Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2007 - VI ZR 166/06

published on 16/01/2007 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2007 - VI ZR 166/06
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Landgericht Nürnberg-Fürth, 6 O 4689/05, 14/12/2005
Oberlandesgericht Nürnberg, 9 U 165/06, 18/07/2006

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 166/06
vom
16. Januar 2007
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Januar 2007 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 18. Juli 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert: 30.462,24 €

Gründe:

I.

1
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

II.

2
Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft davon abgesehen hat, ein Sachverständigengutachten zum Beweis dafür einzuholen, dass es unmöglich sei, 3 cm lange Blechschrauben aus der Dachluke in der Scheune des Beklagten auf das Silo des Klägers zu werfen, obwohl der Beklagte den entsprechenden Antrag im Schriftsatz vom 2. Mai 2006 in der Berufung und in der ersten Instanz vom 11. Juli 2005 gestellt hat. Das Berufungsgericht durfte nicht aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung zu Lasten des Beklagten die gegenteilige Feststellung treffen.
3
Zwar erfordert die Würdigung eines einfachen Sachverhalts regelmäßig keine spezielle Sachkunde und wird durch die Kenntnis allgemeiner Erfahrungssätze ermöglicht, die jeder im Laufe seines Lebens sammelt. Doch muss die eigene Sachkunde des Richters, die die Einholung eines Sachverständigengutachtens entbehrlich macht, den Parteien bekannt und im Urteil im Einzelnen dargelegt werden (vgl. Senatsurteile vom 21. März 2000 - VI ZR 158/99 - VersR 2000, 984, 985 und vom 13. Oktober 1970 - VI ZR 34/69 - VersR 1971, 129, 130). Schon daran fehlt es im Streitfall. Das Berufungsgericht legt die zur Beurteilung des streitigen Sachverhalts erforderlichen Kenntnisse nicht im Einzelnen dar, sondern verweist ohne weitere Begründung lediglich auf die eigene Sachkunde und Lebenserfahrung. Die Würdigung des vom Kläger behaupteten Sachverhalts wird aber nicht schon durch die Kenntnis allgemeiner Erfahrungssätze ermöglicht, die sich die Richter im Laufe ihres Lebens angeeignet haben mögen. Sie setzt eine physikalische Berechnung unter sachkundiger Berücksichtigung der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls (Gewicht der Schrauben, Entfernung der Giebelluke vom Silo und Wurfmöglichkeiten aus der Luke) voraus. Darauf weist der Beklagte zu Recht hin. Eine solche Berech- nung übersteigt das beim Berufungsgericht gemeinhin zu vermutende Laienwissen.
4
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre, ist das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 14.12.2005 - 6 O 4689/05 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 18.07.2006 - 9 U 165/06 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
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Annotations

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.