Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Apr. 2003 - VI ZB 54/02

bei uns veröffentlicht am01.04.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 54/02
vom
1. April 2003
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. April 2003 durch die Vor-
sitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 2) wird der Beschluß des 17. Zivilsenats (Einzelrichter) des Oberlandesgerichts Köln vom 16. August 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 1.155,86

Gründe:

I.

Der Beklagte zu 2) wurde im vorliegenden Rechtsstreit als Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1) auf Schadensersatz wegen der angeblich bei einem Verkehrsunfall entstandenen Schäden in Anspruch genommen. Noch vor Klageerhebung beauftragte er einen Privatgutachter mit Feststellungen dazu, ob es sich um einen fingierten Unfall handele. Nach Klageerhebung wandte er dies zu seiner Rechtsverteidigung ein. Der Kläger nahm die Klage zurück, nachdem das Landgericht einen Beweisbeschluß erlassen hatte. Der Beklagte zu 2) hat im Rahmen der Kostenfestsetzung die Erstattung der für die Einschaltung des Privatgutachters aufgewendeten Kosten verlangt. Die Rechts-
pflegerin hat die Festsetzung insoweit abgelehnt, da es an der Prozeßbezogen- heit dieser Aufwendungen fehle. Die dagegen von dem Beklagten zu 2) eingelegte sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht durch den Einzelrichter zurückgewiesen. Der Einzelrichter hat die Prozeßbezogenheit der vorprozessual von einem Haftpflichtversicherer zur Aufklärung eines möglichen Versicherungsbetrugs aufgewendeten Privatgutachterkosten ebenfalls verneint und - wegen des Streits über diese Frage - zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der Beklagte zu 2) sein Begehren weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie von dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zugelassen worden ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die angefochtene Einzelrichterentscheidung unterliegt jedoch der Aufhebung , weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. 1. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluß vom 13. März 2003 (IX ZB 134/02 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) entschieden, daß die Entscheidung des originären Einzelrichters eines Beschwerdegerichts in einer Sache , der er rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimißt, auf die von ihm zugelassene Rechtsbeschwerde von Amts wegen der Aufhebung unterliegt. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt: Der Einzelrichter müsse Sachen , denen er grundsätzliche Bedeutung beimißt, zwingend nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO dem Beschwerdegericht in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung zur Entscheidung übertragen. Der Begriff der grund-
sätzlichen Bedeutung umfasse auch die in § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genannten Fälle der Rechtsfortbildung und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Die Entscheidung von Rechtssachen mit grundsätzlicher Bedeutung sei dem Einzelrichter schlechthin versagt. Verneine er einerseits die Zuständigkeit des Kollegialgerichts und bejahe er andererseits die Zulassungsvoraussetzungen für die Rechtsbeschwerde in ein und derselben Entscheidung, sei diese offene Unvereinbarkeit stets als objektiv willkürlich anzusehen. Das Beschwerdegericht , dessen Einzelrichter die Rechtsbeschwerde zulasse, sei falsch besetzt. Damit werde das Gebot des gesetzlichen Richters grundlegend verkannt. Die Nichtübertragung des Verfahrens auf das voll besetzte Beschwerdegericht erfülle die Voraussetzungen der objektiven Willkür, sie sei offensichtlich unvertretbar und liege außerhalb der Gesetzlichkeit, so daß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt sei. Ein darauf beruhender Beschluß sei - ungeachtet des § 568 Satz 3 ZPO - durch das Rechtsbeschwerdegericht aufzuheben, und zwar im öffentlichen Interesse an der Wahrung der Funktionsfähigkeit des Rechtsbeschwerdeverfahrens von Amts wegen. Dem schließt der Senat sich an. Der Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters nötigt auch im vorliegenden Fall zur Aufhebung des mit der Rechtsbeschwerde angegriffenen Beschlusses. Eine abweichende Entscheidung ist nicht deshalb möglich, weil sich der Einzelrichter für seine Auffassung zur fehlenden Erstattungsfähigkeit der Privatgutachterkosten auf eine Rechtsprechung des Senats des Beschwerdegerichts, dem er angehört, hat stützen können. Steht ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters fest, ist für Differenzierungen im Einzelfall kein Raum. 2. Der Senat weist ergänzend darauf hin, daß Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben müssen (BGH, Beschluß vom 20. Juni 2002 - IX
ZB 56/01 - NJW 2002, 2648 f.). Es besteht Anlaß dies erneut hervorzuheben, weil immer wieder Beschlüsse vorgelegt werden, die eine ausreichende Darstellung der zugrunde gelegten Tatsachen vermissen lassen. Der hier angefochtene Beschluß enthält keinen gesonderten Sachbericht und läßt auch im Zusammenhang der Rechtsausführungen möglicherweise nicht alle für die rechtliche Beurteilung relevanten Umstände erkennen. Letztlich kommt es für das vorliegende Rechtsbeschwerdeverfahren wegen des unter 1 dargelegten Aufhebungsgrundes nicht mehr darauf an. 3. Schließlich weist der Senat darauf hin, daß er in dem Beschluß vom 17. Dezember 2002 (VI ZB 56/02 - EBE/BGH 2003, 58 f., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) Grundsätze zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines vorprozessual beauftragten Sachverständigen aufgestellt hat. Diese werden bei der neuen Entscheidung des Beschwerdegerichts über die sofortige Beschwerde zu berücksichtigen sein.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Apr. 2003 - VI ZB 54/02

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Apr. 2003 - VI ZB 54/02

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Apr. 2003 - VI ZB 54/02 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 568 Originärer Einzelrichter


Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Apr. 2003 - VI ZB 54/02 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Apr. 2003 - VI ZB 54/02 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2002 - VI ZB 56/02

bei uns veröffentlicht am 17.12.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 56/02 vom 17. Dezember 2002 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1 Zum Anspruch auf Erstattung von Kosten eines vorprozessual beauftragten Privatsachverständigen. BG
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Apr. 2003 - VI ZB 54/02.

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Apr. 2003 - VI ZB 79/02

bei uns veröffentlicht am 08.04.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 79/02 vom 8. April 2003 in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. April 2003 durch die Vor- sitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr beschlos

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Apr. 2003 - VI ZB 67/02

bei uns veröffentlicht am 08.04.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 67/02 vom 8. April 2003 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. April 2003 durch die Vor- sitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und St

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Apr. 2003 - VI ZB 42/02

bei uns veröffentlicht am 29.04.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 42/02 vom 29. April 2003 in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richte

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2003 - VI ZB 7/03

bei uns veröffentlicht am 24.06.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 7/03 vom 24. Juni 2003 in der Rechtsanwaltsvergütungssache Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2003 durch die Vorsitzen- de Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und

Referenzen

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 56/02
vom
17. Dezember 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Zum Anspruch auf Erstattung von Kosten eines vorprozessual beauftragten Privatsachverständigen.
BGH, Beschluß vom 17. Dezember 2002 - VI ZB 56/02 - OLG Köln
LG Köln
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2002 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
sowie die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 27. Mai 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 3.781,-

Gründe:

A.

Der Kläger hat die Beklagte als Haftpflichtversicherer eines an einem Unfall beteiligten Kraftfahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Beklagte befürchtete u.a. aufgrund der Einlassung des Klägers, es könne sich um einen in Betrugsabsicht gestellten Antrag handeln, mit dem für bereits vor dem Unfall vorhandene Schäden Ersatz begehrt werde; auch hegte sie den Verdacht, der Unfall sei im Zusammenwirken mit ihrem Versicherungsnehmer herbeigeführt worden. Am 8. Mai 2001 beauftragte sie den Sachverständigen B. mit der Erstellung eines Gutachtens dazu, welche Schäden durch den behaup-
teten Unfall verursacht worden seien. B. hat sein Gutachten nach der im Juli 2001 erhobenen Klage unter dem 9. September 2001 fertiggestellt. Die Be- klagte hat ihre Klageerwiderung auf dieses Gutachten gestützt. Der Kläger hat die Klage nach Zustellung der Terminsverfügung und der Klageerwiderung zurückgenommen. Den Antrag der Beklagten, die durch die Beauftragung des Sachverständigen B. entstandenen Kosten in Höhe von 7.395 DM (= 3.781 Kläger festzusetzen, hat der Rechtspfleger mit Kostenfestsetzungsbeschluß vom 18. Januar 2002 zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Festsetzung der Kosten für das Privatgutachten weiter.

B.

I. Das Oberlandesgericht hat zur Zurückweisung der Beschwerde im wesentlichen ausgeführt, die Kosten für das Gutachten seien nicht erstattungsfähig ; es fehle an der dafür erforderlichen unmittelbaren Prozeßbezogenheit dieser Aufwendungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts könnten die Kosten eines vorprozessual beauftragten Privatsachverständigen nur dann den Kosten eines Prozesses zugeordnet werden, wenn diese Aufwendungen zu einem konkret bevorstehenden Rechtsstreit in unmittelbarer Beziehung gestanden hätten und dessen Vorbereitung und Förderung dienen sollten. Das sei nicht der Fall, wenn das Privatgutachten - wie hier - dem Auftraggeber Klarheit über bestimmte Voraussetzungen seiner Rechtsposition verschaffen und Erkenntnisse für sein künftiges Verhalten liefern solle.
Daß die Klage noch vor Fertigstellung des Gutachtens erhoben worden sei, stelle nicht nachträglich die Prozeßbezogenheit des Gutachtens her. Zwar sei Gegenstand des Rechtsstreits nach Ansicht der Beklagten ein versuchter Versicherungsbetrug gewesen; das rechtfertige aber entgegen einer in der Rechtsprechung verschiedentlich vertretenen Auffassung keine andere Beurteilung. Auch in einem solchen Fall könne ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang mit dem Rechtsstreit erst nach einem unbedingten Entschluß zur Prozeßführung bejaht werden, der hier bei Auftragserteilung nicht gegeben gewesen sei. II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Nr. 2, 104 Abs. 3, 568 ZPO) und zulässig (§§ 575 Abs. 1 und 2, 551 Abs. 2 Satz 5 und 6, 577 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Beschwerdegericht geht im Ansatz zutreffend davon aus, daß der unterlegene Kläger die dem Gegner erwachsenen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten hat, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren (§§ 91 Abs. 1 Satz 1, 103 Abs. 1 ZPO). 1. In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit darüber, daß die Kosten für vorprozessual erstattete Privatgutachten nur ausnahmsweise als Kosten des Rechtsstreits angesehen werden können. Insoweit genügt es nicht, wenn das Gutachten irgendwann in einem Rechtsstreit verwendet wird, sondern das Gutachten muß sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozeß in Auftrag gegeben worden sein. Deshalb sind diejenigen Aufwendungen, die veranlaßt werden, bevor sich der Rechtsstreit einigermaßen konkret abzeichnet, nicht erstattungsfähig (vgl. OLG Bamberg, VersR 1981, 74 f.; JurBüro 1985, 617; OLG Bremen, VersR 1982, 362; OLG Frankfurt, VersR 1996, 122; OLGR 1998, 384; OLG Hamm, JurBüro
1992, 818; OLG München, JurBüro 1992, 172; MDR 1992, 415 f.; OLG Karlsruhe , VersR 1994, 1206 f.; OLG Koblenz, JurBüro 1989, 1701 f.; JurBüro 1991, 247; JurBüro 1994, 421 f.; JurBüro 1995, 36 f.; zfs 2002, 298; OLG Köln, Rechtspfleger 1990, 526; r+s 1994, 118; OLG Rostock, VersR 2001, 1534 f.; OLG Stuttgart, JurBüro 1985, 122 f.; VersR 2001, 1535; OLG Zweibrücken, JurBüro 1983, 1399). Der vorliegende Sachverhalt nötigt nicht zur Entscheidung der umstrittenen Frage, ob für die Annahme der Prozeßbezogenheit schon ein sachlicher Zusammenhang zwischen Gutachten und Rechtsstreit ausreichend ist (vgl. OLG Frankfurt, OLGR 2000, 11 f.; OLG Hamburg, MDR 1992, 194 f.), ob zusätzlich ein enger zeitlicher Zusammenhang erforderlich ist (vgl. OLG Hamburg, JurBüro 1988, 761 f.; JurBüro 1990, 1468, 1469; JurBüro 1991, 1105, 1106; OLG Hamm, OLGR 1994, 142 f.; Musielak/Wolst, ZPO 3. Auflage, § 91 Rn. 59; ablehnend Mümmler, JurBüro 1988, 762) oder ob ein langer zeitlicher Zwischenraum sogar als ein Indiz für fehlenden sachlichen Zusammenhang (vgl. OLG München, JurBüro 1992, 172 f.) zu werten ist. Das dem Rechtsstreit zugrundeliegende Gutachten ist zwar vor Zustellung der Klage in Auftrag gegeben , aber erst nach Zustellung der Klage erstellt worden. Damit ist ein Zweifel an einem ausreichend engen zeitlichen Zusammenhang nicht gegeben. Allerdings wird ein Privatgutachten entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht schon durch seine Vorlage im Rechtsstreit „prozeßbezogen“. § 91 Abs. 1 ZPO sieht eine Erstattungspflicht nur für die dem Gegner erwachsenen „Kosten des Rechtsstreits“ vor. Damit soll verhindert werden, daß eine Partei ihre allgemeinen Unkosten oder prozeßfremde Kosten auf den Gegner abzuwälzen versucht und so den Prozeß verteuert. Jede Partei hat grundsätzlich ihre Einstandspflicht und ihre Ersatzberechtigung in eigener Verantwortung zu prüfen und den dadurch entstehenden Aufwand selbst zu tragen. Deshalb
genügt die Vorlage eines in anderem Zusammenhang erstellten Gutachtens allein nicht. Die Tätigkeit des Privatsachverständigen muß vielmehr in unmittelbarer Beziehung zu dem Rechtsstreit stehen. Im vorliegenden Fall ist das Gutachten für den konkreten Rechtsstreit eingeholt worden und damit „unmittelbar prozeßbezogen“. Das Beschwerdegericht legt seiner abweichenden Auffassung zugrunde, es könne unbedenklich davon ausgegangen werden, daß die Beklagte sich bei Beauftragung des Sachverständigen noch nicht schlüssig gewesen sei, ob und inwieweit sie ihre Haftung für die vom Kläger geltend gemachten Schäden anerkennen oder ob sie die Schadensersatzansprüche ganz oder teilweise als ungerechtfertigt zurückweisen solle. Das Bemühen der Beklagten um Aufklärung des Sachverhalts lasse nämlich den Schluß zu, daß sie das Gutachten zu den Ursachen und zur Höhe des Schadens in Auftrag gegeben habe, um sich die für die Prüfung ihrer Einstandspflicht notwendige Gewißheit zu verschaffen. Das zeige, daß die Beklagte im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen noch nicht entschlossen gewesen sei, es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Kläger ankommen zu lassen, und daß das Privatgutachten nicht prozeßbezogen sei. Diese Folgerung hält rechtlicher Überprüfung jedoch nicht stand, weil sie von falschen Voraussetzungen ausgeht. Die Rechtsbeschwerde rügt nämlich mit Recht, das Oberlandesgericht habe verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt, daß zum Zeitpunkt des Gutachtensauftrags am 8. Mai 2001 bereits die Klage angedroht war (§§ 575 Abs. 3 Nr. 3 lit. b, 577 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Unter diesen Umständen kann die Prozeßbezogenheit des Privatgutachtens nicht verneint werden. Im Hinblick auf die konkrete Klageandrohung kann die Beauftragung des Privatsachverständigen und der hiermit verbundene Kostenaufwand nicht den allgemeinen Betriebskosten zugerechnet werden, die grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind. Viel-
mehr liegt auf der Hand, daß das Privatgutachten nicht nur einer etwaigen außergerichtlichen Schadensfeststellung dienen, sondern auch die Position des Auftraggebers in dem ihm angedrohten Rechtsstreit stützen sollte (vgl. OLG Bamberg, VersR 1981, 74, 75; OLG Frankfurt, Rechtspfleger 1980, 392, 393; AnwBl. 1981, 114; VersR 1996, 122; OLG Hamm, JurBüro 1992, 818; OLG München, NJW 1972, 2273 f.; a.A. OLG Karlsruhe, VersR 1980, 337, 338; OLG Köln, r+s 1994, 118). Das genügt zur Bejahung unmittelbarer Prozeßbezogenheit. Eine ausschließliche Ausrichtung des Gutachtenauftrags auf den konkreten Prozeß ist nicht erforderlich. 2. Der Auftrag an den Privatsachverständigen war im konkreten Fall auch notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Die Beurteilung dieser Frage hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei diese die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Unter diesem Blickpunkt kommt eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens dann in Betracht, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage ist (vgl. OLG Bamberg, JurBüro 1980, 132 f.; JurBüro 1983, 1097; JurBüro 1989, 1568 f.; OLG Düsseldorf, JurBüro 1981, 436 f.; OLG Frankfurt, Rechtspfleger 1990, 182; OLG Hamburg, JurBüro 1981, 439, 440; OLG Hamm, Rechtspfleger 1973, 28; NJW-RR 1996, 830, 831; Kammergericht, JurBüro 1972, 63; JurBüro 1989, 813, 815; OLG Karlsruhe, JurBüro 1992, 746; OLG Koblenz, Rechtspfleger 1978, 328; JurBüro 1988, 878; JurBüro 1992, 611; OLG Köln, JurBüro 1978, 1075 f.). Das kann der erkennende Senat unter den gegebenen Umständen bejahen , ohne daß es hierzu noch tatsächlicher Feststellungen bedarf. Maßgeblich
ist, daß die Beklagte aufgrund des Klägervortrags den Verdacht hatte, es liege ein Versicherungsbetrug vor. In solchen Fällen gestaltet sich für den beklagten Versicherer der Nachweis eines versuchten Versicherungsbetrugs erfahrungsgemäß schwierig. Der Versicherer wird in der Regel selbst nicht die Sachkenntnis besitzen, die erforderlich ist, um eine Verursachung der geltend gemachten Schäden durch den Unfall mit hinreichender Sicherheit und Überzeugungskraft auszuschließen. Er bedarf daher regelmäßig sachverständiger Hilfe, um den zur Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlichen Vortrag halten zu können , und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, zunächst die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht abzuwarten. Vielmehr ist es in einem solchen Fall zweckmäßig, wenn die Partei sich sachkundig beraten läßt, ehe sie vorträgt (vgl. OLG Düsseldorf, OLGR 1992, 331, 332; DAR 2002, 125, 126; OLG Koblenz, JurBüro 1991, 247 f.). Aus diesem Grund ist die Erstattung von Kosten eines Privatgutachtens in vergleichbaren Fällen von der Rechtsprechung mehrfach bejaht worden (vgl. OLG Düsseldorf, DAR 2002, 125; OLG Frankfurt, OLGR 1996, 216; SP 2000, 323 f.; Kammergericht, AGS 1999, 63, 64; OLG Koblenz, Rechtspfleger 2002, 483). Dem schließt der Senat sich an.
Gleichwohl kann in der Sache nicht abschließend entschieden werden, weil der Kläger gegen die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten Einwendungen erhoben hat, auf die das Beschwerdegericht - folgerichtig - bisher nicht eingegangen ist.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll