Bundesgerichtshof Beschluss, 28. März 2008 - VI ZR 57/07

published on 28/03/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. März 2008 - VI ZR 57/07
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Previous court decisions
Landgericht Düsseldorf, 3 O 260/04, 25/08/2005
Oberlandesgericht Düsseldorf, 8 U 116/05, 25/01/2007

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 57/07
vom
28. März 2008
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. März 2008 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen und
die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerin vom 4. März 2008 gegen den Senatsbeschluss vom 19. Februar 2008 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:

1
Die statthafte (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 321a Rn. 5) und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet.
2
Nach Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte brauchen jedoch nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Beschluss vom 24. Februar 2005 - III ZR 263/04 - NJW 2005, 1432 f.). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfGE 21, 191, 194; 70, 288, 294; st.Rspr.). Nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO kann das Revisionsgericht von einer Begründung des Beschlusses, mit dem es über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet, absehen, wenn diese nicht geeignet wäre, zur Klärung der Vor- aussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Von dieser Möglichkeit hat der Senat im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht. Bei der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde hat er das mit der Anhörungsrüge der Klägerin als übergangen beanstandete Vorbringen in vollem Umfang geprüft, ihm aber keine, jedenfalls keine über einfache Rechtsfehler hinausgehenden Gründe für eine Zulassung der Revision entnehmen können.
3
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts würde ein Behandlungsfehler auch dann nicht vorliegen, wenn der frühere Zweitbeklagte tatsächlich gegen die entsprechende Leitlinie verstoßen haben sollte.
4
Leitlinien von ärztlichen Fachgremien oder Verbänden können (im Gegensatz zu den Richtlinien der Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen ) nicht unbesehen mit dem zur Beurteilung eines Behandlungsfehlers gebotenen medizinischen Standard gleichgesetzt werden. Sie können kein Sachverständigengutachten ersetzen und nicht unbesehen als Maßstab für den Standard übernommen werden. Letztendlich obliegt die Feststellung des Standards der Würdigung des sachverständig beratenen Tatrichters, dessen Ergebnis revisionsrechtlich nur auf Rechts- und Verfahrensfehler überprüft werden kann, also insbesondere darauf, ob ein Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze vorliegt, das Gericht den Begriff des medizinischen Standards verkannt oder den ihm unterbreiteten Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt hat (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl., B. Rn. 9a).
5
Das Berufungsgericht ist dem Sachverständigen gefolgt, der die herkömmliche "chirurgische Schule" zum Zeitpunkt der Operation der Klägerin letztlich nicht als standardwidrig bezeichnet hat. Dies ist eine tatrichterliche Würdigung in einem Einzelfall, die - auch unter Berücksichtigung des vermeintlich übergangenen Vorbringens - keinen Zulassungsgrund erkennen lässt.
6
Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung des Standards auch nicht in Abweichung zu der Senatsentscheidung vom 22. September 1987 - VI ZR 238/86 - NJW 1988, 763 f. einen falschen Maßstab angelegt. Nach dieser Entscheidung ist zwar der Zeitpunkt, von dem ab eine bestimmte Behandlungsmaßnahme veraltet und überholt ist, so dass ihre Anwendung nicht mehr dem einzuhaltenden Qualitätsstandard genügt und damit zu einem Behandlungsfehler wird, jedenfalls dann gekommen, wenn neue Methoden risikoärmer sind und/oder bessere Heilungschancen versprechen, in der medizinischen Wissenschaft im Wesentlichen unumstritten sind und deshalb nur ihre Anwendung von einem sorgfältigen und auf Weiterbildung bedachten Arzt verantwortet werden kann. Diese Voraussetzungen lagen aber nach den Feststellungen des sach- kundig beratenen Berufungsgerichts hier nicht vor. Danach ist bis heute noch nicht sicher, ob Operationen der Schilddrüse unter Darstellung des Nervus recurrens tatsächlich zu weniger Verletzungen dieses Nervs führen als Operationen nach der herkömmlichen "chirurgischen Schule". Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.08.2005 - 3 O 260/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.01.2007 - I-8 U 116/05 -

Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.08.2005 - 3 O 260/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.01.2007 - I-8 U 116/05 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
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published on 24/02/2005 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZR 263/04 vom 24. Februar 2005 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 321a F: 1. Januar 2005, § 564 a) § 321a ZPO in der Fassung des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember
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published on 22/12/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 239/10 vom 22. Dezember 2010 Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja ___________________________________ StGB § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, § 228 Zur erforderlichen Patientena
published on 13/04/2010 00:00

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published on 11/08/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZB 12/10 vom 11. August 2010 in dem Rechtsstreit Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. August 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Hessel, den Richter Dr. Ach
published on 03/07/2012 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 120/11 Verkündet am: 3. Juli 2012 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: n
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Annotations

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.