Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2006 - VI ZB 61/05

bei uns veröffentlicht am10.01.2006
vorgehend
Amtsgericht München, 343 C 38846/04, 08.04.2005
Landgericht München I, 17 S 9546/05, 29.07.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 61/05
vom
10. Januar 2006
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2006 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und
Stöhr

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 17. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 29. Juli 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 2.086,29 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien verlangen wechselseitig Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall. Das Amtsgericht hat der Klage mit Urteil vom 8. April 2005 stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Dieses Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 13. April 2005 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2005 haben die Beklagten Berufung eingelegt. Dieser Schriftsatz trägt einen Eingangsstempel der Allgemeinen Eingangsstelle V der Justizbe- hörden in M. mit dem Datum 14. Mai 2005. Auf Hinweis des Gerichts, dass die Berufung verspätet eingegangen sei, haben die Beklagten vorgetragen, Rechtsanwalt B. habe die Rechtsmittelschrift am 13. Mai 2005 vor 20.00 Uhr in den Nachtbriefkasten eingeworfen. Zum Beweis haben sie sich auf das Zeugnis von Rechtsanwalt B. bezogen. Des weiteren haben sie geltend gemacht, wegen des verlängerten Wochenendes sei nach Auskunft des Leiters der Einlaufstelle seinerzeit eine Zwischenleerung vorgenommen worden, weshalb nicht auszuschließen sei, dass der Umschlag mit der Berufung in den "falschen Kasten" gelangt sei.
2
Mit Beschluss vom 29. Juli 2005 hat das Landgericht die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Eingangskontrolle der Nachtbriefkästen sei nach dem Vortrag der Klägerin und des Drittwiderbeklagten so ausgestattet, dass Schriftsätze, die vor 24.00 Uhr eines jeweiligen Tages eingeworfen würden, das Eingangsdatum dieses Tages trügen. Dies entspreche auch der Erfahrung der Kammer. Da ein technischer Defekt nicht glaubhaft gemacht worden sei, gelte das aufgestempelte Eingangsdatum als objektives Beweismittel. Deshalb sei vorliegend davon auszugehen, dass die Berufungseinlegung erst am 14. Mai 2005 und damit verspätet erfolgt sei.
3
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beklagten mit der Rechtsbeschwerde.

II.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f. = NJW 1989, 1147; BVerfG NJW-RR 2002, 1004).
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
6
Das Berufungsgericht durfte die Berufung nicht mit der Begründung als unzulässig verwerfen, es sei von einem verspäteten Eingang der Berufungsschrift auszugehen, weil ein technischer Defekt des Nachtbriefkasten nicht glaubhaft gemacht worden sei. Das Berufungsgericht verkennt, dass für die Entscheidung der Frage, ob ein Rechtsmittel rechtzeitig eingelegt worden ist, die allgemeinen Regeln der Tatsachenfeststellung gelten. Dabei gilt der so genannte Freibeweis (BGH, Beschluss vom 15. September 2005 - III ZB 81/04 - NJW 2005, 3501). Deshalb können auch eidesstattliche Versicherungen als Beweismittel berücksichtigt werden. Da deren Beweiswert jedoch lediglich auf Glaubhaftmachung angelegt ist, wird dies zum Nachweis der Fristwahrung regelmäßig nicht ausreichen. Insoweit muss dann auf die Vernehmung der Beweispersonen - etwa des Rechtsanwalts oder seines Personals - als Zeugen oder auf andere Beweismittel zurückgegriffen werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99 - VersR 2000, 1129; vom 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02 - VersR 2004, 625 und vom 14. Juni 2005 - VI ZB 10/05, juris).
7
Im Streitfall haben sich die Beklagten zum Beweis ihrer Behauptung, die Berufungsschrift sei am 14. Mai 2005 in den Nachtbriefkasten eingeworfen worden (§ 418 Abs. 2 ZPO), auf das Zeugnis des Rechtsanwalts B. bezogen. Diesem Beweisantrag hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen. Des weiteren hätte es bei seiner Entscheidung auch den Vortrag der Beklagten berücksichtigen müssen, dass nach Auskunft des Leiters der Einlaufstelle an dem betreffenden Wochenende eine Zwischenleerung vorgenommen worden sei und deshalb nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Umschlag mit der Berufungsschrift in den "falschen Kasten" gelangt sei.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 08.04.2005 - 343 C 38846/04 -
LG München I, Entscheidung vom 29.07.2005 - 17 S 9546/05 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 418 Beweiskraft öffentlicher Urkunden mit anderem Inhalt


(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. (2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Lande

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2007 - XII ZB 37/06

bei uns veröffentlicht am 21.02.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 37/06 vom 21. Februar 2007 in dem Rechtsstreit Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 81/04
vom
15. September 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum im Wege des Freibeweises zu führenden Nachweis, dass die Prozesshandlung
- entgegen dem Eingangsstempel des angegangenen Gerichts - rechtzeitig erfolgt
ist.
BGH, Beschluss vom 15. September 2005 - III ZB 81/04 - LG Essen
AG Essen
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr
und Galke

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 26. November 2004 - 10 S 284/04 - wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerderechtszuges zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.197,12 €.

Gründe:


I.


Das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts ist der Kläger in am 15. Juni 2004 zugestellt worden. Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Die an sich am 16. August 2004 endende Frist zur Begründung der Berufung ist antragsgemäß bis zum 16. September 2004 verlängert worden. Die Klägerin hat die Berufung mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtig-
ten vom 16. September 2004 begründet; dieser Schriftsatz trägt den Eingangsstempel
"Landgericht Essen <= Berufungsgericht> Eing 17. SEP. 2004 N …"
Das Berufungsgericht hat den Prozessbevollmächtigten der K lägerin am 20. September 2004 darauf hingewiesen, die Berufungsbegründung sei am 17. September 2004, "mithin nach Fristablauf, eingegangen". Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat daraufhin vorgetragen und an Eides Statt versichert , der am 16. September 2004 ausgefertigte Berufungsbegründungsschriftsatz sei von ihm unter dem gleichen Datum auf dem Nachhauseweg in der Zeit zwischen 18.00 und 19.00 Uhr in den Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts geworfen worden. Zugleich hat er - aus denselben Gründen - hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Das Berufungsgericht hat eine dienstliche Äußerung der Wachtmeisterei eingeholt. Es hat diese und einen Abdruck der mit dem Eingangsstempel versehenen ersten Seite der Berufungsbegründung dem Vertreter der Klägerin zugeleitet und darauf hingewiesen, der Eingangsstempel weise den Zusatz "N" auf. Die eingehende Post werde dergestalt präsentiert , dass die bis mittags vorgelegte Post einen Eingangsstempel mit dem Zusatz "V" erhalte. Ab Mittag werde der Stempel umgestellt; dann erscheine neben dem Datum der Zusatz "N" als Symbol dafür, dass die Post erst nachmittags eingegangen sei. Der Anwalt der Klägerin hat daraufhin im Wesentlichen wiederholt, er habe den Schriftsatz vom 16. September 2004 noch an diesem Tag in den Fristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen.
Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgew iesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Zwar ist die in förmli cher Hinsicht nicht zu beanstandende Rechtsbeschwerde statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist aber nicht im Übrigen zulässig, weil Zulassungsgründe nicht vorliegen (§ 574 Abs. 2 i.V.m. § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO analog; vgl. Zöller/Gummer, ZPO 25. Aufl. 2005 § 574 Rn. 11).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert i m Streitfall die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Weder hat das Berufungsgericht Verfahrensgrundrechte der Klägerin verletzt noch grundlegend die Möglichkeit verkannt, den Gegenbeweis im Sinne des § 418 Abs. 2 ZPO und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu führen.
Die rechtzeitige Vornahme einer Prozesshandlung - hier die Rechtzeitigkeit der Berufungsbegründung - wird im Regelfall durch den Eingangsstempel des angegangenen Gerichts auf dem entsprechenden Schriftsatz nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis ist aber zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Er erfordert mehr als bloße Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO). Notwendig ist die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang, wobei allerdings die Anforderungen wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge nicht überspannt werden dürfen (st. Rspr., z.B. Senatsbeschluss vom 14. Juli
1987 - III ZB 20/87 - BGHR ZPO § 418 Abs. 2 Eingangsstempel 1; BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 1992 - XII ZB 100/92 - FamRZ 1993, 313, 314, vom 27. November 2002 - VIII ZB 45/02 - NJOZ 2003, 329, 330 und vom 14. Oktober 2004 - VII ZR 33/04 - NJW-RR 2005, 75).
Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, durch den Eingangsstempel sei nachgewiesen, dass die Berufungsbegründungsschrift am Nachmittag des 17. September 2004, mithin nach Ablauf der am Donnerstag, dem 16. September 2004 endenden Frist zur Berufungsbegründung, eingegangen sei. Dem hat es die eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenübergestellt, wonach er den Schriftsatz in den frühen Abendstunden des 16. September 2004 in den Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen habe, dies aber nicht für glaubhaft - geschweige denn für erwiesen - erachtet. Nicht auszuschließen sei zwar, dass bis 24.00 Uhr eingehende Post - hier die nach dem Vortrag der Klägerin am 16. September 2004 zwischen 18.00 und 19.00 Uhr eingeworfene Berufungsbegründung - aus Versehen den "Vormittagsstempel" des folgenden Tages ("17. September 2004 V") erhalte; wenig wahrscheinlich sei aber, dass sie - wie im Streitfall - erst den "Nachmittagsstempel" des folgenden Tages ("17. September 2004 N"), also die übernächste Einstellung des Stempels, erhalten haben könnte.
Gegen die Würdigung des Berufungsgerichts kann nicht ang eführt werden , es habe über die - allerdings karge - dienstliche Ä ußerung der Wachtmeisterei hinaus möglichen Gründen für eine fehlerhafte Stempelung nachgehen müssen. Dafür bot der Sachverhalt - anders als in den von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Entscheidungen (BGH, Beschlüsse vom 14. Okto-
ber 2004 aaO, vom 5. Oktober 2000 - X ZB 13/00 - NJW-RR 2001, 571 und vom 7. Oktober 1992 aaO) - keinen hinreichenden Anhalt. Die Klägerin hat, nachdem ihr die dienstliche Stellungnahme zur Kenntnis gebracht worden war, selbst nicht geltend gemacht, dass der Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert habe oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen sein könnten. Ihr Vorbringen erschöpfte sich im Grunde in der (eidesstattlich versicherten) Behauptung, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründungsschrift am 16. September 2004 in den Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen. Trotz gerichtlichen Hinweises auf die Ausgestaltung der Präsentation mittels Vor- und Nachmittagsstempel erhärtete sie ihren Vortrag und die eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten nicht, z.B. durch einen Vermerk ihres Prozessbevollmächtigten über die erfolgte "Zustellung" der Berufungsbegründung in dessen Handakten (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2004 aaO) oder durch einen entsprechenden Nachweis in dessen Postausgangsbuch (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2002 aaO S. 330 f).
Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich, dass das Ber ufungsgericht zu Recht die Berufung als unzulässig verworfen hat. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 77/02
vom
27. Mai 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Eines Wiedereinsetzungsantrags bedarf es nur dann, wenn eine der in § 233 ZPO
genannten Fristen versäumt wurde. Dies muß das Berufungsgericht klären, bevor es
über eine hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entscheidet.
BGH, Beschluß vom 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02 - LG Erfurt
AG Gotha
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Mai 2003 durch die Vor-
sitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und
Stöhr

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 9. September 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 1.088,21

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat die vom Kläger erhobene Klage durch Urteil vom 22. Mai 2002 abgewiesen. Die Zustellung dieses Urteils an den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers erfolgte mittels Empfangsbekenntnis gemäß § 212a ZPO a.F.. Das zu den Akten zurückgelangte, von dem Prozeßbevollmächtigten unterzeichnete Empfangsbekenntnis trägt das aufgestempelte Datum vom 1. Juni 2002; dabei handelte es sich um einen Samstag. Die Berufung des Klägers ist am 2. Juli 2002 beim Landgericht eingegangen und mit einem am 8. Juli 2002 eingegangenen Schriftsatz begründet worden.
Auf den Hinweis des Landgerichts, die Berufungseinlegung dürfte verfristet sein, hat der Kläger vorgetragen, die Berufung sei nicht verfristet und hilfsweise beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das amtsgerichtliche Urteil sei - wie auch in der Berufungsschrift angegeben - am 3. Juni 2002 zugestellt worden. Am Freitag, den 31. Mai 2002 habe eine Angestellte den Poststempel versehentlich auf den 1. Juni 2002 statt auf Montag, den 3. Juni 2002 umgestellt. Der das Empfangsbekenntnis unterzeichnende Rechtsanwalt habe das Versehen am Montag, den 3. Juni 2002, bei Vorlage der Akten mit der eingegangenen Tagespost nicht bemerkt. Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Das angefochtene Urteil sei dem Klägervertreter ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 1. Juni 2002 zugestellt worden. Wenn sich der Kläger nunmehr darauf berufe, dieses Datum sei versehentlich aufgestempelt worden, während die Zustellung tatsächlich erst am 3. Juni 2002 erfolgt sei, so vermöge dies den Wiedereinsetzungsantrag nicht hinreichend zu begründen. Die Fristversäumung sei gerade nicht ohne Verschulden im Sinne des § 233 ZPO erfolgt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, weil nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; NJW-RR 2002, 1004).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht durfte nicht offenlassen, ob das Berufungsurteil dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers wie im Empfangsbekenntnis ausgewiesen bereits am 1. Juni 2002 oder - wie vom Kläger vorgetragen – tatsächlich erst am 3. Juni 2002 zugestellt worden ist. Eines Wiedereinsetzungsantrags bedarf es nur dann, wenn eine der in § 233 ZPO genannten Fristen versäumt wurde, hier also die Berufung verspätet eingelegt worden ist. Nur dann wäre über den hilfsweise geltend gemachten Antrag auf Wiedereinsetzung zu entscheiden. Der ergangene Beschluß ist demgemäß schon deswegen aufzuheben, weil das Berufungsgericht insoweit keine Beweiswürdigung vorgenommen und keine Feststellungen getroffen hat. Die Auffassung des Berufungsgerichts, aus dem Versäumnis des Klägervertreters , das von seiner Angestellten versehentlich aufgestempelte Datum zu überprüfen, sei zu folgern, daß er das zugestellte Urteil mit dem Willen entgegengenommen habe, es als unter dem 1. Juni 2002 zugestellt gegen sich gelten zu lassen, ist bereits im Ansatz verfehlt. Die nach § 212a ZPO a.F. vorzunehmende Zustellung kann erst dann als bewirkt angesehen werden, wenn der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen und dies auch durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses beurkundet. Zustellungsdatum ist also der Tag, an dem der Rechtsanwalt als Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegengenommen hat (vgl. Senatsurteil vom 6. November 1984 - VI ZR 2/83 - VersR 1985, 142, 143; BGH, Beschluß vom 15. Juli 1998 - XII ZB 37/98 - NJWRR 1998, 1442, 1443 und Urteil vom 28. September 1994 - XII ZR 250/93 - FamRZ 1995, 799). Hierzu hat der Kläger unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen dargelegt, daß die Zustellung tatsächlich erst am 3. Juni 2002 erfolgt sei.
Zwar erbringt das Empfangsbekenntnis grundsätzlich Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit der Zustellung (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 24. April 2001 - VI ZR 258/00 - VersR 2001, 1262, 1263 und vom 18. Juni 2002 - VI ZR 448/01 - VersR 2002, 1171; BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 1996 - VII ZB 12/96 - NJW 1996, 2514, 2515 und vom 15. Juli 1998 - XII ZB 37/98 - aaO). Der Beweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben ist jedoch zulässig. An ihn sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Er verlangt, daß die Beweiswirkung des § 212a ZPO a.F. vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, daß die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können; hingegen ist der Beweis des Gegenteils nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (vgl. z.B. Senatsurteile vom 24. April 2001 - VI ZR 258/00 - aaO und vom 18. Juni 2002 - VI ZR 448/01 - VersR 2002, 1171 f.). Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Zustellungsdatums genügen nicht (BVerfG NJW 2001, 1563, 1564). Bei dieser Sachlage hatte das Berufungsgericht zu würdigen, ob der Kläger den Beweis für die Unrichtigkeit des im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustellungsdatums geführt hat mit der Folge, daß in diesem Fall die Berufungsfrist nicht versäumt worden wäre. Diese Prüfung wird das Berufungsgericht nachzuholen und dabei folgendes zu beachten haben: Eidesstattliche Versicherungen können als Beweismittel berücksichtigt werden, da für die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels - auch soweit es um die Rechtzeitigkeit der Einlegung und in diesem Rahmen um die Entkräftung des aus einem Empfangsbekenntnis ersichtlichen Zustellungsdatums geht - der sogenannte Freibeweis gilt. Ihr Beweiswert, der le-
diglich auf Glaubhaftmachung angelegt ist, wird aber zum Nachweis der Frist- wahrung regelmäßig nicht ausreichen. Insoweit muß dann auf die Vernehmung der Beweispersonen - etwa des Rechtsanwalts oder seines Personals - als Zeugen oder auf andere Beweismittel zurückgegriffen werden (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99 - VersR 2000, 1129).
Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 10/05
vom
14. Juni 2005
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juni 2005 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und
Stöhr

beschlossen:
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg vom 6. Dezember 2004 gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der vorgenannte Beschluß aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 4.500,00 €.

Gründe:


I.

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen eines behaupteten ärztlichen Behandlungsfehlers auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. Juli 2004 abgewiesen. Dieses Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 26. Juli 2004 zugestellt
worden. Mit Schriftsatz vom 26. August 2004 hat der Kläger Berufung eingelegt, Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. Oktober 2004 beantragt und um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren gebeten. Dieser Schriftsatz trägt einen Eingangsstempel des Landgerichts in blauer Farbe mit dem Datum 27. August 2004 und den Namenszug des Wachtmeisters G.. Auf Hinweis des Gerichts, daß die Berufung verspätet eingegangen sei, haben die Prozeßbevollmächtigten des Klägers Gegenvorstellung erhoben und vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, die Rechtsmittelschrift sei zusammen mit zwei weiteren Schriftsätzen aus anderen Verfahren in einen Sammelumschlag gesteckt und von der Angestellten W. am Abend des 26. August 2004 nach Dienstschluß in den Briefkasten der Justizbehörden B. eingeworfen worden. Zur Glaubhaftmachung hat sich der Kläger auf eidesstattliche Versicherungen der Mitarbeiterinnen P., W. und T. seiner Prozeßbevollmächtigten bezogen. Er hat geltend gemacht, die Schriftsätze aus den anderen Verfahren seien ausweislich der Eingangsstempel jeweils am 26. August 2004 bei Gericht eingegangen.
Das Landgericht hat nach Rücksprache mit dem Wachtmeister G. durch Beschluß vom 20. Oktober 2004, den Prozeßbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 29. Oktober 2004, die Gegenvorstellung und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt , die Gegenvorstellung sei, sofern sie überhaupt zulässig sei, jedenfalls unbegründet. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, daß die Berufungsschrift rechtzeitig bei Gericht eingegangen sei. Die eidesstattliche Versicherung von Frau W. stoße auf durchgreifende Zweifel. Schriftsätze, die nach Dienstschluß (in der Regel 15:30 Uhr) in den Nachtbriefkasten eingeworfen würden, erhielten am nächsten Morgen keinen blauen, sondern einen roten Eingangsstempel. Auch die beiden Schriftsätze der Prozeßbevollmächtigten des Klägers aus den anderen beiden Verfahren trügen rote Eingangsstempel. Am 26. Okto-
ber 2004 haben die Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit Zustimmung der Gegenseite um nochmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. November 2004 gebeten. Die Berufungsbegründung ist am 22. November bei Gericht eingegangen.
Mit Beschluß vom 6. Dezember 2004 hat das Landgericht die Berufung als unzulässig verworfen und den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beschluß, mit dem die Gegenvorstellung des Klägers und sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen worden seien, sei seit dem 29. November 2004 rechtskräftig, weil der Kläger dagegen keine Rechtsbeschwerde eingelegt habe.
Dem Kläger ist durch Beschluß des Senats vom 1. März 2005 - VI ZA 1/05 - für die Rechtsbeschwerde gegen den vorgenannten Beschluß des Landgerichts Bückeburg Prozeßkostenhilfe bewilligt worden. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers, dem der Beschluß des Senats am 8. März 2005 zugestellt worden ist, hat mit einem am 11. März 2005 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Schriftsatz Rechtsbeschwerde eingelegt, diese mit einem weiteren , am 1. April 2005 beim Bundesgerichtshof eingegangen Schriftsatz begründet und beantragt, dem Kläger wegen der Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

II.


Dem Kläger ist auf seinen innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu ge-
währen, da er ohne sein Verschulden, nämlich wegen seiner Mittellosigkeit, verhindert war, diese Fristen einzuhalten (§ 233 ZPO).

III.


1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, weil nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f. = NJW 1989, 1147; BVerfG NJW-RR 2002, 1004).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Das Berufungsgericht durfte die Berufung nicht mit der Begründung als unzulässig verwerfen, daß der Beschluß, mit dem der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen worden sei, rechtskräftig geworden sei, weil der Kläger dagegen keine Rechtsbeschwerde eingelegt habe. Das Berufungsgericht hat verkannt, daß es eines Wiedereinsetzungsantrags nur dann bedarf, wenn eine der in § 233 ZPO genannten Fristen versäumt wurde, hier also die Berufung verspätet eingelegt worden ist. Diese Frage ist vor der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag zu klären (vgl. Senatsbeschluß vom 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02 - VersR 2004, 625). Nur im Falle der Fristversäumung wäre über den hilfsweise geltend gemachten Antrag auf Wiedereinsetzung zu entscheiden gewesen. Der angefochtene Beschluß ist demgemäß schon deswegen aufzuheben, weil das Berufungsgericht in dieser Entscheidung keine Beweiswürdigung bezüglich der Rechtzeitigkeit des Rechtsmitteleingangs vorgenommen und dazu keine Feststellungen getroffen hat.

b) Soweit das Berufungsgericht in seinem Beschluß vom 20. Oktober 2004 gemeint hat, der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, daß die Berufungsschrift rechtzeitig bei Gericht eingegangen sei, verkennt es, daß für die Entscheidung der Frage, ob eine Berufung rechtzeitig eingelegt worden ist, die allgemeinen Regeln der Tatsachenfeststellung gelten. Dabei können zwar eidesstattliche Versicherungen als Beweismittel berücksichtigt werden, denn für die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels - auch soweit es um die Rechtzeitigkeit der Einlegung geht - gilt der sogenannte Freibeweis. Der Beweiswert eidesstattlicher Versicherungen, der lediglich auf Glaubhaftmachung angelegt ist, wird aber zum Nachweis der Fristwahrung regelmäßig nicht ausreichen. Insoweit muß dann auf die Vernehmung der Beweispersonen - etwa des Rechtsanwalts oder seines Personals - als Zeugen oder auf andere Beweismittel zurückgegriffen werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99 - VersR 2000, 1129 und vom 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02 - VersR 2004, 625). Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.