist und unter Umständen noch gerichtlich durchgesetzt werden müßte. Die gebotene Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO entspricht dem allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsatz, daß derjenige die Kosten eines Verfahrens zu tragen hat, der seinen Antrag zurücknimmt (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage bei Zurücknahme eines Antrags auf Gerichts-
standsbestimmung: BGH, Beschluß vom 5. Februar 1987 - I ARZ 703/86, MDR 1987, 735).
c) Vorstehende Erwägungen gelten jedenfalls in den Fällen, in denen die Rücknahme nicht auf einem Ereignis beruht, das das Interesse des Antragstellers an der Beweiserhebung entfallen läßt. Ob in diesen Fällen eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist (vgl. dazu OLG Hamburg, MDR 1998, 242), kann dahin stehen. Denn die Antragstellerin hat ein Ereignis in diesem Sinn nicht geltend gemacht. Sie hat die Rücknahme damit begründet, daß sie private Gutachter eingeschaltet hat, weil das Beweisverfahren zu lange dauert. Damit entfiel nicht die Möglichkeit, den gerichtlichen Beweis zu erheben und auch nicht das rechtliche Interesse der Antragstellerin an der Durchführung eines derartigen Verfahrens. Das selbständige Beweisverfahren dient auch dem Zweck der Prozeßbeschleunigung durch Vorwegnahme der Beweisaufnahme in einem gerichtlichen Verfahren, dessen Ergebnisse gemäß § 493 ZPO im Hauptsacheverfahren verwertet werden. Dieser Zweck war nicht entfallen. Die Klärungsbedürftigkeit bestand fort. Die Antragstellerin hat Vertragserfüllungsbürgschaften in Anspruch genommen und ihre vom Antragsgegner bestrittene Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet. Im übrigen hat sie selbst darauf hingewiesen, daß
der Antragsgegner prüft, inwieweit noch Werklohnansprüche bestehen, denen gegenüber die Antragstellerin die Mängel geltend machen würde.
Dressler Thode Kuffer Kniffka Bauner

Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

(1) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf der Verletzung des Bundesrechts oder einer Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.

(3) Die §§ 546, 547, 556 und 560 gelten entsprechend.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 20/09
vom
14. Juni 2010
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen
Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand
und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht
mit den nach dem Gesetz erforderlichen Gründen versehen (st. Rspr., vgl. BGH,
Sen.Beschl. v. 28. April 2008 - II ZB 27/07, NJW-RR 2008, 1455 Tz. 4
m.w.Nachw.).

b) Dies gilt auch für einen Beschluss, durch den die Berufung verworfen wird, weil
die Berufungssumme (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht erreicht wird.
BGH, Beschluss vom 14. Juni 2010 - II ZB 20/09 - LG Darmstadt
AG Lampertheim
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Juni 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Caliebe, Dr. Reichart,
Dr. Drescher und Dr. Löffler

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 30. November 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 4.000,00 €

Gründe:


1
I. Das Berufungsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die Berufung des Klägers gegen das am 1. Juli 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lampertheim verworfen, weil der Streitwert nur auf bis zu 300,00 € festgesetzt worden und die Berufung deshalb unzulässig sei. Zur Begründung hat es auf einen gerichtlichen Hinweis der Kammer vom 20. September 2009 sowie auf Beschlüsse des Beschwerdegerichts (25 T ) vom 1. September 2009 und vom 3. November 2009 Bezug genommen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.


2
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
3
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO).
4
2. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil er, wie der Kläger mit Recht beanstandet, nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.
5
a) Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz (§§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 6 ZPO) erforderlichen Gründen versehen (BGH, Sen.Beschl. v. 28. April 2008 - II ZB 27/07, WM 2009, 329 Tz. 4; v. 12. Juli 2004 - II ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78; v. 26. Januar 2009 - II ZB 6/08, NJW 2009, 1083 Tz. 10; BGH, Beschl. v. 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648). Das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Berufungsgericht festgestellt hat (§ 577 Abs. 2 Satz 1, 4, § 559 ZPO). Enthält der angefochtene Beschluss keine tatsächlichen Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Dies gilt gerade auch dann, wenn das Berufungsgericht die Berufung verwirft, weil die Berufungssumme (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht erreicht ist. Denn die Wertfestsetzung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen des ihm von § 3 ZPO eingeräumten Ermessens überschritten oder rechtsfehlerhaft von ihm Gebrauch gemacht hat, was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn das Berufungsgericht glaubhaft gemachte, bewertungsrelevante Tatsachen außer Acht gelassen oder nicht umfassend berücksichtigt hat (BGH, Sen.Beschl. v. 28. April 2008 aaO Tz. 4 m.w.Nachw.; Beschl. v. 31. März 2010 - XII ZB 130/09, juris Tz. 10).
6
b) Der angefochtene Beschluss des Landgerichts vom 30. November 2009, der die Unzulässigkeit der Berufung damit begründet, dass der Streitwert nur auf bis zu 300,00 € festgesetzt worden sei, lässt weder den Streitgegenstand noch die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen, zumal das amtsgerichtliche Urteil keinen Tatbestand enthält. Ihm kann, auch in der Zusammenschau mit der in Bezug genommenen Hinweisverfügung des Berufungsgerichts vom 30. September 2009, lediglich entnommen werden, dass nach Meinung des Berufungsgerichts auch der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteige. Die weitergehenden gesetzlichen Anforderungen an die Gründe einer Entscheidung werden jedoch nicht erfüllt. Weder in dem angefochtenen Beschluss noch in der Hinweisverfügung werden die Anträge und der für das Berufungsverfahren maßgebliche Sachverhalt mitgeteilt.
7
Diese Mängel werden durch den Verweis auf die Beschlüsse des Beschwerdegerichts vom 1. September 2009 und vom 3. November 2009 nicht behoben. Beide Entscheidungen sind im Verfahren über die Streitwertbeschwerde des Klägers von der Einzelrichterin der auch für das Berufungsverfahren zuständigen Zivilkammer getroffen worden. Die Bezugnahme auf diese - dem angefochtenen Beschluss nicht einmal beigefügten - Beschlüsse eines anderen Spruchkörpers in einem anderen Verfahren vermag die erforderliche Begründung des Beschlusses über die Verwerfung der Berufung nicht zu ersetzen.
8
Abgesehen davon genügen die genannten Beschlüsse auch inhaltlich den dargelegten, an einen Beschluss über die Verwerfung einer Berufung zu stellenden Anforderungen nicht. Aus den dort gemachten Ausführungen lässt sich zwar erschließen, dass Gegenstand des Rechtsstreits - in der 1. Instanz - die Feststellung der Mitgliedschaft des Klägers in dem beklagten Verein und die damit verbundenen Rechte und Pflichten seien, dass für die Bewertung des Interesses des Klägers, der erst im Mai 2008 eingetreten und mit Schreiben vom 28. Juli 2008 mit Wirkung zum 31. Dezember 2008 wieder gekündigt habe, die kurze Dauer seiner Mitgliedschaft von Bedeutung sei, dass sich auch unter Berücksichtigung seines Vortrags, er habe Interesse an einer Kandidatur als Vorstandsmitglied und als Delegierter des Vereins in der Landesdelegiertenversammlung , keine andere Beurteilung der Bedeutung seiner Mitgliedschaft ergebe , dass schließlich sein Vortrag, die Beendigung seiner Mitgliedschaft beim Beklagten sei mit einem erheblichen Mehraufwand an Fahrtkosten verbunden, weil die als Ersatz für den - lediglich 11 km von seinem Wohnort entfernten - Beklagten in Betracht kommende Ortsgruppe 30 km entfernt sei, im Hinblick auf die zahlreichen in Wohnortnähe befindlichen Ortsgruppen nicht überzeuge und dass sich der Hund des Klägers ohne Schwierigkeiten an einen anderen Schutzdiensthelfer gewöhnen könne. Welches Rechtsschutzziel die Parteien in beiden Instanzen verfolgt haben und welcher Sachverhalt für das Berufungsverfahren maßgebend ist und der Wertfestsetzung zugrunde liegt, ergibt sich hieraus nicht.
9
3. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, unter Berücksichtigung der von der Rechtsbeschwerde erhobenen Einwendungen gegen die in den Beschlüssen im Streitwertbeschwerdeverfahren zum Ausdruck kommende Sichtweise nunmehr den für die Bemessung der Beschwer maßgebenden , in der Rechtsbeschwerdebegründung unter Bezugnahme auf das Vor- bringen in den Vorinstanzen zusammengefassten Vortrag des Klägers vollständig zur Kenntnis zu nehmen und ihn vor dem Hintergrund der sich aus Sicht des Klägers durch eine Beendigung seiner Mitgliedschaft ergebenden Nachteile sachgerecht und ohne Verstoß gegen das Willkürverbot zu würdigen. Es wird hierbei ferner in den Blick zu nehmen haben, dass der Gesetzgeber in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG den Gegenstandswert einer durchschnittlichen nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit mit 4.000,00 € bemisst.
Goette Caliebe Reichart
Drescher Löffler
Vorinstanzen:
AG Lampertheim, Entscheidung vom 01.07.2009 - 3 C 174/09 (03) -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 30.11.2009 - 25 S 162/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 27/07
vom
28. April 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Beschluss des Berufungsgerichts, in dem die Berufung wegen Nichterreichens
der erforderlichen Beschwer verworfen wird, muss den maßgeblichen
Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand
und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen (Anschluss
an Sen.Beschl. v. 12. Juli 2004 - II ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78).
BGH, Beschluss vom 28. April 2008 - II ZB 27/07 - LG Nürnberg-Fürth
AG Nürnberg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 28. April 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Caliebe und Dr. Drescher

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 1. August 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 1.500,00 €

Gründe:

1
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
2
I. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO).
3
II. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil er nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.
4
1. Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz erforderlichen Gründen versehen (§§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 6 ZPO) (Sen.Beschl. v. 12. Juli 2004 - II ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78; BGH, Beschl. v. 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648). Das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt auszugehen, den das Berufungsgericht festgestellt hat (§§ 577 Abs. 2 Satz 1 und 4, 559 ZPO). Fehlen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Beschluss, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Das gilt insbesondere, wenn das Berufungsgericht die Berufung verwirft, weil die erforderliche Beschwer nicht erreicht ist. Die Wertfestsetzung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten hat oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Juli 2004 - V ZB 6/04, NJWRR 2005, 219) und/oder bewertungsrelevante, glaubhaft gemachte Tatsachen außer Acht gelassen hat (Sen.Beschl. v. 5. Februar 2001 - II ZB 7/00, NJW 2001, 1284; v. 5. März 2001 - II ZB 11/00, NJW-RR 2001, 929; Sen.Urt. v. 30. April 2001 - II ZR 328/00, ZIP 2001, 1734).
5
2. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts vom 1. August 2007 der noch nicht einmal einen Grund für die Verwerfung der Berufung benennt, lässt auch in der Zusammenschau mit dem darin in Bezug genommenen Beschluss vom 11. Juni 2007 weder den Streitgegenstand noch die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen, zumal das Urteil des Amtsgerichts keinen Tatbestand enthält.
6
Es kann lediglich darauf geschlossen werden, dass die Berufung verworfen wurde, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht übersteigt, da das Berufungsgericht am 11. Juni 2007 neben einer Hinweisverfügung, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 StPO (gemeint: ZPO) nicht übersteige und deshalb eine Verwerfung der Berufung beabsichtigt sei, einen Beschluss erlassen hat, mit dem der Wert des Beschwerdegegenstandes auf 490,00 € festgesetzt wurde. Die weiteren Anforderungen an die Gründe einer Entscheidung werden jedoch nicht erfüllt. Weder im Beschluss noch in der Hinweisverfügung vom 11. Juni 2007 werden die Anträge und der für das Berufungsverfahren maßgebliche Sachverhalt mitgeteilt. Den Ausführungen ist lediglich zu entnehmen, dass Gegenstand des Rechtsstreits der Ausschluss des Klägers aus dem Verein sei, dass mit der Vereinsmitgliedschaft keine oder nur geringfügige wirtschaftliche Interessen verbunden und keine besonderen gesellschaftlichen Interessen betroffen seien, weil der Zweck der Beklagten die Förderung des motorisierten und nicht motorisierten Wassersports sei und er jedermann offen stehe. Der Sachverhalt, der für das Berufungsverfahren maßgebend ist und der der Wertfestsetzung zugrunde liegt, kann daraus nicht entnommen werden.
7
Diese Mängel werden auch in dem angefochtenen Beschluss nicht behoben. Das Berufungsgericht verweist darin auf den "Hinweis vom 11. Juni 2007" und teilt ohne den Versuch, hierfür eine Begründung zu geben, mit, dass eine Änderung der Wertfestsetzung nach einer Prüfung der Einwände des Beklagten - sie können nicht von vorneherein als unzureichend oder neben der Sache liegend angesehen werden -, nicht veranlasst sei. Mit dem Vorbringen des Beklagten setzt sich das Berufungsgericht erkennbar nicht sachlich auseinander.
8
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, ohne Verstoß gegen Art. 103 GG den für die Bemessung des Werts der Beschwer maßgebenden Sachvortrag des Beklagten vollständig zur Kenntnis zu nehmen und ihn vor dem Hintergrund des Streits um die Wirksamkeit der Ausschließung und der durch eine Kassation dieser Maßnahme entstehenden Folgen sachgerecht zu würdigen.
Goette Kurzwelly Kraemer Caliebe Drescher
Vorinstanzen:
AG Nürnberg, Entscheidung vom 08.02.2007 - 34 C 8777/04 -
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 01.08.2007 - 15 S 2422/07 -

Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen.

(1) Die Insolvenzgläubiger haben ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden. Der Anmeldung sollen die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, in Abdruck beigefügt werden. Zur Vertretung des Gläubigers im Verfahren nach diesem Abschnitt sind auch Personen befugt, die Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes).

(2) Bei der Anmeldung sind der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben sowie die Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung, eine vorsätzliche pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht oder eine Steuerstraftat des Schuldners nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung zugrunde liegt.

(3) Die Forderungen nachrangiger Gläubiger sind nur anzumelden, soweit das Insolvenzgericht besonders zur Anmeldung dieser Forderungen auffordert. Bei der Anmeldung solcher Forderungen ist auf den Nachrang hinzuweisen und die dem Gläubiger zustehende Rangstelle zu bezeichnen.

(4) Die Anmeldung kann durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen, wenn der Insolvenzverwalter der Übermittlung elektronischer Dokumente ausdrücklich zugestimmt hat. Als Urkunde im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 kann in diesem Fall auch eine elektronische Rechnung übermittelt werden. Auf Verlangen des Insolvenzverwalters oder des Insolvenzgerichts sind Ausdrucke, Abschriften oder Originale von Urkunden einzureichen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.